Urteil
Schadensersatzanspruch eines Beamten wegen verspäteter Reaktivierung - Entscheidung über die Wiederverwendung binnen 3 Monaten - einstweilige Anordnung als geeignetes Rechtsmittel im Reaktivierungsverfahren

Gericht:

OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat


Aktenzeichen:

OVG 4 B 10.19 | OVG 4 B 10/19


Urteil vom:

15.04.2021


Grundlage:

  • BeamtStG § 29 |
  • BGB § 839 |
  • GG Art. 34 |
  • BeamtStG § 54 |
  • GVG § 17a |
  • VwGO § 88 |
  • VwGO § 123 |
  • VwGO § 82

Leitsätze:

1. Verlangt ein Beamter wegen verspäteter Reaktivierung Schadensersatz ausdrücklich nur unter Hinweis auf § 839 BGB, darf auf dem Verwaltungsrechtsweg ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch geprüft werden.

2. Die Dienstbehörde hat nach dem Erhalt eines Reaktivierungsantrags und eines die Dienstfähigkeit belegenden amtsärztlichen Gutachtens regelmäßig drei Monate Zeit zur Entscheidung über die Wiederverwendung, ohne sich dem Vorwurf schuldhafter Verzögerung auszusetzen.

3. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann im Sinne von § 839 Abs 3 BGB ein geeignetes Rechtsmittel im Reaktivierungsverfahren sein.

Rechtsweg:

VG Berlin, Urteil vom 14.06.2019 - 26 K 306.16

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1956 geborene Kläger begehrt Schadensersatz wegen der nach seiner Ansicht verspäteten Reaktivierung im Jahr 2016. Er stand im Dienst des Beklagten, seit dem Jahr 2001 als Studiendirektor (Besoldungsgruppe A 15 mit Amtszulage nach Fußnote 7), zuletzt an der Schule (Oberstufenzentrum). Der Kläger ist seit dem Jahr 2011 als schwerbehindert mit dem Grad der Behinderung 50 anerkannt. Der Beklagte versetzte ihn wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Juli 2014 in den Ruhestand. Der Beklagte reaktivierte den Kläger als Studiendirektor mit Wirkung vom 5. Februar 2016. Der Kläger war vom 11. Juli bis 20. Juli 2016 (Beginn der Sommerferien) und seit dem 31. August 2016 auf lange Zeit krankgeschrieben. Der Beklagte versetzte ihn wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Dezember 2017 erneut in den Ruhestand.

Der Beklagte hatte dem Kläger unter dem 9. März 2015 geschrieben, dass eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit vom Amtsarzt vor der Zurruhesetzung für prognostisch erfolgreich gehalten worden sei, und ihn aufgefordert, einer anstehenden Ladung der Zentralen Medizinischen Gutachtenstelle (ZMGA) nachzukommen. Der Kläger wandte sich in einer E-Mail vom 23. April 2015 an Frau V... vom Beklagten. Darin schrieb er, die Personalstelle habe ihm mitgeteilt, dass er auf seinen gesundheitlichen Zustand überprüft werde, um anschließend eventuell erneut in das Beamtenverhältnis berufen zu werden. "Da ich von einer Reaktivierung ausgehe möchte ich mich gerne vorher mit Ihnen und Frau B... (Personalvertreterin) über Einsatzmöglichkeiten unterhalten."

Die amtsärztliche Untersuchung fand am 15. Juli 2015 statt. Die amtsärztliche gutachterliche Stellungnahme vom selben Tag ging bei der damaligen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft am 17. Juli 2015 ein. Diese vermerkte am Tag des Eingangs auf der Stellungnahme: "Reaktivierung! Bitte Stellungnahme Schulaufsicht einholen! Einsatz!"

Der Kläger bewarb sich unter dem 5. August 2015 auf dem Postweg bei dem Beklagten um die mit der Nr. 39/15 ausgeschriebene Stelle eines Oberschulrats. In dem Schreiben verwies er einleitend darauf, dass ein Gutachter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales am 15. Juli 2015 festgestellt habe, seine Dienstfähigkeit sei voll und uneingeschränkt wiederhergestellt. Der Beklagte entschied sich nicht für den Kläger.

Die Senatsverwaltung - ZS P C - schrieb am 6. August 2015 intern der Stelle I E 21, nach der amtsärztlichen gutachterlichen Stellungnahme könne festgestellt werden, dass die volle und uneingeschränkte Dienstfähigkeit des Klägers wiederhergestellt sei und eine Dienstaufnahme ab sofort erfolgen könne. Um Stellungnahme und Mitteilung der Einsatzschule werde gebeten. Handschriftlich wurde hinzugefügt, dass an der bisherigen Schule kein Arbeitseinsatz denkbar sei. Die Senatsverwaltung forderte unter dem 11. August 2015 vom Landesverwaltungsamt Berlin die Personalakte des Klägers an. Sie erinnerte mit E-Mail vom 5. Oktober 2015 an die Aktenanforderung. Einer weiteren E-Mail vom selben Tag ist zu entnehmen, dass eine erste Einsatzabfrage abschlägig beantwortet worden sei und eine zweite Einsatzabfrage vom 2. September 2015 noch unbeantwortet sei. Das Landesverwaltungsamt Berlin übersandte mit Begleitschreiben vom 6. Oktober 2015 die Personalakte.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 11. November 2015 (in der Senatsverwaltung am folgenden Tag eingegangen) seine amtsgemäße Beschäftigung sowie die Zahlung der ausstehenden Besoldung seit Juli 2015. In dem Schreiben behauptete er, ein Gespräch über seine Wiederverwendung habe am 21. Mai 2015 stattgefunden, in welchem er einen mündlichen Antrag auf Wiederverwendung gestellt habe. Über das Gespräch findet sich kein Vermerk in der vorliegenden Behördenakte. Der Kläger berief sich in dem Schreiben weiter auf seine Bewerbung vom 5. August 2015. Schließlich führte er ein Gespräch vom 8. Oktober 2015 mit Herrn P... vom Beklagten an, das nicht zur versprochenen kurzfristigen Wiederverwendung geführt habe.

Der Kläger drängte mit Anwaltsschriftsatz vom 2. Dezember 2015 auf seine Reaktivierung und Nachzahlung der seit Wiederherstellung der Dienstfähigkeit ausstehenden Besoldung. Darin kündigte er nötigenfalls die Erhebung einer Untätigkeitsklage an und nannte als Beginn der Dreimonatsfrist den 5. August 2015.

Die Senatsverwaltung vermerkte in einer internen E-Mail vom 4. Dezember 2015, dass bislang eine Einsatzabfrage abschlägig beantwortet sei und zwei Abfragen unbeantwortet geblieben seien. Sie schrieb dem Kläger unter dem 5. Januar 2016, dass er an der Oberschule eingesetzt werden solle; die Vorbereitung der Ernennung und die dazu erforderlichen Beteiligungsverfahren würden jedoch noch etwa drei bis vier Wochen in Anspruch nehmen. Mit Schreiben vom selben Tag wurde die Schwerbehindertenvertretung mit dem Verwendungsplan befasst, die am 12. Januar 2016 zustimmte. Die Senatsverwaltung bat mit Schreiben vom 8. Januar 2016 nach Befassung der Frauenvertretung gemäß § 17 LGG (am 20. Januar 2016) um Zustimmung der Personalvertretung gemäß § 88 Nr. 1 PersVG, die am 20. Januar 2016 erteilt wurde. Die "Stellenwirtschaft" der Senatsverwaltung bestätigte die Reaktivierung am 21. Januar 2016. Die Senatsverwaltung übersandte verwaltungsintern die Ernennungsurkunde vom 25. Januar 2016 mit dem Hinweisschreiben vom selben Tag, die Urkunde könne ab sofort ausgehändigt werden. Dazu kam es am 5. Februar 2016.

Der Kläger hatte am 8. Januar 2016 beim Verwaltungsgericht Berlin Klage - VG 26 K 6.16 - erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, ihn rückwirkend zum 5. August 2015 in das Beamtenverhältnis zu berufen und die Besoldung nachzuzahlen, hilfsweise, ihn nunmehr erneut zu berufen, höchst hilfsweise ihn erneut zu bescheiden. Die Beteiligten haben diesen Rechtsstreit nach der Reaktivierung des Klägers übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat die Kosten den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt und angeführt, der Hauptantrag sei unbegründet, die Erfolgsaussichten der Hilfsanträge seien hingegen offen gewesen.

Der Kläger forderte mit Anwaltsschriftsatz vom 14. März 2016 Schadensersatz in Höhe von 18.979,07 Euro, zu zahlen bis zum 28. März 2016. Er sei verspätet reaktiviert worden. Ihm hätten in der Zeit vom 15. Juli 2015 bis zum 5. Februar 2016 Dienstbezüge in Höhe von monatlich 5.861,84 Euro anstelle der Ruhebezüge in Höhe von 3.037,91 Euro zugestanden. Der Beklagte verneinte mit Schreiben der damaligen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 27. April 2016 eine schuldhafte Amtspflichtverletzung und lehnte den Antrag unter Beifügung der Belehrung über das Rechtsmittel des Widerspruchs ab. Der Kläger legte mit Schreiben vom 4. Mai 2016 eingehend am 12. Mai 2016 Widerspruch ein. Er begründete den Widerspruch mit Schreiben vom 29. Juni 2016 und beantragte, den Ablehnungsbescheid vom 27. April 2016 aufzuheben und dem Beklagten aufzugeben, ihn dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob er mit Wirkung vom 15. Juli 2015 als Studiendirektor (Besoldungsgruppe A 15 mit Zulage) berufen worden wäre. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid der damaligen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 17. Oktober 2016 zurück. Der Widerspruch gegen den "Bescheid vom 27. April 2016" sei unbegründet. Es fehle eine Amtspflichtverletzung. Daneben stehe dem Kläger der Schadensersatz entsprechend § 839 Abs. 3 BGB nicht zu, weil er nicht rechtzeitig einen Antrag nach § 123 VwGO gestellt habe. Im Übrigen habe eine dem Kläger entsprechende Funktionsstelle gesucht werden müssen, da eine Rückkehr an die frühere Einsatzschule nicht möglich gewesen sei. Am 5. Januar 2016 habe die zuständige Schulaufsicht eine Einsatzmöglichkeit an einer anderen Schule benannt. Das Fachreferat habe am 21. Januar 2016 bestätigt, dass die dortige Stelle der stellvertretenden Schulleitung zwischenzeitlich frei und besetzbar sei. Die Gremien hätten beteiligt werden müssen. Die Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheids verweist auf den Verwaltungsrechtsweg.

Der Kläger hat am 16. November 2016 beim Verwaltungsgericht Berlin ausdrücklich gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben wegen Schadensersatzes, zunächst ohne einen Antrag zu stellen oder die Klage zu begründen. Er hat am 23. Januar 2017 beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 27. April 2016 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2016 zu verurteilen, an ihn 18.979,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. März 2016 zu zahlen. Der Kläger hat im selben Schriftsatz zur Begründung angeführt, der Beklagte habe seinen Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu Unrecht abgelehnt. Der Beklagte habe die gegenüber dem Kläger bestehende Pflicht aus § 44 Abs. 2 LBG in Verbindung mit § 29 Abs. 1, 2 BeamtStG, diesen schon am 15. Juli 2015 zu reaktivieren, verletzt. Die Fürsorgepflichtverletzung löse die Staatshaftung aus. Der Beklagte habe schuldhaft im Sinn des § 839 Abs. 1 BGB gehandelt, indem er die Reaktivierung wegen eines angeblich fehlenden freien Dienstpostens abgelehnt habe. Die schuldhafte Amtspflichtverletzung habe zu dem benannten Schaden geführt. § 839 Abs. 3 BGB stehe dem Schadensersatz nicht entgegen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2019 abgewiesen. In der Begründung des dem Kläger am 24. Juni 2019 zugestellten Urteils - VG 26 K 306.16 - (veröffentlicht in juris) heißt es, diesem stehe Schadensersatz nicht zu. Eine vom Gericht unterstellte Ersatzpflicht trete nicht ein, weil es der Kläger fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs könne nach dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB scheitern, wenn der Beamte von einem zumutbaren Rechtsmittel in vorwerfbarer Weise keinen Gebrauch mache. Das sei auf einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von § 29 Abs. 1 BeamtStG, § 44 Abs. 2 LBG zu übertragen. Der Kläger habe einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorwerfbar unterlassen. Ein solcher Antrag sei nicht etwa wegen der Formenstrenge des Beamtenrechts unzumutbar gewesen (entgegen VG Berlin, Beschluss vom 24. September 2018 - VG 5 L 280.19 -).

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung am 2. Juli 2019 eingelegt und das Rechtsmittel am 26. August 2019, einem Montag, samt Antragstellung begründet. Er reduziert seine Forderung auf 18.796,87 Euro mit dem Hinweis, dass der Schadensersatz nicht vom 15. Juli 2015, dem Tag der amtsärztlichen Untersuchung, sondern vom 17. Juli 2015 an zustehe, als die amtsärztliche Stellungnahme dem Beklagten zugegangen sei. Der Kläger beruft sich auf einen Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG, was er näher begründet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beruft er sich zudem auf den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Juni 2019 zu ändern, den Bescheid der damaligen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 27. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Stelle vom 17. Oktober 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 18.796,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. März 2016 zu zahlen.


Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, dem rechtsanwaltlich vertretenen Kläger sei ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zumutbar gewesen. In der Berufungserwiderung ergänzt er, sofern der Kläger für den Schadensersatzanspruch Art. 34 GG heranziehe, sei das Landgericht Berlin zuständig.

Die "Restakte" der Personalakte und die Gerichtsakte VG 26 K 6.16 des Verwaltungsgerichts Berlin haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist zulässig eingelegt, bleibt aber im Ergebnis ohne Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

A. Die Klage ist zulässig. Für die auf Schadensersatz zielende Klage ist der Leistungsantrag in Verbindung mit einem Anfechtungsantrag statthaft. Das betrifft zunächst den Widerspruchsbescheid. Der Widerspruchsbescheid ist der Leistungsklage hier nach § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG vorgeschaltet und unterliegt der Anfechtung nach § 42 VwGO. Er wäre auch anfechtbar als Verwaltungsakt im nur formellen Sinn (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 35 Rn. 3b), wenn er angesichts des entschiedenen Inhalts nicht hätte ergehen dürfen. Daran wäre zu denken, wenn er ausschließlich Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung behandeln sollte, der auf dem ordentlichen Rechtsweg einzuklagen und für den deswegen das Verfahren nach § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtSG nicht einzuhalten ist (siehe auch BVerwG, Urteil vom 6. Mai 1964 - VIII C 394.63 - juris Rn. 16).

Statthaft ist auch die Einbeziehung des Ausgangsbescheids in den Anfechtungsteil des Klageantrags. Der Widerspruchsbescheid in einem beamtenrechtlichen Vorverfahren ändert zwar grundsätzlich nicht die Rechtsnatur der vom Beamten geforderten oder beanstandeten Maßnahme. Ist sie verwaltungsintern, wird sie durch den Widerspruchsbescheid nicht zum Verwaltungsakt (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - juris Rn. 18). Das möglicherweise in der Auslegung noch undeutlich erscheinende Schreiben des Beklagten vom 27. April 2016 ist allerdings in der Gestalt, in die es der Widerspruchsbescheid gebracht hat (dort ist von dem "Bescheid vom 27. April 2016" die Rede), ein Verwaltungsakt (geworden). Das ist, soweit es um Schadensersatz geht, nicht von vornherein ein Verwaltungsakt im nur formellen Sinn. Denn die Ablehnung eines beamtenrechtlichen Schadensersatzbegehrens kann durch Verwaltungsakt erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - juris Rn. 3).

B. Die Klage ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 128 Satz 1 VwGO den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht hat einen beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch geprüft. Für diesen Anspruch, der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - juris Rn. 9 ff.; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 424 f.), ist - was der Senat allerdings nach § 17a Abs. 5 GVG nicht mehr zu überprüfen hätte - der Verwaltungsrechtsweg zulässig, im Fall eines Landesbeamten gemäß § 54 Abs. 1 BeamtStG.

I. Das Verwaltungsgericht hat das Klagebegehren des Klägers (§ 88 VwGO) nicht missachtet, indem es über einen beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch urteilte, während der Kläger erstinstanzlich allein den Amtshaftungsanspruch für sich geltend machte, für den laut Art. 34 Satz 3 GG der ordentliche Rechtsweg gegeben ist.

Der Begriff des Klagebegehrens deckt sich mit dem des prozessualen Anspruchs, der zusammen mit dem tatsächlichen Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger sein Begehren herleitet (Klagegrund, § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO; siehe dazu BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - juris Rn. 12 f.), den Streitgegenstand definiert (BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 6 B 47.06 - juris Rn. 13; Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 7). Nach allgemeinen Regeln liegen nicht verschiedene, sondern liegt nur ein Klagebegehren vor, wenn der Kläger sein Begehren aus mehreren materiellrechtlichen Anspruchsgrundlagen herleitet (Rennert, a.a.O.). Demgemäß ist der bezifferte Antrag auf Schadensersatz mit dem Klagegrund einer angeblich pflichtwidrig verspäteten Reaktivierung im Jahr 2016 das Klagebegehren. Ein Kläger ist nach der Verwaltungsgerichtsordnung auch nicht gehalten, die Anspruchsgrundlagen zu benennen, aus denen sich sein Begehren herleiten könnte. Ein rechtlicher Beibringungsgrundsatz ist dem Klageverfahren erster Instanz und dem Berufungsverfahren zweiter Instanz fremd (anders in den Fällen von § 124a Abs. 5 Satz 2, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Es ist unschädlich, dass ein Kläger sich nicht ausdrücklich auf eine im Verwaltungsprozess zu verfolgende Anspruchsgrundlage berufen hat (vgl. Bamberger in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 88 Rn. 4). Ein Kläger hat es nicht in der Hand, das Gericht in der Entscheidungsfindung auf die Prüfung bestimmter rechtlicher Erwägungen festzulegen (so BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 6 B 47.06 - juris Rn. 13). Dieser seit langem bestehende Prozessgrundsatz (iura novit curia) wird neuerdings durch § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG bestätigt. Danach hat das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, für die an sich eine andere Gerichtsbarkeit zuständig wäre. Das Gesetz beschränkt die Zuständigkeit nicht auf die geltend gemachten Gesichtspunkte, sondern weitet sie auf alle in Betracht kommenden Gesichtspunkte aus.

Eine Einschränkung erfährt die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit allerdings durch § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG. Bleibt danach Art. 34 Satz 3 GG unberührt, darf die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn sie unter einem Gesichtspunkt zuständig ist, nicht auch über einen Amtshaftungsanspruch entscheiden (Ehlers in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 41 / § 17 GVG Rn. 38; Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41 / §§ 17-17b GVG Rn. 20).

Die besondere Stellung, die ein Amtshaftungsanspruch insoweit genießt, hat Burkholz (in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 54 Rn. 9) zu einer von den allgemeinen Regeln abweichenden Abgrenzung zwischen diesem Anspruch und dem beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch bewogen. Für ihn ist entscheidend, worauf der Schadensersatzanspruch gestützt wird. Unerheblich sei, worauf er gestützt werden könne. Es kommt dem Kommentator mithin auf die ausdrückliche Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs und / oder eines beamtenrechtlichen Anspruchs an (undeutlich Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, [§ 41] § 17 GVG Rn. 53: einerseits "Lässt sich das Klagebegehren nur auf ... stützen", andererseits "ein Anspruch nach ... und zugleich nach ... geltend gemacht wird").

Mit seiner Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 1983 - 2 C 34.80 - (NJW 1983, 2589 f.) verdeutlicht Burkholz, dass er sich die mit diesem Urteil einsetzende und mittlerweile durchgesetzte Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der Richterdienstgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu eigen macht. Beruft sich ein Richter gegenüber einer Maßnahme der Dienstbehörde auf eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit, ist die erstgenannte Gerichtsbarkeit zuständig. Macht er andere Rechtswidrigkeitsgründe geltend, ist die zweitgenannte zur Überprüfung berufen. Führt er das eine und das andere an, prüfen die Gerichte nur die in ihre Zuständigkeit fallenden Gründe. Maßgeblich ist, was der Richter in der Sache geltend macht (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ (R) 3/83 - juris Rn. 16 unter Hinweis auf die Abstimmung mit dem BVerwG; Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 26 Rn. 59). Für den Bundesgerichtshof ergibt die Behauptung, die richterliche Unabhängigkeit sei verletzt, einen anderen Klagegrund (a.a.O.), für das Bundesverwaltungsgericht einen anderen "Anfechtungsgrund" (a.a.O., Rn. 13) und mithin einen anderen Streitgegenstand (a.a.O., Rn. 12). Beide Gerichte berufen sich darauf, dass das Gesetz die gerichtliche Zuständigkeit nicht nur an eine bestimmte Maßnahme, sondern auch an einen bestimmten Klage- bzw. Anfechtungsgrund ("aus den Gründen des § 26 Abs. 3" DRiG) heftet. Diese vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesgerichtshof in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gefundene Grenzziehung ist durch die seit dem Jahr 1991 geltende Neuregelung in § 17 GVG nicht hinfällig geworden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2017 - RiZ (R) 1/17 - juris Rn. 17; Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 26 Rn. 59). Das Bundesverwaltungsgericht spricht weiterhin vom "Nebeneinander zweier Rechtswege" für ein und denselben prozessualen Anspruch je nach dem geltend gemachten Klagegrund (Beschluss vom 17. September 2009 - 2 B 69.09 - juris Rn. 10).

Der Senat folgt nicht der vereinzelt gebliebenen Rechtsauffassung von Burkholz, sondern den dargestellten allgemeinen Regeln. Die spezielle gerichtliche Zuständigkeit "aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG" findet ihre Rechtfertigung darin, dass die richterliche Unabhängigkeit ein besonderes Gut ist, dessen Verteidigung in besondere Hände gehört. Demgegenüber steht beim Amtshaftungsanspruch der finanzielle Schadensersatz im Vordergrund, während die schuldhafte Amtspflichtverletzung lediglich den Tatbestand für die Geldzahlungspflicht ergibt. Die Geschädigten dürften sich regelmäßig nicht für die Amtspflichten interessieren, beklagen sich aber über ihren Schaden. Die Verteidigung der Achtung der Amtspflichten durch Beamte steht nicht im Vordergrund von § 839 BGB, was sich daran zeigt, dass beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches der Beamte selbst einzustehen hatte und dass zu dessen Schutz der Schadensersatz eingeschränkt wurde (§ 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB). Die Einstandspflicht des Beamten sollte zwecks Schonung seiner Entschlussfreude möglichst reduziert werden. Es kommt hinzu, dass die Verpflichtung des Staates zur Geldzahlung nicht einzigartig mit § 839 BGB geregelt ist, sondern eine Reihe von Anspruchsgrundlagen diese Rechtsfolge auslösen.

Darf der Senat wie schon das Verwaltungsgericht das Klagebegehren unter allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen würdigen, ist es unschädlich, dass der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz allein einen Amtshaftungsanspruch geltend gemacht hat.

II. Der Beklagte hat mit einer schuldhaften Pflichtverletzung die Anspruchsvoraussetzungen des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs erfüllt.

1. Der vom Senat seinem Urteil zugrunde zu legende, nicht kodifizierte beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch war ursprünglich auf Verletzungen der Fürsorgepflicht bezogen. Er ist in der Rechtsprechung aber nachfolgend auch auf andere Pflichtverletzungen ausgedehnt worden. Bodanowitz schreibt insoweit von der Verletzung einer Fürsorge- und Schutzpflicht (in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 10 Rn. 57). Ein Beamter kann danach von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm aus einer Pflichtverletzung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr die Pflicht schuldhaft verletzt hat, die Maßnahme ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich erfolgt wäre und der Beamte es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - juris Rn. 10 f.).

Die nach Maßgabe von § 29 Abs. 1 BeamtStG bestehende Pflicht, einen wegen Dienstunfähigkeit pensionierten Beamten auf dessen Antrag hin zu reaktivieren, ist auch dem Interesse des Beamten zu dienen bestimmt (siehe zum Maßstab BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - juris Rn. 20, ferner BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - juris Leitsatz 1; Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 5 Rn. 65). Eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Reaktivierung ist demgemäß geeignet, einen beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch auszulösen (entsprechend OLG Brandenburg, Urteil vom 12. Juni 2018 - 2 U 16/17 - juris Rn. 16 zu § 839 BGB). Der Senat leitet die Schadensersatzpflicht unmittelbar aus § 29 Abs. 1 BeamtStG her, während andere Gerichte in einem Reaktivierungsfall die Verletzung der Fürsorgepflicht als Anspruchsgrundlage anführten (VGH München, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 3 ZB 12.529 - juris Rn. 12 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. November 2015 - 13 K 6267/14 - juris Rn. 23 ff. mit weiterer Erwägung).

2. Die aus § 29 Abs. 1 BeamtStG resultierende Pflicht gegenüber dem Kläger hatte der Beklagte schuldhaft verletzt, indem er den Kläger erst mit Wirkung zum 5. Februar 2016 reaktivierte.

Die Pflicht zur Reaktivierung besteht nach dem Gesetz, wenn die Dienstfähigkeit wiederhergestellt ist, der Pensionär innerhalb der vom Landesrecht bestimmten Frist nach der Versetzung in den Ruhestand (gemäß § 44 Abs. 2 LBG innerhalb von zehn Jahren) einen Antrag stellt und zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Unter diesen Voraussetzungen "ist diesem Antrag zu entsprechen".

Wie sich an dieser Gesetzesformulierung zeigt, besteht die Reaktivierungspflicht nicht bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung. Die Vorschrift verweist vielmehr auf den behördlichen Geschäftsgang. Unabdingbar ist die der Dienstbehörde obliegende Klärung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit (von Roetteken in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 29 Rn. 52). Das eingeholte ärztliche Gutachten (vgl. § 44 Abs. 3 LBG) lag der Dienstbehörde am 17. Juli 2015 vor. Der Dienstbehörde oblag sodann, die ärztlichen Tatsachenfeststellungen rechtlich zu bewerten (vgl. von Roetteken in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 29 Rn. 59) und zu klären, ob nach den vorliegenden Erkenntnissen zwingende dienstliche Gründe der Reaktivierung entgegenstehen.

Solche liegen nur vor, wenn sie von solchem Gewicht sind, dass ihre Berücksichtigung unerlässlich ist, um die sachgerechte Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben in der Verwaltung, in der der Beamte (wieder) tätig werden soll, zu gewährleisten (Heid in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, Stand 1.1.2021, BeamtStG § 29 Rn. 10 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/4027 S. 29; vgl. zum denkbaren Prüfumfang von Roetteken in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 29 Rn. 145 ff.). Wenn nur zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, darf die Dienstbehörde die Reaktivierung nicht unter Hinweis auf eine fehlende, erst später freiwerdende Planstelle ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 C 68.08 - juris Rn. 19). Notfalls muss eine Leerstelle ausgewiesen werden (Heid in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, Stand 1.1.2021, BeamtStG § 29 Rn. 11; Tegethoff in: Kugele, BeamtStG, 2011, § 29 Rn. 7; von Roetteken in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 29 Rn. 158). Anderes gilt für den hier nicht einschlägigen § 31 Abs. 2 BeamtStG (dazu VGH München, Beschluss vom 19. Januar 2015 - 3 ZB 13.745 - juris Rn. 7).

Zum behördlichen Geschäftsgang gehört weiterhin die Befassung der Frauenvertreterin nach § 17 Abs. 1 LGG, des Personalrats nach § 88 Nr. 1 PersVG (Einstellung) und der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2 SGB IX (vgl. zum Ganzen von Roetteken in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 29 Rn. 194 ff.; speziell zur Frauenvertreterin OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2017 - OVG 4 B 20.14 - juris und zur Personalvertretung BAG, Urteil vom 15. August 2012 - 7 ABR 6/11 - juris). Schließlich ist die Ernennungsurkunde zu fertigen und auszuhändigen.

Bei der Frage, wie lange der vorstehend skizzierte behördliche Geschäftsgang dauern darf, ohne dass die Unterlassung der Reaktivierung als schuldhafte Pflichtverletzung angesehen werden muss, fehlen eindeutige zeitliche Vorgaben. Es gibt immerhin normative Anhaltspunkte. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung in Verbindung mit § 10 VwVfG ist ein Verwaltungsverfahren einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. Gemäß § 75 Satz 2 VwGO kann eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit Widerspruchseinlegung oder Antragstellung erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist; nach Satz 3 der Vorschrift kann es einen zureichenden Grund für eine noch längere Bearbeitungsfrist geben. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur unangemessen langen Dauer gerichtlicher Verfahren wird einem Oberverwaltungsgericht, wenngleich nach Würdigung des Einzelfalls ("angesichts der eher einfach gelagerten Fragen"), ein Zeitraum von fünf Monaten für seine Entscheidung über einen Antrag auf Zulassung der Berufung zugestanden (Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - juris Rn. 27 ff.).

Der Senat geht angesichts des normativen Rahmens davon aus, dass eine Dienstbehörde, sobald ihr der Reaktivierungsantrag und die amtsärztliche Stellungnahme vorliegt, welche ihr für die Annahme der vollen Wiederherstellung der Dienstfähigkeit ausreicht, regelmäßig drei Monate Zeit bis zum Angebot der Aushändigung der Ernennungsurkunde hat, ohne sich dem berechtigten Vorwurf einer schuldhaft verspäteten Reaktivierung aussetzen zu müssen. Diese Frist kann sich durch das Hinzutreten besonderer Umstände verlängern. Zu denken wäre an die Notwendigkeit eines personalvertretungsrechtlichen Einigungsverfahrens. Hingegen verlängert der Umstand, dass die Versorgungsbehörde (Landesverwaltungsamt Berlin) die Personalakte der Dienstbehörde trotz mehrfacher Aufforderung erst nach mehreren Monaten übersendet, die Frist nicht ohne weiteres, auch wenn die Personalakte für eine Reaktivierung unverzichtbar erscheint. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Dienstbehörde es versäumt, die Personalakte bereits zu Beginn des Verfahrens, hier zur Zeit der Beauftragung der Zentralen Medizinischen Gutachtenstelle anzufordern, und Grund zur Annahme besteht, dass sie dann nicht erst nach dem Erhalt des Gutachtens bei der Dienstbehörde eingetroffen wäre.

3. Nach diesen Maßstäben begann die Bearbeitungsfrist der Dienstbehörde im August 2015, als das postalisch versendete Bewerbungsschreiben (Datum 5. August 2015) beim Beklagten eintraf, und lief in Ermangelung von relevanten Besonderheiten des Falls drei Monate später ab. Es ist mithin nicht dem Kläger Recht zu geben, der das Fristende bereits am 17. Juli 2015 als erreicht ansah. Dieser Tag, an dem das amtsärztliche Gutachten bei der Dienstbehörde eintraf, war noch nicht einmal der Beginn der regelmäßig anzunehmenden Dreimonatsfrist. Denn der Kläger hatte noch nicht den Reaktivierungsantrag gestellt.

Der Antrag gemäß § 29 Abs. 1 BeamtStG muss zu seiner Wirksamkeit schriftlich (im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2020 - 5 P 9.19 - juris Rn. 7) gestellt werden. Ein mündlicher Antrag auf Reaktivierung reicht nicht aus (Summer in: GKÖD I, Stand März 2021, § 46 BBG Rn. 11; demgegenüber hält von Roetteken in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 29 Rn. 123, die Schriftform nur für empfehlenswert). Der Behauptung des Klägers, seine Reaktivierung bereits am 21. Mai 2015, im Übrigen auch am 8. Oktober 2015 mündlich beantragt zu haben, was jeweils nicht aktenkundig vermerkt wurde, braucht deshalb nicht weiter nachgegangen zu werden.

Wie der vorliegende Fall zeigt, ist ein Gespräch in der Regel nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit des Reaktivierungswillens zu verdeutlichen. Der Kläger meint zumindest im Nachhinein, seinen Willen eindeutig geäußert zu haben. Der Beklagte mag aber einem Gespräch, zumal vor der amtsärztlichen Untersuchung, eher die Bedeutung beimessen, sich über die Modalitäten der Reaktivierung zu verständigen. Das belegt beispielhaft die E-Mail des Klägers vom 23. April 2015. Während der Kläger darin seinen Reaktivierungswillen geäußert haben will, ist der Text für einen objektiven Empfänger der E-Mail lediglich zu verstehen als Prognose des Klägers, dass er von einer Reaktivierung ausgehe. Ob er sie begehrt, gleichgültig beurteilt oder womöglich ablehnt, lässt der Kläger in dem Text offen. Den Reaktivierungswillen belegt erst die schriftliche Bewerbung unter dem 5. August 2015. Insoweit ist es unschädlich, dass der Kläger nicht ausdrücklich seine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis beantragte. Es reicht dessen schriftliche Bewerbung verbunden mit Hinweis, dass seine Dienstfähigkeit voll und uneingeschränkt wiederhergestellt sei, aus.

III. Dem Schadensersatzbegehren steht jedoch entgegen, dass der Kläger es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

1. Auf den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch findet der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke Anwendung (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - 2 C 29.97 - juris Rn. 17). Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe, die sich gegen eine Pflichtverletzung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung oder Verringerung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind. Der Begriff des Rechtsmittels ist nicht auf die in den Verfahrensvorschriften vorgesehenen Behelfe beschränkt, sondern umfasst auch andere, rechtlich mögliche und geeignete - förmliche oder formlose - Rechtsbehelfe (z.B. Gegenvorstellungen, Erinnerungen an die Erledigung eines Antrags, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden), ist also in einem weiten Sinn zu verstehen. Maßgeblich für die Einordnung einer Handlung als Rechtsbehelf in diesem Sinne ist es, ob sie potentiell geeignet ist, den bevorstehenden Schadenseintritt noch abzuwenden. Der Rechtsbehelf muss sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und ihre Beseitigung beziehungsweise Vornahme bezwecken und ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - juris Rn. 26). Ob es der Verletzte schuldhaft, etwa fahrlässig unterlassen hat, ein Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB einzulegen, hängt davon ab, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen des Verkehrskreises verlangt werden muss, dem der Verletzte angehört (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - juris Rn. 33, 35).

2. In der Verwaltungsrechtsprechung wird ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zur Beschleunigung der Reaktivierung für möglich und nicht von vornherein für aussichtslos gehalten (VG Schleswig, Urteil vom 8. Juli 2020 - 12 A 292/18 - juris Rn. 44 unter Bezugnahme auf das hier angegriffene Urteil des VG Berlin, a.A. VG Berlin, Beschluss vom 24. September 2018 - VG 5 L 280.18 - nicht veröffentlicht). Der Senat teilt diese Einschätzung.

Eine gefestigte Rechtsprechung des Senats zu Anträgen gemäß § 123 VwGO im Reaktivierungsverfahren, aus der sich deren Aussichtslosigkeit im Gerichtsbezirk ergäbe, fehlt. Der Senat entschied im Beschluss vom 26. August 2019 - OVG 4 S 39.19 - immerhin, dass ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Reaktivierung nicht bereits aufgrund einer Folgenabwägung Erfolg hat, ohne dass ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sei. Im Beschluss vom 31. Mai 2012 - OVG 4 S 21.12 - führte der Senat einerseits aus, dass der Obliegenheit im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB mit dem vorliegenden Verfahren genügt sei, andererseits sah er die verwaltungsgerichtliche Argumentation nicht für ausgeräumt an, dass der Anordnungsgrund wegen der Möglichkeit einer Schadensersatzklage fehle; mit der Beschwerde war allerdings der erstinstanzliche Ausgangspunkt, wonach eine Vorwegnahme der Hauptsache nur ausnahmsweise bei besonders schwerwiegenden Gründen möglich sei, nicht in Abrede gestellt und deshalb vom Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO außer Betracht gelassen worden.

Die von der 5. und 26. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin unterschiedlich bewertete Frage, ob die Formenstrenge der Beamtenernennung einer im Wege der einstweiligen Anordnung auferlegten Vorwegnahme der Hauptsache kategorisch entgegenstehe, ist noch nicht mit dem Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 29. September 2017 - OVG 4 S 32.17 - (juris) beantwortet. Denn die Unumkehrbarkeit einer Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit (Ämterstabilität) gilt nicht für Beamte auf Widerruf, die nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG jederzeit entlassen werden können, etwa wenn sich in der Hauptsache das Ergebnis des Verfahrens auf Erlass einer einzelnen Anordnung nicht bestätigt.

Der Senat hat indes in seinem Beschluss vom 12. November 2019 - OVG 4 S 51.19 - (juris Rn. 11 mit weiteren Nachweisen) anerkannt, dass ein Antragsteller einen nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO durchsetzbaren Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts haben kann. Und in dem Beschluss vom 1. Februar 2019 - OVG 4 S 52.18 - (juris) hat der Senat einstweilen angeordnet, den Antragsteller weiter zum Auswahlverfahren zuzulassen. Mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung dieser oder jener Art kann es mithin möglich sein, umstrittene Teilfragen gerichtlich zu klären und den von einem Antragsteller ausgehenden Zeitdruck gerichtlich zu verstärken.

3. Der Kläger hätte, wenn er gemäß seinem Vortrag bereits seit dem 21. Mai 2015 reaktiviert werden wollte und den Beklagten verpflichtet sieht, dazu alles Notwendige für den Tag des Erhalts des amtsärztlichen Gutachtens vorzubereiten, allen Grund gehabt, nach deren Eingang eine Beschleunigung durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erwirken. Er unterließ den Antrag, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, fahrlässig. Die Sommerferien dauerten in Berlin vom 16. Juli bis 28. August 2015. Eine Reaktivierung hätte sich spätestens bis zum Beginn des neuen Schuljahres angeboten. Die Verzögerungen seitens der Dienstbehörde, die auf der Suche nach einem freien Dienstposten beruhten, waren wie gezeigt nicht durch § 29 Abs. 1 BeamtStG gedeckt, da nach dieser Vorschrift lediglich zwingende dienstliche Gründe einer Reaktivierung entgegenstehen. Angesichts dieser Umstände hätte sich für den Kläger eine Antragstellung, wenn nicht zu Beginn der Schulferien, also der Zeit intensiver Planung des Lehrkräfteeinsatzes im neuen Schuljahr, dann jedenfalls im August 2015 aufdrängen müssen. Eine Verpflichtung der Dienstbehörde mittels einstweiliger Anordnung zur Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hätte dann noch innerhalb der Frist von drei Monaten ergehen können, die der Dienstbehörde wie gezeigt regelmäßig zur Bearbeitung zuzugestehen und deshalb frei von Schadensersatzpflicht ist.

4. Die Schadensersatzforderung entfällt in voller Höhe. Die Außerachtlassung der Obliegenheit im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB bewirkt in dem Umfang, in dem das versäumte Rechtsmittel den Schaden verhindert hätte, einen Totalverlust des Ersatzanspruchs (Wöstmann in: Staudinger, BGB, Stand 2020, § 839 Rn. 335). Angesichts des dargestellten hypothetischen Kausalzusammenhangs zwischen Antragstellung und möglicher Abhilfe stellt sich hier nicht die Frage, ob der Kläger Schadensersatz immerhin noch für einen ersten Zeitabschnitt beanspruchen könnte.

IV. Neben dem beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch kommen weitere der Verwaltungsrechtsprechung (auch über § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG) zugängliche Anspruchsgrundlagen (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Folgenbeseitigungsanspruch etc.) nicht in Betracht.

C. Der Senat hat auch nicht den Rechtsstreit insoweit auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen, als ein Anspruch aufgrund einer Amtspflichtverletzung im Raum steht. Das Gericht könnte gemäß § 17a Abs. 2 GVG nur den Rechtsstreit als Ganzes verweisen. Ist es für den Rechtsstreit hingegen unter gewissen Gesichtspunkten zuständig und darf lediglich eine angebliche Amtspflichtverletzung nicht prüfen, scheidet eine Verweisung aus. Es bleibt dem Kläger unbenommen, eine eigene Klage aufgrund eines Amtshaftungsanspruchs auf den ordentlichen Rechtsweg zu bringen (vgl. Ehlers in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 41 / § 17 GVG Rn. 39; Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41 / §§ 17-17b GVG Rn. 20; Ruthig in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, Anh. § 41 Rn. 6; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, (§ 41) § 17 GVG Rn. 54). Schließlich liegt kein Fall vor, in welchem die erste Gerichtsinstanz ungerügt eine Amtspflichtverletzung geprüft und die zweite Instanz wegen § 17a Abs. 5 GVG ausnahmsweise doch diese Anspruchsgrundlage zu prüfen hätte (so das BSG, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - B 13 R 63/10 B - juris Rn. 26 ff.).

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 ZPO. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es ist für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam zu klären, ob die Abgrenzung des ordentlichen Rechtswegs wegen eines Anspruchs aus Amtspflichtverletzung und des Verwaltungsrechtswegs wegen eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs vom Vortrag des Klägers abhängt und welche normativen Vorgaben den Zeitrahmen der Dienstbehörde bei der Bearbeitung eines Reaktivierungsantrags bestimmen.

Referenznummer:

R/R8835


Informationsstand: 04.01.2022