Urteil
Eine nachträgliche rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft eines Beamten bleibt ohne Auswirkungen auf die antragsgemäß erfolgte Ruhestandsversetzung

Gericht:

VG Regensburg 1. Kammer


Aktenzeichen:

RN 1 K 12.1012


Urteil vom:

28.11.2012


Grundlage:

  • BG BY Art. 64 Nr. 1 |
  • BG BY Art. 64 Nr. 2

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Dem Kläger geht es um die Ruhestandsversetzung aufgrund seiner Schwerbehinderteneigenschaft.

Der am ...1948 geborene Kläger stand an der ..., Staatliche Realschule ..., als Realschulrektor im Dienst des Beklagten. Mit Schreiben vom 21.7.2011 beantragte der Kläger nach Art. 64 Nr. 1 BayBG (Antragsruhestand nach Vollendung des 64. Lebensjahres) mit Ablauf des 1. Halbjahres des Schuljahres 2011/2012 (d.h. mit Ablauf des Freitages der 2. vollen Woche im Februar des nächsten Jahres) in den Ruhestand versetzt zu werden. Die Gründe für diesen Antrag seien gesundheitlicher Natur. Er habe bereits zwei Operationen an der Wirbelsäule hinter sich. Trotzdem seien die Beschwerden weiterhin von stark beeinträchtigender Art, die den Schulalltag für den Kläger nicht einfach machten. Er habe die versorgungsrechtlichen Gesichtspunkte einer Ruhestandsversetzung vor der gesetzlichen Altersgrenze insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Versorgungsabschlag ausreichend geklärt. Mit Schreiben vom 13.8.2011 teilte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus dem Kläger mit, der Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG (Antragsruhestand nach Vollendung des 64. Lebensjahres) zum 1. Halbjahr des Schuljahres 2011/2012 liege vor. Es sei beabsichtigt, die Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 17.2.2012 auszusprechen. Mit Urkunde vom 23.12.2011 wurde der Kläger gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG mit Ablauf des 17.2.2012 in den Ruhestand versetzt. Die Urkunde wurde dem Kläger am 7.2.2012 ausgehändigt.

Nach einem Aktenvermerk vom 2.2.2012 habe der Kläger am 2.2.2012 angerufen und nachgefragt, ob eine neue Urkunde erstellt würde, wenn er bis 17.2.2012 seine Schwerbehinderung "durchbringen" würde. Seine Ruhestandsversetzung sei nach Art. 64 Abs. 1 BayBG zum 17.2.2012 ausgesprochen. Nach Art. 64 Abs. 2 BayBG (Schwerbehinderung) hätte er weniger Abschläge. Da er bereits am 7.2.2012 die Urkunde ausgehändigt bekomme, sei Ref. V. 4. darüber informiert worden; Herr Ministerialrat ... habe keine Bedenken gegen Rückgabe der alten Urkunde eine neue auszustellen.

Mit Bescheid des Zentrums Bayern, Familie und Soziales, Region Niederbayern, Versorgungsamt, vom 14.3.2012 wurde ein GdB des Klägers ab 24.1.2012 von 50 v.H. anerkannt.

Nach einer Ergänzung des Vermerks vom 21.3.2012 sei, nachdem mit Fax vom 19.3.2012 der Bescheid des Zentrums Familie, Bayern und Soziales vom 14.3.2012 vorgelegt worden sei, zum jetzigen Zeitpunkt eine Neuausstellung der Urkunde nach Art. 64 Abs. 2 BayBG nicht mehr angebracht.

Nach einer formlosen Mitteilung an den Kläger vom 5.4.2012 wurde mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 30.5.2012 der Antrag, aufgrund des mit Bescheid des Zentrums Bayern, Familie und Soziales, Region Niederbayern, Versorgungsamt Landshut vom 14.3.2012 zuerkannten GdB von 50 v. H. die Rechtsgrundlage für die Ruhestandsversetzung zu ändern, abgelehnt. Gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. BayBG könne die Versetzung in den Ruhestand nur bis zu dessen Beginn zurückgenommen werden. Dies diene dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten und dem allgemeinen Interesse an der Rechtsbeständigkeit und Rechtsklarheit der Statusentscheidung (BVerwG, Urt. v. 25.10.2007, Az. 2 C 22/06). Die Ruhestandsversetzung gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG, die mit Ablauf des 17.2.2012 wirksam geworden sei, sei seit diesem Tag nicht mehr im Rahmen einer Ermessensentscheidung der Behörde zu widerrufen, zurückzunehmen oder inhaltlich zu ändern. Die Aufhebung der Verfügung käme nur in Frage, wenn diese rechtswidrig gewesen sei. Die Ruhestandsversetzung sei rechtmäßig gewesen. Der Antrag sei ausdrücklich mit Schreiben vom 21.7.2011 gestellt und zu keinem Zeitpunkt zurückgenommen worden. Telefonisch habe der Kläger am 2.2.2012 lediglich gefragt, ob ein Austausch der Urkunden und eine Ruhestandsversetzung gestützt auf Art. 64 Nr. 2 BayBG wegen Schwerbehinderung möglich sei, wenn er die Schwerbehinderung bis zum 17.2.2012 "durchbringen" würde. Diesem Telefonat lasse sich keine Rücknahme des Antrags auf Ruhestandsversetzung entnehmen. Vielmehr sei der ausdrücklichen Bezugnahme auf das Datum 17.2.2012 zu entnehmen, dass es dem Kläger in jedem Fall auf eine Ruhestandsversetzung zum beantragten Zeitpunkt angekommen sei. Es handele sich hierbei um den erstmöglichen Zeitpunkt zum Eintritt in den Altersruhestand nach Erreichen der Antragsaltersgrenze am 24.1.2012. Demzufolge habe der Kläger den ursprünglich gestellten Antrag aufrechterhalten und lediglich einen vorrangig zu berücksichtigenden Antrag auf Ruhestandsversetzung gemäß Art. 64 Nr. 2 BayBG unter der Bedingung gestellt, dass die Schwerbehinderung zu diesem Zeitpunkt festgestellt sei. Ob dies überhaupt und wann dies der Fall sein würde, habe weder der Kläger noch das Staatsministerium absehen können. Nachdem der Bescheid am 14.3.2012 ergangen sei, sei die vom Kläger ausdrücklich aufgestellte Bedingung für die Ruhestandsversetzung nach Art. 64 Nr. 2 BayBG nicht eingetreten. Der Antrag bestimme den Rechtsgrund, aus dem der Beamte vorzeitig in den Ruhestand trete und lege für die Statusbehörde bindend den Gegenstand der Statusentscheidung fest. Sie könne die Versetzung in den Ruhestand nicht aus einem anderen als den im Antrag genannten Grund verfügen. Andernfalls sei der Antrag abzulehnen. Jede Versetzung in den Ruhestand könne nur wegen eines bestimmten gesetzlich festgelegten Grundes erfolgen. Der im Antrag genannte Grund fließe in die Versetzungsverfügung mit ein. Soweit dem Kläger mit Bescheid vom 14.3.2012 ab 24.1.2012 ein GdB von 50 v.H. und damit die Schwerbehinderung zuerkannt worden sei, sei zu unterscheiden zwischen der tatsächlich bestehenden Behinderung und der Pflicht des Dienstherrn daraus rechtliche Folgen zu ziehen. Die Behörde könne erst, wenn sie von der Behinderung zuverlässige Kenntnis habe, die hierfür geltenden Maßnahmen treffen (BVerwG, Urt. v. 2.4.1981, Az. 2 C 1/81; BayVGH, Beschl. v. 20.4.2012 Az. 3 ZB 09.1825).

Am 2.7.2012 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen, Hintergrund der Anfrage des Klägers sei gewesen, dass die Schwerbehinderteneigenschaft für die Zeit vor dem 17.2.2012 und auch dem Zeitpunkt vor der Aushändigung der Urkunde durch den Ministerialbeauftragten am 7.2.2012 Gegenstand der Abänderung sein sollte. Es sei dem Kläger nicht nur um einen Austausch der Urkunden, sondern um die Bestätigung gegangen, dass der von ihm gestellte Antrag im Sinne eines Antrags auf Ruhestandsversetzung als schwerbehinderter Beamter verstanden werden solle. Es erschließe sich nicht, dass nach Vorlage des Änderungsbescheids vom 14.3.2012 mit dem Grad der Behinderung ab 21.1.2012 eine Neuausstellung der Urkunde zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen sein solle. Im Vermerk vom 22.3.2012 vertrete Herr Ministerialrat ... die Auffassung, dass unter dem Hintergrund wohlwollend zu treffender Entscheidungen im Schwerbehindertenrecht und angesichts der Umstände die Ruhestandsversetzung noch auf Grundlage des Art. 64 Nr. 2 BayBG gestützt werden könne und Verfügung und Urkunde entsprechend geändert werden könnten. Dies werde dann in einem handschriftlichen Vermerk von seiten der Referatsleitung zurückgewiesen. Angesichts des Aktenvermerks vom 2.2.2012 könne die Schlussfolgerung nicht nachvollzogen werden, der Kläger habe seinen ursprünglich gestellten Antrag aufrechterhalten und lediglich einen vorrangig zu berücksichtigenden Antrag auf Ruhestandsversetzung gemäß § 64 Nr. 2 BayBG unter der Bedingung gestellt, dass die Schwerbehinderung zu diesem Zeitpunkt festgestellt sei. Bei Unklarheiten, ob nun die Versetzung in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze oder wegen Schwerbehinderung angestrebt werde, bestehe eine Aufklärungspflicht des Dienstherrn. Im Telefonat vom 2.2.2012 hätte der Kläger darauf hingewiesen werden müssen, dass er nach gegenwärtigem Stand aufgrund seines Antrags auf Ruhestandsversetzung wegen Vollendung des 64. Lebensjahres in den Ruhestand gehen werde. Er hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass er diesen Antrag zurücknehmen und einen neuen Antrag stellen müsse. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.2007 liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Kläger habe nämlich anders als in dem dort entschiedenen Fall vor rechtlichem Wirksamwerden der Ruhestandsversetzung am 17.2.2012 thematisiert, dass ein Verfahren auf Anerkennung als Schwerbehinderter mit GdB von mindestens 50 v.H. anhängig sei und mit einer Feststellung vor dem 17.2.2012 zu rechnen sei. Der im Fall des Klägers festzustellende Zeitablauf und die Erklärungen des Klägers im Telefonat vom 2.2.2012 stünden der beantragten Abänderung nicht entgegen.

Der Kläger beantragt:

1. Der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 30.5.2012 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger so zu stellen als wäre er gemäß Art. 64 Nr. 2 BayBG zum 17.2.2012 wegen Schwerbehinderung in Ruhestand versetzt worden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe bei seinem Anruf am 2.2.2012 lediglich nachgefragt, ob ein Austausch der Urkunden und eine Ruhestandsversetzung gestützt auf die Schwerbehinderung möglich sei, wenn die Schwerbehinderung bis 17.2.2012 anerkannt werde. Andeutungen des Klägers dahingehend, dass er seinen Antrag vom 21.7.2012 so abändern wolle, dass er den Antrag auf Ruhestandsversetzung gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG zum Ende des 1. Schulhalbjahres am 17.2.2012 in einen Antrag auf Ruhestandsversetzung gemäß Art. 64 Nr. 2 BayBG nach Vorlage der Anerkennung der Schwerbehinderung ändern wolle mit der Konsequenz, dass die Ruhestandsversetzung für den gesundheitlich stark beeinträchtigten Kläger voraussichtlich wesentlich später eingetreten wäre und der Beamte länger, nämlich mindestens bis zum Schuljahresende am 31.7.2012 hätte Dienst leisten müssen, seien gegenüber dem Staatsministerium nicht geltend gemacht worden. Vielmehr sei es dem Kläger aus Sicht des Staatsministeriums im Telefonat eindeutig darauf angekommen, dass die Ruhestandsversetzung in jedem Fall zum 17.2.2012 erfolgen solle. Der Beklagte habe keine Hinweispflichten verletzt. Aus dem Telefonat des Klägers am 2.2.2012 sei keine Unklarheit bezüglich der Antragstellung ersichtlich. Er habe darum gebeten, falls vor der statusändernden Ruhestandsversetzung am 17.10.2012 die Anerkennung der Schwerbehinderung vorliege, die bereits mit Antragsgrund nach Art. 64 Nr. 1 BayBG ausgestellte Urkunde vor deren Wirksamwerden am 17.2.2012 durch eine Urkunde mit dem Antragsgrund gemäß Art. 64 Nr. 2 BayBG mit Wirkung vom 17.2.2012 zu ersetzen. Mangels Unklarheit des gestellten Antrags hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, die weitere Hinweise des Beklagten indiziert hätten. Bei einem erfahrenen Schulleiter wie dem Kläger, der als Dienstvorgesetzter von Lehrkräften mit dieser Thematik betraut sei, könne der Beklagte davon ausgehen, dass sich der Kläger der Konsequenzen und Risiken des gestellten Antrags bewusst sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.10.2007) sei auf den vorliegenden Fall anwendbar. Es komme nicht darauf an, dass der Kläger eine möglicherweise zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicherstehende Anerkennung der Schwerbehinderung vor Rechtswirksamkeit der seitens des Klägers beantragten Ruhestandsversetzung gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG thematisiert habe. Die Vergleichbarkeit der Fälle ergebe sich daraus, dass in beiden Fällen die Schwerbehinderung nach der rechtswirksamen Ruhestandsversetzung anerkannt worden sei. Es bestehe kein Anspruch auf rückwirkende Änderung der Ruhestandsversetzung. Nach Bestandskraft der Ruhestandsversetzung, die sich auch auf den Zurruhesetzungsgrund erstrecke, könne im Umkehrschluss zu Art. 71 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BayBG zur Wahrung des Rechtsfriedens die bestandskräftige Entscheidung nicht mehr im Rahmen der Ermessensentscheidung widerrufen, zurückgenommen oder inhaltlich geändert werden. Zu unterscheiden sei zwischen der bestehenden Schwerbehinderung, deren Beginn in der Vergangenheit liegen könne und der Pflicht des Dienstherrn, daraus rechtliche Folgerungen zu ziehen, letzteres entstehe erst mit Vorlage des Anerkennungsbescheids über die Schwerbehinderung. Erst dann könne die Behörde die für die Schwerbehinderung geltenden Maßnahmen treffen. Wäre ein bedingungsloser Antrag zur Ruhestandsversetzung gemäß Art. 64 Nr. 2 BayBG seitens des Klägers gestellt worden, wäre erst nach Bekanntgabe der Anerkennung der Schwerbehinderung gegenüber dem Beklagten mit Wirkung für die Zukunft eine Ruhestandsversetzung möglich gewesen, da eine rückwirkende Ruhestandsversetzung nicht möglich sei. Daher könne auch nicht rückwirkend auf den 17.2.2012 die Ruhestandsversetzung geändert werden.

Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat die Vertretung in der Verwaltungsstreitsache auf die Regierung von Niederbayern übertragen, die hierzu ihr Einverständnis mit Schreiben vom 24.9.2012 erklärt hat.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 30.5.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch so gestellt zu werden als wäre er zum 17.2.2012 nach Art. 64 Nr. 2 BayBG wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand getreten.

Die allgemeine Altersgrenze für den gesetzlichen Ruhestand war das Ende des Monats, in dem Beamte und Beamtinnen das 65. Lebensjahr vollenden. Ausgehend davon war die Altersgrenze für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen am Ende des Schuljahres, das dem Schuljahr vorangeht, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Durch § 4 Ziffer 19 des Gesetzes zum neuen Dienstrecht in Bayern vom 5.8.2010, GVBl S. 410, wurde mit Wirkung zum 1.1.2011 die gesetzliche Altersgrenze für Beamtinnen und Beamte im Dienst des Freistaats Bayern für den Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand durch Änderung des Art. 62 BayBG auf das 67. Lebensjahr angehoben. Für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen bedeutet dies, dass als Altersgrenze neu das Ende des Schulhalbjahres festgelegt ist, in dem sie das 67. Lebensjahr vollenden (Art. 62 Satz 2 BayBG). In Abweichung von Art. 62 BayBG legt Art. 143 Abs. 1 Satz 2 BayBG fest, dass für Beamtinnen und Beamte, die nach dem 31.12.1946 und vor dem 1.1.1964 geboren sind, abweichende Altersgrenzen gemäß Tabelle gelten. Vorliegend ergibt sich für den 1948 geborenen Kläger die Altersgrenze von 65 Jahren und zwei Monaten, so dass er regulär am Ende des Schulhalbjahres des Schuljahres 2012/2013, d.h. am 31.7.2013 in Ruhestand treten würde.

Der Kläger wurde antragsgemäß nach Art. 64 Nr. 1 BayBG zum 17.2.2012 in Ruhestand versetzt. Die Urkunde wurde ihm am 7.2.2012 gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür, insbesondere Antrag und Erreichen der Altersgrenze lagen vor. Gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG kann nämlich derjenige Beamte auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden, wenn er das 64. Lebensjahr vollendet hat, und nicht Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch nimmt, soweit nicht besonders schwerwiegende Gründe eine Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze rechtfertigen. Demgegenüber genügt gemäß Art. 64 Nr. 2 BayBG bei Vorliegen der Schwerbehinderung i.S.d. § 2 Abs. 2 des 9. Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI), wenn der Beamte mindestens das 60. Lebensjahr vollendet hat. Letztlich ergäben sich für den Kläger durch die Ruhestandsversetzung aufgrund seiner Schwerbehinderung Vorteile in Bezug auf die Höhe seiner Versorgungsbezüge.

Der Kläger hatte die Ruhestandsversetzung mit Schreiben vom 21.7.2011 beantragt. Diesen schriftlichen Antrag hat der Kläger weder ausdrücklich noch konkludent zurückgenommen oder widerrufen. Hierfür wäre nämlich das Telefonat vom 2.2.2012 weder hinsichtlich der Form noch inhaltlich ausreichend. Der Wortlaut des Schreibens vom 21.7.2011 ist eindeutig. Insbesondere hat der Kläger erklärt, die versorgungsrechtlichen Gesichtspunkte der Ruhestandsversetzung vor der gesetzlichen Altersgrenze im Hinblick auf mögliche Versorgungsabschläge hinreichend geklärt zu haben. Rücknahme, Widerruf oder Verzicht auf die Ruhestandsversetzung hätten aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit einer eindeutigen Aussage bedurft. Davon abgesehen enthielte das Telefonat vom 2.2.2012 eine Bedingung, die nicht eingetreten ist. Nach dem Aktenvermerk vom 2.2.2012 ging es darum, eine neue Urkunde auszustellen, wenn der Kläger bis zum 17.2.2012 - dem anvisierten Ruhestandseintritt - die Schwerbehinderung "durchbringen" würde. Das Erfordernis eine neue Urkunde auszustellen, ergibt sich daraus, dass die Urkunde zur Ruhestandsversetzung vom 23.12.2011 datiert ist. Es ist hierbei unproblematisch, eine Urkunde auszutauschen, solange sie noch keinerlei Rechtswirkung entfalten konnte. Denn weder war die Urkunde bereits an den Kläger zum Zeitpunkt 2.2.2012 übergeben, noch war der Beginn des Ruhestands bereits eingetreten. Denn nach der Urkunde vom 23.12.2011 wird der Kläger mit Ablauf des 17.2.2012 in den Ruhestand versetzt.

Es ist hierbei unerheblich, ob der Aktenvermerk inhaltlich aus Sicht des Klägers zutreffend ist. Denn dieser Aktenvermerk gibt lediglich die Sichtweise des Empfängers, d.h. des Gesprächspartners des Klägers beim Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus wieder. Möglicherweise ist beim Empfänger hierbei ein anderer Erklärungsinhalt angekommen, als der Kläger formulieren wollte. Letztendlich liegt aber das Risiko, falsch verstanden zu werden, beim Erklärenden. Aus dem Aktenvermerk vom 2.2.2012 ergibt sich jedenfalls nicht, dass der Kläger eindeutig erklärt hätte, in jedem Fall vorrangig aufgrund der Schwerbehinderung in Ruhestand versetzt zu werden und ggf. hierbei auch einen späteren Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung in Kauf zu nehmen. Möglicherweise wäre dies dann das Ende des Schuljahres 2011/2012, d.h. Ende Juli 2012 gewesen oder aber erst das Ende des Schuljahres 2012/2013. Ein Anhaltspunkt, dass es dem Kläger vorrangig darum gegangen ist, als Schwerbehinderter in Ruhestand versetzt zu werden und nicht vorrangig um den Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung zum 17.2.2012, ergibt sich auch nicht aus der Reaktion des Klägers in zeitlichem Zusammenhang mit der Urkundenaushändigung oder dem Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung zum 17.2.2012. Soweit der Kläger meint, die Beklagte hätte in diesem Zusammenhang Aufklärungspflichten verletzt, deutet er ein Schadensersatzbegehren an, das - ohne entsprechende Geltendmachung im behördlichen Verfahren (Antrag) - nicht zulässigerweise Gegenstand dieser Klage sein könnte. Davon abgesehen ist dem Kläger der eindeutige Wortlaut des Schreibens vom 21.7.2011 entgegenzuhalten, in dem er gerade die versorgungsrechtlichen Aspekte selbst thematisiert und angibt, diese ausreichend geklärt zu haben.

Die bedingungsfeindliche und grundsätzlich auch auflagenfeindliche Ruhestandsversetzungsverfügung ist rechtsgestaltend und bewirkt eine Statusänderung. Die Versetzung in den Ruhestand kann nur bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen werden (Art. 71 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. BayBG). Daher kann nach Zustellung der Verfügung über die Ruhestandsversetzung der Beamte seinen Antrag auf Ruhestandsversetzung nicht mehr zurücknehmen (BVerwG v. 17.9.1996, BayVBl 1997, 378). Zwar besteht auch später noch die Möglichkeit, den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand wegen Willensmängeln nach §§ 119, 123 BGB (analog) anzufechten. Diese Fallgestaltung liegt indes nicht vor. Der Kläger wurde nicht arglistig getäuscht, als er den Antrag vom 21.7.2011 stellte. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt weder im Erklärungsirrtum noch im Inhaltsirrtum. Der Kläger hat sich mit dem Schreiben vom 21.7.2011 nicht über den Inhalt dieser Erklärung dahingehend getäuscht, dass er mit der Erklärung eigentlich eine Ruhestandsversetzung wegen Schwerbehinderung wollte. Denn zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung hatte der Kläger offensichtlich noch gar keinen Antrag auf Änderung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt. Nach dem Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Niederbayern, Versorgungsamt, vom 14.3.2012 datiert der Antrag des Klägers vom 19.1.2012 und ging beim Versorgungsamt am 24.1.2012 ein. Daraufhin erließ das Versorgungsamt den Änderungsbescheid vom 14.3.2012, mit dem es das Vorliegen eines GdB von 50 v.H. ab 24.1.2012 bestätigte. Die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers wurde somit erst nach Ruhestandsversetzung festgestellt und war dem Dienstherrn erst mit Übersendung des Bescheids mit Fax vom 19.3.2012 bekannt. Zuvor war lediglich eine Anerkennung im Raum gestanden, wobei unsicher war, zu welchem Zeitpunkt und ob überhaupt diese erfolgen würde. Auch wenn die Feststellung des GdB für die Zeit ab 24.1.2012 erfolgte, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.10.2007, Az. 2 C 22/06, NVwZ-RR 2008, 193 ff.) nach Beginn des Ruhestands weder die Versetzung in den Ruhestand noch der Grund, auf dem sie beruht, durch Widerruf, Rücknahme oder Wiederaufgreifen des Verfahrens, i.S.d. §§ 48, 49 oder 51 BayVwVfG, mithin nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes nachträglich geändert werden. Für § 47 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BBG hat dies das Bundesverwaltungsgerichts mit dem Hinweis entschieden, dass die Bestimmung dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten dient, zum anderen dem allgemeinen Interesse an der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf wie die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle im Gesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft. Nichts anderes gilt für die Artikel 62 ff. BayBG.

Inwieweit die Rechtsprechung, dass die Pensionierung wegen Schwerbehinderung zu erfolgen habe, wenn deren förmliche Feststellung erst nach Eintritt in den Ruhestand aber noch vor Bestandskraft des Zurruhesetzungsbescheids erfolgt und ein Beamter seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand nicht nur wegen Erreichens der vorgezogenen Altersgrenze, sondern vorrangig zugleich unter Hinweis auf ein laufendes Verfahren auf Anerkennung als Schwerbehinderter beantragt (vgl. OVG Rheinland- Pfalz, Urt. v. 22.9.2011, Az. 2 A 10 665/11 (juris)), mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vereinbar ist, kann dahingestellt bleiben. Denn diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt schon an einem entsprechend formulierten Antrag, d.h. der Kläger hat nicht vorrangig und zugleich unter Hinweis auf das laufende Verfahren auf Anerkennung als Schwerbehinderter seine Pensionierung beantragt. Der Kläger hat auch die Ruhestandsversetzung mit Urkunde vom 23.12.2011, ausgehändigt am 7.2.2012, nicht angefochten - d.h. der Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung sollte unangetastet bleiben -, sondern den Bescheid vom 30.5.2012.

Auch eine Zusicherung im Sinne des Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG, den Grund für die Ruhestandsversetzung nachträglich auszutauschen, sowie die Urkunden auszutauschen, lag nicht vor. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit nämlich der Schriftform (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Hierfür genügt ein Aktenvermerk nicht, vielmehr muss die Zusicherung für den Betroffenen in Schriftform ergehen.

Letztlich konnte der Beklagte Rechtsfolgen der Feststellung des Grads der Behinderung erst nach dessen Feststellung mithin dem Bescheid vom 14.3.2012 ziehen, auch wenn der Grad der Behinderung für einen rückwirkenden Zeitraum festgestellt wurde. Soweit im Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 22.9.2011 (a.a.O) darauf hingewiesen wird, dass der Dienstherr einem Hinweis auf ein laufendes Verfahren auf Anerkennung als Schwerbehinderter dadurch Rechnung tragen könnte, dass die Pensionierung hinsichtlich ihres Grundes zunächst nur vorläufig vorbehaltlich einer späteren Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft in einem laufenden sozialbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren erginge, ist indes nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Ruhestandsversetzung nicht an Bedingungen geknüpft und darf nicht mit Auflagen versehen werden.

Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung mit Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.555,04 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs 2004 (2facher Jahresbetrag der Differenz der Versorgungsbezüge bei erfolgter Ruhestandsversetzung bzw. Ruhestandsversetzung als Schwerbehinderter). Hierbei wird verwiesen auf die Stellungnahme der Beklagten vom 23.10.2012 i.V.m. der Auskunft des Landesamts für Finanzen, Dienststelle Regensburg vom 15.10.2012.

Referenznummer:

R/R5417


Informationsstand: 25.03.2013