Die gemäß §§ 143 und 144
SGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 151
Abs. 1
SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Juni 2016 ist nicht zu beanstanden, denn der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2015 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu.
Gemäß § 43
Abs. 1 und 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser
bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise
bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43
Abs. 1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43
Abs. 2 Satz 2
SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43
Abs. 2 Satz 3
SGB VI auch
1. Versicherte nach § 1 Satz 1
Nr. 2
SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43
Abs. 3
SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der für den Nachweis der sog. Vorversicherungszeit im Sinne des § 43
Abs. 1 und 2 Satz 1
Nr. 2
SGB VI maßgebliche Fünf-Jahres-Zeitraum verlängert sich gemäß § 43
Abs. 4 und § 241
Abs. 1
SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungs- und Ersatzzeiten). Gemäß § 43
Abs. 5
SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren dann nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53
SGB VI zufolge
(z. B. wegen eines Arbeitsunfalls) vorzeitig erfüllt ist. Nach der Sonderregelung des § 241
Abs. 2 Satz 1
SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufungsfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241
Abs. 2 Satz 2
SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.
Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43
Abs. 1 und 2
Nr. 3
SGB VI ist gemäß § 50
Abs. 1
SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach den vorliegenden Befundberichten sowie den eingeholten Gutachten steht fest, dass die Klägerin an einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, gegenwärtig leichte Ausprägung, einer Migräne ohne Aura, Lipödem an Armen und Beinen, einer Gastritis sowie gelegentlichen Lumbalgien bei altersgemäßen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ohne radikuläre Symptomatik leidet. Hiervon ausgehend ist die Fähigkeit der Klägerin, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), zwar durch verschiedene Gesundheitsstörungen beeinträchtigt. Zur Überzeugung des Senats steht jedoch nicht fest, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der bei ihr bestehenden Erkrankungen nur noch regelmäßig weniger als sechs Stunden täglich Tätigkeiten verrichten kann. Sie kann vielmehr nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Arbeiten mit folgenden qualitativen Einschränkungen ausüben: Arbeiten überwiegend in sitzender Position mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Wechsel der Körperhaltung, keine Nacht- oder Wechselschicht, keine Arbeiten im Akkord oder Arbeiten mit besonders hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand der Klägerin vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten im Sinne einer Längsschnittbetrachtung. Demgegenüber ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden Gutachten ein eingeschränktes Leistungsvermögen in quantitativer Hinsicht nicht. Zwar sieht das Gutachten des behandelnden Arztes
Dr. E. bei der Klägerin eine 100%ige Erwerbsminderung, d.h. ein Leistungsvermögen von jedenfalls unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieser Einschätzung kann der Senat jedoch nicht folgen. Die vorgetragenen Argumente zur Begründung des Vorliegens solch erheblicher Einschränkungen aufgrund der organischen wie psychischen Leiden der Klägerin vermochten den Senat nicht vom Vorliegen einer Erwerbsminderung zu überzeugen. Der Senat ist nicht im erforderlichen Beweisgrad der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass das Erwerbsvermögen der Klägerin unter sechs Stunden arbeitstäglich gesunken ist. Letztlich trifft für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (
BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03 R).
Der Senat ist zunächst der Überzeugung, dass die Klägerin unter einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik leidet, was sich nachvollziehbar aus den insoweit konsistenten Begutachtungen durch
Dr. D. im Verwaltungsverfahren,
Dr. G. im erstinstanzlichen Verfahren sowie
Dr. H. und
Dr. E. im Berufungsverfahren ergibt. Der Schweregrad der depressiven Symptomatik ist aus Sicht des Senats zutreffend mit lediglich leichtgradig zu charakterisieren. So kam
Dr. D. zu der Einschätzung einer momentan leichtgradigen, zeitweilig mittelschwer ausgeprägten depressiven Störung,
Dr. G. zu der Einschätzung eine rezidivierenden Depression leicht- bis mittelgradig und
Dr. H. zur Diagnose einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik in gegenwärtig leichter Ausprägung. Für den Senat stehen diese Einschätzungen im Einklang mit den von der Klägerin selbst geschilderten Tagesabläufen. So gab die Klägerin gegenüber
Dr. D. u.a. an, sie versorge ihre betagten Eltern, insbesondere ihre pflegebedürftige Mutter. Sie verfüge über ausreichend soziale Kontakte und sei zuletzt einem Schwimmclub beigetreten. Dreimal pro Woche gehe sie schwimmen, mache regelmäßig Nordic Walking und fahre Fahrrad. Anlässlich der Untersuchung bei
Dr. G. gab die Klägerin u.a. an, als Hobby gehe sie in Frei- und Hallenbädern schwimmen. Sie gärtnere gerne und fahre mit dem Fahrrad. Schließlich gab die Klägerin gegenüber
Dr. H. an, mit ihrem jüngsten Stiefsohn in einem 123 qm großen Eigenheim zu wohnen, ihn dort zu versorgen und auch seine Wäsche zu waschen. Sie kümmere sich intensiv um ihren
ca. 600 qm großen Garten und gehe täglich etwa eine Stunde im Wald spazieren. Außerdem mache sie viel Sport, gehe jeden zweiten Tag Schwimmen, besuche regelmäßig ein Sportstudio und gehe Fahrradfahren. Darüber hinaus sehe sie ihre Eltern täglich und kümmere sich intensiv um sie. So putze sie bei den Eltern, koche für sie, wasche die Wäsche und gehe mit ihnen Einkaufen. Sie sei auch regelmäßig in J. und besuche ihren Ehemann. Sie lese gerne und könne, wenn es besonders spannend sei, auch einmal mehrere Stunden am Stück lesen. Aus dieser Schilderung ergeben sich für den Senat keinerlei Anhaltspunkte für eine leistungsmindernde Antriebslosigkeit oder Rückzugstendenzen der Klägerin, wie sie typischerweise mit schwerwiegenderen depressiven Episoden einhergehen. Soweit
Dr. E., langjähriger Hausarzt der Klägerin, die Diagnose einer schweren, chronischen Depression mit Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen trifft, ist dies für den Senat dagegen weder mit den geschilderten Tagesabläufen vereinbar noch nachvollziehbar. Die Begutachtung durch
Dr. E. leidet an erheblichen Defiziten, welche die Überzeugungskraft der gewonnenen Erkenntnisse deutlich beeinträchtigt. So hat
Dr. E. u.a. keinerlei Angaben zum Tagesablauf der Klägerin erhoben, anhand dessen er die Symptome der von ihm diagnostizierten schweren Depression hätte validieren können. Die Beschreibung der eigenen psychischen ärztlichen Untersuchung des Sachverständigen fällt trotz der Erwähnung eines ausführlichen, mehrstündigen Explorationsgesprächs mit einer halben Seite äußerst knapp aus. Der Sachverständige nimmt dabei Bezug auf Tests zu Konzentrations- und Merkfähigkeit, ohne diese konkret zu benennen, vorzulegen oder im Einzelnen auszuwerten. Der als Leistungsfähigkeit aus Sicht der zu Begutachtenden beschriebene Vortrag der Klägerin wird unkritisch wiedergegeben und weder einer Konsistenzprüfung noch einer objektiven Validierung zugeführt. Die auf dieser Grundlage gewonnene medizinische Beurteilung durch
Dr. E. ist für den Senat nicht nachvollziehbar und für die sozialmedizinische Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin unverwertbar.
Die Klägerin leidet daneben an einer Migräne. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin wie von
Dr. H. angenommen unter einer Migräne ohne Aura oder wie von
Dr. G. angenommen unter einer Migräne mit Aura, d.h. mit einer dem Kopfschmerz vorausgehenden neurologischen Symptomatik, leidet. Denn maßgeblich für die rentenrechtlich relevante Einschätzung des Restleistungsvermögens der Klägerin ist nicht die konkrete Diagnose ihrer Gesundheitsbeeinträchtigungen, sondern die sich daraus konkret ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen. Danach gehen sämtliche genannte Sachverständige mit Ausnahme von
Dr. E. von einem verbliebenen zeitlichen Leistungsvermögen der Klägerin von sechs Stunden und mehr aus. Dies ist für den Senat nachvollziehbar, da die beschriebenen Kopfschmerzattacken lediglich vorübergehend auftreten und durch medikamentöse Behandlung zumindest teilweise kompensiert werden. Daneben zeugen auch die noch ausbaufähige Behandlung, die lediglich einmal jährlich stattfindende Botox-Therapie sowie die nur unregelmäßigen stationären Aufenthalte der Klägerin in der Migräne- und Schmerzklinik Königstein nicht von einem übermäßigen Leidensdruck der Klägerin, der
ggf. als Indiz für eine dauerhafte Minderung der Leistungsfähigkeit der Klägerin herangezogen werden könnte.
Die Klägerin leidet zudem an Lipödemen an Armen und Beinen, die nachvollziehbar zu qualitativen Einschränkungen der Klägerin in Form der Notwendigkeit wechselnder Körperhaltungen führen, um Wassereinlagerungen vorzubeugen. Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin ergeben sich nach Ansicht des Senats hieraus indes nicht. So sind die Lipödeme durch manuelle Lymphdrainage behandelbar. Zugleich können bestehende Funktionseinschränkungen der Klägerin durch Inanspruchnahme zumutbarer Hilfsmittel, insbesondere von Kompressionsstrümpfen, ausreichend kompensiert werden.
Auch aus den weiteren Leiden ergibt sich kein in zeitlicher Hinsicht eingeschränktes Leistungsvermögen. So kommt der Gastritis und den gelegentlichen Lumbalgien bei altersgemäßen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ohne radikuläre Symptomatik jeweils kein erwerbsmindernder Dauereinfluss zu, der geeignet wäre, das zeitliche Leistungsvermögen unter sechs Stunden arbeitstäglich zu senken.
Für den Senat sind Anhaltspunkte dahingehend, dass das Gutachten der Sachverständigen
Dr. H. entscheidungserhebliche schwere Mängel aufweist, in sich widersprüchlich ist, von unzulässigen Voraussetzungen ausgeht oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachdienlichkeit des Gutachtens erwecken, nicht erkennbar. Darüber hinaus sind Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, in den vorliegenden Gutachten oder im sonstigen medizinischen Berichtswesen bislang nicht berücksichtigter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit ernsthaft ins Gewicht fallendem erwerbsmindernden Dauereinfluss, aufgrund derer eine andere Sicht der Dinge geboten erscheinen könnte, nicht ersichtlich. Der Senat hält deshalb das Leistungsvermögen der Klägerin mit den von medizinischer Seite insgesamt getroffenen Feststellungen für ausreichend aufgeklärt und weitere Begutachtungen von Amts wegen für nicht geboten. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche leichte Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten.
In Anbetracht des ausgeführten Restleistungsvermögens kann die Klägerin auch im Übrigen nicht damit gehört werden, dass ihre Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar ist. Denn es gab seit Rentenantragstellung und gibt zur Überzeugung des Senats auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsmarkt noch eine nennenswerte Zahl von Tätigkeiten, die sie trotz ihres eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben kann. Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens liegen bei der Klägerin insbesondere auch keine ins Gewicht fallenden besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Insoweit bedarf es im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einer besonders eingehenden Prüfung lediglich dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (
vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 mit Hinweis auf
BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus fällt (
vgl. BSG, Urteile vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80; vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79). Derart gravierende Einschränkungen liegen bei der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.
Ob im Übrigen die in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie die Klägerin noch zumindest sechs Stunden pro Arbeitstag einsatzfähig ist, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für sie offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (
BSG, Beschluss vom 10. Dezember 1976, GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75 u. GS 3/76) kann bei diesem Personenkreis grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 43
Abs. 3
SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer - ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (
vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011,
B 13 R 79/11 R). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Bei der Klägerin besteht weder das Erfordernis von zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen noch liegt eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit vor. Die Wegefähigkeit der Klägerin ist insbesondere nicht durch ihre Lipödeme in maßgeblichem Umfang eingeschränkt. Hierbei stützt sich der Senat auf die übereinstimmenden Beurteilungen der gerichtlichen Sachverständigen
Dr. G. und
Dr. H., welche die Wegefähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt sahen. Sowohl die erforderliche Gehstrecke als auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel seien nicht beeinträchtigt. Zwar sieht
Dr. E. die Klägerin in ihrer Wegefähigkeit aufgrund der Lipödeme eingeschränkt, da weder längeres Sitzen, noch längeres Stehen oder längere Autofahrten möglich seien. Der Senat vermag sich
Dr. E. jedoch auch an dieser Stelle nicht anzuschließen. Die Klägerin war zur Untersuchung bei
Dr. E. wie auch bereits zuvor bei
Dr. H. selbst mit dem PKW angereist, ohne dass entsprechende Beschwerden dokumentiert wurden. Zudem stimmt der von der Klägerin zuvor geschilderte Tagesablauf mit sportlichen Aktivitäten, einem täglichen Spaziergang im Wald, Fahrradfahren und regelmäßigem Schwimmen nicht mit dem vom Sachverständigen konstatierten Verlust der Wegefähigkeit überein. Die von
Dr. E. getroffene Einschätzung vermag daher die zuvor gewonnen Einschätzungen, insbesondere die von
Dr. H., nicht zu widerlegen.
Für die Klägerin ergibt sich im Übrigen auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240
SGB VI.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben gemäß § 240
Abs. 1
SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die
1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2. berufsunfähig
sind.
Die 1958 geborene Klägerin gehört nach ihrem Geburtsjahrgang zwar zu dem von § 240
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI erfassten Personenkreis, weil sie vor dem 2. Januar 1961 geboren ist. Sie ist aber nicht berufsunfähig.
Berufsunfähig sind der Vorschrift des § 240
Abs. 2 Satz 1
SGB VI zufolge Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst gemäß § 240
Abs. 2 Satz 2
SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240
Abs. 2 Satz 3
SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist der Vorschrift des § 240
Abs. 2 Satz 4
SGB VI zufolge nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist bereits nicht berufsunfähig, weil sie zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen hat, dass sie ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Großkundenbetreuerin in der Automobilbranche unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nur noch weniger als sechs Stunden arbeitstäglich ausüben kann.
Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der bisherige Beruf oder Hauptberuf, den der Versicherte ausgeübt hat (
BSG, Urteil vom 20. Juli 2005,
B 13 RJ 29/04 R;
BSG, Urteil vom 26. April 2005,
B 5 RJ 27/04 R). Eine Tätigkeit, die von Beginn an auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird, kann vom Grundsatz her jedoch keinen Berufsschutz begründen (Nazarek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 240
SGB VI, Rn. 44). Nach dieser Maßgabe ist die letzte berufliche Tätigkeit der Klägerin im Beruf der Großkundenbetreuerin in der Automobilbranche zu sehen. Diese Tätigkeit entspricht zur Überzeugung des Senats den typisierten Tätigkeiten einer Key-Account-Managerin
bzw. einer Verkaufsberaterin (
vgl. zum Folgenden https://berufenet.arbeitsagentur.de). Key-Account Manager/innen akquirieren und betreuen wichtige oder umsatzstarke Kunden und Vertriebspartner, die sog. Key-Accounts
bzw. Schlüsselkunden. Key-Account-Manager/innen arbeiten in erster Linie in Büroräumen oder Besprechungsräumen, an Bildschirmarbeitsplätzen und mit Kundenkontakt. Ggf. ist eine Abwesenheit vom Wohnort (bei Messe- oder bei Kundenbesuchen
ggf. Übernachtung auswärts) mit dann unregelmäßigen Arbeitszeiten (Kunden- oder Messebesuche teilweise am Wochenende oder außerhalb der üblichen Arbeitszeiten) notwendig. Verkaufsberater/innen betreuen Bestands- sowie Neukunden. Sie beraten diese über Waren und Dienstleistungen, führen Verkaufsgespräche und bieten individuelle Lösungen sowie Serviceleistungen an. Verkaufsberater/innen sind in Verkaufsräumen und Büros tätig, aber auch vor Ort bei ihren Kunden, mit denen sie Beratungsgespräche führen. Wenn sie
z.B. Messen oder Ausstellungen betreuen, können Arbeitszeiten am Wochenende anfallen. Die Tätigkeit umfasst u.a. Bildschirmarbeit sowie Kundenkontakt.
Ausgehend von diesen Voraussetzungen ist die Klägerin noch in der Lage, ihre letzte berufliche Tätigkeit noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Insbesondere stehen nicht bereits die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Einschränkungen der Fortsetzung ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Großkundenbetreuerin in der Automobilbranche entgegen. Die Klägerin soll nur noch Arbeiten überwiegend in sitzender Position mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Wechsel der Körperhaltung ausüben, was bei ihrer letzten beruflichen Tätigkeit gewährleistet ist. Sie sollte darüber hinaus keine Arbeiten in Nacht- oder Wechselschicht, keine Arbeiten im Akkord oder Arbeiten mit besonders hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit ausüben. Entsprechende Arbeitsbedingungen sind bei ihrer letzten Tätigkeit als Großkundenbetreuerin in der Automobilbranche gewährleistet, sofern die Klägerin sie unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausübt. Denn besonders hohe Anforderungen an die psychische Belastbarkeit treten bei dieser Tätigkeit grundsätzlich nicht auf. Auch im Sinne der Gleichbehandlung der Versicherten ist dabei die letzte berufliche Tätigkeit der Klägerin nur abstrakt im Rahmen der üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes berücksichtigungsfähig. Unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012,
B 5 R 68/11 R;
BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011,
B 13 R 78/09 R) das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, das heißt, unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Hierzu gehören insbesondere auch die rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften. Unter Berücksichtigung der für die Klägerin geltenden Arbeitszeitvorschriften, die einer täglichen Arbeitszeit von - wie zuletzt von ihr angegeben - 12 bis 14 Stunden täglich an 6 bis 7 Tagen die Woche entgegen stehen, treten bei Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Ruhe- und Erholungszeiten bei der Tätigkeit als Großkundenbetreuerin/Key-Account-Managerin/Verkaufsberaterin zur Überzeugung des Senats keine hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit auf, die der Klägerin nicht mehr zugemutet werden könnten.
Der Senat stützt seine Überzeugung zur zeitlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin darüber hinaus auf das auch insoweit nachvollziehbare und schlüssige Gutachten von
Dr. H. Diese kommt zu der Einschätzung, dass die Klägerin prinzipiell eine Tätigkeit als Verkaufsberaterin noch ausführen könne, allerdings nicht mehr in so exponierter Stellung, wie sie die Klägerin früher inne gehabt habe. Einem immensen Leistungsdruck durch Erwartung an hohe Umsatzzahlen und überlange Arbeitszeiten von 12 bis 16 Stunden pro Tag könne die Klägerin ohne die Gefahr der erneuten Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nicht standhalten. Normale Arbeitszeiten von 6 bis 8 Stunden täglich als Verkaufsberaterin seien dagegen leistbar. Das so eingeschätzte zeitliche Restleistungsvermögen ist für den Senat insbesondere unter Berücksichtigung der geschilderten Tagesabläufe sowie der diversen sozialen und sportlichen Aktivitäten der Klägerin vollauf nachvollziehbar. Zwar kam
Dr. D. anlässlich seiner Untersuchung zu der Einschätzung, die Klägerin könne ihre letzte Tätigkeit als "Verkäuferin im Außendienst" nicht mehr vollschichtig, sondern nur noch drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich erbringen. Eine konkrete Herleitung dieser Leistungseinschränkung bezogen auf ihre letzte berufliche Tätigkeit wird jedoch nicht vorgenommen. Für den Senat ergibt sich auch aus den von
Dr. D. getroffenen Diagnosen keine konkrete Ableitung einer diesbezüglichen Leistungsminderung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin zuvor aus der bis zum 8. Mai 2013 besuchten stationären psychosomatischen Rehabilitationseinrichtung für ihre letzte berufliche Tätigkeit als vollschichtig leistungsfähig entlassen worden war. Zudem kam
Dr. D. für den allgemeinen Arbeitsmarkt zu der Einschätzung, dass der Klägerin sogar mittelschwere körperliche und geistige Tätigkeiten vollschichtig zumutbar seien. Die zeitliche Leistungsminderung für die letzte berufliche Tätigkeit der Klägerin ist vor diesem Hintergrund für den Senat nicht hinreichend nachvollziehbar. Schließlich kam der Sachverständige
Dr. E. zu der Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens nicht nur für die letzte Tätigkeit der Klägerin, sondern sogar für alle leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Wie zuvor mangelt es dem Gutachten jedoch auch an dieser Stelle an einer nachvollziehbaren und schlüssigen Herleitung dieses Ergebnisses, so dass allein seine entgegenstehende Feststellung aus Sicht des Senats nicht geeignet ist, die fundierte Einschätzung von
Dr. H. zu widerlegen.
Die Klägerin ist hinsichtlich der Feststellung von Berufsunfähigkeit auch nicht deshalb privilegiert, weil sie ihre berufliche Tätigkeit zuvor auf Kosten ihrer Gesundheit in einem Umfang von deutlich mehr als sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche ausgeübt hat. Soweit die Klägerin gegenüber
Dr. H. angibt, dass sie immer viel und lange, bis zu 16 Stunden am Tag, gearbeitet habe und weniger für sie eigentlich nicht in Frage käme, wenn sie wieder eine neue Arbeit anfangen würde, vermag dies das Vorliegen von Berufsunfähigkeit nicht zu begründen. Wenn die Klägerin vielmehr noch in der Lage ist, den Beruf der Großkundenbetreuerin in der Automobilbranche
bzw. die Tätigkeit als Verkäuferin im Außendienst in einem Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben, liegt keine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240
Abs. 2 Satz 1
SGB VI vor.
Doch selbst wenn die Klägerin ihre Tätigkeit als Großkundenbetreuerin in der Automobilbranche aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vollschichtig ausüben könnte, wäre sie nicht berufsunfähig, weil sie sich zumindest auf die Tätigkeit als Telefonistin verweisen lassen muss und einen solchen Beruf auch noch sechs Stunden täglich ausüben könnte.
Allein der Umstand, dass die Klägerin ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, führt noch nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit. Denn das Gesetz räumt den Versicherten einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann ein, wenn sie ihren - versicherungspflichtig ausgeübten - "bisherigen Beruf"
bzw. ihre "bisherige Berufstätigkeit" nicht mehr ausüben können. Vielmehr wird von den Versicherten verlangt, dass sie - bezogen auf ihren bisherigen Beruf - auch einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nehmen und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer gegebenenfalls auch geringer wertigen Erwerbsfähigkeit zufrieden geben (
vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1976, 5/12 RJ 132/75). Der bisherige Beruf ist dabei nicht schematisch mit der vom Versicherten zuletzt bekleideten Position gleichzusetzen, sondern muss aus dem Gesamtbild seines beruflichen Werdegangs ermittelt werden. Insofern gilt eine werdende Betrachtungsweise; entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles (
BSG, Urteil vom 27. April 1989, 5/5b RJ 78/87). Nur wer sich nicht auf einen anderen, ihm subjektiv zumutbaren Beruf verweisen lassen muss, ist berufsunfähig. Zugemutet werden können im Sinne des § 240
Abs. 2 Satz 2
SGB VI den Versicherten alle von ihnen nach ihren gesundheitlichen Kräften und ihrer beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausführbaren, auch berufsfremden Tätigkeiten, die nach der im Gesetz ausgeführten positiven Kennzeichnung - Ausbildung und deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufes im Betrieb, d.h. auch ihrer Qualität - den bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (ständige Rechtsprechung
vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1978, 1/5 RJ 128/76).
Nach dem zur Ausführung dieser Grundsätze von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Mehrstufenschema (
vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82;
BSG, Urteil vom 13. Dezember 1984, 11 RA 72/83;
BSG, Urteil vom 2. Dezember 1987, 1 RA 11/86;
BSG, Urteil vom 9. Juni 1988, 4/1 RA 67/87), das im Bereich der Angestellten zwischen dem Leitberuf der Angestellten mit hoher beruflicher Qualität, regelmäßig Studium, der Angestellten mit längerer Ausbildung, regelmäßig von 3 Jahren (Ausgebildete), der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren (Angelernte) und Angestellten ohne Ausbildung (Ungelernte) unterscheidet, ist die Klägerin der Gruppe der Angestellten mit einer Ausbildung von drei Jahren zuzuordnen.
Welcher konkreten Gruppe des Mehrstufenschemas eine bestimmte Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich nach der Qualität der verrichteten Arbeit. Kriterien hierfür sind neben der Ausbildung auch die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausübung, die Höhe der Entlohnung und die Anforderungen des Berufes. Die Klägerin hat eine nur aufgrund guter Leistungen auf unter zwei Jahre verkürzte Berufsausbildung zur Industriekauffrau, d.h. einem in der Regel dreijährigen anerkannten Ausbildungsberuf im Sinne des Berufsbildungsgesetzes, absolviert. Zur Überzeugung des Senates handelte es sich bei der letzten versicherungspflichtigen beruflichen Tätigkeit der Klägerin jedoch nicht um eine noch höher einzustufende Tätigkeit, etwa der einer Akademikerin, d.h. einer Tätigkeit, die ein abgeschlossenes Studium an einer Fachhochschule
bzw. einer wissenschaftlichen Hochschule voraussetzen würde. Die Anforderungen ihrer Berufstätigkeit entsprachen zur Überzeugung des Senates grundsätzlich dem Niveau einer Angestellten mit einer Ausbildung von drei Jahren. Auch aus der Stellenbeschreibung in der Arbeitgeberbescheinigung vom 17. April 2014, in der lediglich eine Tätigkeit als "Verkäuferin Großkunden" angegeben wurde, ergeben sich insoweit keine weitergehenden Besonderheiten. Die Klägerin kann sich zur Begründung einer höheren Einordnung auch nicht auf die Höhe ihrer provisionsabhängigen monatlichen Bruttoeinkünfte oder die besondere persönliche Beanspruchung aufgrund ihres enormen Arbeitspensums berufen. Denn die überdurchschnittliche monatliche Entlohnung der Klägerin über die vom Arbeitgeber gewährte Grundvergütung (zuletzt 1.150,00
EUR monatlich) hinaus sowie ihre besondere organisatorische Beanspruchung folgte zur Überzeugung des Senats nicht aus den besonders hohen qualitativen Anforderungen an ihre berufliche Tätigkeit, sondern maßgeblich aus dem auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit geleisteten Arbeitspensum der Klägerin mit Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden täglich an 6 bis 7 Tagen die Woche.
Der Beruf der Telefonistin entspricht objektiv den Kräften und Fähigkeiten der Klägerin. Die Tätigkeit eines Telefonisten umfasst die Bedienung von Telefon-
bzw. Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen sowie die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, Emails und ähnlichem. Die Anforderungen an Telefonisten sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich. Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeiten in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränken, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit einfachen Bürotätigkeiten, Schreibtätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten. Oft sind allgemeine
PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse (
vgl. Hessisches
LSG, Urteile vom 30. November 2015, L 5 R 26/14 sowie L 5 R 43/14). Bei dem Beruf der Telefonistin handelt es sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden, wobei eine wechselnde Arbeitshaltung durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich ist. Erforderlich sind eine gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist auch Zeitdruck nicht auszuschließen (Hessisches
LSG, Urteil vom 30. November 2015, L 5 R 26/14). Nach dem Ergebnis der Sachverhaltsaufklärung können der Klägerin wie ausgeführt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich mit Einschränkungen (Arbeiten überwiegend in sitzender Position mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Wechsel der Körperhaltung, keine Nacht- oder Wechselschicht, keine Arbeiten im Akkord oder Arbeiten mit besonders hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit) abverlangt werden. Die qualitativen Einschränkungen der Klägerin, insbesondere die aufgrund der psychischen Einschränkungen zu vermeidenden Arbeiten mit besonders hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit, stehen der Tätigkeit als Telefonistin damit nicht entgegen. Denn bei der Tätigkeit als Telefonistin kann allenfalls gelegentlich Zeitdruck ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit auftreten, was der Klägerin aber durchaus noch abverlangt werden kann. Darüber hinaus kann der Klägerin die Tätigkeit als Telefonistin auch subjektiv unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden. Denn für sie als Angestellte mit einer Ausbildung von drei Jahren bedeutet die Aufnahme einer Tätigkeit als Telefonistin keinen sozialen Abstieg um mehr als eine Stufe, weil es sich hierbei um eine herausgehobene ungelernte Tätigkeit handelt, auf die Fachangestellte (
bzw. Facharbeiter) verwiesen werden können. Die soziale Zumutbarkeit dieser Tätigkeiten ergibt sich aus ihrer tariflichen Einstufung durch die Tarifvertragsparteien (
vgl. Hessisches
LSG, Urteil vom 15. April 2011, L 5 R 331/09; Urteil vom 14. Dezember 2012, L 5 R 361/10 sowie das Auskunftsschreiben des Verbandes KX. e.V.- K. - vom 25. Januar 2011 sowie den Gehalts- und Lohntarifvertag für den Verband KX. Hessen e.V. - K. - vom 23. Oktober 2009, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden). Tätigkeiten als Telefonist sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebiets auch in nennenswertem Umfang - mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze - auch für Betriebsfremde verfügbar (
vgl. auch Urteil des Senates vom 21. November 2017, L 2 R 356/14), d.h. diese Tätigkeit steht der Klägerin auch konkret zur Verfügung. Weitergehende Anforderungen an eine Verweisungstätigkeit zur Abwendung von Berufsunfähigkeit bestehen nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193
SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160
Abs. 2
SGG nicht erfüllt sind.