Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie frist- und formgerecht eingelegt worden. im Sinne des § 151
Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Der Beschwerdewert von 750
EUR wird erreicht (12 x 121,45
EUR).
Die Berufung erweist sich als unbegründet.
Das Urteil des SG ist zutreffend, die Bescheide des Beklagen
bzw. der Rechtsvorgängerin vom 19. Juni 2007 und 23. November 2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. Januar 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Januar 2008 und 29. Januar 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. März 2009 und 7. Juli 2009 sind insoweit rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf eine höhere Regelleistung nebst Mehrbedarfen und Zuschlägen.
Der Beklagte ist beteiligtenfähig. Das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung (§ 44b
Abs. 1 Satz 1
SGB II i. d. F. vom 3. August 2010 tritt in laufenden gerichtlichen Verfahren ab 1. Januar 2011
gem. § 76
Abs. 3 Satz 1
SGB II n. F. als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisher verklagten Arge.
Der Kläger hat die Klage wirksam (
vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010, Az.
B 4 AS 59/09 R - Juris) auf die in den Bescheiden geregelten Teile des Alg II beschränkt, die als Hilfe zum Lebensunterhalt dienen, da er nach den erteilten Änderungsbescheiden keine höheren Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung mehr begehrt. Letztere sind daher nicht Gegenstand der Klage und der Prüfung des Senats.
Die Bescheide sind in dem angefochtenen Umfang nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht im Sinne des § 54
Abs. 2
S. 1
SGG in seinen Rechten.
Der Kläger ist dem Grunde nach leistungsberechtigt. Gemäß § 19
S. 1
SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II
u. a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7
Abs. 1
S. 1
SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 9
Abs. 1
SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger gehört nach seinem Alter grundsätzlich zu dem Kreis der Leistungsberechtigten und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Er war in dem betreffenden Zeitraum auch erwerbsfähig. Dies zieht er auch selbst nicht in Zweifel. Der Senat folgt insoweit der sozialmedizinischen Einschätzung der Diplom-Medizinerin G ... Danach kommen für den Kläger zwar nur Tätigkeitsprofile für hochgradig Sehbehinderte in Betracht. Da der Kläger aber einen sog. "Blindenberuf" als Masseur und Physiotherapeut erlernt hat, könne er diesen vollschichtig ausüben. Anhaltspunkte, dass dies nicht zutreffen könnte, bestehen nicht. Die vom Kläger vorgebrachten weiteren Einschränkungen der Sehfähigkeit, die zu der Begutachtung geführt haben, wirkten sich auf die anderen Berufe aus (Informatikkaufmann). Die weitere starke gesundheitliche Verschlechterung hat nach Darstellung des Klägers erst nach dem streitgegenständlichen Zeitraum eingesetzt und zu einer anderen gesundheitlichen Einschätzung in dem Gutachten von August 2009 geführt. Erst ab dem 1. November 2009 erhält der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Regelleistung für den Kläger betrug nach § 20
Abs. 2
i. V. m.
Abs. 4
SGB II ab dem 1. Juli 2007 347
EUR. Trotz der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Höhe der Regelleistungen sind die Bestimmungen bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung weiter anzuwenden (
vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, Az. 1 BvL 1/09 - zitiert nach juris). Hinzu kommt der Zuschlag nach § 24
SGB II in maximaler Höhe für das zweite Jahr nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges in Höhe von noch 80
EUR.
Bei der Berechnung des Leistungsanspruchs des Klägers ist neben der Regelleistung kein Mehrbedarf zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für den geltend gemachten Mehrbedarf "wegen Behinderung" nach § 21
Abs. 4
SGB II. Die Voraussetzungen für andere Mehrbedarfe im Sinne des § 21
SGB II - der einzigen in Betracht kommenden Regelung - liegen bei dem Kläger nicht vor. Einen Mehrbedarf gemäß § 21
Abs. 4
S. 1
SGB II (in der Fassung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I
S. 1706) erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33
SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach
§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, in Höhe von 35 vom Hundert der nach § 20
SGB II maßgebenden Regelleistung.
Nach dem Wortlaut setzt die Gewährung eines Mehrbedarfs nicht nur eine Behinderung voraus, so dass es sich nicht um einen Mehrbedarf "wegen Behinderung" handelt. Vielmehr erfordert die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs neben der Behinderung die Erbringung weiterer Hilfen wie etwa den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Nach dem insgesamt klaren Wortlaut ("erbracht werden") genügt es nicht, dass gegebenenfalls ein Anspruch auf weitere Teilhabeleistungen besteht (
vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2008, Az.
B 11b AS 19/07 R m.w.N. - Juris). Der zudem vom
BSG herangezogene Gedanke, dass die Leistungen nach § 21
Abs. 4
SGB II gegenüber den Leistungen der Teilhabe nur nachrangig erbracht werden, überzeugt den Senat. Nur bei einer Teilnahme an einer Maßnahme kann typisiert vorausgesetzt werden, dass ein Mehraufwand eintritt, der durch Einstellung eines Mehrbedarfs in die Berechnung des Gesamtbedarfs auszugleichen ist (
vgl. auch
BSG, Urteil vom 22. März 2010, Az. B 4 AS 59/09 R - Juris). Nur die tatsächliche Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme, die grundsätzlich geeignet ist, einen Mehrbedarf beim Betroffenen auszulösen, rechtfertigt einen solchen Ausgleich. Die Formulierung in Satz 2 des § 21
Abs. 4
SGB II "Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen" zeigt auf, dass sich die Leistungserbringung innerhalb eines organisatorischen Rahmens vollziehen muss, der eine Bezeichnung als Maßnahme rechtfertigt. Daher genügen bloße kurze Kontaktaufnahmen
bzw. Hilfen, die nicht über die allgemeine Beratung hinausgehen und keine organisatorische Verfestigung in einer strukturierten Maßnahme erfahren, nicht (
BSG a.a.O.). Für den Maßnahmebegriff ist dabei auf das Arbeitsförderungsrecht abzustellen. Kontaktaufnahmen mit Beratungen, die aufgrund der allgemeinen Beratungs- und Unterstützungspflicht des Leistungsträgers nach (§§ 13, 14 des Sozialgesetzbuches Erster Teil - Allgemeiner Teil -
SGB I) sowie der besonderen Beratungsverpflichtung im
SGB II nach § 14 Satz 1
SGB II erfolgen, sind noch nicht geeignet, einen gesonderten Bedarf hervorzurufen (
vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 -
B 4 AS 3/10 R). Dem schließt sich der Senat an. Es muss abgegrenzt werden zwischen speziellen Maßnahmen für Rehabilitanden und den Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Hilfebedürftige auf der anderen Seite. Solche besonderen Beratungsangebote können beispielsweise durch den Integrationsfachdienst im Rahmen einer regelförmigen Maßnahme erbracht werden. Bei einer intensiven Unterstützung durch den Integrationsfachdienst mit zweimal monatlichen persönlichen Kontakten kann dies der Fall sein (insoweit zurück verwiesen zur weiteren Sachaufklärung
BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 59/09 R -
a. a. O.).
Solche regelförmige Maßnahmen, die über die allgemeine Beratung für Nichtrehabilitaden hinausgeht, hat es im fraglichen Zeitraum nicht gegeben. Der Kläger ist lediglich - unter Berücksichtigung seiner besonderen gesundheitlichen Voraussetzungen beraten worden. Die Bewertung der Beratungs- und Betreuungsleistungen des Beklagten als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben scheitert bereits daran, dass es sich insoweit nicht um Leistungen im Rahmen einer regelförmigen Maßnahme handelt. Die vorgelegten Vermerke über Vorsprachen zeigen, dass die Beratung inhaltlich auf die gesundheitlichen Probleme des Klägers eingegangen ist. Es finden sich aber keine Hinweise auf Trainingsmaßnahmen, Profilingmaßnahmen
o. ä., die tatsächlich durchgeführt worden sind. An einer solchen Maßnahme hatte der Kläger nur vor dem hier relevanten Zeitraum vom 11. Dezember 2006 bis 8. Januar 2007 teilgenommen. Weitere Maßnahmen wären aber Voraussetzung für den Mehrbedarf. Die aus den Beratungsvermerken ersichtlichen Beratungs- und Betreuungsleistungen hingegen erfolgten aufgrund der allgemeinen Beratungs- und Unterstützungspflichten des Leistungsträgers nach §§ 13, 14
SGB I und den besonderen Beratungsverpflichtungen im Rahmen des Förderauftrages des Grundsicherungsrechts nach § 14 Satz 1
SGB II. Es hat auch keine regelförmige Maßnahme unter Beteiligung des Integrationsfachdienstes gegeben. Die Intensität lag (abzüglich der Vorsprache wegen der Leistungsfortzahlung) bei neun Mal in zwölf Monaten. Auch der in den Vermerken dokumentierte Inhalt geht nicht über das hinaus, was Gegenstand der allgemeinen Vermittlungsaktivitäten ist.
Die Beratung und Betreuung des Klägers oder die Angebote für die Förderung eines Arbeitgebers, der den Kläger anstellt, durch den Beklagten können auch nicht als sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes qualifiziert werden. Solche sonstigen Hilfen dürfen qualitativ nicht hinter den Anforderungen der sonstigen in § 21
Abs. 4
SGB II genannten Maßnahmen zurückstehen und müssen sich von den in § 33
SGB IX genannten Maßnahmen unterscheiden (
vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 3/10 R). Die anzuerkennenden Beratungs- und Betreuungsleistungen sind wie oben dargelegt bereits in § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX erfasst. Es ist kein Raum mehr nicht anzuerkennende Beratungs- und Betreuungsleistungen nach § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX als sonstige Hilfen anzuerkennen. Auch die Übernahme der Bewerbungskosten ist keine sonstige Hilfe. Diese Kostenerstattung steht sämtlichen Hilfebedürftigen zu (
§ 45 SGB III i. V. m. § 16
SGB II).
Der Kläger hat in dem streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum auch keine Eingliederungshilfen nach § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1-3
SGB XII erhalten.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II nicht vor.
Einen darüber hinausgehenden allgemeinen Mehrbedarf für behinderte Menschen sehen die Vorschriften des
SGB II für erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht vor. Die für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige bestehende Vorschrift des § 28
Abs. 1 Satz 3
Nr. 4
SGB II bzw. § 30
Abs. 1
SGB XII kann nicht analog für erwerbsfähige SGB II-Hilfebedürftige angewendet werden (
BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 -
B 4 AS 29/09 R - zitiert nach juris). Es fehlt eine planwidrige Regelungslücke, da es der gesetzgeberischen Intention entsprach, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zugänglich zu machen. Es handelt sich auch ausweislich der Gesetzesmotive um eine planmäßige allein auf die Erwerbsunfähigen bezogene Regelung (
vgl. BSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen). In der Begrenzung dieses Mehrbedarfs auf erwerbsunfähige Hilfebedürftige kann auch kein Verstoß gegen
Art. 3
GG gesehen werden. Der "Erwerbszentrierung" und die Möglichkeiten der erweiterten Förderung (Eingliederungsleistungen
usw.) von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stellt eine hinreichende sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung dar.
Ein unabweisbarer laufender, nicht nur einmaliger Bedarf, dessen Deckung zur Sicherung des Existenzminimums zwingend erforderlich ist aus
Art. 1 des Grundgesetzes (
GG)
i. V. m.
Art. 20
GG (
vgl. hierzu
BVerfG Entscheidung vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09
u. a. - zitiert nach juris) ist vorliegend nicht zu erkennen. Anhaltspunkte für einen solchen besonderen Bedarf bestehen nicht. Der Kläger hat auch auf Nachfragen zu den auszugleichenden konkreten Aufwendungen nichts vorgetragen, was eine weitere Ermittlung erfordert hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
Abs. 1 und 4
SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine Gründe für die Zulassung im Sinne des § 160
Abs. 2
SGG vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.