Die Berufung der Klägerin, mit der sie bei verständiger Würdigung (vgl § 123
SGG) ihren erstinstanzlich gestellten Antrag auf SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011 weiter verfolgt, ist begründet. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II.
Leistungen nach den §§ 20, 22
SGB II erhalten gemäß § 7
Abs. 1 Satz 1
SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (
Nr. 1), die erwerbsfähig (
Nr. 2) und hilfebedürftig (
Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (
Nr. 4). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum vom 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011. Insbesondere war sie trotz ihrer Epilepsieerkrankung erwerbsfähig iSv § 8
Abs. 1
SGB II, denn sie war nach der auch von den Beteiligen nicht in Zweifel gezogenen ärztlichen Einschätzung des V-Klinikums vom 19. Januar 2011 (
Prof. Dr. S) in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit kommt es allein auf eine medizinische Betrachtung des abstrakten Leistungsvermögens an. Unerheblich ist, ob die Klägerin aufgrund der zeitlichen Bindungen durch ihr (Teilzeit)Studium in der Lage war, neben dem Studium mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, denn im Rahmen von § 8
Abs. 1
SGB II besteht ein Leistungsausschluss nur für Personen, die aus medizinischen Gründen (wegen Krankheit oder Behinderung) auf absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Demgemäß werden auch Schüler, die keine nach dem
BAföG förderungsfähige Erstausbildung zurücklegen (etwa weil sie zu Hause leben), grundsätzlich nach dem
SGB II gefördert, selbst wenn diese Ausbildung ihre Arbeitskraft voll in Anspruch nimmt. Ob die Klägerin gegebenenfalls ihr Studium hätte abbrechen müssen, um einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist keine Frage ihrer Erwerbsfähigkeit nach § 8
Abs. 1
SGB II, sondern richtet sich nach der Zumutbarkeit der Aufnahme einer Arbeit iSv § 10
SGB II. Da es sich bei dem von der Klägerin im streitigen Zeitraum absolvierten weiterbildenden Studium um eine weitere Ausbildung auch iSv § 7
Abs. 2
BAföG gehandelt haben dürfte (vgl Bescheid des Studentenwerks B vom 11. Januar 2011 im Verfahren auf Gewährung von Leistungen nach dem BAföG), dürfte diese Ausbildung als Zweitstudium keinen wichtigen Grund für die Unzumutbarkeit einer Arbeit darstellen. Leistungen nach dem
SGB II können unter diesem Gesichtspunkt jedoch nur unter den Voraussetzungen der §§ 31 ff
SGB II abgesenkt werden bzw ganz wegfallen. Dass die Klägerin neben ihrem Studium keine existenzsichernde Arbeit verrichtete und möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen auch nicht verrichten konnte, steht jedoch nicht generell einem Leistungsanspruch entgegen. Eine Einstellung von Leistungen nach dem aus dem Recht des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - (
SGB III) entnommenen Gesichtspunkt der "fehlenden Verfügbarkeit" ist im
SGB II nicht vorgesehen.
Die Klägerin war in der Zeit vom 1. März 2011 bis 31. Oktober 2011 auch hilfebedürftig. Denn ungeachtet in Ansatz zu bringender Freibeträge reichte ihr erzieltes monatliches Einkommen iHv 395,28
EUR aus ihrer Tätigkeit als studentische Hilfskraft jedenfalls nicht aus, um ihren Bedarf zu decken (Regelleistung iHv 364,-
EUR monatlich zzgl angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 325,-
EUR monatlich). Die von den Eltern der Klägerin als Darlehen gewährten Zahlungen für Wohnung und Krankenversicherung sind insoweit nicht als Einkommen zu berücksichtigen, weil sie mit einer Rückzahlungsverpflichtung behaftet waren (vgl
BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - B 4 AS 46/11 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 45). Bereits zum Bundessozialhilfegesetz war anerkannt, dass die Hilfe eines Dritten den Sozialhilfeanspruch dann nicht ausschließt, wenn der Dritte vorläufig - gleichsam anstelle des Sozialhilfeträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens - nur deshalb einspringt, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat Dem sind der 14. und 4. Senat des
BSG gefolgt (
BSG vom 6. Oktober 2011 - B 14 AS 66/11 R - und 27. September 2011 - B 4 AS 202/10 R - sowie vom 22. November 2011 - B 4 AS 204/10 R - alle juris). Die Zuwendungen der Eltern der Klägerin erfüllen im streitigen Zeitraum diese Voraussetzungen, weil sie nach den in den Verwaltungsakten dokumentierten Erklärungen der Eltern in der Erwartung der Rückzahlung und im Vertrauen auf einen bestehenden, lediglich noch nicht erfüllten Alg II-Anspruch der Klägerin erfolgt sind (sog Substitution).
Von dem Leistungsausschluss nach § 7
Abs. 5
SGB II in der bis 31. März 2012 geltenden und hier anwendbaren Fassung wird die Klägerin nicht erfasst. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des
BAföG oder der
§§ 60 bis
62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, bis auf die Leistungen nach dem mWv 1. April 2011 in Kraft getretenen § 27
SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das Teilzeitstudium der Klägerin war dem Grunde nach aber nicht förderungsfähig nach dem BAföG.
Der Ausschlussregelung des § 7
Abs. 5
SGB II liegt die Erwägung zu Grunde, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem
BAföG oder eine Förderung gemäß den §§ 60 bis 62 bzw - seit 1. April 2012 - den §§ 51, 57 und 58
SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und die Grundsicherung nach dem
SGB II nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung im
SGB II soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine - versteckte - Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen. Ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig nach dem
BAföG ist, richtet sich allein nach abstrakten Kriterien; unbeachtlich sind in der Person des Auszubildenden liegende individuelle Versagens- oder Ausschlussgründe (vgl st Rspr des
BSG; Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 102/11 R - juris; Urteil vom 27. September 2011 - B 4 AS 160/10 R = SozR 4-4200 § 26 Nr 2; Urteil vom 1. Juli 2009 -
B 4 AS 67/08 R - juris; Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 28/07 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 9; Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS36/06 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 6), zB wegen der Staatsangehörigkeit (vgl § 8 BAföG) oder des Überschreitens der Regelaltersgrenze (vgl § 10
Abs. 3 BAföG). Die Prüfung, ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig nach dem
BAföG ist, richtet sich nach § 2
BAföG (vgl dazu
BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 24/09 R - juris). § 2
BAföG regelt - von den Besonderheiten des Fernunterrichts (vgl § 3 BAföG) und der Ausbildungen im Ausland (§§ 5, 6 BAföG) abgesehen - den Bereich der (abstrakt) förderungsfähigen Ausbildungen abschließend (vgl
BSG aaO). Demgegenüber umschreibt § 7
Abs. 1 Satz 1
BAföG den Grundanspruch auf Ausbildungsförderung und individualisiert (insbesondere durch die grundsätzliche Beschränkung der Förderung auf die erste - sei sie erfolgreich oder erfolglos beendete - Ausbildung) in dem durch § 2
BAföG abstrakt gezogenen Rahmen den Begriff der förderungsfähigen Ausbildung.
"Dem Grunde nach" förderungsfähig nach dem
BAföG ist somit nur eine Ausbildung, wenn sie überhaupt - abstrakt - nach jenem Gesetz gefördert werden kann. Bei dem von der Klägerin durchlaufenden Teilzeitstudium ist dies nicht der Fall. Denn vollständig in Teilzeitform durchgeführte Ausbildungen unterfallen dem Leistungsausschluss nach § 2
Abs. 5 Satz 1
BAföG (vgl auch Thüringer
LSG, Beschluss vom 15. Januar 2007 - L 7 AS 1130/06 ER - juris;
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. November 2007 - L 14 B 1224/07 AS ER - juris;
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juni 2009 - L 13 ASA 39/09 B ER - juris - mwN;
LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. April 2008 - L 2 AS 71/06 - juris). Nach dieser Vorschrift kann nur eine solche Ausbildung durch Leistungen nach dem
BAföG gefördert werden, für die die Auszubildenden im Allgemeinen ihre Arbeitskraft voll einsetzen müssen. Das von der Klägerin durchgeführte Teilzeitstudium mit einem Arbeitsaufwand von 20 Zeitstunden in der Woche (vgl Bestätigung der C Bl 14 Verwaltungsakte) entspricht diesen Anforderungen nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin aus krankheitsbedingten Gründen möglicherweise mit einem Teilzeitstudium weitgehend oder voll ausgelastet war und sie individuell zu einem Vollzeitstudium gar nicht in der Lage war. Denn der Leistungsausschluss nach § 2
Abs. 5 Satz 1
BAföG betrifft - wie bereits dargelegt - nicht die Förderung im konkreten Falle, sondern die abstrakte Förderungsfähigkeit. Es kommt danach nicht darauf an, ob der einzelne Auszubildende nach seinen persönlichen Verhältnissen noch in der Lage ist, neben der Ausbildung seine Arbeitskraft für eine andere Tätigkeit einzusetzen, sondern allein darauf, ob die Ausbildung als solche in Vollzeitform durchgeführt wird. Insofern sieht das Gesetz eine objektive Betrachtung vor, zu der auch der Beklagte in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid eingeräumt hat, dass die Klägerin sich in einer dem Grunde nach nicht förderungsfähigen Ausbildung befand. Im Rahmen von § 7
Abs. 5
SGB II ist zudem unerheblich, dass die Klägerin neben den objektiven auch die subjektiven Voraussetzungen für eine Förderung nach dem
BAföG nicht erfüllen dürfte, weil es sich um ein Zweitstudium handelte und sie überdies die Regelaltersgrenze überschritten hatte, denn der Leistungsausschluss nach dem
SGB II bezieht sich nur auf Fälle einer dem Grunde nach BAföG-förderungsfähigen Ausbildung.
Da dem Grunde nach ein Leistungsanspruch besteht, konnte sich das Gericht auf ein Grundurteil iSv § 130
Abs. 1 Satz 1
SGG beschränken. Der Beklagte wird nunmehr die konkreten Leistungsansprüche der Klägerin im Streitzeitraum festzusetzen haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160
Abs. 2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.