Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124
Abs. 2
SGG entscheiden.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat im Zeitraum vom 08.01.2011 bis 25.04.2011 einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem
SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ohne Anrechnung des Vermögens. Er ist deshalb durch die ablehnende Entscheidung des Beklagten mit Bescheid vom 02.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2011 beschwert im Sinne von § 54
Abs. 2 Satz 2
SGG.
Der streitgegenständliche Zeitraum bemisst sich nach seinem Antrag vom 25.04.2011 auf Gewährung von Leistungen nach dem
SGB II nach Ablauf seines
ALG I-Anspruchs (ab 08.01.2011) bis zum 25.04.2011, da er ab diesem Zeitpunkt eine berufliche Rehabilitation begonnen hat.
Der Kläger ist Berechtigter im Sinne des
SGB II. Nach § 7
Abs. 1
SGB II erhalten Leistungen nach dem
SGB II Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).
Der am 00.00.1978 geborene Kläger erfüllt mit seinem Alter und seinem Wohnsitz in T die Voraussetzungen 1 und 4 des § 7
Abs. 1
SGB II.
Obwohl der Kläger blind ist und einen
GdB von 100 hat, ist von einer Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne § 8
SGB II auszugehen. Hiernach ist
gem. § 8
Abs. 1
SGB II erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbarer Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Kläger hat sich in der Vergangenheit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befunden. Im Obrigen bestimmt § 44a
SGB II: "Die Agentur für Arbeit stellt fest, ob der Arbeitsuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Teilt der kommunale Träger oder ein anderer Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, die Auffassung der Agentur für Arbeit nicht, entscheidet die Einigungsstelle. Bis zur Entscheidung der Einigungsstelle erbringt die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende."
Ein solches Feststellungsverfahren hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit des Klägers ist vorliegend nicht eingeleitet worden, so dass von Erwerbsfähigkeit des Klägers auszugehen ist.
Der Kläger ist auch hilfebedürftig im Sinne von §§ 7
Abs. 1
Nr. 3, 9
SGB II.
Nach § 9
Abs. 1
SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Im streitgegenständlichen Zeitraum bezog der Kläger nach Auslaufen seines
ALG I-Anspruchs am 07.01.2011 lediglich Blindengeld nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG) in Höhe von 608,96 Euro monatlich.
Als Vermögenswerte wies der Kläger nach:
a) Girokonto bei der Stadtsparkasse T S-Giro Q1 000000: 1255,06
EUR, b) Tagesgeldkonto bei der Stadtsparkasse T, S-D 0000000: 5727,83
EUR, c) Konto bei der Deutschen Bank, Ktnr.: 0000000000: 1076,00
EUR.
Weder das erzielte laufende Einkommen (Blindengeld) noch das vorhandene Vermögen in Höhe von insgesamt 8058,89 Euro können eine fehlende Hilfebedürftigkeit des Klägers begründen, so dass von einer Hilfebedürftigkeit im streitigen Zeitraum auszugehen ist.
Das monatlich erzielte Blindengeld in Höhe von 608,96 Euro monatlich stellt kein zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11
SGB II dar.
Nach § 11
Abs. 1
SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder in Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem
SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Nach § 11
Abs. 3
SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen
1. Einnahmen, soweit sie als a) zweckbestimmte Einnahmen, b) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem
SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem
SGB II nicht ge- rechtfertigt wären,
2. Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches geleistet werden.
Das Blindengeld gehört zu Zuwendungen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem
SGB II dienen
gem. § 11
Abs. 3
Nr. 1b
SGB II (so. auch Mecke in SGB II-Kommentar Eicher, 3 Aufl., § 11 Rd.-Nr.: 81) und ist somit nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Auch eine Berücksichtigung des über den Freibetrag von 5550,00 Euro überschießenden Vermögens in Höhe von 2508,89 Euro (8058,89 Euro - 5550,00 Euro) kommt vorliegend nicht in Betracht.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei dem angesparten Vermögen in Höhe von insgesamt 8058,89 Euro um angespartes Blindengeld handelt. Dies hat der Kläger schlüssig vorgetragen und dieser Vortrag ist von dem Beklagten auch unwidersprochen akzeptiert worden. Die Kammer hatte auch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der den Freibetrag überschießende Vermögensanteil in Höhe von 2508,89 Euro aus ersparten Blindengeld stammt. Dem Kläger wurde von dem Landschaftsverband Rheinland ab 01.03.2007 Blindengeld bewilligt (damals laufend 588,00 Euro) und einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2928,00 Euro überwiesen. Seit diesem Zeitraum erhält der Kläger monatliches Blindengeld in Höhe von knapp 600,00 Euro.
Vor Beantragung der Leistungen erhielt der Kläger 1166,00 Euro
ALG I und konnte von diesem Betrag offensichtlich lediglich seinen eigenen Lebensbedarf sicherstellen und den monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 272,00 Euro für seinen Sohn leisten. Weiteres Geld zum Ansparen konnte demnach nur aus dem Blindengeld erfolgen.
Aus den dem Gericht vorgelegten Kontoauszügen für November bis Dezember 2011 ergibt sich, dass der Kläger per Dauerauftrag unter der Zweckbestimmung "Sparen für Eigentum" monatlich 200,00 Euro auf sein Sparkonto überweist und monatlich 26,00 Euro vermögenswirksam spart. Unter Zugrundelegung der Tatsache, dass es sich bei dem Vermögen um angespartes "Blindengeld" handelt, ist dieses Vermögen nicht zu berücksichtigen, da die Verwertung für den Kläger eine persönliche Härte bedeuten würde.
Nach § 12
Abs. 3
Nr. 6
SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen "Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde."
Das von dem Kläger angesparte Blindengeld unterfällt nach Auffassung der Kammer der Härteregelung in § 12
Abs. 3
Nr. 6
SGB II, so dass es nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist. Der Zweck der "Härteregelung" ist es, eine Möglichkeit zu schaffen, besondere Härtefälle angemessen zu lösen (Bundestagsdrucksache 15/1749, Seite 32). Dadurch soll - ähnlich wie § 88
Abs. 3 Satz 1 BSHG (jetzt § 90
Abs. 3 Satz 1
SGB XII) dem Hilfebedürftigen ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit belassen und so ein wirtschaftlicher Ausverkauf und eine Lähmung des Selbsthilfewillens verhindert werden (zum BSHG Bundesverwaltungsgericht 23, 149, 158).
Der Begriff der "besonderen Härte" ist nach dem Regelungszweck und anhand der Leitvorstellung auszulegen, die den ausdrücklichen Ausnahmen von der Berücksichtigung nach § 12
Abs. 3 Satz 1
SGB II, § 4
Abs. 1
ALG II - Verordnung zugrundeliegen. Eine Härte liegt demnach vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie
z. B. Art, Schwere, Dauer der Hilfe, das Alter, der Familienstand oder die sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seinen Angehörigen eine typische Vermögenslage zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (
BSG vom 11.12.2007, Az.:
B 8/9b SO 20/06 R m.w.N.).
Das Landesblindengesetz dient nach § 1
Abs. 1 GHBG (Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose vom 17.12.1997) dem Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen.
So hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 20/06 R zur Anwendung der Härteregelung bei angesparten Blindengeld im Rahmen der Sozialhilfe (§ 88
Abs. 3 Satz 1 BSHG) ausgeführt: "Der Zweck des Blindengeldes allein rechtfertigt es zwar noch nicht, den Einsatz oder die Verwertung des aus Blindengeld angesparten Vermögens als objektive Härte anzusehen. Hinzu kommt aber, dass das Blindengeld unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen gezahlt wird. Dieser Umstand und die Tatsache, dass es pauschal ohne Rücksicht auf einen im einzelnen Fall nachzuweisenden Bedarf gezahlt wird, lassen nämlich den Schluss zu, dass der Gesetzgeber mit dem Blindengeld nicht allein einen wirklichen und erfahrungsgemäß vorhandenen wirtschaftlichen Bedarf (typisierend) steuern, sondern mit dem Blindengeld auch Mittel zur Befriedigung laufender und immaterieller Bedürfnisse des Blinden ermöglichen wollte. Hierdurch wird dem Blinden die Gelegenheit eröffnet, sich trotz Blindheit mit seiner Umgebung vertraut zu machen, mit eigenen Mitteln Kontakt zur Umwelt zu pflegen und am kulturellen Leben teilzunehmen. Dabei bleibt es dem Blinden überlassen, welchen blindheitsbedingten Bedarf er mit dem Blindengeld befriedigen will. Art und Umfang des Bedarfs hängen auch von seinen persönlichen Wünschen ab. Ob der Blinde das Blindengeld tatsächlich bestimmungsgemäß verwendet, ist dabei nicht zu prüfen. Darüberhinaus gibt das GHBG keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass das Blindengeld für die blindheitsbedingten Mehraufwendungen des laufenden Monats oder jedenfalls zeitnah zu solchen Aufwendungen einzusetzen ist. Angesichts der Tatsache, dass Art und Umfang des Bedarfs auch von den persönlichen Wünschen des Blinden abhängt, liegt es auf der Hand, dass eine zweckentsprechende Verwendung auch dann gegeben ist, wenn der Blinde eine Anschaffung in höherem Wert tätigt, die nicht durch das laufende Blindengeld, sondern nur durch ein Ansparen ermöglicht werden ...Das angesparte Blindengeld wird also, wenn es nicht verbraucht wird, nicht zweckneutral, sondern dient auch weiterhin dem blindheitsbedingten Mehrbedarf, dessen Art und Umfang von den persönlichen Wünschen des Betroffenen abhängt, ohne dass geprüft werden dürfte, ob es tatsächlich bestimmungsgemäß verwendet wird.
Die Kammer folgt den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 11.12.2007 in vollem Umfang und hat keine Bedenken, diese Rechtsprechung aus dem Bereich der Sozialhilfe (BSHG) in das
SGB II zu übertragen. Sowohl die Sozialhilfe als auch das
SGB II dienen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 1
Abs. 1 BSHG/§ 1 Satz 1 und 2
SGB XII/§ 1
Abs. 1 Satz 2
SGB II). Für die Härtefallregelung des § 12
Abs. 3
Nr. 6
SGB II kann deshalb nichts anderes gelten, als im Rahmen des vom Bundessozialgericht entschiedenen Falles bezüglich § 88
Abs. 3 Satz 1 BSHG, welches ebenfalls eine Härtefallregelung darstellt.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist es deshalb nach Auffassung der Kammer unschädlich, dass der Kläger monatlich 200,00 Euro mit der Zweckbestimmung "Sparen für Eigentum" auf sein Sparbuch überweist, denn es obliegt ihm alleine, den Verwendungszweck zu bestimmen, wenn die Gewährung des Blindengeldes eine Dispositionsfreiheit auch beim laufenden Blindengeld zulässt.
Insgesamt erfüllt der Kläger damit die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen im Zeitraum vom 08.01.2011 bis zum 25.04.2011 und hat deshalb einen Anspruch auf Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.