Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010. Die Klägerin begehrt in der Sache ein Grundurteil gegen den beklagten Leistungsträger. Die Höhe der begehrten Leistungen ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Die Berufung hat keinen Erfolg; denn das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, der Klägerin Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des
SGB XII zu zahlen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Leistungen nach
§ 19 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 41 SGB XII. Danach ist zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 65. Lebensjahr vollendet haben (
Abs. 2) oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43
Abs. 2
SGB VI sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann (
Abs. 3), auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten.
Die Klägerin hatte für den streitigen Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. Oktober 2010 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland während dessen sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt war; sie hat das 18. Lebensjahr vollendet und ist dauerhaft voll erwerbsgemindert; denn hinsichtlich ihrer Person sind die Tatbestandsmerkmale des
§ 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII erfüllt.
Die dauerhafte volle Erwerbsminderung nach § 43
Abs. 1
SGB XII ergibt sich aus § 45 Satz 3
Nr. 3
SGB XII, wonach eine Überprüfung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger, wie sie grundsätzlich gemäß Satz 1 festgeschrieben ist, nicht erfolgt, wenn der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in selbige eine Stellungnahme nach Maßgabe der
§§ 2 und
3 der Werkstättenverordnung (WVO) abgegeben hat und der Leistungsberechtigte kraft Gesetzes nach § 43
Abs. 2 Satz 3
Nr. 1
SGB VI als voll erwerbsgemindert gilt. Nach § 43
Abs. 2 Satz 3
Nr. 1
SGB VI sind Versicherte nach § 1 Satz 1
Nr. 2
SGB VI voll erwerbsgemindert, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Versicherte im Sinne des § 1 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a)
SGB VI sind behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten oder in Blindenwerkstätten im Sinne des
§ 143 SGB IX oder für diese Einrichtung in Heimarbeit tätig sind. In dem Verfahren über die Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung nach § 45
SGB XII entfällt die Prüfung der dauerhafte vollen Erwerbsminderung in den Fällen des § 45 Satz 3
Nr. 3
SGB XII, in denen eine Entscheidung des Fachausschusses einer Werkstatt für behinderte Menschen erfolgt ist und die weiteren Voraussetzungen nach § 43
Abs. 2 Satz 3
Nr. 1
SGB VI vorliegen. Es kommt für die Beurteilung der dauerhaften Erwerbsunfähigkeit somit nicht darauf an, ob die betreffende Person im Eingangs-, Berufsbildungs- oder Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt ist. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist vielmehr die erfolgte Stellungnahme des Fachausschusses der Werkstatt.
Gemäß
§ 136 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ist die Werkstatt für behinderte Menschen zuständig für Personen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Das Gesetz geht demgemäß von drei Kategorien an Hindernissen beim Zugang zu dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus, für die eine Zuständigkeit der Werkstatt für behinderte Menschen gegeben ist: Bei den Personen, die "noch nicht wieder" auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, ist die Aussicht auf eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt noch nicht aufgegeben. Weiterhin berücksichtigt § 136
Abs. 1 Satz 2
SGB IX den Personenkreis, der "noch nicht" auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden kann. Dieser Personenkreis bedarf einer Qualifizierung, bevor er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden kann. Schließlich ist die Werkstatt für behinderte Menschen für Personen zuständig, die "nicht" auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Unabhängig von der Beschäftigungsperspektive auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist den in der Werkstatt beschäftigten Menschen gemäß § 136
Abs. 1 Satz 2
SGB IX eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten (
Nr. 1) und zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln (
Nr. 2). Soweit in § 136
Abs. 1 Satz 3
SGB IX der Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt durch die Förderung geeigneter Maßnahmen hinsichtlich dafür geeigneter Personen akzentuiert wird, widerspricht die Regelung nicht der Beschäftigung von Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen, die bei realistischer Prognoseentscheidung keinerlei Chancen besitzen, den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erreichen. Die übergangsbezogenen Maßnahmen sind für die Werkstattbeschäftigten erforderlich, die "noch nicht" oder "noch nicht wieder" auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Solche gezielten Maßnahmen mit Orientierung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sind hingegen nicht für die Werkstattbeschäftigten durchzuführen, die auf absehbare Zeit nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Entsprechende Maßnahmen wären für den Personenkreis ungeeignet. Für diese sieht § 136
Abs. 1
SGB IX die Vermittlung einer angemessenen beruflichen Bildung sowie eine Beschäftigung im Rahmen des individuellen Leistungsvermögens vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Werkstättenverordnung. Das Eingangsverfahren gemäß § 3
WVO wird durchgeführt, um festzustellen, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben im Sinne des § 136
SGB IX ist, sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, ergänzende Leistungen oder Leistungen zur Eingliederung in das Arbeitsleben in Betracht kommen. Zudem ist ein Eingliederungsplan zu erstellen. Das Eingangsverfahren dauert gemäß § 3
Abs. 2
WVO drei Monate und anschließend gibt der Fachausschuss eine Stellungnahme gegenüber dem zuständigen Rehabilitationsträger ab. Der Berufsbildungsbereich, der sich dem Eingangsverfahren anschließt, unterteilt sich gemäß
§ 4 Abs. 3 WVO in einen Grund- und einen Aufbaukurs von in der Regel je 12-monatiger Dauer. In dieser Phase sind die Personen so zu qualifizieren, dass sie wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 136
Abs. 2
SGB IX erbringen. Mit der Untergliederung in §§ 3 - 5
WVO in die verschiedenen Bereiche der Werkstatt, dem Eingangsbereich, dem Berufsbildungsbereich und dem Arbeitsbereich, modifiziert die Verordnung nicht die rechtliche oder tatsächliche Leistungsfähigkeit der dort Beschäftigten. Die Werkstatt für behinderte Menschen nimmt nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in § 136
Abs. 1
SGB IX zum Ausdruck kommt, verschiedene Personengruppen auf, die dort eine ihren Fähigkeiten entsprechende Förderung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhalten. Wegen der abstrakten Möglichkeit, in dem Eingangs- und Berufsbildungsbereich auch einen Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt
gem. § 136
Abs. 1 Satz 3
SGB IX zu erreichen, ist nicht die gesetzliche Wertung des § 45 Satz 3
Nr. 3
SGB XII, der dauerhaften vollen Erwerbsminderung für Werkstattbeschäftigte, zu korrigieren. Sie gelten nach der Stellungnahme des Fachausschusses einer Werkstatt über die Aufnahme als dauerhaft voll erwerbsgemindert (
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Februar 2009 -
L 8/13 SO 7/07, juris, Rn. 20;
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. August 2008 -
L 23 SO 269/06, juris, Rn. 30; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum
SGB XII, 18. Auflage 2010, § 41 Rn. 16; Blüggel in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, Stand 30. Januar 2015, Rn. 93; a.A. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum
SGB XII, 4. Auflage 2012, § 41, Rn. 37; Kirchhoff in Hauck/Noftz,
SGB XII, § 41, Rn. 69), soweit der Leistungsberechtigte zudem kraft Gesetzes nach § 43
Abs. 2 Satz 3
Nr. 1
SGB VI als voll erwerbsgemindert gilt.
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. Der Fachausschuss der Werkstatt hat am 11. Juli 2008 über die Aufnahme der Klägerin in die Werkstatt
gem. § 2
Abs. 2
WVO entschieden und sie ist im Sinne des § 43
Abs. 2 Satz 3
Nr. 1
SGB VI als Versicherte voll erwerbsgemindert. Gemäß § 43
Abs. 2 Satz 3
Nr. 1
SGB VI sind Versicherte nach § 1 Satz 1
Nr. 2
SGB VI - wie ausgeführt - voll erwerbsgemindert, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Die Klägerin ist
gem. § 1 Satz 1
Nr. 2 lit. a)
SGB VI versichert, da sie als behinderter Mensch in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen tätig ist. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin in Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, die sich aus ihrer geistigen Behinderung ergeben, belegen, dass die Klägerin wegen der Art und Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann: Ihre Sprache ist schwer verständlich, sie kann nur teilweise sinnentnehmend lesen, sie beherrscht lediglich den Zahlenraum bis 20, sie zeigt ein kindliches und naives Verhalten und sie kann den Wert des Geldes nicht erfassen. Weiterhin bestehen bei der Klägerin lediglich grobmotorische Fähigkeiten.
Auch die übrigen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung liegen vor. Mit dem Unterhalt in Höhe von monatlich 287,00
EUR und dem nicht anzurechnenden Ausbildungsgeld (
BSG, Urt. v. 23. März 2010,
B 8 SO 17/09 R, juris, Rn. 23 ff) verfügt die Klägerin nicht über ein ihren Bedarf deckendes Einkommen. Zudem liegt kein für den Lebensunterhalt einzusetzendes Vermögen vor, da das vorhandene Vermögen unter der Vermögensgrenze für Bargeld gemäß § 90
Abs. 2
Nr. 9
SGB XII i. V. m. § 1
Abs. 1
Nr. 1a der Verordnung zur Durchführung des § 90
Abs. 2
SGB XII von 2.600,00
EUR liegt. Über weitere Vermögensgegenstände verfügt die Klägerin nicht. Einkommen und Vermögen ihrer Mutter sowie deren Ehemannes sind gemäß § 39 Satz 3
Nr. 2
SGB XII nicht zu berücksichtigen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193
SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160
Abs. 1,
Abs. 2
Nr. 1 oder 2
SGG durch den Senat zuzulassen, bestehen nicht.