Streitig ist die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2
Abs. 3
SGB IX.
Der 1973
geb. Kläger arbeitet seit 2004 als Maschinenbediener bei der ... . Er hat einen
GdB von 30 und beantragte im Oktober 2018 die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2
Abs. 3
SGB IX. Zur Begründung führte er an, dass er wegen seiner Behinderung den gegenwärtigen Arbeitsplatz gefährdet sehe. Angebote auf ein Ausscheiden gegen Zahlung einer Abfindung ließen sogar den Eintritt von Arbeitslosigkeit befürchten.
Nach angeforderten Stellungnahmen des Arbeitgebers, des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 27.11.2018 ab; die Gefährdungen des Arbeitsplatzes gründeten letztlich in betriebswirtschaftlichen Vorgängen. § 2
SGB IX diene nicht dazu, den behinderten Menschen insoweit zu begünstigen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, worauf die Beklagte den Sozialberater des Arbeitgebers um Stellungnahme ersuchte. Der Sozialberater unterstützte den Antrag im Hinblick die anstehende Anpassung des Unternehmens an den technischen Wandel. Mitarbeiter mit Einschränkungen und längeren AU-Zeiten, wie der Kläger, hätten da schlechte Chancen.
Die Beklagte wertete dies als Bestätigung der Ablehnung und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1.10.2019 als unbegründet zurück.
Mit der am 31. Oktober 2019 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zum Schutz seines Arbeitsplatzes dringend erforderlich sei. Zwar habe er aktuell (Stand März 2021) einen leidensgerechten Arbeitsplatz inne und dadurch bedingt weniger Fehlzeiten, es stehe aber ein Verkauf des Unternehmens an mit ungewissen Veränderungsprozessen.
Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.1 1.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 1.10.2019 zu verurteilen, den Kläger einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2
Abs. 3
SGB IX gleichzustellen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung wegen der Rückwirkung zum Antragszeitpunkt und des Charakters der Prognoseentscheidung in erster Linie der Zeitpunkt der Antragstellung ist. Allerdings müssen aufgrund der Schutzrichtung und des Zweckes der Regelung des
§ 2 Abs. 3 SGB IX auch wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung berücksichtigt werden (
vgl. BSG vom 2.3.2000 -
B 7 AL 46/99 R).
Gemäß § 2
Abs. 3
SGB IX sollen Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des
Abs. 2 vorliegen mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des
§ 156 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.
Vorliegend kommt die Alternative der Sicherung eines bestehenden, leidensgerechten Arbeitsplatzes in Betracht.
Dazu teilt die Kammer die Einschätzung des Klägers und des Sozialberaters des Arbeitgebers, dass der Kläger wegen seiner Behinderungen im Prozess der Anpassung des Unternehmens an den technischen Wandel und künftig
ggf. sogar eines Verkaufs schlechtere Chancen auf Erhaltung seines Arbeitsplatzes hat. Die in der Vergangenheit unterbreiteten Freisetzungsangebote deuten darauf hin, dass bereits Versuche unternommen wurden, den Kläger aus dem Unternehmen zu entfernen.
Das
BSG hat in Zusammenhang mit einem Anspruch auf Gleichstellung trotz Unkündbarkeit des Antragstellers (Beamter) maßgeblich auf die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Betroffenen abgestellt (Urteil vom 1.3.2011 -
B 7 AL 6/10 R).
Nach Einschätzung der Kammer liegt eine vergleichbare Situation bei dem Kläger vor: Im Unternehmen stehen Veränderungen an und im Vergleich zu nicht behinderten Kollegen ist der Kläger wegen seiner verringerten Leistungs- und Anpassungsfähigkeit, vor allem, was Arbeitstätigkeiten mit schneller Auffassungsgabe und schnell wandelnden Arbeitsbedingungen durch Einsatz von Technik betrifft, benachteiligt.
Ihm steht daher der Schutz über die Gleichstellung nach § 2
SGB IX zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193.
SGG.