Die Parteien streiten um den Übergang von Unterhaltsansprüchen.
Der Sohn der Kläger, Herr P. F. H.,
geb. 16.06.1956 ist seit seiner Geburt behindert. Er lebt im elterlichen Haushalt. Finanziert durch den Beklagten als Eingliederungshilfe nach § 53
SGB XII arbeitet er tagsüber in einer Werkstatt für behinderte Menschen in H.
Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 06.04.2005 die Kläger auf, monatlich 26,00 Euro für übergegangene Unterhaltsansprüche für die Kosten der Eingliederungshilfe zu zahlen. Mit Schreiben vom 21.12.2005 wies das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren den Beklagten an, von der Forderung eines Unterhaltsbeitrages abzusehen, sofern für die unterhaltsberechtigte Person aus dem Leistungskatalog des 6. und 7. Kapitels
SGB XII ausschließlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in teilstationären Werkstätten oder Tagesförderungsstätten erbracht werden.
Die Kläger sind der Ansicht, es könne kein Unterhalt von ihnen gefordert werden, weil für ihren Sohn kein Unterhaltsbedarf bestünde. Gemäß § 92
Abs. 2
Nr. 7
SGB XII habe sich der Leistungsberechtigte nicht an den Kosten der Eingliederungshilfe zu beteiligen.
Die Kläger haben zunächst beantragt, festzustellen, dass der Beklagte keinen Unterhaltsanspruch gegen sie aus übergegangenem Recht für geleistete Eingliederungshilfe im Sinne des § 53
SGB XII hat. Nachdem der Beklagte erklärt hat, bis 31.12.2006 aufgrund der ministeriellen Weisung Unterhaltsansprüche nicht geltend zu machen, haben die Kläger die Klage soweit teilweise für erledigt erklärt.
Sie beantragen nunmehr,
festzustellen, dass der Beklagte keinen Unterhaltsanspruch gegen die Kläger aus übergegangenem Recht für geleistete Eingliederungshilfe im Sinne des § 53
SGB XII ab dem 01.01.2007 hat.
Der Beklagte, der sich der Teilerledigterklärung anschließt, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Sohn der Kläger habe behinderungsbedingten Sonderbedarf durch seine Betreuung in der Werkstatt für behinderte Menschen, den er nicht aus eigenen Mitteln decken könnte. Dieser Teilanspruch sei gesetzlich nach § 94
Abs. 1 Satz 1
Abs. 2 Satz 1
SGB XII auf den Beklagten übergegangen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist in ihrer letzten Fassung zulässig und begründet.
Die Kläger haben ein Feststellungsinteresse § 256
Abs. 1
ZPO. Danach kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur geklagt werden, wenn die Kläger ein rechtliches Interesse daran haben, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Durch die Unterhaltsforderung ab 01.01.2007 droht dem Recht der Kläger eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit. Das erstrebte Urteil ist auch geeignet, diese Gefahr zu beseitigen. Sie können bis zu dem Jahresbeginn nicht auf andere Weise Rechtsschutz erlangen.
Nur soweit der Beklagte erklärt hat, bis 31.12.2006 keine Rechte mehr geltend zu machen, ist nach Klageerhebung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Dem haben die Parteien durch die übereinstimmende Erledigterklärung Rechnung getragen.
Die Klage ist in ihrer letzten Fassung begründet.
Der Beklagte hat keinen übergegangenen Anspruch auf Verwandtenunterhalt gegenüber den Klägern gemäß § 1601
BGB, 94
Abs.1, 2
SGB XII. Ein Unterhaltsanspruch kann nur dann übergehen, wenn durch die öffentliche Hilfe nicht nur der Bedarf im Sinne des Sozialhilferechts, sondern auch der Unterhaltsbedarf sichergestellt wird (vergleiche Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der Familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage 2004, Rn 414). Dies ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut des § 94
Abs.1 Satz 1
SGB XII, wonach der bürgerlich-rechtliche Anspruch übergeht. Voraussetzung des Anspruchsübergang ist danach, dass überhaupt ein vom Leistungsträger zu deckender zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch besteht. Der sozialhilferechtlichen Anspruch begrenzt den Anspruchsübergang dagegen in der Höhe.
Gegenüber den Klägern hat der Sohn schon keinen unterhaltsrechtlichen Anspruch auf Finanzierung einer Eingliederungshilfe.
Das Maß des Verwandtenunterhalts nach § 1601
BGB bestimmt sich nach § 1610
BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Diese richtet sich nach dem Einkommen der Eltern. Dies gilt jedenfalls bei volljährigen behinderten Menschen ohne eigene Lebensstellung, die im Haus der Eltern wohnen. Hier bleibt die Lebensstellung von den Eltern abgeleitet, so lange ein Kind auch nach Eintritt der Volljährigkeit für seinen Lebensunterhalt auf die von ihm von seinen Eltern zur Verfügung gestellten Mitteln angewiesen ist (vergleiche
BGH NJW 1997, 735 bis 738). Der Sohn der Kläger kann danach in erster Linie Unterhalt in Höhe der Bedarfssätze eines Volljährigen ohne eigenen Hausstand verlangen.
Die Kläger leisten nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien diesen geschuldeten Unterhalt bereits. Der Unterhaltsbedürftige wohnt bei ihnen und wird von ihnen verpflegt und betreut. Soweit der Sohn gegebenenfalls zusätzliche Barbeträge fordern kann, sind diese nicht zur Finanzierung der Arbeit einzusetzen. Dies wird unten noch ausgeführt. Weitergehende Unterhaltsleistungen wie die Gestellung einer Arbeitsmöglichkeit in einer Werkstatt kann der Sohn der Kläger von diesen dagegen nicht verlangen. Den Klägern wäre es unterhaltsrechtlich unbenommen, ihrem Sohn den geschuldeten Barbetrag auszuzahlen.
Auch Ausbildungsunterhalt schulden die Kläger für die Eingliederungshilfe nicht. Dass der Sohn der Kläger im Rahmen der Hilfe eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf erhält, ist nicht erkennbar. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53
SGB XII nicht allein, für die Ausbildung des behinderten Menschen zu sorgen. Vielmehr sollen auch die Folgen der Behinderung gemildert werden und der behinderte Mensch in die Gesellschaft eingegliedert werden. Hierzu gehört, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern und ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufes oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen. Die Arbeit in der Werkstatt dient schon danach nicht zwangsläufig der Berufsausbildung. Angesichts des Alters des Sohnes der Kläger liegt es dagegen nahe, dass ihm vor allem die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden soll.
Aber selbst wenn man zusätzlichen Unterhaltsbedarf durch die Tätigkeit in der Werkstatt annähme, so wären die Leistungen des Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß § 53
SGB XII bedarfsdeckend. Dies ergibt sich aus § 92
Abs. 2
Nr. 7
SGB XII. Danach haben behinderte Menschen zwar grundsätzlich die Mittel für Leistungen für eine stationäre Einrichtung oder für eine Tageseinrichtung zu erbringen. Die Aufbringung der Mittel ist bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen aber nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Diesen trägt der Sohn der Kläger nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen aber selbst. Für die Arbeit in der Werkstatt fallen dagegen für behinderte Menschen keine Kosten an. Ein vermögender oder einkommensstarker Hilfeempfänger wäre dadurch nicht zur Leistung eigener Beiträge verpflichtet,
d. h. er müsste sich selbst nicht in diesem Umfang unterhalten. Dies gilt dann auch nicht für die unterhaltsverpflichteten Eltern.
Diese Auslegung stützt auch ein Umkehrschluss aus § 92
Abs. 3 Satz 1
SGB XII. Danach wird die Verpflichtung einer dritten, nicht unterhaltspflichtigen Person von der Kostenfreistellung nicht berührt, wenn er Leistungen zur Eingliederung zu finanzieren hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Kostenfreistellung auch den Unterhaltspflichtigen zugute kommen soll, also unterhaltsrechtlich bedarfsdeckend ist.
Der sozialhilferechtliche Bedarf des Sohnes der Kläger nach § 53
SGB XII geht danach weit über den unterhaltsrechtlichen Bedarf hinaus. Diesen sozialhilferechtlichen Bedarf müssen die Kläger weder gegenüber dem Beklagten noch gegenüber ihrem Sohn decken.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a
ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt haben, waren die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ebenfalls dem Beklagten aufzuerlegen. Er wäre bei einer streitigen Vorführung des Rechtsstreits voraussichtlich aus den oben genannten Gründen in vollem Umfang unterlegen. Bis zur Erklärung des Beklagten im Prozess, bis zum 31.12.2006 Unterhaltsansprüche nicht geltend zu machen, war die Feststellungsklage aus den oben genannten Gründen zulässig und begründet.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.
Eine Entscheidung über die beantragte Berufungszulassung ist nicht erforderlich. Gemäß § 9
ZPO ist die Beschwer des Beklagten mit dem 3 ½-fachen Wert des einjährigen Unterhaltsbetrages zu bemessen. Dies sind bei laufenden Unterhaltsansprüchen von 26,00 Euro monatlich insgesamt 1.092,00 Euro.