I
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung).
Der 1972 geborene Kläger leidet an einer progressiven Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener und einer Herzmuskelschwäche, die seit 2016 mit einem Kardioverter-Defibrillator versorgt ist.
Am 8.9.2017 beantragte er die Feststellung eines höheren als des bisher festgestellten Grades der Behinderung (
GdB) von 60 und zusätzlich zu dem bereits zuerkannten Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Daraufhin stellte der Beklagte den
GdB mit 80 und den Fortbestand der Voraussetzungen des Merkzeichens G fest. Dabei bewertete er die Muskeldystrophie Typ Becker-Kiener mit einem Einzel-
GdB von 60 und den Kardioverter-Defibrillator mit einem Einzel-
GdB von 50. Die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens aG lehnte er ab (Bescheid vom 18.12.2017). Den allein hinsichtlich des Merkzeichens aG eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.8.2018).
Die Klage hat das SG nach Befragung der behandelnden Ärzte und Einholung eines Gutachtens abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25.6.2019). Auf die Berufung des Klägers hat das
LSG den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, bei dem Kläger ab 12.2.2020 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das
LSG ausgeführt: Die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG seien ab dem Tag der Untersuchung des Klägers durch den im Berufungsverfahren beauftragten Sachverständigen am 12.2.2020 festzustellen. Bei dem Kläger liege eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vor, die einem
GdB von mindestens 80 entspreche. Eine freie Gehfähigkeit des Klägers im maßgeblichen normalen, mit Unebenheiten versehenen Lebensumfeld ohne Selbstverletzungsgefahr bestehe nicht mehr. Sogar ein beidseitig Oberschenkelamputierter mit Orthesen sei sicherer auf ebenem und unebenem Gelände unterwegs als der Kläger. Die Fähigkeit, im idealen Umfeld zB eines Krankenhausflures zu gehen, sei insoweit unschädlich. Die Muskelschwunderkrankung sei beim Kläger mit mittelgradigen Auswirkungen verbunden. Diese seien wegen der fehlenden Möglichkeit, die Arme zur Gleichgewichtskoordination oder zum Gebrauch einer Gehhilfe oder eines Rollators zu nutzen, mit einem Einzel-
GdB von 80 zu bewerten. Zudem entspreche der Bewegungsablauf beim Kläger dem eines Hüftexartikulierten oder Beckenkorbprothesenträgers, bei denen wegen der fehlenden Funktion der Hüftgelenke eine vergleichbare Situation zu dem instabilen Hüftgürtel des Klägers bestehe. Hüftexartikulierten oder Beckenkorbprothesenträgern habe auch nach alter Rechtslage das Merkzeichen aG zugestanden (Urteil vom 29.1.2021).
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von
§ 229 Abs 3 SGB IX, Teil B Nr 18.6 der
Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (Versorgungsmedizinische Grundsätze
), § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und § 103 SGG. Für die Erheblichkeit der mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung sei eine freie Gehfähigkeit ohne Selbstverletzungsgefahr nicht der Maßstab. Auch ein Vergleich der Muskelschwunderkrankung mit orthopädischen Leiden sei nicht angezeigt. Zudem verkenne das LSG die Anforderungen an das Merkmal der dauernden Beeinträchtigung. Es habe zu Unrecht auf ein von ihm definiertes "normales Lebensumfeld" anstelle einer Teilhabebeeinträchtigung in allen Lebenslagen abgestellt. Hinsichtlich der Höhe des mobilitätsbezogenen GdB habe es sich nicht mit dem Gesamtergebnis des Verfahrens auseinandergesetzt und die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, indem es die in den VMG festgelegten Kriterien außer Acht gelassen habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen LSG vom 29. Januar 2021 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Chemnitz vom 25. Juni 2019 insgesamt zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene LSG-Urteil.
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG, mit dem es den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 18.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2018 (§ 95 SGG) verurteilt hat, bei dem Kläger ab 12.2.2020 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen. Gegen diese Bescheide hat sich der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gewandt (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 und 2, § 56 SGG; zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 9 mwN).
B. Die Revision ist im vorgenannten Umfang begründet, weil der Senat nicht abschließend entscheiden kann, ob das LSG den Anspruch des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG zu Recht bejaht hat.
Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung sind § 152 Abs 1 und 4 SGB IX und § 229 Abs 3 SGB IX, beide idF des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl I 3234; dazu unter 1.). Ob der Kläger die geforderten Voraussetzungen erfüllt, kann der Senat anhand der Feststellungen des LSG nicht entscheiden (dazu unter 2.).
1. Nach § 152 Abs 1 und 4 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung und dem GdB auch weitere gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung iS von § 229 Abs 3 SGB IX, für die im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs 1 Nr 1 Schwerbehindertenausweisverordnung idF des BTHG vom 23.12.2016, BGBl I 3234).
Die Voraussetzungen für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung sind seit dem 1.1.2018 in § 229 Abs 3 SGB IX (für die Zeit vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 in § 146 Abs 3 SGB IX idF des BTHG vom 23.12.2016, aaO) normiert. Durch diese Legaldefinition wurde die bisherige Konkretisierung des Begriffs der außergewöhnlichen Gehbehinderung in den VMG (Teil D Nr 3 VMG in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung vom 11.10.2012, BGBl I 2122) und der insoweit längstens bis 14.1.2015 anwendbaren (vgl § 70 Abs 2 SGB IX idF des Gesetzes vom 7.1.2015, BGBl II 15) Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung abgelöst (VwV-StVO; vgl RdNr 129-130 des Abschnitts II Nr 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwVStVO idF vom 4.6.2009 , BAnz 2009, Nr 84 S 2050; ersetzt erst mit Wirkung vom 16.11.2021 durch den Verweis auf § 229 Abs 3 SGB IX in RdNr 128 des Abschnitts II Nr 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwVStVO idF vom 8.11.2021, BAnz AT 15.11.2021 B1; vgl auch RdNr 17 des Abschnitts IX zu § 45 Abs 1 bis 1e VwVStVO; s zur alten Rechtslage zB BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 12 ff).
Nach § 229 Abs 3 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht (Satz 1). Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können (Satz 2). Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind (Satz 3). Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen (Satz 4). Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleich kommt (Satz 5).
2. Ob der Kläger beide in § 229 Abs 3 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung erfüllt, kann der Senat anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar führt die Muskelschwunderkrankung des Klägers zu einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung (dazu unter a). Es steht aber nicht fest, dass diese für sich genommen bereits einem GdB von mindestens 80 entspricht (dazu unter b).
a) Nach den insoweit noch ausreichenden Tatsachenfeststellungen des LSG im angefochtenen Urteil besteht bei dem Kläger eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung. Er kann sich iS des § 229 Abs 3 Satz 2 SGB IX wegen der Schwere seiner Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen. Für diese Feststellung ist in räumlicher Hinsicht nicht nur auf eine ideale Umgebung abzustellen, wie zB die eigene bedarfsgerecht eingerichtete Wohnung oder einen Krankenhausflur, sondern auf eine Umgebung, wie sie nach Verlassen eines Kraftfahrzeugs typischerweise vorzufinden ist (dazu unter aa). Eine solche Beeinträchtigung der Fortbewegung außerhalb des Kraftfahrzeugs besteht beim Kläger (dazu unter bb), ohne dass es auf einen Vergleich seiner Gehfähigkeit mit derjenigen beim Vorliegen bestimmter orthopädischen Leiden ankäme (dazu unter cc).
aa) Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung iS des § 229 Abs 3 Satz 2 SGB IX ist anhand der beim Verlassen eines Kraftfahrzeugs typischerweise vorzufindenden Umgebungsverhältnisse zu bestimmen. Diese umfassen insbesondere den öffentlichen Verkehrsraum mit all seinen potentiell mobilitätsbeschränkenden Widrigkeiten, wie zB Bordsteinkanten, abfallenden oder ansteigenden Wegen und Bodenunebenheiten. Die Fähigkeit, ausschließlich in einer idealen Umgebung ohne Unebenheiten zu gehen, steht der Annahme einer solchen Beeinträchtigung nicht entgegen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Norm (dazu unter <1>), dem straßenverkehrsrechtlichen Zweck des Merkzeichens aG (dazu unter <2>), dessen Regelungsgeschichte (dazu unter <3>) sowie dem Ziel des SGB IX, volle, wirksame, gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu fördern (dazu unter <4>).
(1) Bereits der Wortlaut des § 229 Abs 3 Satz 2 SGB IX verweist auf die Gehfähigkeit außerhalb des Kraftfahrzeugs und stellt damit einen unmittelbaren Bezug zum öffentlichen Verkehrsraum her. Das "bewegen können" von schwerbehinderten Menschen "außerhalb ihres Kraftfahrzeuges" bezieht sich erkennbar nicht auf die Gehfähigkeit lediglich in einer bestimmten geschützten Umgebung mit hindernisfreien Wegen (wie zB dem häuslichen Bereich oder auf einem Krankenhausflur), sondern auf die Gehfähigkeit in einer Umgebung, wie sie mit einem Kraftfahrzeug typischerweise erreicht wird. Erfasst wird daher insbesondere die Gehfähigkeit im öffentlichen Verkehrsraum auf dem Weg vom Parkplatz nach Verlassen des Kraftfahrzeugs zu sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder sonstigen Einrichtungen des privaten und öffentlichen Lebens (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.1.2015 L 13 SB 22/14 juris RdNr 22 f).
(2) Dieser Bezugsrahmen ist auch aus dem straßenverkehrsrechtlichen Zweck des Merkzeichens aG herzuleiten. Dieser besteht vor allem darin, mittels der gewährten Parkerleichterungen die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der neben der Kraftfahrzeugbenutzung unausweichlichen Wegstrecke auszugleichen (BSG Urteil vom 29.3.2007 B 9a SB 1/06 R juris RdNr 22; BSG Urteil vom 13.12.1994 9 RVs 3/94 SozR 33870 § 4 Nr 11 juris RdNr 12; BSG Urteil vom 3.2.1988 9/9a RVs 19/86 SozR 3870 § 3 Nr 28 juris RdNr 14). Denn die Feststellung der Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung erlaubt über die bereits beim Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens G gewährte unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr (§§ 228, 229 Abs 1 SGB IX) hinaus straßenverkehrsrechtlich insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" (Zeichen 314 oder 315 mit dem Zusatzzeichen "Rollstuhlfahrersymbol"; § 45 Abs 1b Satz 1 Nr 2 StVO und Abschnitt IX Nr 1 und Nr 2 zu § 45 VwVStVO). Zugleich ermöglicht sie die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen iS von § 46 Abs 1 Satz 1 Nr 1 StVO, wie der Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen (Abschnitt I Nr 1 und Nr 2 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO; vgl BSG Urteil vom 5.7.2007 B 9/9a SB 5/06 R juris RdNr 12 unter Verweis auf die bis zum 31.12.2017 geltende Vorschrift des § 145 Abs 1 SGB IX idF vom 14.12.2012, BGBl I 2598, ab 1.1.2018 § 228 Abs 1 SGB IX).
(3) Den Bezug der Zuerkennung des Merkzeichens aG zum öffentlichen Verkehrsraum verdeutlicht regelungsgeschichtlich zudem der Umstand, dass die Voraussetzungen der außergewöhnlichen Gehbehinderung früher in Abschnitt II Nr 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO aF (zuletzt anwendbar idF vom 4.6.2009, BAnz 2009, Nr 84 S 2050), also einer Vorschrift des Straßenverkehrsrechts geregelt waren. Dieser Bezug wurde durch die Überführung und Neufassung der Regelung in das SGB IX durch das BTHG nicht gelöst. Vielmehr sehen die Gesetzesmaterialien die Bedeutung des Merkzeichens aG ausschließlich in der "Berechtigung zur Benutzung eines Behindertenparkplatzes" und begründen die Engführung dieser Berechtigung mit der Vermeidung "längere(r) Wege" für die "eigentliche Zielgruppe" unter den schwerbehinderten Menschen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum BTHG, BTDrucks 18/9522 S 317 f zu Nr 13 <§ 146>).
(4) Schließlich erfordern es die Zielsetzungen des SGB IX, der mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung im öffentlichen (Verkehrs-)Raum besonderes Gewicht zuzumessen, also auch den Wegen zu Schule, Arbeitsstätte oder Arzt, zum Einkaufen und generell zum Besuch von Einrichtungen des sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Denn gerade die Möglichkeit zum selbstbestimmten Aufsuchen solcher Einrichtungen fördert eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft, die als Zielvorstellung dem SGB IX (vgl § 1 Satz 1, § 4 Abs 1 Nr 4 SGB IX; s auch § 2 Abs 1 SGB I iVm § 10 Nr 4 SGB I) und der UN-Behindertenrechtskonvention (vgl Art 1, Art 3 Buchst c, Art 9, Art 20, Art 30 UN-BRK; vgl zu deren Bedeutung BSG Urteil vom 11.8.2015 B 9 SB 2/14 R SozR 43250 § 69 Nr 19 RdNr 23 mwN) zugrunde liegt.
bb) Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG im angegriffenen Urteil kann sich der Kläger im öffentlichen Verkehrsraum außerhalb seines Fahrzeugs "dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung" bewegen. Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG). Die vom Beklagten diesbezüglich erhobene Sachaufklärungsrüge (vgl § 103 SGG) genügt nicht den hierfür geltenden Anforderungen. Denn er benennt keine konkreten Beweismittel und kein zu erwartendes Beweisergebnis (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 3.7.2012 B 1 KR 25/11 R BSGE 111, 168 = SozR 42500 § 31 Nr 22, RdNr 28).
Das BSG hat die Regelung über die Anerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ihrem Zweck entsprechend stets eng ausgelegt (BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 15; BSG Urteil vom 11.8.2015 B 9 SB 2/14 R SozR 43250 § 69 Nr 19 RdNr 13 ff). Hieran hält der Senat auch nach den Änderungen durch das BTHG fest. Nach den Gesetzesmaterialien soll durch die Neuregelung ausdrücklich der bewährte Grundsatz übernommen werden, nach dem das Recht, Behindertenparkplätze zu benutzen, nur unter engen Voraussetzungen eingeräumt werden dürfe. Dies begründe sich daraus, dass Parkraum in den Innenstädten nicht beliebig vermehrbar sei und die Behindertenparkplätze der eigentlichen Zielgruppe unter den schwerbehinderten Menschen vorbehalten bleiben müssten (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum BTHG, BTDrucks 18/9522 S 318 zu Nr 13 <§ 146>; vgl auch BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 15; BSG Urteil vom 29.3.2007 B 9a SB 1/06 R juris RdNr 17). Ihren Ausdruck im Gesetzestext findet diese Anknüpfung an die zur alten Rechtslage entwickelten Grundsätze in der Übernahme der Formulierung "dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können" in § 229 Abs 3 Satz 2 SGB IX (zuvor vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 § 146 Abs 3 Satz 2 SGB IX), die sich annähernd wortgleich bereits in RdNr 129 des Abschnitts II Nr 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO aF und Teil D Nr 3 Buchst b VMG aF fand.
Festzuhalten ist zudem daran, dass die genannten Tatbestandsmerkmale keinen vollständigen Verlust der Gehfähigkeit verlangen, sondern auch ein ggf erst durch orthopädische Versorgung ermöglichtes Restgehvermögen zulassen. Die Gehfähigkeit muss aber so stark eingeschränkt sein, dass es dem Betroffenen unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.12.2002 B 9 SB 7/01 R BSGE 90, 180 = SozR 33250 § 69 Nr 1 juris RdNr 22). Allerdings stellt § 229 Abs 3 SGB IX wie auch die früheren Regelungen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeugs zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, nämlich nur "mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung". Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs an erfüllt, kann das Merkzeichen aG auch dann beanspruchen, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (BSG Urteil vom 10.12.2002 B 9 SB 7/01 R BSGE 90, 180 = SozR 33250 § 69 Nr 1 juris RdNr 23).
In diesem Kontext hat das BSG gerade im Hinblick auf das damals noch in Vorbereitung befindliche BTHG bereits mit Urteil vom 16.3.2016 (B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 21) ausgeführt, dass bei neurologischen Erkrankungen wie Anfallsleiden die dauernde Gefahr des Eintretens einer außergewöhnlichen Gehunfähigkeit infolge von Anfällen nicht dem dauernden Fortbestand der außergewöhnlichen Gehunfähigkeit gleichzusetzen ist und eine mit einer hochgradigen Einschränkung der Herzleistung oder Lungenfunktion vergleichbare Beeinträchtigung erst bei einer gleichbleibenden Häufigkeit von Anfällen erreicht wird, die "ständig" einen Rollstuhl erforderlich macht (vgl auch BSG Urteil vom 13.12.1994 9 RVs 3/94 SozR 33870 § 4 Nr 11 juris RdNr 13; BSG Urteil vom 29.1.1992 9a RVs 4/90 juris RdNr 13). Ein solcher Zustand wäre etwa erreicht, wenn eine verantwortungsbewusste Begleitperson den behinderten Menschen wegen der Selbstgefährdung und der Gefährdung anderer nicht mehr führen, sondern regelmäßig nur noch im Rollstuhl bewegen würde (BSG Urteil vom 13.12.1994 9 RVs 3/94 SozR 33870 § 4 Nr 11 juris RdNr 13).
Auch hieran hält der Senat fest. Denn der im Urteil vom 16.3.2016 (B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 17, 21) in Bezug genommene Text des Arbeitsentwurfs des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum BTHG vom 18.12.2015 ist in der Folge ohne Änderungen mit Wirkung vom 30.12.2016 in § 146 Abs 3 SGB IX (ab 1.1.2018 in § 229 Abs 3 SGB IX) und der Entwurfsbegründung hierzu übernommen worden. Auch dort wird neben der "Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen", das Erfordernis der Benutzung eines Rollstuhls "dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen" bei zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen in den Vordergrund gerückt (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum BTHG, BTDrucks 18/9522 S 318 zu Nr 13 <§ 146>; vgl auch § 229 Abs 3 Satz 3 SGB IX).
Dieser im Hinblick insbesondere auf neurologische Erkrankungen wie Anfallsleiden entwickelte und zuletzt vom BSG im Urteil vom 16.3.2016 (B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 17, 21, 23) in Bezug auf Dyskinesien mit einer durchschnittlich einmal täglichen Fallneigung aufgrund einer Parkinson-Erkrankung bestätigte Maßstab ist auch auf solche Fallgestaltungen zu übertragen, bei denen die mit der Gesundheitsstörung verbundene Sturzgefahr als die Mobilität beschränkender Faktor im Vordergrund steht. Daher begründet vor dem Hintergrund der strengen Anforderungen an die Vergabe des Merkzeichens aG eine Sturzgefahr dessen Inanspruchnahme nur dann, wenn diese Gefahr wegen der Häufigkeit und/oder den drohenden Folgen der Stürze so ausgeprägt ist, dass der Betroffene aus der objektiven und medizinisch begründeten Sicht eines verständigen behinderten Menschen dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist (vgl BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 21; BSG Urteil vom 29.1.1992 9a RVs 4/90 juris RdNr 13; LSG Hamburg Urteil vom 21.7.2016 L 3 SB 20/15 juris RdNr 22).
Die deshalb notwendige Feststellung, dass die Sturzgefahr so ausgeprägt ist, dass der Kläger praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs an dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist, lässt sich den bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG noch mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen. Danach ist es bei dem Kläger in den letzten Jahren häufig zu plötzlichen ungebremsten Stürzen, ähnlich wie bei einer "losgelassenen Marionette", zuletzt mit Knieverletzungen gekommen. Eine freie Gehfähigkeit des Klägers ohne Selbstverletzungsgefahr in einem Umfeld mit Bordsteinkanten, abfallenden oder ansteigenden Wegen und Bodenunebenheiten besteht nicht mehr. Die Gehfähigkeit lässt sich auch nicht durch Hilfsmittel wie Unterarmgehstützen oder einen Rollator verbessern, weil der Kläger zu deren Nutzung nicht in der Lage ist.
cc) Ohne tragende Bedeutung für die Feststellung einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung ist der vom LSG vorgenommene Vergleich der Gehfähigkeit des Klägers mit derjenigen beidseitig oberschenkelamputierter Personen mit Orthesen wie auch mit Beckenkorbprothesenträgern und Hüftexartikulierten. Bereits zu der bis zum 29.12.2016 geltenden Rechtslage hatte das BSG wiederholt deutlich gemacht, dass sich sog Gleichstellungsfälle strikt an den allgemeinen Vorgaben in RdNr 129 des Abschnitts II Nr 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO aF und Teil D Nr 3 Buchst b Satz 1 VMG aF messen lassen mussten, weil die Regelbeispiele wegen ihrer Inhomogenität als Vergleichsmaßstab Schwierigkeiten bereiteten (BSG Urteil vom 16.3.2016 B 9 SB 1/15 R SozR 43250 § 69 Nr 22 RdNr 18; BSG Urteil vom 11.8.2015 B 9 SB 2/14 R SozR 43250 § 69 Nr 19 RdNr 20). Bei der Überführung der Regelung über die Voraussetzungen des Merkzeichens aG mit Wirkung vom 30.12.2016 in § 146 Abs 3 SGB IX und ab 1.1.2018 in § 229 Abs 3 SGB IX wurde der noch in Teil D Nr 3 Buchst c Satz 2 VMG aF für Gleichstellungsfälle angeordnete Vergleich mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten ausweislich der Entwurfsbegründung zum BTHG bewusst nicht übernommen, indem auf die bisherigen sich ausschließlich auf das orthopädische Fachgebiet beziehenden sog Regelfälle ausdrücklich verzichtet wurde. Vielmehr wird betont, dass nunmehr auch für Doppelunterschenkelamputierte, denen zuvor regelhaft das Merkzeichen aG zustand, der allgemeine Maßstab des § 229 Abs 3 Satz 2 SGB IX gilt und sie nicht mehr zum berechtigten Personenkreis gehören, wenn sie sich durch modernere Prothesen oder Orthesen ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum BTHG, BTDrucks 18/9522 S 318 f zu Nr 13 <§ 146>). Die Rechtsgrundlage für die Begründung der Zuerkennung des Merkzeichens aG durch einen schlichten Vergleich mit den früheren Regelfällen ist damit entfallen.
b) Nicht abschließend entscheiden kann der Senat, ob die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung des Klägers im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (vgl hierzu BSG Urteil vom 24.10.2019 B 9 SB 1/18 R BSGE 129, 211 = SozR 43250 § 152 Nr 2, RdNr 9) wie vom LSG angenommen einem GdB von 80 entsprach. Dabei kann dahinstehen, ob das LSG wie die Revision rügt die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Denn es hat schon die für die GdB-Ermittlung allgemein geltenden Grundsätze nicht vollständig berücksichtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG hat die Ermittlung des GdB in drei Schritten zu erfolgen (zB BSG Urteil vom 16.12.2021 B 9 SB 6/19 R SozR 41300 § 48 Nr 40 juris RdNr 37 mwN): Im ersten Schritt sind die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (vgl § 2 Abs 1 Satz 2 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festzustellen. Im zweiten Schritt sind diese den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Im dritten Schritt ist in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (Teil A Nr 3 Buchst c VMG) in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden (Teil A Nr 3 Buchst d VMG). Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind im Rahmen der Gesamtwürdigung die Auswirkungen der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen mit denjenigen von Gesundheitsstörungen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VMG feste Grade angegeben sind (vgl Teil A Nr 3 Buchst b VMG).
Die auf diese Weise vorzunehmende Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (stRspr; zB BSG Urteil vom 27.10.2022 B 9 SB 4/21 R SozR4 juris RdNr 21; BSG Urteil vom 30.9.2009 B 9 SB 4/08 R SozR 43250 § 69 Nr 10 RdNr 23). Dabei müssen die Tatsachengerichte bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) in der Regel ärztliches Fachwissen heranziehen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 24.2.2021 B 9 SB 39/20 B juris RdNr 11 mwN). Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es indessen nach § 152 Abs 1 Satz 5 und Abs 3 Satz 1 SGB IX maßgeblich auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten und dritten Prüfungsschritt haben die Tatsachengerichte über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere in den VMG einbezogene Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (stRspr; zB BSG Urteil vom 16.12.2021 B 9 SB 6/19 R SozR 41300 § 48 Nr 40 juris RdNr 38).
Diese allgemeinen Grundsätze werden für die Bestimmung des Kreises der schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung durch § 229 Abs 3 Satz 1 SGB IX (zuvor vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 § 146 Abs 3 Satz 1 SGB IX) nur dahingehend modifiziert, dass anstelle des Gesamt-GdB der GdB in Bezug auf die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung zu bestimmen ist. Anhaltspunkte für weitergehende Abweichungen von den genannten Grundsätzen bestehen nicht.
Danach ist der GdB "für" die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung ausgehend von den Grundsätzen und Funktionssystemen der VMG mit Rücksicht auf den Zweck des Merkzeichens aG, die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der neben der Kraftfahrzeugbenutzung unausweichlichen Wegstrecke auszugleichen (BSG Urteil vom 29.3.2007 B 9a SB 1/06 R juris RdNr 22; BSG Urteil vom 13.12.1994 9 RVs 3/94 SozR 33870 § 4 Nr 11 juris RdNr 12; BSG Urteil vom 3.2.1988 9/9a RVs 19/86 SozR 3870 § 3 Nr 28 juris RdNr 14), unter Berücksichtigung aller Beeinträchtigungen zu bilden, die sich nachteilig auf die Gehfähigkeit auswirken. Eine Beschränkung auf bestimmte Gesundheitsstörungen, etwa des orthopädischen Fachgebiets, hat zu unterbleiben. Denn eine außergewöhnliche Gehbehinderung kann nicht nur in einer Beeinträchtigung der Beine, sondern beispielsweise auch in einer Störung der Herztätigkeit, der Lungenfunktion, neurologischen Beeinträchtigungen, weiteren Gesundheitsstörungen oder in einer Kombination derselben begründet sein (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum BTHG, BTDrucks 18/9522 S 317 f zu Nr 13 <§ 146>).
Ausgehend hiervon sind entsprechend den allgemeinen Grundsätzen über die Bildung des Gesamt-GdB (Teil A Nr 3 VMG) zunächst die Einzel-GdB für alle Funktionsbeeinträchtigungen zu bestimmen, die sich in relevanter Weise nachteilig auf die Gehfähigkeit auswirken (vgl Lemke, NZS 2017, 655, 659). Abzüge von den hierfür in Teil B der VMG angegebenen Werte, weil diese auch andere als ausschließlich die Mobilität betreffende Teilhabebeeinträchtigungen berücksichtigen, sind nicht vorzunehmen. Eine zutreffende Bestimmung des nur hierauf entfallenden Teil-GdB wird in der Praxis regelmäßig nicht möglich sein und ist durch den Wortlaut "mobilitätsbezogen" auch nicht geboten (vgl Wurtmann in Knittel, SGB IX, § 229 RdNr 123, Stand 1.11.2020). Sodann ist ausgehend von dem höchsten Einzel-GdB in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen ein eigenständiger (Teil)Gesamt-GdB für die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung zu bilden. Auch hier können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei dieser (Teil-)Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen von mobilitätsbezogenen Gesundheitsstörungen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VMG feste Grade angegeben sind. Eine Beschränkung der hierbei heranzuziehenden Gesundheitsstörungen auf die noch in Abschnitt II Nr 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwVStVO aF genannten Regelbeispiele für schwere Gehbehinderungen oder den noch in Teil D Nr 3 Buchst c Satz 2 VMG aF angeordneten Vergleich mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten ist nach neuer Rechtslage nicht statthaft.
Vorliegend hat sich das Berufungsgericht bei der Bewertung der sich auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirkenden Muskelschwunderkrankung zwar zutreffend an Teil B Nr 18.6 VMG orientiert, jedoch hat es zu den dort für eine Muskelschwäche mit mittelgradigen Auswirkungen genannten Merkmalen keine Feststellungen getroffen. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um die Beeinträchtigungen des Klägers unter den genannten Tatbestand der VMG zu subsumieren.
3. Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen und schließlich auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.