Urteil
Kfz-Betriebskostenbeihilfe nur für Fahrten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft - Angewiesensein auf Kfz - Bereits gedeckter Bedarf

Gericht:

VG Ansbach 14. Kammer


Aktenzeichen:

AN 14 K 11.01142 | 14 K 11.01142


Urteil vom:

06.10.2011


Grundlage:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

3. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten eine Betriebskostenpauschale zum Betrieb, zur Unterhaltung und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie eine einmalige Beihilfe zur Erlangung der Fahrerlaubnis seiner Ehefrau.

Bei dem am ... geborenen Kläger wurde im Jahr 1993 im Rahmen des Wehrdienstes die Diagnose einer Multiplen Sklerose gestellt. Die Multiple Sklerose ist als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt und der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80. Er bezieht Versorgungsleistungen der Bundeswehr und eine EU-Rente.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Gewährung einer laufenden Beihilfe zum Betrieb, zum Unterhalt und zum Abstellen eines Kfz beim Beklagten.

Auf Anfrage des Beklagten erstellte das Gesundheitsamt der Stadt ... unter dem ... ein amtsärztliches Zeugnis. Darin ist zusammenfassend ausgeführt, dass der Kläger ohne Hilfsmittel ca. 300 m und ohne Pause gehen könne. Die Behinderung erfordere zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Begleitperson. Der Kläger sei ohne Begleitperson bei der Untersuchung gewesen. Nach seiner Aussage sei die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für ihn nicht zuträglich auf Grund der schlechten klimatischen Verhältnisse und wegen der mangelnden Wegefähigkeit (Entfernung seiner Wohnung bis zu Haltestelle sei weiter als 500 m). Die Notwendigkeit der Kfz-Benutzung allein auf Grund der Schädigung sei nicht gegeben, wie sich schon aus dem Gutachten des Dr. ... ergebe. Zur Erleichterung der Problematik sollten Taxifahrten oder gegebenenfalls Behindertenfahrten den Betroffenen zugänglich gemacht werden. Neben den anerkannten Schädigungsfolgen seien weitere schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen nicht gegeben, auf Grund derer der Betroffene im Gesamtzustand auf die Benutzung eines Kfz angewiesen sei.

Mit Schreiben vom 11. September 2009 wurde dem Klägerbevollmächtigten Gelegenheit zur Stellungnahme im Hinblick auf die beabsichtigte Ablehnung des Antrags gegeben.

Die Stadt ... - Kriegsopferfürsorgestelle - leitete unter dem 5. Oktober 2009 einen dort gestellten Antrag des Klägers vom 25. September 2009 auf die Gewährung einer einmaligen Beihilfe zu den Kosten des Führerscheins der Ehefrau an den Beklagten weiter.

Der Beklagte bat mit Schreiben vom 16. November 2009 das Gesundheitsamt der Stadt ... um erneute Stellungnahme, nachdem der Kläger weitere Unterlagen vorgelegt hatte.

Mit amtsärztlichen Zeugnis vom ... führte das Gesundheitsamt der Stadt ... aus, dass zur Vorlage ein Gutachten des Herrn Dr. ... vom ...mit ergänzender Stellungnahme vom ..., ein Gutachten des Herrn Dr. ... vom ..., die versorgungsärztliche Stellungnahme nach Aktenlage des Herrn PD Dr. ... vom ... sowie das Schreiben des Klägers vom 23. Oktober 2009 mit einer Anlage der Strafanzeige gegen Herrn Dr. ... zur Vorlage gekommen seien. Der Kläger sei am 10. August 2009 zur Untersuchung im Gesundheitsamt gewesen.

Im Übrigen wurden, auch unter Verweisung insoweit, die gleichen Feststellungen wie in dem Zeugnis vom ... beschrieben, getroffen.

Der Klägerbevollmächtigte führte mit Schreiben vom 4. Dezember 2009 aus, dass der Kläger an einer MS mit schubförmigen Verlauf leide, so dass es durchaus zu Situationen komme, in denen ihm das Führen eines Fahrzeuges nicht möglich sei, jedoch notwendig wäre, um ärztliche Hilfe zu erhalten. Beigefügt war eine Stellungnahme des Krankenhauses ... vom ...2009, in dem insbesondere auf das so genannte Uhthoff-Phänomen beim Kläger hingewiesen wurde.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Betriebskostenpauschale zum Betrieb, zur Unterhaltung und zum Abstellen eines Kraftfahrzeuges sowie den Antrag auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Erlangung der Fahrerlaubnis seiner Ehefrau ab.

Bei den beantragten Hilfen handele es sich um Eingliederungshilfen im Sinne des § 27 d Abs. 1 Nr. 3 BVG in Verbindung mit § 28 KFürsV. Die beantragten Hilfen könnten vom Träger der Kriegsopferfürsorge nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 KFürsV nur dann gewährt werden, wenn der Beschädigte auf Grund der vorliegenden Schädigung oder wegen schädigungsunabhängiger Behinderung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Die beantragten Hilfen seien einkommens- und vermögensabhängig, es sei denn der Bedarf sei ausschließlich schädigungsbedingt. Beim Kläger lägen keine schädigungsunabhängigen Behinderungen vor. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen, insbesondere den Ergebnissen der amtsärztlichen Begutachtung durch das Gesundheitsamt der Stadt ... am ... und deren ergänzenden Stellungnahme zu den von ihm im Rahmen des Anhörungsverfahrens vorgebrachten Einwendungen sei er weder alleine auf Grund der anerkannten Wehrdienstbeschädigungsfolgen noch im Zusammenwirken mit schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen.

Hiergegen legte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 18. Januar 2010 Widerspruch ein.

Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 26. Februar 2010 ausgeführt, dass bei Auftreten eines Schubes der MS ein Leben an der Gemeinschaft nur mit einem Kfz möglich sei, da diese nicht nur mit Schmerzen, sondern auch einer erheblichen Gangunsicherheit einhergehe. Ebenso liege ein Uhthoff-Phänomen vor, welches entsprechend berücksichtigt werden müsse. Beigefügt war ein ärztliches Attest des Dr. ... vom ....

Der Beklagte bat das Gesundheitsamt der Stadt ... erneut um Stellungnahme. Dieses führte in der amtsärztlichen Stellungnahme vom ... aus, dass das Uhthoff-Phänomen ausreichend in der Stellungnahme vom ... mitberücksichtigt worden sei. Verwiesen werde insbesondere auf die Beantwortung der Frage 4, bei welcher besonders auf die klimatischen Bedingungen (extreme Hitze) verwiesen worden sei. Zur Erleichterung wären Taxifahrten bzw. Behindertenfahrdienste möglich, die dem Betroffenen zugänglich gemacht werden könnten.

Mit Schreiben vom 30. April 2010 gab der Beklagte dem Klägerbevollmächtigten Gelegenheit zur Stellungnahme und führte weiter aus, dass im Hinblick auf die Besonderheiten der vorliegenden Erkrankung und die Empfehlung des Gesundheitsamtes beabsichtigt sei, dem Kläger zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft eine Taxipauschale von monatlich bis zu 100,00 EUR gegen Vorlage von Belegen zu gewähren, welche für Fahrten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft beansprucht werden könne, wenn er krankheitsbedingt (Schub) auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sei.

Der Klägerbevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 12. Mai 2010 mit, dass der Kläger mit der beabsichtigten Vorgehensweise nicht einverstanden sei. Nervenschädigungen könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden, so dass der Kläger ständig auf ein Kfz angewiesen sei, um bei einem eventuellen Schub sofort zum Arzt zu kommen. Mit Schreiben vom 13. September 2010 legte der Klägerbevollmächtigte weitere Unterlagen vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2011 wies die Regierung von ... den Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2009 zurück.

Gemäß § 27 d Abs. 1 Nr. 3 BVG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Kriegsopferfürsorgeverordnung (KFürsV) erhalten Beschädigte als Hilfe in besonderen Lebenslagen als Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfe eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar sei, sowie Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen seien.

Sofern das Angewiesensein auf ein Kfz nicht auf der Schädigung beruhe, erhalten Beschädigte gemäß § 27 d Abs. 1 Nr. 3 BVG in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch dann Kfz-Hilfe, wenn schädigungsunabhängige Behinderungen die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfordern. Vorliegend fehle es schon am Nachweis, dass der Kläger zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei. Auf die Sachverständigengutachten des Gesundheitsamtes der Stadt ... vom ..., vom ... und vom ... werde verwiesen. Auch bestehe ein Anspruch auf die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe nur, sofern dieses auch der Ermöglichung der Teilnahme am Leben der Gemeinschaft dienen solle. Deshalb seien Fahrten zur Therapie oder zum Arzt nicht von der Eingliederungshilfe erfasst. Termine für öffentliche Veranstaltungen stehen, anders als unter Umständen Arztbesuche, regelmäßig lange Zeit vor der tatsächlichen Durchführung fest, so dass der Kläger vor der jeweiligen Veranstaltung in Erfahrung bringen könne, ob für ihn eine Beförderungsmöglichkeit zur Verfügung stehen würde.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zur Erlangung der Fahrerlaubnis für seine Ehefrau. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei, so dass auch seiner Ehefrau im Rahmen der Eingliederungshilfe keine Kosten für die Erlangung der Fahrerlaubnis erstattet werden könnten. Die Frage, ob der Kläger gegen den Bezirk ... einen Anspruch auf Erstattung der konkret geltend gemacht Taxikosten habe, sei hier nicht zu entscheiden, da Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nur der Bescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2009 sei. Die Erstattung etwaiger Taxikosten sei nicht Gegenstand dieses Bescheides gewesen.

Mit einem per Telefax vom 8. Juni 2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten ließ der Kläger hiergegen Klage erheben.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2011 legte der Bevollmächtigte Vollmacht vor sowie eine Erklärung mit Aufstellung über ärztliche Behandlung.

Mit Schreiben vom 17. August 2011 beantragte der Klägerbevollmächtigte,

den Bescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von ... vom 5. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Betriebskostenpauschale zum Betrieb, zur Unterhaltung und zum Abstellen eines Kraftfahrzeuges sowie eine einmalige Beihilfe zur Erlangung der Fahrerlaubnis seiner Ehefrau zu gewähren.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger angebe, dass sich sein Gesundheitszustand unter anderem wegen des so genannten Uhthoff-Phänomens bei bestehender MS-Erkrankung verschlechtert habe. In einem für das Sozialgericht ... erstellten Gutachten des Dr. ... sei ausgeführt, dass beim Kläger erkennbar Störungen der Bewegungsfähigkeit insgesamt und der Gehfähigkeit im Besonderen bestünden und er eine rasche Ermüdbarkeit beim Gehen einer Gehstrecke von maximal 100 m zeige. Weiter wurde verwiesen auf ein ebenfalls für das Sozialgericht ... erstelltes Gutachten des Dr. ... vom ..., in dem insbesondere auf die Abhängigkeit der Beschwerden von der Umgebungstemperatur eingegangen werde. Daher sei der Kläger überzeugt davon, dass er zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei, da die Art und Schwere der Behinderung die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in der Regel nicht zulasse. Gerade auf Grund des schubförmigen Verlaufes und auf Grund der daher spontan eintretenden Verschlechterungen sei es dem Kläger nicht möglich, Termine für öffentlichen Veranstaltungen bereits lange Zeit vor der tatsächlichen Durchführung hinsichtlich der Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu planen und wahrzunehmen. Vielmehr müsse er auf Grund des schwerwiegenden Krankheitsverlaufes mit Folgeschäden spontan und kurzfristig - entsprechend seinem jeweils bestehenden Krankheitsbild - planen und entscheiden, ob und wie er entsprechende Einrichtungen und Veranstaltungen besuchen könne. Daher sei er auf ein Kfz dringend angewiesen. Bei der Eingliederungshilfe sei letztlich auf den konkreten Hilfebedarf des einzelnen Hilfesuchenden abzustellen. Hierbei seien seine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Diesem Grundsatz sei nach Auffassung des Klägers vom Beklagten bisher nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Auf Grund der Schwere der Erkrankung sei es dem Kläger an vereinzelten Tagen noch nicht einmal möglich ein Fahrzeug selber zu führen. Beigefügt waren die Gutachten der Dres. ... vom ... und ... vom ... sowie ein Bericht des Krankenhauses ... vom ....

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 16. September 2011,

die Klage abzuweisen.

Es sei deutlich geworden, dass die begehrten Leistungen für das Erreichen ärztlicher Hilfe im Falle eines Krankheitsschubes etc. erforderlich sein sollten. Ein Bedarf für Fahrten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft sei zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht worden. Die Ablehnung sei bereits deshalb erfolgt, weil bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Benutzung eines Kfz nicht gegeben seien, so dass es nicht mehr darauf angekommen sei, ob eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft mit den begehrten Leistungen beabsichtigt sei. Die mit Schreiben vom 17. August 2011 vorgelegten weiteren ärztlichen Unterlagen bewiesen gerade nicht, dass der Kläger notwendigerweise regelmäßig auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Das von ihm begehrte Merkzeichen "aG" sei trotz des vorgelegten Gutachtens abgelehnt worden. Gleiches gelte für die Merkzeichen "B". Für den Fall, dass es sehr heiß sei und kein Schub vorliege, bleibe festzustellen, dass es nicht vorstellbar sei, dass der Kläger in dieser Situation am Leben in der Gemeinschaft tatsächlich teilnimmt. Es gäbe keinen Zielort außerhalb der Wohnung, an dem garantierte klimatisierte Bedingungen vorherrschen, so dass die Auslösung eines Krankheitsschubes ausgeschlossen werden könne. Bei der Beförderung zum Arzt handele es sich nicht um einen Bedarf, der im Rahmen der Eingliederungshilfe zu decken sei. In anderen Fällen aber sei der Kläger in der Lage, zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Beklagte sei auch im Rahmen der Prüfung der Abhilfe des Widerspruchs eingehend auf die Besonderheiten des Einzelfalles eingegangen und man habe dem Kläger eine Taxibeihilfe bis zu 100,00 EUR monatlich für Fahrten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft für die Zeiten angeboten, für die er auf Grund eines vorübergehend verschlechterten Gesundheitszustandes oder extremer Hitze öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen könne. Eine Einschränkung der Spontanität und Flexibilität am Wohnort ... bei der Inanspruchnahme von Taxen im Bedarfsfall sei nicht erkennbar. Gerade die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel könne lange vorher geplant werden, da die Fahrpläne bekannt seien. Gegebenenfalls könne kurzfristig zur Erreichung eines Termins ein Taxi angefordert werden. Das begehrte Merkzeichen "RF" sei abgelehnt worden. Dieses werde nur dann bewilligt, wenn die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr möglich sei. Die Leistungen der Eingliederungshilfe zur Teilnahme gingen zwar weiter, weil auch hier Verwandtenbesuche etc. berücksichtigt werden würden und nicht nur öffentliche Veranstaltungen. Ein Widerspruch lasse sich jedoch erkennen.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

Die Klägerbevollmächtigte stellte den Antrag aus der Klageschrift mit der dahingehenden Modifizierung der Ziffer 2, dass hinsichtlich des Erwerbs der Fahrerlaubnis durch die Ehefrau des Klägers ein Zuschuss gewährt werden solle. Die Beklagtenvertreterin beantragte Klageabweisung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte des Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist sachlich nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Hilfen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 29. Dezember 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger konkret begehrte Eingliederungshilfe kommt vorliegend lediglich die Vorschrift des § 27 d Abs. 1 Ziffer 3 BVG i.V.m. § 28 KFürsV in Betracht, wonach Geschädigte als Hilfe in besonderen Lebenslagen als Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfe eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs erhalten sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind. Vorliegend beruht die behauptete Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges allein auf den anerkannten Schädigungsfolgen und sind weitere schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen auch nicht gegeben (vgl. amtsärztliches Zeugnis des Gesundheitsamtes der Stadt ... vom ...).

Unstreitig gehört der Kläger grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis in diesem Sinn. Zur Überzeugung der Kammer erfüllt der Kläger derzeit aber bereits nicht die Tatbestandsvoraussetzung des "Angewiesenseins". Ob der Kläger zum Zweck der Eingliederung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, ist in diesem Verfahren nach den tatsächlichen Verhältnissen in der Zeit ab Antragstellung bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2011 zu beurteilen (vgl. BVerwG, FEVS 44, 441). Nicht berücksichtigt werden können deshalb später vorgelegte Unterlagen, insbesondere auch nicht die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte ärztliche Bescheinigung des ... vom ....

Der Beklagte konnte sich bei seiner Entscheidung zu Recht im Wesentlichen auf die amtsärztlichen Stellungnahmen des Gesundheitsamtes ... vom ..., vom ... sowie vom ... stützen. Das Gesundheitsamt ... kommt unter Einbeziehung der Gutachten des Dr. ... vom ... mit ergänzender Stellungnahme vom ...2007, des Gutachten des Dr. ... vom ...2007, der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Herrn PD Dr. ... vom ...2006 sowie unter Berücksichtigung des beim Kläger vorliegenden Uhthoff-Phänomens zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Notwendigkeit der Kfz-Benutzung allein auf Grund der Schädigung nicht gegeben ist und weitere schädigungsunabhängige gesundheitliche Störungen nicht gegeben sind. Dem hat der Kläger substantiiert nichts entgegengesetzt. Auch wenn das Vorliegen des Merkzeichens "aG" im Schwerbehindertenausweis nicht Voraussetzung für die Bewilligung der begehrten Hilfe ist, kann das Nichtvorliegen jedoch als gewichtiges Indiz dafür gesehen werden, dass der Kläger in seiner Bewegungsfreiheit noch nicht so eingeschränkt ist, dass er deshalb auf die Benutzung eines Kfz angewiesen wäre. Andererseits bestehen bei Zugrundlegung der Gutachten und der eigenen Einlassung des Klägers, an vereinzelten Tagen noch nicht einmal in der Lage zu sein, ein Fahrzeug selber zu führen, Zweifel, ob der Kläger überhaupt fähig ist, ein Kraftfahrzeug zu führen. Jedenfalls aber gehört der Kläger nach Aktenlage schon nicht zum Personenkreis der "besonders schwer" Geschädigten im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 2 KFürsV i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 Orthopädieverordnung, d.h. im Wesentlichen Querschnittgelähmte und bestimmte Fälle von Amputierten. Die Einschränkungen des Gehvermögens des Klägers erreichen nicht das Ausmaß, das bei einem Doppeloberschenkelamputierten gegeben wäre.

Darüber hinaus ist der Beklagte auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 KFürsV, nämlich das Erfordernis der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, nicht erfüllt ist. Im Verwaltungsverfahren hat der Kläger hierzu nichts Konkretes vorgebracht, sondern lediglich insbesondere auf die Notwendigkeit, bei einem eventuellen Schub sofort zum Arzt kommen zu können, hingewiesen. Erst in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr dargetan, das Kraftfahrzeug z.B. auch zu Verwandtenbesuchen zu benutzen. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag schon nicht geeignet ist, einen Nachweis für die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu erbringen, kommt es, wie bereits ausgeführt, für die Entscheidung des Gerichts auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2011 an.

Eine Kfz-Betriebskostenhilfe kann nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 KFürsV nur für Fahrten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft beansprucht werden und muss dies entsprechend nachgewiesen werden (vgl. BVerwG vom 23.11.1995, 5 C 7/94 = FEVS 47, 145 bis 149). Aus der Systematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Nr. 2 KFürsV folgt, dass eine Beihilfe nur für Fahrten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft vorgesehen ist und nicht erweiternd für andere Zwecke, z.B. Arztbesuche (vgl. hierzu: BVerwG vom 23.11.1995, a.a.O.). Die Aufgabe der Kriegsopferfürsorge, die Folgen der Schädigung angemessen auszugleichen oder zu mildern (§ 25 Abs. 2 BVG), rechtfertigt keine Kfz-Betriebskostenbeihilfe, die dem Beschädigten eine unbegrenzte Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen würde (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Soweit der Kläger darüber hinaus einen Zuschuss zum Erwerb des Führerscheins für seine Ehefrau begehrt, ist schon fraglich, ob die Regelung in § 27 Abs. 1 Ziffer 3 BVG i.V.m. § 28 Abs. 2 KFürsV auch auf den Erwerb des Führerscheins durch eine andere Person erstreckt werden kann. Denn § 28 Abs. 1 KFürsV spricht ausdrücklich davon, dass Beschädigte eine derartige Hilfe erlangen können. Abgesehen davon hat die Ehefrau mittlerweile den Führerschein erworben. Es widerspräche dem Zweck der Kriegsopferfürsorge, einen bereits aus eigenem Einkommen gedeckten Bedarf im Wege der Erstattung zu bezuschussen. Das Ziel der Leistungen der Kriegsopferfürsorge liegt vor allem darin, im Hinblick auf die erlittene Schädigung einen Schadensausgleich herbeizuführen und im Fall der Milderung der mittelbaren Folgen der Schädigung keine völlige Schadloshaltung anzustreben, sondern lediglich eine unter sozialen Gesichtspunkten begrenzte Eingliederung (vgl. BVerwG vom 31.3.1977, BVerwGE 52, 201/208 f.). Die Leistungen der Kriegsopferfürsorge sind deshalb durch den Grundsatz der vorrangigen Bedarfsdeckung aus dem sonstigen Einkommen und Vermögen des Hilfesuchenden (Selbsthilfegrundsatz) begrenzt (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.6.2010, 12 B 09.2807; juris).

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass es dem Kläger nicht verwehrt ist, für die Zukunft erneut unter Vorlage entsprechender Unterlagen bzw. Nachweise Eingliederungshilfeleistungen zu beantragen.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Referenznummer:

R/R5693


Informationsstand: 09.09.2013