I. Die Klägerin ist wegen Blindheit schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100. Sie begehrt Leistungen im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben (§ 31
Abs. 3
SchwbG).
Seit 1981 ist die Klägerin Pfarrvikarin und Kirchenmusikerin bei der Evangelischen Landeskirche in W. ( Beigeladene). Dabei handelt es sich seit 1992 um eine Vollbeschäftigung, bei der die Klägerin zu etwa 70 Prozent theologische und zu 30 Prozent musikalische Aufgaben erfüllt. Zu ihren Tätigkeiten gehört das Abhalten von Gottesdiensten, die Durchführung von Hausbesuchen, Beerdigungen sowie die Mitwirkung an anderen Veranstaltungen.
Mit Schreiben vom 18. November 1996 beantragte sie die Übernahme der Kosten für die technische Modernisierung ihrer bereits 1987 mit Mitteln des Beklagten geförderten blindengeeigneten
PC-Anlage und legte hierzu einen Kostenvoranschlag in Höhe von rund 73.000 DM vor. Der Technische Dienst des Beklagten bestätigte aufgrund einer Arbeitsplatzbegehung, dass die in dem Kostenvoranschlag dargestellte Anlage notwendig sei, damit die Klägerin ihren Beruf weiterhin ausüben könne. Mit weiterem Schreiben vom 1.4. 1997 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die bereits durchgeführte Reparatur des Brailledruckers und legte hierzu eine Rechnung über 539,- DM vor. Am 23.6.1997 beantragte sie die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einem Seminar zum Thema "Chorleitung".
Die Beklagte lehnte die Anträge ab, weil die Klägerin als Geistliche keinen "Arbeitsplatz" im Sinne des Schwerbehindertengesetzes innehabe; daher könnten auch keine Leistungen an sie erfolgen (Bescheid vom 15. 9. 1997).
Auf die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 12.12.1997) erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Anträge der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hingegen hat auf die Berufung des Beklagten die Klage in entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen.
II. Die Revision der Klägerin, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1
i.V.m. § 125
Abs. 1 Satz 1 und § 101
Abs. 2
VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Es verstößt gegen Bundesrecht, dass das Berufsgericht einen Anspruch der Klägerin auf begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben nach § 31
SchwbG mit der Begründung verneint hat, die von der Klägerin begehrte Hilfe setze die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des Schwerbehindertengesetzes voraus, was bei der Klägerin gemäß § 7
Abs. 2
Nr. 2
SchwbG nicht der Fall sei. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen und damit zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, in welchem der Beklagte verpflichtet worden ist, erneut über die Anträge der Klägerin zu entscheiden.
Als Schwerbehinderte gemäß § 1 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz -
SchwbG - i.d.F. der
Bek. v. 26.8.1986, BGBl. I
S. 1421, 1550, zuletzt geändert durch
Art. 20 des Gesetzes vom 20.12.2000, BGBl. I
S. 1827) gehört die Klägerin zum geschützten Personenkreis des Gesetzes, dessen volle Bezeichnung bereits auf einen umfassenden Anwendungsbereich hindeutet.
Der geltend gemachte Förderungsanspruch der Klägerin beurteilt sich nach § 31
Abs. 1
Nr. 3,
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. a und f
SchwbG. Für die Anwendung dieser Vorschrift kommt es nicht darauf an, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz im Wesentlichen von ihrer Pflichtenstellung als Geistliche bestimmt wird, sodass ihre Stelle nach § 7
Abs. 2
Nr. 2
SchwbG nicht als Arbeitsplatz gilt. Zur Umschreibung der Voraussetzungen der begehrten Hilfe verwendeten § 31
Abs. 1
Nr. 3, Satz 1
Nr. 1 Buchst. a und f
SchwbG nicht den Begriff des "Arbeitsplatzes", sondern - entsprechend den Worten "Arbeit, Beruf" in der Gesetzesüberschrift - den weiten Begriff des "Arbeits- und Berufslebens". Nach § 31
Abs. 1
Nr. 3
SchwbG obliegt der Hauptfürsorgestelle "die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben"; nach
Abs. 3 Satz 1 dieser Bestimmung kann sie "im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen erbringen", und zwar "insbesondere" u.a. gemäß
Nr. 1 "an Schwerbehinderte a) für technische Arbeitshilfen" sowie f) "zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten...". Der Wortlaut der genannten Bestimmungen setzt das Vorliegen eines "Arbeitsplatzes" im Sinne des § 7
Abs. 1
SchwbG nicht voraus: den Einzelregelungen, insbesondere auch
Nr. 1 Buchst. c (Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz), ist nicht zu entnehmen, dass das Vorliegen eines Arbeitsplatzes im Sinne des § 7
Abs. 1
SchwbG bzw. die Versorgung mit einem solchen generell rechtliche Voraussetzung oder Ziel einer Hilfe durch Geldleistungen wäre; in den Fällen gemäß Buchst. c liefe dies dem ausdrücklichen Hilfeziel der beruflichen Verselbstständigung zuwider.
Auch in der Systematik der Bestimmung der "Aufgaben der Hauptfürsorgestelle" (§ 31
SchwbG) kommt eine Begrenzung der begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben auf die Versorgung Schwerbehinderter mit "Arbeitsplätzen" nicht zu Ausdruck. Soweit nach
Abs. 2 Satz 2 dieser Bestimmung darauf hingewirkt werden soll, dass Schwerbehinderte auf "Arbeitsplätzen" beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie befähigt werden, "sich am Arbeitsplatz... zu behaupten", und soweit der durch Gesetz vom 29.9.2000 ( BGBl. I
S. 1394) eingefügte § 31
Abs. 2 Satz 3
SchwbG die Zuständigkeit der Hauptfürsorgestelle auch für befristete Voll- und für Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse von mindestens 15 Stunden wöchentlich und damit gerade unabhängig von den nach § 7
Abs. 3
SchwbG engeren Voraussetzungen für einen Arbeitsplatz bestimmt, lässt dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Schluss zu, dss damit generell für alle in
Abs. 3 unter
Nr. 1 ausdrücklich genannten Formen der begleitenden Hilfe im Arbeits- und BErufsleben vom Arbeitsplatzbegriff des § 7
SchwbG auszugehen wäre.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist Derartiges auch dem Urteil des Senats vom 08.03.1999 -
BVerwG 5 C 5. 98 - br 1999, 169 = Buchholz 436.61 § 7
SchwbG Nr. 4 betreffend Geldleistungen an Arbeitgeber zur behindertengerechten Einrichtung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte nicht zu entnehmen. Dieses Urteil befasst sich mit Blick auf Leistungen an Arbeitgeber gemäß § 31
Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a
SchwbG i. V.m. § 15
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SchwbAV "für die behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte" mit der Stellung von Personen, die als Organmitglieder juristischer Personen selbst Arbeitgeberfunktionen ausüben, enthält aber keine auf die Hilfen an Schwerbehinderte übertragbaren generellen Aussagen unter dem Gesichtspunkt der Anwendbarkeit des § 7
Abs. 1
SchwbG auch im Rahmen des § 31
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1
SchwbG.
Die Tätigkeit der Klägerin als Pfarrvikarin und Kirchenmusikerin bei der Beigeladenen ist auch nicht von Verfassungs wegen von dem in § 31
Abs. 1
Nr. 3,
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1
SchwbG angesprochenen Rechtsbereich des "Arbeits- und Berufslebens" auszunehmen. Zwar ist für Geistlichenämter streitig, ob sie dem Schutzbereich des
Art. 12
GG oder dem der Religionsausübung (
Art. 4
Abs. 1, 2
GG) zuzurechnen sind (zur dogmatischen Einordnung der Geistlichenberufe
vgl. Scholz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz,
Art. 12, Rn. 157-159) und wird insbesondere für katholische Geistliche die Auffassung vertreten, auf diese sei das Schwerbehindertengesetz nicht anwendbar, denn es gebe keinen staatlich regulierbaren "Arbeitsmarkt" für katholische Geistliche und hier würden nicht "Stellen besetzt", sondern es werde "ein Sakrament gespendet" (
vgl. Rüthers in Festschrift für Wilhelm Herschel, 1982,
S. 351
ff./365). Nach dem gegebenen sozialen Schutzzweck des Schwerbehindertengesetzes, dessen § 1 Geistliche nicht vom personalen Anwendungsbereich des Gesetzes ausnimmt, ist für die Förderansprüche einzelner Schwerbehinderter indes vorrangig darauf abzustellen, dass eine Tätigkeit dem Arbeits- und Berufsleben zuzurechnen ist. Dies ergibt sich rechtlich daraus, dass § 7
Abs. 2
SchwbG Geistliche nur für den Begriff des Arbeitsplatzes ausnimmt, nicht aber für die Einordnung ihrer Tätigkeit in das Berufs- und Arbeitsleben.
Jedenfalls für die Stelle der Klägerin bei der Beigeladenen sind rechtliche Zweifel daran, dass es sich um eine berufliche Tätigkeit und damit um eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Arbeits- und Berufslebens handelt, weder kirchlicherseits (von der Beigeladenen) vorgetragenen noch sonst ersichtlich. Eine den Wortlaut einengende Auslegung des Begriffs des "Arbeits- und Berufslebens" gebietet auch nicht der verfassungsrechtliche Status der Religionsgesellschaften, der gemäß
Art. 140
GG i.V.m. Art 137
Abs. 3 und 5 WRV die kirchliche Ämterautonomie im Sinne einer Freistellung von staatlicher Einflussnahme auf die Besetzung und Ausgestaltung kirchlicher Ämter gewährleistet und - wie die Vorinstanz zutreffend feststellt - den tragenden Grund für die Freistellung der Kirchen von der Beschäftigungspflicht (§ 5
SchwbG) und der Ausgleichsabgabe (§ 11
SchwbG) für ihre geistlichen Ämter bildet. Einen unzulässigen staatlichen Eingriff in den innerkirchlichen Autonomiebereich durch die begehrte Förderung vermag der Senat nicht zu erkennen. Eine Hilfegewährung berührte nicht Bereiche, die staatlicher Beeinflussung - auch durch Hilfeleistungen - von vorneherein verschlossen wären. Eine Förderung unter Verstoß gegen innerkirchliches Recht oder dem kirchlichen Selbstverständnis zuwider vermag der Senat um so weniger zu erkennen, als die Beigeladene das Begehren der Klägerin befürwortet. Da es sich bei der Modernisierung der blindengeeigneten
PC-Anlage der Klägerin und der Reparatur des Brailledruckers nach den Feststellungen des Beklagten um förderungsfähige technische Hilfen im Sinne des § 31
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. a
SchwbG und bei der Teilnahme an dem Seminar "Chorleitung" um eine Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne der
Nr. 1 Buchst. f handelt und die Klägerin mit ihrer Tätigkeit "im Arbeits- und Berufsleben" steht, sind die gesetzlichen Voraussetzungen der Hilfegewährung gegeben.
Auch aus dem Wesen der Schwerbehindertenabgabe als einer Sonderabgabe, der die beigeladene Landeskirche für ihre Geistlichenstellen nicht unterliegt, folgt nicht, dass die Ausstattung des Arbeitsplatzes (im funktionalen Sinne) der Klägerin und die Förderung ihrer beruflichen Tätigkeit aus Mitteln der Ausgleichsabgabe unter abgaberechtlichen Gesichtspunkten wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (
Art. 3
Abs. 1
GG) unzulässig wäre.
Die im Urteil zur Berufsausbildungsabgabe (BVerfGE 55, 274) verlangte gruppennützige Verwendung des Aufkommens einer Sonderabgabe im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, die hier wegen der Ausnahme der Geistlichenstellen von der Ausgleichsabgabe zweifelhaft sein könnte, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes über die Pflichtplatzquote sowie über die Ausgestaltung und Verwendung der Ausgleichsabgabe (BVerfGE 57, 139 = br 1981, 64, modifiziert: Diese Anforderungen beträfen "ersichtlich nur solche Abgaben, bei denen ... das Aufkommen zumindest primär zur Finanzierung vom Gesetz bestimmter Zwecke dient", was bei solchen Angaben nicht uneingeschränkt gelte, "bei denen nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe Anlass zu ihrer Einführung gab" (a. a.O.
S. 167
bzw. S. 68), sondern die Finanzierungsfunktion hinter anderen Funktionen zurücktrete. Dies sei bei der Ausgleichsabgabe der Fall, bei der es primär auf Antriebs- und Ausgleichsfunktion ankomme (a. a.O.
S. 168 f.
bzw. S. 68).
Die Frage, ob und inwieweit der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung über die Verwendung der ihm nur in begrenztem Ausmaß zur Verfügung stehenden Mittel auch berücksichtigen kann, in welchem Ausmaß die Beigeladene sich bei der Beschäftigung Schwerbehinderter auf Geistlichenstellen mit eigenen Mitteln an der Realisierung der Ziele des Schwerbehindertengesetzes beteiligt, hat der Senat nicht zu entscheiden.