Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte verpflichtet war, den Kläger zum 1. September 2020 einzustellen.
Zum besagten Termin stellte der Beklagte Bewerber ein, die als Finanzanwärter ein duales Studium zum Diplom-Finanzwirt absolvieren sollten. Nach abgeschlossener Ausbildung werden diese in der Besoldungsgruppe A9 von wenigen Ausnahmen abgesehen als Sachbearbeiter oder als Prüfer eingesetzt. Die Anforderungsprofile für diese Dienstposten bezeichnen jeweils Belastbarkeit/Stresstoleranz und Konfliktfähigkeit als wichtig.
Der Kläger bewarb sich für diese Ausbildung. Er durchlief erfolgreich ein strukturiertes Auswahlinterview. Der Beklagte erteilte dem schwerbehinderten Kläger eine im Wortlaut nicht bekannte Einstellungszusage und veranlasste eine amtsärztliche Untersuchung. Unter dem 26. August 2020 berichtete die Zentrale Medizinische Gutachterstelle von erheblichen Inkonsistenzen zwischen den Angaben des Klägers bei der Untersuchung und den danach bekannt gewordenen Befunden. Sie äußerte gesundheitliche Bedenken und begründete sie folgendermaßen: Der Kläger leide an einer kombinierten (selbstunsicher-zwanghaften) Persönlichkeitsstörung und einer hypochondrischen Störung. Zusätzlich habe er eine depressive Episode entwickelt, die mit Antidepressiva nervenärztlich habe behandelt werden müssen. Anfang 2016 habe eine psychosomatische Reha-Maßnahme stattgefunden, im August/ September des Jahres seien eine stationäre psychiatrische und von März bis Mai 2017 eine teilstationäre Behandlung erfolgt. Seit 2015 sei der Kläger ambulant verhaltenstherapiert und zweimal tiefenpsychologisch fundiert psychotherapiert worden. In der Vergangenheit habe eine Abhängigkeitserkrankung bestanden, die 2015 zu einer stationären Entzugsbehandlung geführt habe. Nach weiteren Zitaten aus der Schwerbehindertenakte schrieb der Amtsarzt:
"Aufgrund der bestehenden psychiatrischen Krankheitsbilder ist davon auszugehen, dass ... (der Kläger) das für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche hohe Maß an Konfliktfähigkeit, Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit nicht aufbringen und voraussichtlich auch erheblichem Zeitdruck nicht standhalten kann. Es kann somit aus ärztlicher Sicht die gesundheitliche Eignung für die vorgesehene Beschäftigung nicht bestätigt werden."
Mit elektropostalisch übermitteltem Bescheid der Senatsverwaltung für Finanzen vom 31. August 2020 lehnte der Beklagte die Bewerbung des Klägers ab, da er nicht über die nötige gesundheitliche Eignung verfüge, die zwingende Voraussetzung für eine Einstellung in den Vorbereitungsdienst sei. Zugleich widerrief er die beabsichtigte Einstellung. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheids wird auf den vom Kläger als Anlage K1 zur Akte gereichten Ausdruck davon (Bl. 11 bis 14 d. A.) Bezug genommen. Der Kläger erhob am 4. September 2020 Widerspruch.
Die amtsärztlich erwähnten "danach bekannt gewordenen Befunde" ergaben sich aus der Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts: Im September 2017 beantragte der Kläger die Feststellung seiner Schwerbehinderung. Dazu gab er an, dass seit Jahren (2014) erhebliche gesundheitliche Beschwerden bestünden. Er berichtete von verstärkt auftretenden Panikzuständen mit Herzrasen und unkontrollierten Schleuderbewegungen der Arme und Beine. Danach fühle er sich körperlich sehr geschwächt und könne keine weiteren Aktivitäten mehr durchführen. Es komme zu Müdigkeitsgefühl, Antriebslosigkeit und zum körperlichen Erschöpfungszustand. Es bestünden starke Konzentrationsschwierigkeiten bereits nach wenigen Minuten konzentrierter Arbeit. Die Krankheit habe dazu geführt, dass er keiner Arbeit mehr nachgehen könne. Durch die anfallenden Beschwerden bestehe eine große Beeinträchtigung im Ausüben seiner beruflichen Tätigkeit.
Ein ärztlicher Entlassungsbericht vom 23. März 2016 berichtete von mangelnder Belastbarkeit aufgrund von immer wieder aufkommenden Ängsten, einhergehend mit Lustlosigkeit und Schlafstörungen. Er diagnostizierte eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Störung von anderen Gefühlen, hypochondrische Beschwerden und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren und zwanghaften Anteilen.
Eine Epikrise vom 20. Juli 2017 anlässlich einer teilstationären psychiatrischen Krisenintervention von März bis Mai 2017 berichtete davon, dass im Fokus der therapeutischen Bemühungen unter anderem die Verbesserung der Konfliktfähigkeit gestanden habe. Bei der Auseinandersetzung mit einer Absage für den gehobenen Dienst sei therapeutisch auf die Differenz zwischen seinen guten intellektuellen Kompetenzen und seiner wenig ausgeprägten sozialen Kompetenz hingewiesen worden.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie
Dr. M... berichtete unter dem 20. Oktober 2017 davon, den Kläger zum ersten Mal am 28. Mai 2015 und zum letzten Mal am 6. Oktober 2017 behandelt zu haben. Ihre Diagnosen gab sie mit mittelschwerer Depression (F32.1), Panikstörung (F 41.0) und Somatisierungsstörung (F45.0) an. Den Verlauf der Erkrankung bezeichnete sie als dauerhaft mit Tendenz zum Symptomwechsel und zur Chronifizierung. Trotz der bisher durchgeführten Behandlung sei eine Verschlechterung eingetreten, weil es immer neue Symptome, häufige Arzt- und Rettungsstellenbesuche und eine gescheiterte berufliche Eingliederung gebe.
Das Versorgungsamt stellte einen Grad der Behinderung von 40 fest und begründete das mit einer psychischen Störung, Persönlichkeitsstörung, psychosomatische Störungen, Depression.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte im April 2018 geltend: Die in einer sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom Oktober 2017 bezeichneten Diagnosen (mittelschwere Depression, hypochondrische Störung, Somatisierungsstörung, Panikstörung und dissoziative Krampfanfälle) bestünden und hätten zu einer schweren psychosomatischen Störung geführt. Bei ihm sei von einer schweren psychiatrischen Störungserkrankung mit einer Zwangserkrankung auszugehen. Das Versorgungsamt wertete das Leiden als schwere psychische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten und stellte einen Grad der Behinderung von 50 fest.
Der Kläger, der sich zwischenzeitlich erneut und vergeblich um die Einstellung bewarb, hat am 15. Oktober 2020 Klage erhoben. Er macht geltend: Er strebe mit seiner Fortsetzungsfeststellungsklage weiterhin die Einstellung an. Diese habe der Beklagte fehlerhaft abgelehnt, obgleich ein schwerbehinderter Bewerber, der aktuell und prognostisch mindestens fünf Jahre ohne qualitative Einschränkungen Dienstpflichten halbschichtig nachkommen könne, nicht wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung abgelehnt werden dürfe. Seit März 2018 habe er sich stabilisiert. Psychische und körperliche Symptome seien abwesend. Bei ihm liege eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor. Es sei unzutreffend, dass seine Konfliktfähigkeit, Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit derzeit und in Zukunft gemindert seien. Es sei nicht zu erwarten, dass er vorzeitig dienstunfähig oder übermäßig häufig erkranken werde. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Klageschrift (Bl. 6 bis 10 d. A.) und den Schriftsatz vom 6. Januar 2021 (Bl. 33 bis 35 d. A.) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Ablehnung seiner Bewerbung für die Zulassung in die Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt der Berliner Steuerverwaltung rechtswidrig war und der Beklagte verpflichtet war, ihn zum 1. September 2020 einzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die Ablehnung und macht geltend: Alle Dienstposten für Steuerbeamte könnten aufgrund komplizierter Rechtsmaterie, hohem Arbeitsanfall und/oder intensivem Kontakt mit Kollegen, Vorgesetzten und Steuerpflichtigen stressbehaftet sein. Ein Mangel an den vorgenannten Fähigkeiten würde die Arbeitsdurchführung und die Arbeitsergebnisse nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ beeinträchtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 12. Dezember 2020 (Bl. 26 bis 27R d. A.) und vom 14. Juni 2021 (Bl. 67 d. A.) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer und ohne mündliche Verhandlung nach dem per WebEx durchgeführten Erörterungstermin einverstanden erklärt.
Der Verwaltungsvorgang, die Gesundheitsakte der Zentralen Medizinischen Gutachtenstelle und die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts haben vorgelegen und sind Gegenstand des Erörterungstermins gewesen.
Über die Klage kann infolge des Einverständnisses der Beteiligten gemäß den §§ 87a
Abs. 2 und 3, 101
Abs. 2
VwGO der Berichterstatter anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist in entsprechender Anwendung des § 113
Abs. 1 Satz 4
VwGO zulässig. Die Norm lässt im Falle einer Anfechtungsklage den Ausspruch zu, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn er vor dem Urteil erledigt ist und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die Norm wird entsprechend auf Verpflichtungsklagen angewendet, wenn sich das mit dem Verwaltungsakt abgelehnte Verpflichtungsbegehren erledigt hat (
vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 26. Aufl. 2020, § 113 Rn. 109). Und sie wird entsprechend angewendet, wenn sich das Begehren bereits vor Klageerhebung erledigt hat (
vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rn. 99). Der Kläger hätte sein Einstellungsbegehren mit einer Verpflichtungsklage verfolgen können. Denn er strebt die Begründung eines Beamtenverhältnisses an. Dazu bedarf es einer Ernennung (§ 8
Abs. 1
Nr. 1 BeamtStG), die einen Verwaltungsakt darstellt. Indes erlosch sein Bewerbungsverfahrensanspruch, wenn nicht schon durch die Ernennung der Ausgewählten am 1. September 2020, dann durch das Fortschreiten ihrer Ausbildung, jedenfalls vor Klageerhebung am 15. Oktober 2020. Zu diesem Zeitpunkt war der versagende Bescheid, sollte er bis dahin noch nicht erledigt gewesen sein, nicht bestandskräftig. Denn ihm war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, so dass die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Eröffnung der Ablehnung zulässig war (§ 58
Abs. 2 Satz 1
VwGO). Zulässiger Rechtsbehelf wäre die Verpflichtungsklage gewesen, ohne dass es eines Vorverfahrens bedurft hätte (§ 93
Abs. 1
Nr. 1
LBG). Denn hier ging es um die Auswahl und Ernennung bei der Bewerbung um eine Beamtenstelle. Eine Beschränkung des Regelungsgehalts auf die Fälle, in denen der eigentlich geeignete Bewerber besseren Bewerbern nachgeordnet wurde, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Zwanglos lässt sich der Norm der Zweck entnehmen, über Auswahl und Ernennung alsbald Klarheit zu schaffen. Dieser Zweck ist auch gegenüber Bewerbern erreichbar, die wegen Eignungsmängeln abgelehnt wurden. Selbst wenn man trotzdem und trotz der Erledigung vor Ablauf der Widerspruchsfrist einen Widerspruch für erforderlich halten wollte (obgleich eine nach Erledigung ergangene Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig wäre,
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. April 2001 -
BVerwG 2 C 10.00 -, NVwZ 2001, 1288), ist die Klage nach § 75 Satz 1
VwGO auch ohne abgeschlossenes Vorverfahren zulässig. Denn der vom Kläger erhobene Widerspruch ist ohne sachlichen Grund nicht beschieden.
Das nötige Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem fortbestehenden Interesse des Klägers an einer Einstellung. Das wird nicht dadurch beseitigt, dass der Beklagte bereit ist, seine letzte Ablehnung für die laufende Einstellungskampagne in Abhängigkeit vom Ergebnis einer zunächst von anderer Seite angesetzten amtsärztlichen Untersuchung zu überprüfen.
Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger stand kein Einstellungsanspruch zu.
Im Erörterungstermin am 11. Juni 2021 hat zwar der Wortlaut der dem Kläger erteilten Einstellungszusage nicht geklärt werden können. Doch ist nicht fraglich gewesen, dass die Einstellung des Klägers nur noch von einem positiven Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung abhängen sollte. Das kann unbesehen als eine Einstellungszusicherung im Sinne des § 38
Abs. 1 VwVfG (mit § 1
Abs. 1 VwVfG Bln) gewertet werden. Gleichwohl begründete sie keinen am 1. September 2020 bestehenden Einstellungsanspruch. Denn die Behörde war daran nach § 38
Abs. 3 VwVfG nicht mehr gebunden, weil die amtsärztliche Untersuchung Tatsachen ergeben hatte, bei deren Kenntnis der Beklagte die Zusicherung nicht gegeben hätte. Auf den ausdrücklich erklärten Widerruf der Zusage ist danach nicht einzugehen.
Zwar verschafft
Art. 33
Abs. 2
GG keinen Ernennungsanspruch, sondern nur ein gleiches Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Doch kann sich dieses Recht zu einem Anspruch verdichten, wenn ein Bewerber alle Anforderungen erfüllt und niemand besser ist als er. Welche Anforderungen zu stellen sind, ist nicht abschließend geregelt. § 4
Abs. 1 Satz 1 LfbG bestimmt nur, dass bei Einstellung der Beamten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf der Grundlage eines Anforderungsprofils zu entscheiden ist. Die Steuerverwaltungslaufbahnverordnung enthält dazu keine weiteren Regelungen. Die in Betracht kommenden Anforderungsprofile für das Eingangsamt der vom Kläger angestrebten Laufbahn fordern jeweils Belastbarkeit/Stresstoleranz und Konfliktfähigkeit. Abgesehen davon, dass § 4
Abs. 1 Satz 1 LfbG ausdrücklich ein (behördlich zu bestimmendes) Anforderungsprofil zulässt, ist auch sonst anerkannt, dass die Dienstbehörde Eignungsanforderungen definieren darf (etwa Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. April 2020 -
BVerwG 1 WB 67.19 -, Rn. 23). Nichts deutet darauf, dass die hier streitigen Merkmale Belastbarkeit/Stresstoleranz und Konfliktfähigkeit sachwidrig sind, gar in keinem Zusammenhang mit dem angestrebten Amt stehen.
Die Ablehnung einer Bewerbung ist bereits dann rechtmäßig, wenn die Behörde berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung eines Bewerbers hegt (
vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Februar 2018 -
OVG 4 S 14.18 -, Abdruck Seite 3 unter Berufung auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334). Im Grundsatz ist der Behörde ein Beurteilungsspielraum bei der Eignungsbeurteilung zugestanden, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Juli 2013 -
BVerwG 2 C 12.11 -, BVerwGE 147, 244 = NVwZ 2014, 300 [302 Rn. 29]). Anders soll es sich seither in Bezug auf die gesundheitliche Eignung verhalten, soweit es um die künftige Entwicklung aktuell gesundheitlich geeigneter, also dienstfähiger, Bewerber geht (a.a.O. Seite 301 Rn. 16 und 24, und Urteil vom 30. Oktober 2013 -
BVerwG 2 C 16.12 -, BVerwGE 148, 204 = NVwZ 2014, 372 [374 Rn. 29]).
Auf diese vom Kläger angeführte Rechtsprechung kommt es hier aber nicht an. Denn einerseits verneint der Beklagte bereits jetzt, dass der Kläger ausreichend belastbar, stresstolerant und konfliktfähig ist. Anderseits handelt es sich dabei nicht (nur) um gesundheitliche Eignungsanforderungen. Mehr oder weniger belastbar, stresstolerant und konfliktfähig zu sein, ist nicht stets eine Frage von Gesundheit oder Krankheit. Vielmehr können diese Eigenschaften zur persönlichen oder charakterlichen Eignung beitragen. Damit wird kein Zusammenhang dieser Eigenschaften mit den körperlichen Gegebenheiten geleugnet. Es liegt auf der Hand, dass jemand, der durch Gebrechen belastet ist, weniger weitere Lasten wird tragen können als jemand, der frei von solchen Gebrechen ist. In einem solchen Fall stellt sich der Dienstbehörde die Frage, ob ihr die noch verbliebene Belastbarkeit ausreicht. So verhält es sich hier.
Fehlerfrei verneinte der Beklagte diese Frage. Insbesondere ging der Beklagte bei der fehlerfreien, auch von sachwidrigen Erwägungen freien, Anwendung des Eignungsbegriffs von einem zutreffenden Sachverhalt aus. Die vorliegenden ärztlichen Erklärungen beschreiben den Kläger dahin, dass er von psychischen Störungen betroffen ist, wenngleich sie sie abweichend klassifizieren. Jede von ihnen weckte Ende August 2020 berechtigte Zweifel daran, dass der Kläger ausreichend belastbar, stresstolerant und konfliktfähig ist.
Es ist nicht feststellbar, dass diese Störungen Ende August 2020 beseitigt waren. Der Kläger beruft sich dazu auf ein Attest seiner Ärztin
Dr. M... vom 7. September 2020. Dieses behauptet zwar, eine Stabilisierung und Abwesenheit von psychischen und körperlichen Symptomen ersehen zu haben. Doch diagnostiziert es weiterhin eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, womit eine Störung bezeichnet wird, die Merkmale mehrerer verschiedener Störungen des Abschnittes
ICD-10 F60 aufweist, wobei jedoch kein Symptombild vorherrscht, das eine spezifischere Diagnose erlauben würde. Selbst auf dieser Grundlage durfte der Beklagte die zur Ablehnung führenden Eignungszweifel hegen. Unabhängig davon widerstreitet die Selbstdarstellung des Klägers gegenüber dem Versorgungsamt der Annahme auch nur einer Stabilisierung und Abwesenheit von Symptomen. Auch wenn man annimmt, dass diese Darstellung zielgerichtet (
GdB von 50) überzogen war, steht damit nicht fest, dass sie haltlos war. In das Bild verfahrensangepassten Verhaltens passt die Erklärung des Klägers in der amtsärztlichen Untersuchung am 15. Juni 2020. Zu psychischen Erkrankungen erwähnte er nur eine beendete Verhaltenstherapie nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter. Unerwähnt ließ er, dass er durch länger währende familiäre Gegebenheiten in eine mehrfach behandlungsbedürftige psychische Situation geraten war, die er etwa zwei Jahre zuvor als eine schwere psychiatrische Störungserkrankung mit einer Zwangserkrankung bezeichnet hatte. Im Falle einer aktiv überwundenen Erkrankung wäre gerade bei dem hohen Einstellungsinteresse des Klägers zu erwarten gewesen, dass er das hervorhebt als dass er das Ausmaß seiner Erkrankung verdeckt.
Nicht feststellbar ist, dass die Ablehnung gegen § 25
Abs. 1 LfbG verstößt. Danach ist bei der Einstellung von schwerbehinderten Menschen nur das für die Laufbahn erforderliche Mindestmaß körperlicher Eignung zu verlangen. So mag zu prüfen sein, ob die körperliche Eignung ausreicht, um dem Bewerber irgendeine amtsangemessene Beschäftigung zuweisen zu können, die mit den dienstlichen Bedürfnissen im Einklang steht (
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Juli 2013, a.a.O. Seite 302 Rn. 36). Teilt man die Wertung, dass die Kriterien Konfliktfähigkeit, Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit nicht (nur) zur körperlichen Eignung zählen, dann ist der Verstoß ausgeschlossen. Anderenfalls hält das Gericht einen Verstoß für fernliegend. Denn der Beklagte prüfte die Kriterien Konfliktfähigkeit, Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit nicht gesondert - etwa durch psychologische Testverfahren oder durch Erprobung in gestellten Stress-/Konflikt- und Belastungssituationen - ab, sondern ging ohne gegenläufige Anhaltspunkte bei allen Bewerbern davon aus, dass sie in ausreichendem, weil üblicherweise vorhandenem Mindestmaß diese Kriterien erfüllen. Mag der Beklagte schriftsätzlich den Eindruck erweckt haben, dass Konfliktfähigkeit, Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit für alle Dienstposten für Steuerbeamte Anforderungen sind wie sie in der sonstigen öffentlichen Verwaltung nicht gefordert sind, hat doch der Erörterungstermin dies nicht bestätigt. Zwar hat der Beklagte hohen Arbeitsanfall auch durch absehbare Stellenreduzierung angesprochen und etwa die Notwendigkeit von Schutzwesten für Steuerfahnder erwähnt. Doch ist auch zur Sprache gekommen, dass etwa für Steuerfahnder und Vollstreckungsbeamte gesteigerte Anforderungen gelten und die Steuerverwaltung im Großen und Ganzen nicht konfliktträchtiger, stressbeladener oder psychisch fordernder ist als weite Bereiche der allgemeinen Verwaltung. Weil eine Quantifizierung der hier streitigen Anforderungen, wie sie möglicherweise psychologische Testverfahren ergeben könnten, nicht erfolgte, versteht das Gericht die streitige Anforderung dahin, dass sie bereits auf ein nicht zu unterbietendes Mindestmaß bezogen ist.
Selbst wenn § 25
Abs. 1 LfbG dahin zu verstehen wäre, dass von schwerbehinderten Menschen nur ein Maß an körperlicher Eignung verlangt werden darf, das unterhalb eines eigentlich nicht zu unterbietenden Mindestmaßes liegt, hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass ein im Übrigen geeigneter schwerbehinderter Mensch wie der Kläger seine Einstellung sollte verlangen können, wenn nicht der Beklagte nachweist, dass es nach dem voraussichtlichen Abschluss des Vorbereitungsdienstes jenseits der Prüfer- oder Sachbearbeiterdienstposten keinen freien Dienstposten der Besoldungsgruppe A9 geben wird, auf dem Konfliktfähigkeit, Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit in geringerem Maße gefordert sind.
Die Berufung des Klägers auf § 164
Abs. 5 Satz 3
SGB IV (gemeint wohl
SGB IX) und § 27 BeamtStG führt ihn nicht zum Erfolg. Allerdings kann er sich damit im Ansatz auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. Juni 2019 -
4 S 1716/18 -, NVwZ-RR 2020, 219 stützen. Lässt man außer Acht, dass es dort um ein Beamtenverhältnis auf Probe ging, überzeugt der Gedankengang nicht. Zutreffend unterscheidet das Gericht zwischen dem Zugangsmaßstab für die gesundheitliche Eignung und dem Verbleibensmaßstab. Anknüpfend an die oben zitierte Passage aus dem Urteil vom 25. Juli 2013 meint das Gericht, dass für die zeitlichen Anforderungen an die gesundheitliche Leistungsfähigkeit von behinderten Bewerbern nichts anderes gelten könne (a.a.O. Seite 222 Rn. 44). Zu Rn. 46 meint das Gericht, dass das Institut der begrenzten Dienstfähigkeit auch bei der Einstellung von Schwerbehinderten mit quantitativen Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen sei. Ein Argument dafür findet sich nicht. Auf Seite 223 zu Rn. 47 kommt das Gericht auf
§ 164 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 3 SGB IX zu sprechen, räumt dort aber ein, dass es keine Pflicht zur Einstellung von Schwerbehinderten gibt. Untauglich ist der Verweis auf den Bewerbungsverfahrensanspruch. Wenn schon dieser auf
Art. 33
Abs. 2
GG gestützte Anspruch dazu führte, dass zeitlich beschränkt leistungsfähige schwerbehinderte Bewerber wie begrenzt dienstfähige Lebenszeitbeamte zu beschäftigen sind, hätte es der Ausführungen ab Rn. 31 nicht bedurft. Trägt der Bewerbungsverfahrensanspruch aber - wie wohl auch der Verwaltungsgerichtshof zutreffend meint - einen solchen Anspruch nicht, dann wäre der gesondert zu begründen.
Aber auch auf der Grundlage der hier abgelehnten Auffassung hätte die Klage keinen Erfolg. Denn nichts deutet darauf, dass der Kläger Ende August 2020 noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit ausreichend belastbar, stresstolerant und konfliktfähig war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167
VwGO und den §§ 708
Nr. 11, 711 Satz 1
ZPO. Die Berufungszulassung ist auf die §§ 124a
Abs. 1 Satz 1, 124
Abs. 2
Nr. 3
VwGO gestützt. § 25
Abs. 1 LfbG wirft verschiedene hier erhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39
ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf
bis zu 8.000 Euro
festgesetzt.