1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten (als erstangegangenen Träger) einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten, die in Folge der Beauftragung der Beigeladenen zu 3) mit der Erbringung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Insulininjektionen entstanden sind.
a) Nachdem sich die Klägerin vertreten durch ihre Betreuerin die im streitgegenständlichen Zeitraum begehrten Sachleistungen in Form der Insulininjektionen durch die privatrechtliche Beauftragung des Pflegedienstes der Beigeladenen zu 3) selbst beschafft hat, ist Grundlage des geltend gemachten Freistellungsanspruchs
§ 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX (allgemein dazu
BSG, Urteil vom 20.10.2009 -
B 5 R 5/07 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Danach ist ein Rehabilitationsträger zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn er eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Hat sich der Versicherte die Leistung zwar bereits beschafft, aber noch nicht bezahlt, geht der Anspruch auf Freistellung von der Forderung (
vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.02.2012 -
L 8 R 910/11, veröffentlicht in JURIS-Datenbank, m. w. Nw.). Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass sich die Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen zur Teilhabe im Sinne des
§ 4 Abs. 1 SGB IX abweichend von der Selbstbeschaffung anderer Leistungen nach dem
SGB IX richtet (BT-Drucks. 14/5074
S. 117 zu
Nr. 7 Buchst b). Ausweislich dieser gesetzgeberischen Absicht sollte deshalb mit § 15
Abs. 1
SGB IX eine einheitliche Kostenerstattungsregelung für den Bereich der Teilhabeleistungen geschaffen werden (
BSG, Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).
b) Rehabilitationsträger im Sinne des § 15
Abs. 1
S. 4
SGB IX ist ausweislich des systematischen Zusammenhangs der Bestimmung mit Satz 3 der zuständige Rehabilitationsträger (
BSG, Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Nach Satz 3 ist der "zuständige" Rehabilitationsträger unter bestimmten Voraussetzungen zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht des "zuständigen" Rehabilitationsträgers erstreckt Satz 4 auf die darin geregelten Tatbestände, indem er bestimmt, dass die Erstattungspflicht "auch" in diesen Fällen besteht. Zuständiger Rehabilitationsträger im Sinne des § 15
Abs. 1
SGB IX ist der nach
§ 14 SGB IX verantwortliche Rehabilitationsträger (
BSG, Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Dies ergibt sich schon daraus, dass § 15
Abs. 1
S. 1,
S. 4
SGB IX an die in § 14
Abs. 2
SGB IX normierten Fristen sowie an Verhaltenspflichten (rechtzeitige Erbringung
bzw. keine rechtswidrige Ablehnung der Leistung) anknüpft, die für das (Verwaltungs-)Verfahren zwischen dem zur Entscheidung berufenen Rehabilitationsträger und dem behinderten Menschen gelten. Welcher Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zu diesem zuständig ist, richtet sich aber nach § 14
SGB IX (
BSG,
a. a. O.).
Hier hat die Beklagte als so genannter "erstangegangener" Leistungsträger den Leistungsantrag der Klägerin auf Versorgung mit den während des Aufenthalts in der WfbM notwendigen Insulininjektionen nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang (05.01.2010) an einen aus ihrer Sicht zuständigen anderen Rehabilitationsträger wie etwa hier den Beigeladenen zu 1) weitergeleitet. Demnach war die Beklagte auch
gem. § 14
Abs. 1 und 2
SGB XI gehalten, das Begehren nicht nur auf ihre originäre krankenversicherungsrechtliche Zuständigkeit hin, sondern auch unter allen sonstigen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und bei Vorliegen der einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen (ausführlich
BSG, Urteil vom 11.05.2011 -
B 5 R 54/10 R; Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R; ferner Urteil vom 12.08.2009 -
B 3 KR 11/08 R; Urteil vom 25.06.2009 - B 4 KR 4/08 R, alle veröffentlicht in JURIS-Datenbank). Im Verhältnis zur Klägerin war die Beklagte daher aufgrund (gegebenenfalls aufgedrängter) Zuständigkeit endgültig, ausschließlich und umfassend leistungspflichtig, selbst wenn die Beklagte nach den geltenden Normen außerhalb des
SGB IX nicht für die beanspruchte Teilhabeleistung zuständig ist (
BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 5 R 54/10 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).
"Zuständiger" Rehabilitationsträger im Sinne des § 15
Abs. 1
S. 4
SGB IX ist daher ausschließlich die Beklagte als erstangegangener Träger, auch soweit sich der dem Freistellungsanspruch zugrunde liegende Sachleistungsanspruch nicht aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt.
Die Zuständigkeit der Beklagten als erstangegangener Träger gemäß § 14
Abs. 2
S. 1
SGB IX endete auch nicht durch den bestandskräftig gewordenen Ablehnungsbescheid vom 15.02.2010. Vielmehr blieb die Beklagte auch für das durch den Überprüfungsantrag eingeleitete Verfahren
gem. § 44
SGB X zuständig, auch wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift (nur) darin liegt, dass sie die außerhalb ihrer "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat (
BSG, Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).
c) Hier hat die Beklagte im Sinne des § 15
Abs. 1
S. 4
SGB IX zu Unrecht den Antrag auf Gewährung der verordneten Behandlungspflege abgelehnt. Denn die Klägerin hatte gegenüber der Beklagten einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung entsprechender Sachleistungen zum Zwecke des Setzens der Insulininjektionen. Darüber hinaus handelt es sich bei den lebensnotwendigen Insulininjektionen auch um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 15
Abs. 1
S. 4
SGB IX, hinsichtlich der ein Entscheidung der Beklagten ohnehin nicht abgewartet werden konnte.
aa) Die Verpflichtung der Beklagten zur Sachleistungsgewährung ergibt sich allerdings entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 1) nicht aus § 37
Abs. 2
SGB V, sodass auch ein Freistellungsanspruch
gem. § 13 Abs. 3 SGB V ausscheidet.
Bei der hier im Streit stehenden Behandlungspflege in Gestalt von Insulininjektionen handelt es sich zwar für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen um eine Form der häuslichen Krankenpflege, auf die der Versicherte gemäß
§ 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 sowie
§ 37 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - dem Grunde nach einen (Sachleistungs-) Anspruch gegen die Gesetzliche Krankenversicherung hat. Die Klägerin war auch aufgrund ihrer gesundheitlichen Leiden unstreitig nicht in der Lage, sich die - ausweislich der ärztlichen Verordnung vom 30.12.2009 medizinisch notwendigen - Insulinspritzen selbst zu setzen. Dass die Klägerin über Angehörige verfügen würde, die diese zum Zwecke des Setzens der Insulinspritzen in der WfbM hätten aufsuchen können, ist weder ersichtlich noch von einem Beteiligten vorgetragen worden. Gleichwohl ist ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37
Abs. 2
SGB V gegenüber der Beklagten ausgeschlossen, weil der Pflegebedarf kein besonders hohes Ausmaß aufweist und deshalb im Ergebnis vom Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Eingliederungsleistungen begleitend mit abzudecken ist (
vgl. dazu noch unten):
Gemäß § 37
Abs. 2
S. 1 Hs. 1
SGB V in der am 01.04.2007 in Kraft getretenen Fassung des
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10
WVO bleibt gemäß § 37
Abs. 2
S. 2
SGB V unberührt. Versicherte erhalten demnach Behandlungspflege als Leistung der Krankenkasse in Behindertenwerkstätten nur bei besonders hohem Pflegebedarf. Die Gesetzesbegründung erläutert dies dahin gehend, dass ein Anspruch auf Leistungen auch in Werkstätten für behinderte Menschen gegeben sein kann, "wenn wegen des besonders hohen Pflegebedarfs eines Versicherten die zur Verfügung stehenden pflegerischen Fachkräfte nicht ausreichen. Im Regelfall bleibt es hier aber dabei, dass nach § 10 der WerkstättenVO der pflegerische Bedarf durch die Werkstätten selbst abgedeckt wird." (BT-Drucks. 16/4247,
S. 33 f.)
Die Neufassung des § 37
Abs. 2
SGB V stellt somit klar, dass Behandlungspflegeleistungen der Krankenkasse nicht generell vorrangig sind, sondern nur dort eingreifen, wo die Behandlungspflege nicht schon durch andere Träger sicherzustellen ist. An Stelle des etwa allgemein in § 2
SGB XII angeordneten Nachrangs der Leistungen der Sozialhilfe hat der Gesetzgeber damit in Bezug auf die besondere Konstellation der Erbringung von Behandlungspflegeleistungen in einer WfbM eine speziellere Regelung gesetzt, welche den Leistungsumfang der Krankenkasse schon dem Grunde nach im Sinne der Subsidiarität begrenzt. Dabei hat der Gesetzgeber mit dem Merkmal des "besonders hohen Pflegebedarfs" die Zuständigkeit der Träger im Sinne der Ausschließlichkeit ihrer jeweiligen Leistungspflicht gegeneinander abgegrenzt (
vgl. SG Dresden, Beschluss vom 15.08.2008 -
S 18 KR 397/08 ER; SG Chemnitz, Beschluss vom 16.06.2009 - S 11 KR 223/09 ER, beide veröffentlicht in JURIS-Datenbank; SG Speyer, Beschluss vom 11.10.2012 - S 7 KR 713/12 ER, Blatt 187
ff. der Gerichtsakte).
Das bedeutet nicht nur, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse erst dort beginnt, wo die Vorhaltepflicht des Werkstattträgers und damit die Leistungsverantwortung des Sozialhilfeträgers endet. Es besagt darüber hinaus auch, das der Sozialhilfeträger durch den von ihm hinzugezogenen Träger der Behindertenwerkstatt auch für die Behandlungspflege der in der Werkstatt beschäftigten Behinderten aufzukommen hat, wenn und solange deren Pflegebedarf nicht besonders hoch ist.
Die Versorgung der Beschäftigten in der Werkstatt für behinderte Menschen durch die vorzuhaltenden Pflegekräfte beschränkt sich dabei nicht auf grundpflegerische Verrichtungen
(z. B. Hilfestellung beim Waschen, Umziehen und Toilettengang). Vielmehr haben diese Fachkräfte auch Behandlungspflegeleistungen zu erbringen, wenn diese während des Aufenthalts erforderlich sind. Dies ergibt sich schon aus § 10
WVO, wonach die Werkstatt für behinderte Menschen über begleitende Dienste zur medizinischen Betreuung der behinderten Menschen verfügen muss und (nicht nur pflegerische, sondern auch) therapeutische Fachkräfte zur Verfügung stehen müssen. Die Regelungen unterscheiden dabei auch nicht danach, ob die medizinischen und therapeutischen Angebote zur Behandlung der die Behinderung auslösenden Krankheit oder sonstiger Begleiterkrankungen (hier
z.B. des Diabetes der Antragstellerin) erforderlich sind.
Einen besonders hohen Pflegebedarf im Sinne des § 37
Abs. 2
S. 1
SGB V weist die Klägerin gerade nicht auf (
vgl. hierzu jetzt auch § 1
Abs. 7 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege in der Fassung vom 17.09.2009, zuletzt geändert am 21.10.2010,
BAnz 2011,
S. 140). Denn das tägliche Setzen einer Insulininjektion ist weder mit einem großen Aufwand verbunden, noch bedarf es einer speziellen medizinischen Qualifikation und kann durch eine ausgebildete Krankenschwester erfolgen (ebenso SG Dresden, Beschluss vom 15.08.2008 -
S 18 KR 397/08 ER; SG Chemnitz, Beschluss vom 16.06.2009 - S 11 KR 223/09 ER, beide veröffentlicht in JURIS-Datenbank; SG Speyer, Beschluss vom 11.10.2012 - S 7 KR 713/12 ER, Blatt 187
ff. der Gerichtsakte). Demnach scheidet ein Anspruch
gem. § 37
Abs. 2
SGB V aus.
bb) Bei der Gewährung von Behandlungspflege während des Aufenthalts in der Werkstatt für behinderte Menschen handelt es sich jedoch um eine Annexleistung zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des
§§ 4 Abs. 1 Nr. 3,
33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6, Abs. 6,
41 Abs. 2 SGB IX (ebenso SG Dresden, Beschluss vom 15.08.2008 - S 18 KR 397/08 ER; SG Chemnitz, Beschluss vom 16.06.2009 - S 11 KR 223/09 ER, beide veröffentlicht in JURIS-Datenbank; SG Speyer, Beschluss vom 11.10.2012 - S 7 KR 713/12 ER, Blatt 187
ff. der Gerichtsakte):
Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß
§ 53 Abs. 4 SGB XII vorbehaltlich besonderer Bestimmungen des Sozialhilferechts die Vorschriften des
SGB IX; die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach dem
SGB XII. Gemäß § 4
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern. Zur Teilhabe werden gemäß
§ 5 Nr. 2 SGB IX u. a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Träger der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind gemäß
§ 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX auch die Träger der Sozialhilfe, deren originäre Zuständigkeit demnach bei fehlender Weiterleitung
gem. § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX auf den erstangegangenen Träger,
d. h. hier die Beklagte "übergeht". Nach § 8
Nr. 4
SGB XII umfasst die Sozialhilfe unter Anderem die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Gemäß § 53
Abs. 1 erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist
gem. § 53
Abs. 3
S. 1
SGB XII u. a., die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört nach § 53
Abs. 3
S. 2
SGB XII insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern und ihnen die Ausübung einer angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehören gemäß
§ 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII u. a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33
SGB IX und Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen nach § 41
SGB XII. Gemäß § 33
Abs. 1
SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen umfassen nach § 33
Abs. 3
Nr. 6
SGB IX auch sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. Um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern, werden gemäß
§ 39 SGB IX Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen erbracht. Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM sind gemäß
§ 41 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX auf die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung des behinderten Menschen entsprechenden Beschäftigung gerichtet.
§ 136 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 SGB IX definiert Werkstätten für behinderte Menschen als Einrichtungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne der §§ 33 bis 45
SGB IX und zur Eingliederung in das Arbeitsleben mit der Aufgabe, denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die Leistungen im Arbeitsbereich erbringen gemäß
§ 42 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX, soweit nicht die Träger der Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung oder der Jugendhilfe zuständig sind, unter den Voraussetzungen des Zwölften Buches die Träger der Sozialhilfe. Das Nähere über Begriff und Aufgaben der Werkstätten für behinderte Menschen regelt auf Grundlage des
§ 144 Abs. 1 SGB IX die Werkstättenverordnung (
WVO).
Die in Werkstätten für behinderte Menschen zu erbringenden Leistungen beschränken sich nicht auf die Verschaffung einer Beschäftigungsmöglichkeit. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehören gemäß § 54
Abs. 1
S. 1
Nr. 5
SGB XII auch nachgehende Hilfen zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Gemäß
§ 17 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 der auf § 60
SGB XII beruhenden Eingliederungshilfe-Verordnung zählen zur Hilfe im Sinne des § 54
Abs. 1
S. 1
SGB XII in Verbindung mit den §§ 33 und 41
SGB XII sowie der Hilfe im Sinne des § 54
Abs. 1
S. 1
Nr. 5
SGB XII auch andere Leistungen, wenn sie wegen der Behinderung zur Aufnahme oder Fortsetzung einer angemessenen Beschäftigung im Arbeitsleben erforderlich sind. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen gemäß § 33
Abs. 6
SGB IX auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in § 33
Abs. 1
SGB IX genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Gemäß § 136
Abs. 1
S. 3
SGB IX und
§ 10 Abs. 1 S. 1 WVO muss die WfbM über begleitende Dienste zur medizinischen Betreuung der behinderten Menschen verfügen. Nach § 10
Abs. 2
WVO haben im Einvernehmen mit den zuständigen Rehabilitationsträgern pflegerische und therapeutische Fachkräfte zur Verfügung zu stehen.
Zu den ergänzenden Leistungen, welche der überörtliche Sozialhilfeträger im Zusammenhang mit Eingliederungshilfeleistungen in Werkstätten für behinderte Menschen durch die von ihm vertraglich in das Leistungssystem einbezogenen Einrichtungsträger flankierend bereit zu stellen hat, gehören im Einzelfall auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Der Anspruch auf begleitende medizinische Versorgung in der Werkstatt für behinderte Menschen umfasst im Falle der Klägerin deshalb auch die ärztlich verordneten täglichen Insulininjektionen während des Aufenthalts in der Werkstatt (ebenso SG Dresden, Beschluss vom 15.08.2008 - S 18 KR 397/08 ER; SG Chemnitz, Beschluss vom 16.06.2009 - S 11 KR 223/09 ER, beide veröffentlicht in JURIS-Datenbank; SG Speyer, Beschluss vom 11.10.2012 - S 7 KR 713/12 ER, Blatt 187
ff. der Gerichtsakte).
Da die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 37
Abs. 2
SGB V ableiten kann, ist der originär gegen den Sozialhilfeträger gerichtete Anspruch auf ergänzende Leistungen in Form der Insulininjektionen auch nicht auf Grund des in § 2
SGB XII verankerten Nachrangs der Sozialhilfe ausgeschlossen (
s. o.). Da die Klägerin die begehrte Leistung von der Beklagten als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beanspruchen kann, besteht schon keine Konkurrenz von Leistungsansprüchen gegen den Träger der Krankenversicherung einerseits und gegen den Sozialhilfeträger andererseits, die im Sinne eines Vorrangs der Versicherungsleistung gegenüber der Fürsorgeleistung aufzulösen wäre. Vielmehr hat der Gesetzgeber letztlich die Zuständigkeit der Träger untereinander so abgegrenzt, dass der Beigeladene zu 1) ausschließlich für die Versorgung der Klägerin Antragstellerin mit den benötigten Injektionen während des Einsatzes im Arbeitsbereich des Beigeladenen zu 2) verantwortlich ist, während die Beklagte auf Basis der Vorschriften des
SGB V schon dem Grunde nach nicht leistungspflichtig ist (ebenso SG Dresden, Beschluss vom 15.08.2008 - S 18 KR 397/08 ER; SG Chemnitz, Beschluss vom 16.06.2009 - S 11 KR 223/09 ER, beide veröffentlicht in JURIS-Datenbank; SG Speyer, Beschluss vom 11.10.2012 - S 7 KR 713/12 ER, Blatt 187
ff. der Gerichtsakte).
Ob die WfbM der Beigeladenen zu 2) über genügend Pflegepersonal verfügte, um für die gebotene Behandlungspflege der Klägerin aufzukommen, ist letztlich unerheblich. Denn die gegebenenfalls unzureichende Ausstattung der vom Beigeladenen zu 1) mit der Umsetzung der gewährten Eingliederungshilfe beauftragten Beigeladenen zu 2) kann nicht zu einer Verlagerung der Leistungszuständigkeit auf die gesetzliche Krankenversicherung führen. Vielmehr wäre ausgehend von der originären Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1) dieser verpflichtet gewesen, die Erfüllung seiner Leistungspflichten notfalls sicherzustellen, indem er externe Pflegekräfte als Leistungserbringer hinzuzieht oder den Beigeladenen zu 2) hierzu veranlasst (ebenso SG Dresden, Beschluss vom 15.08.2008 - S 18 KR 397/08 ER; SG Chemnitz, Beschluss vom 16.06.2009 - S 11 KR 223/09 ER, beide veröffentlicht in JURIS-Datenbank; SG Speyer, Beschluss vom 11.10.2012 - S 7 KR 713/12 ER, Blatt 187
ff. der Gerichtsakte).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Die Kostenregelung umfasst auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten zum Verfahren S 27 KR 54/11, in dem die Beklagte der Sache nach mit der endgültigen Kostenübernahme den klageweise geltend gemachten Anspruch anerkannt hat.