Die zulässige Berufung der Beklagten führt in der Sache nicht zum Erfolg. Der Senat geht mit dem SG davon aus, dass bei der Berechnung des vom Kläger zu tragenden Eigenanteils ein Absetzungsbetrag nach § 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII zu berücksichtigen ist. Daher waren der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2005 und der nach § 96
SGG Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 16.01.2006 entsprechend abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Absetzungsbetrag § 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII zu berücksichtigen.
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Darlegungen in der angefochtenen Entscheidung nach § 153
Abs. 2
SGG Bezug und ergänzt noch Folgendes:
§ 82
Abs. 3
SGB XII in der vorliegend maßgeblichen Fassung lautet wie folgt:
Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I
S. 3022)
§ 82 Begriff des Einkommens
(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, des befristeten Zuschlags nach § 24 des Zweiten Buches, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Bei Minderjährigen ist das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird.
(2) Von dem Einkommen sind abzusetzen
1. auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
4. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
5. das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts im Sinne von
§ 43 Satz 4 des Neunten Buches.
(3) Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ferner ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert des Eckregelsatzes. Abweichend von Satz 1 ist bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen von dem Entgelt ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Im Übrigen kann in begründeten Fällen ein anderer als in Satz 1 festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden.
(4) (weggefallen)
Die Bestimmung des § 82
Abs. 3
SGB XII war nahezu wortlautgleich als § 77
Abs. 3 im Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 15/1514) zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (wortlautgleich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1636) enthalten. Mit dem Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21.03.2005 (BGBl. I
S. 818, 829) wurde dann noch nach den Worten "Hilfe zum Lebensunterhalt" die Formulierung "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" eingefügt. In der Gesetzesbegründung zu § 77
SGB XII (BT-Drs. 15/1514,
S. 65) heißt es: "Für leistungsberechtigte Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen wurde die bisherige Regelung für stationär untergebrachte Beschäftigte übernommen, damit auch hier eine Gleichstellung von ambulant und stationär erfolgt."
§ 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII ist unter Anwendung der aus der allgemeinen Methodenlehre anerkannten juristischen Auslegungsgrundsätze auszulegen. Dabei ist zunächst vom Normwortlaut auszugehen. Der Wortlaut der Bestimmung knüpft an den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt
bzw. die von Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung an. Die Formulierung "abweichend von Satz 1" ist jedoch nicht zwingend als ein Verweis auf den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt
bzw. Grundsicherungsleistungen zu verstehen, sondern kann ebenso gut als (bloße) Anknüpfung an den in § 82
Abs. 3
S. 1
SGB XII genannten Betrag in Höhe von 30 v. H. des Einkommens aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit als Absetzungsbetrag verstanden werden.
Angesichts des keineswegs eindeutigen Wortlauts geht der Senat davon aus, dass unter maßgeblicher Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Bestimmung des § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII ein eigenständiger Regelungsgehalt beizumessen ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 77
Abs. 3 Satz 2
SGB XII (BT-Drs. 15/1514,
S. 65) sollte für leistungsberechtigte Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen die bisherige Regelung für stationär untergebrachte Beschäftigte aus § 85
Abs. 2 Satz 1 BSHG übernommen werden, damit auch hier eine Gleichstellung von "ambulant und stationär" erfolgen sollte. Hiernach findet § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII auch auf Beschäftigte in einer Werkstatt für behinderte Menschen Anwendung, die keine Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherungsleistungen, sondern Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen. Dieses Ergebnis wird durch eine systematische Auslegung der Bestimmung bestätigt. So ist in § 88
Abs. 2
SGB XII für den Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze bei stationär Untergebrachten geregelt, dass bei einer stationären Leistung von dem Einkommen, das der Leistungsberechtigte aus einer entgeltlichen Beschäftigung erzielt, die Aufbringung der Mittel in Höhe von ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25 v. H. des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus der Beschäftigung nicht verlangt werden kann. § 82
Abs. 3 ist nicht anwendbar.
Weiterhin spricht systematisch gesehen die im Vergleich zum BSHG erstmalig in die allgemeine Definition des Einkommens aufgenommene Bestimmung des § 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII - die Regelung betreffend das Einkommen in § 76 BSHG enthielt keinen Vorläufer - dafür, dass § 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt, der auch die Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe erfasst.
Kann nach alledem § 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII bereits unter Anwendung der aus der allgemeinen Methodenlehre anerkannten juristischen Auslegungsgrundsätze im Wege der teleologischen Extension (
vgl. dazu Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl. 1999,
Rdnr. 497 ff) dahingehend ausgelegt werden, dass er auch auf Beschäftigte in einer Werkstatt für behinderte Menschen anwendbar ist, die Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen, die Bestimmung mithin nicht auf die in § 82
Abs. 3 Satz 1
SGB XII genannten Leistungsberechtigten begrenzt ist, so bedarf die Frage keiner Erörterung, ob § 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII auf diesen Personenkreis entsprechend anzuwenden wäre.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG) zugelassen. Der Senat hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob § 82
Abs. 3
S. 2
SGB XII auch auf in einer Werkstatt für behinderte Menschen Beschäftigte anzuwenden ist, die weder Hilfe zum Lebensunterhalt noch Grundsicherungsleistungen beziehen, sondern Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen.