Die zulässige Berufung ist hinsichtlich des Zeitraums vom 20. Oktober 2005 bis zum 31. August 2011, der nach Abtrennung des Verfahrens mit Wirkung zum 1. September 2011 allein streitgegenständlich ist, unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines
GdB von 50.
Nach den
§§ 2 Abs. 1,
69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (
AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen von 2005 und - zuletzt - 2008. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur
Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2412) festgelegten "
Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Form einer
Rechtsverordnung in Kraft, welche die
AHP - ohne dass hinsichtlich der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre - abgelöst haben.
Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden für die Wirbelsäulenschäden einschließlich der Osteoporose einen Einzel-
GdB von 40 angesetzt hat. Nach den gutachterlichen Erhebungen besteht bei der Klägerin ein Wirbelsäulenleiden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen an der Lenden- und Brustwirbelsäule sowie leichten funktionellen Auswirkungen an der Halswirbelsäule. Die Lenden- und die Brustwirbelsäule zeigten bei der Untersuchung durch den Sachverständigen
Dr. Z eine skoliotische Fehlhaltung, deren Folgen wegen der allgemeinen Bindegewebsschwäche nicht ausgeglichen werden konnten. Der Gutachter stellte daneben im Bereich der Halswirbelsäule eine funktionelle Blockwirbelbildung mit Versteifung, Steilstellung und kompensatorischer Überbeugung sowie im Bereich der Brustwirbelsäule einen fixierten Rundrücken mit Einschränkung der Beweglichkeit und Belastbarkeit fest. Für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten schreibt
Teil B Nr. 18.9 (Bl. 90) der Anlage zu § 2 VersMedV einen
GdB von 30 bis 40 vor. Entgegen der Einschätzung des im Klageverfahren gehörten Gutachters
Dr. B ist, dem Vorschlag des Sachverständigen
Dr. Z folgend, das Wirbelsäulenleiden unter Berücksichtigung der schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen und der fortgeschrittenen Osteoporose bei einer vorzeitig einsetzenden Verringerung der Körperlänge mit einem Einzel-
GdB von 40 zu würdigen.
Für die Bewegungseinschränkungen des rechten Ellenbogengelenks einschließlich der endgradigen Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke ist ein Einzel-
GdB von 10 anzusetzen. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.
Entsprechend dem Vorschlag der Versorgungsärztin
Dr. H vom 7. März 2007, der von der Chirurgin
Dr. W in deren versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 1. Dezember 2010 geteilt wird, ist das Krampfaderleiden der Klägerin, d.h. die chronisch-venöse Insuffizienz beider Beine, mit einem Einzel-
GdB von 20 zu bewerten.
Hinsichtlich der unteren Extremitäten ist ein höherer
GdB auch im Hinblick auf die Ausführungen des nach § 109
SGG gehörten Orthopäden
Dr. A, bei der Klägerin lägen ein beidseitiger Hüftverschleiß, ein beidseitiger Knieverschleiß mit Streckhemmung und Spreizfußbeschwerden vor, nicht gerechtfertigt. Die von diesem Gutachter festgestellten Bewegungsausmaße zeigen keine wesentlichen Abweichungen von den Normalwerten (im Folgenden in Klammern mitgeteilt): Im Bereich der Hüftgelenke war eine Streckung/Beugung rechts von 0-0-110° und links von 0-0-120° möglich (10-0-130°), ein Abspreizen/Anführen rechts von 30-0-20° und links von 30-0-20° (30 bis 45-0-20-30°) sowie eine Drehung auswärts/einwärts bei um 90° gebeugtem Hüftgelenk rechts von 30-0-20° und links von 20-0-30° (40 bis 50-0-30-45). Nach Teil B
Nr. 18.4 der Anlage zur
VersMedV setzt die Zuerkennung eines
GdB eine Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades
(z. B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) voraus, die vorliegend nicht erreicht wird.
Der Senat folgt dem Gutachter
Dr. A auch insoweit nicht, als er das Fibromyalgiesyndrom und die psychischen Veränderungen der Klägerin im Rahmen des chronischen Schmerzes zusammengefasst mit einem Einzel-
GdB von 20 bewertet. Nach Teil B
Nr. 18.4 der Anlage zur
VersMedV ist eine Fibromyalgie im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Da sich die Fibromyalgie nach den Feststellungen des Gutachters teilweise mit den Funktionsstörungen der Wirbelsäule, der Arme und der Beine überlagert, verbietet sich eine separate Bewertung. Anzeichen für psychische Veränderungen sind dem mitgeteilten Befund nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Die von der Klägerin angegebene Traurigkeit und Unausgeglichenheit sowie der Umstand, dass sie affektiv hinabgestimmt wirkte, deuten angesichts des klar strukturierten Tagesablaufs nicht auf eine eingeschränkte Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft hin. Die Zuerkennung eines Einzel-
GdB kommt insoweit nicht in Betracht.
Aus dem Gutachten der Urologin D vom 29. Oktober 2011 ergibt sich, dass die Klägerin an Entleerungsstörung der Harnblase leidet. Die auf der Grundlage der gutachterlichen Untersuchung der Klägerin und der bekannten urologischen Befundberichte einschließlich der Mitteilung der am 25. Oktober 2011 in der urologischen Praxis
Dipl. med. H festgestellten Restharnmenge von 47 ml getroffene Einschätzung der Sachverständigen, dass es sich um eine Störung mit intermittierender geringgradiger Restharnbildung handelt, ist überzeugend.
Teil B Nr. 12.2.2 der Anlage zur VersMedV sieht hierfür einen Einzel-
GdB von 10 vor.
Die Zuerkennung eines Einzel-
GdB für die von der Klägerin vorgetragenen Einschränkungen des Geruch- und Geschmackssinnes ist nicht möglich. Nach
Teil B Nr. 6.3 der Anlage zur VersMedV ist für den völliger Verlust des Riechvermögens mit der damit verbundenen Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung ein Einzel-
GdB von 15 und für den völligen Verlust des Geschmackssinns ein Einzel-
GdB von 10 anzusetzen. Ein völliger Verlust der genannten Sinne liegt nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht vor.
Bei der Klägerin ist der Gesamt-
GdB nicht höher als 40 festzusetzen. Der Einzel-
GdB für die Wirbelsäulenschäden von 40 ist unter Berücksichtigung des Krampfaderleidens der Klägerin, das mit einem Einzel-
GdB von 20 zu bewerten ist, nicht auf 50 heraufzusetzen, da es nach
Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem
GdB von 20 vielfach - so auch hier - nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Die weiteren Behinderungen der Klägerin, die jeweils mit einem Einzel-
GdB von 10 anzusetzen sind, führen ebenso wenig zu einer Heraufsetzung des Gesamt-
GdB. Denn nach Teil A
Nr. 3d der Anlage zu § 2
VersMedV führen (von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen) zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen
GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160
Abs. 2
SGG) sind nicht erfüllt.