Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54
Abs. 1, 4, 56
SGG) zulässig und begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 15.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat für den Zeitraum der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme einen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II.
Nach § 21
Abs. 4 Satz 1
SGB II wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach
§ 33 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Für die erwerbsfähige Klägerin ist ein
GdB von 50 anerkannt, weshalb sie als schwerbehindert im Sinne des
§ 2 Abs. 2 SGB IX gilt. Mit den Beteiligten geht die Kammer im Hinblick auf den laufenden SGB II-Bezug der Klägerin auch von ihrer hilfebedürftig aus. Unstreitig bezog die Klägerin zwar weder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33
SGB IX noch Leistungen der Eingliederungshilfen nach
§ 54 SGB XII. Sie bezog vielmehr Leistungen nach § 16
SGB II i.V.m. § 77 Abs. 4 SGB III a.F. in Form eines Bildungsgutscheins. Diese Leistungen sind nach Auffassung der Kammer jedoch als "sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" im Sinne des § 21
Abs. 4
SGB II anzusehen, weshalb der Klägerin der begehrte Mehrbedarf zusteht.
Die Kammer folgt dabei nicht der Auffassung des Beklagten, dass nur dann eine Maßnahme im Sinne des § 21
Abs. 4
SGB II vorliege, wenn diese einen unmittelbaren Bezug zu der bestehenden Behinderung aufweise und es Ziel der jeweiligen Maßnahme sein müsse, die behinderungsbedingten Vermittlungshemmnisse zu beseitigen oder zu verringern.
Die Auffassung des Beklagten findet weder im Wortlaut des § 21
Abs. 4
SGB II noch in der von vom Beklagten zitierten Rechtsprechung Rückhalt.
Der Wortlaut des § 21
Abs. 4
SGB II spricht zunächst nur von erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes erbracht werden. Die Vorschrift selbst enthält mithin das vom Beklagten behauptete Kausalitätserfordernis nicht. Der Wortlaut legt nach Auffassung der Kammer vielmehr nahe, dass danach ein Mehrbedarf für Behinderte bei der Teilnahme an jeglichen Maßnahmen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben gewährt werden soll.
Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 22.03.2010, Az.:
B 4 AS 59/09 R und 06.04.2011, Az.:
B 4 AS 3/10 R).
Die Entscheidung vom 22.03.2010 befasste sich lediglich mit der Frage, welche Form der Leistungserbringung durch den Leistungsträger gegenüber Behinderten als "Maßnahme" im Sinne des § 21
Abs. 4
SGB II aufzufassen sei. Das
BSG entschied dort, dass der Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II die Leistungserbringung innerhalb eines organisatorischen Rahmens voraussetze, der eine Bezeichnung als "Maßnahme" rechtfertigt. Im dortigen Fall suchte der dortige Kläger zweimal monatlich eine private Arbeitsvermittlung auf. Dieser Fall ist auf die hiesige Konstellation nicht übertragbar, weil die Klägerin hier an einem mehrmonatigen jeweils ganztägigen Kurs zur Erlangung der Fähigkeit als Alltagsbegleiterin für Demenzkranke teilnahm. Dieser Kurs ist nach Auffassung der Kammer unproblematisch als "Maßnahme" im Sinne des § 21
Abs. 4
SGB II zu qualifizieren.
Auch aus der weiteren von dem Beklagten benannten Entscheidung des
BSG vom 06.04.2011 (Az.: B 4 AS 3/10 R) ergibt sich nach Auffassung der Kammer keine Bestätigung der von dem Beklagten vertretenen Rechtsauffassung. Das
BSG entschied dort, dass sich die Frage, ob es sich bei einer Maßnahme um eine solche zur Teilhabe am Arbeitsleben handelt, die eine Mehrbedarfsleistung nach dem
SGB II auslösen kann, nach deren Inhalt und Schwerpunkt entscheide. Das
BSG verneinte dies für den Fall der Erbringung bloßer allgemeiner Beratungs- und Unterstützungsleistungen des Leistungsträgers, weil dieser hierzu nach § 14
SGB I ohnehin verpflichtet sei. Das
BSG erklärte, auch eine "sonstige Hilfe" im Sinne des § 21
Abs. 4
SGB II müsse über die allgemeine Unterstützungsaufgabe des SGB II- Trägers hinausgehen. Auch diese Entscheidung bringt für die hiesige Fallkonstellation keine weiteren Erkenntnisse, weil die Klägerin hier an einer Maßnahme zur Erlangung der Fähigkeit als Alltagsbegleiter für Demenzkranke teilnahm, welche selbstredend über die allgemeinen Beratungs- und Unterstützungsleistungen des Beklagten hinausging. Soweit das
BSG dort im Übrigen die Teilnahme an einer Psychotherapie als mehrbedarfsauslösend ablehnte, ist auch dies auf den hiesigen Fall nicht übertragbar.
Soweit ersichtlich, findet die Auffassung des Beklagten auch in der einschlägigen Kommentarliteratur keine Stütze. Dort wird jeweils nur auf das Erfordernis des berufsbezogenen Schwerpunkts der Maßnahmen abgestellt, nicht jedoch auf die Behinderungsbedingtheit der Maßnahme (
vgl. etwa: Behrend in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 49, 50; Münder in: LPK-SGB II, 3. Aufl., § 21 Rn. 22, 23). Ein direkter Bezug zur Erlangung eines Arbeitsplatzes war hier gegeben, weil die Klägerin eine Ausbildung mit dem Ziel der Qualifizierung als Begleiterin für Demenzkranke absolvierte.
Neben dem Wortlaut (s.o.) orientiert sich die Kammer bei ihrer Auffassung auch am Sinn und Zweck des § 21
Abs. 4
SGB II. Sein Grundgedanke dürfte sein, dass bei bestimmten Gruppen von Hilfebedürftigen (hier: Behinderten) und besonderen Bedarfssituationen (hier: Teilnahme an einer Maßnahme) von vornherein feststeht, dass nach der Wertung des Gesetzgebers der in der Regelleistung pauschalierte Bedarf den besonderen Verhältnissen nicht gerecht wird (so auch
BSG, Urteil vom 06.04.2011 a.a.O., Juris Rn. 14 und 24).
Ähnlich wie hier urteilte auch
LSG Niedersachsen-Bremen in einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 01.11.2011, Az.: L 9 AS 477/10). Das
LSG hielt dort im Fall einer kaufmännischen Ausbildung eines Behinderten § 21
Abs. 4
SGB II für einschlägig und erklärte, die geförderte Maßnahme müsse keine behindertenspezifischen Elemente aufweisen. Der Charakter der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sei nicht unter Berücksichtigung des Inhalts der Maßnahme, sondern anhand der Zielrichtung der Maßnahme zu bestimmen. Eine einschränkende Auslegung im Sinne des Berufungsklägers sei weder der Regelung des § 21
Abs. 4
SGB II noch der Regelung des § 33 SGB entnehmen. Die Leistung müsse erforderlich sein, um die Leistungs- und Erwerbsfähigkeit eines behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen zu fördern.
Diese Ausführungen hält auch die Kammer aus den vorgenannten Gründen für zutreffend.
Da der Regelsatz bis zum 31.12.2010 lediglich 359,00
EUR betrug, war für den Zeitraum vom 18.10.2010 bis 10.12.2010 den Berechnungen ein Mehrbedarf von 125,65
EUR monatlich zugrunde zu legen. Für diesen Zeitraum kommt der Kläger daher ein Anspruch auf 209,41
EUR zu. Ab dem 01.01.2011 betrug der Regelsatz 364,00
EUR, woraus sich ein Mehrbedarf von 127,40
EUR monatlich ergibt. Für den Zeitraum vom 17.01.2011 bis 19.08.2011 ergibt sich daraus ein Betrag von 852,52
EUR, mithin insgesamt ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 1.061,93
EUR.
Aus der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids resultiert auch die Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten, § 54
Abs. 2 Satz 1
SGG.
Nach alledem war der Klage wie tenoriert zu entsprechen. Da ein Mehrbedarf kein eigenständiger Streitgegenstand sein kann, waren der streitgegenständliche (Änderungs-)Bescheid aufzuheben und die für den streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Leistungsbescheide vom 18.05.2010, 15.12.2010, 26.03.2011, 18.05.2011 und 17.01.2012 (
vgl. Bl. 24
ff. der Gerichtsakte) abzuändern.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193
SGG.