Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren
GdB.
Soweit der Kläger rügt, das SG habe nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, folgt ihm der Senat nicht. Nach § 105
Abs. 1 Satz 1
SGG "kann" das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Im Berufungsverfahren kann also die Entscheidung, durch Gerichtsbescheid zu erkennen, nur auf Ermessensfehler geprüft werden. Einen Verfahrensfehler stellt diese Entscheidung nur dann war, wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen zugrundeliegen (zu § 84
VwGO BVerwGE 84,2 120) . Dafür liegen hier keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Einschätzung des SG, die Sache weise keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, ist zwar nicht weiter begründet, aber eben auch nicht sachfremd. Die Einschätzung des SG, der Sachverhalt sei geklärt, ist nicht zu beanstanden. Für das SG hat weder auf Grund der Ankündigung, ein weiteres noch einzuholendes Gutachten vorlegen zu wollen, noch die Ankündigung einer weiteren Stellungnahme Veranlassung bestanden, die aus seiner Sicht entscheidungsreife Sache nicht durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Auch in der Sache ist der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere § 48
SGB X und
§ 69 SGB IX, ausführlich und zutreffend zitiert. Das SG hat auch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2004 (Anhaltspunkte 2004), hier insbesondere
Nr. 19, zutreffend zitiert und angewandt. Dem ist von Seiten des Senats insoweit nichts hinzuzufügen. Der Senat nimmt deswegen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153
Abs. 2
SGG).
Zum Berufungsvorbringen ist Folgendes anzumerken:
Das vom Kläger selbst veranlasste und vorgelegte internistisch-diabetologische Gutachten von
Prof. Dr. I. vom 27.5.2005 ist nicht geeignet, einen höheren
GdB zu begründen. Zwar hat der Gutachter eine Polyneuropathie diagnostiziert, die bei der Bewertung durch
Dr. L. im Vorgutachten nicht berücksichtigt worden sei, damit "sollte im vorliegenden Fall ein
GdB von bis 60 zugesprochen werden". Dem vermag der Senat jedoch keinesfalls zu folgen. Im Einklang mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von
Dr. P. vom 22.9. 2005 ist auch der Senat der Überzeugung, dass die Diagnose einer relevanten Polyneuropathie nicht durch Befunde belegt ist. Bei unauffälliger Sensibilität, unauffälliger grober Kraft und unauffälliger Koordination spricht lediglich ein reduziertes Vibrationsempfinden an den Großzehen beidseits und eine gestörte Kalt-Warm-Diskriminierung an beiden Füßen für das Vorliegen einer Polyneuropathie. Dagegen hat der Sachverständige
Dr. L. in seinem Gutachten vom 15.2. 2005 auf Grund umfassender Untersuchung, auch apparativer Untersuchung und Laboruntersuchung, ausdrücklich keine Komplikationen im Sinne eines diabetischen Spätsyndroms festgestellt. Er hat keine Hinweise für eine diabetische periphere Mikro- oder Makroangiopathie gefunden, ebenfalls nicht für eine bedeutsame diabetische Neuropathie (hier war allerdings das "Vibrationsempfinden im Bereich der Beine und Arme erhalten"). Auch die behandelnden Ärzte haben kein diabetisches Spätsyndrom festgestellt, insbesondere keine Polyneuropathie. Damit kann, worauf
Dr. P. zu Recht hinweist, angesichts der nur von Pof.
Dr. I. erhobenen - weder umfangreichen noch schwerwiegenden - Befunde nicht von einer
GdB-relevanten Gesundheitsstörung Polyneuropathie ausgegangen werden. Sie ist in ihren Auswirkungen keinesfalls
z. B. einem Verlust der Zehen II-V oder I-III an einem Fuß (
GdB 10) vergleichbar. Damit ist auch die von
Prof. Dr. I. genannte Einschätzung des Gesamt-
GdB von 50 bis 60 weder schlüssig noch gar überzeugend.
Auch soweit der Kläger weiterhin die Ansicht vertritt, bei der Beurteilung des
GdB beim Diabetes mellitus seien nicht die Anhaltspunkte 2004, sondern der entsprechende Katalog der DDG zugrundezulegen, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Das SG hat bereits zutreffend begründet, dass die Empfehlungen der DDG bereits bei der Neufassung der Anhaltspunkte 1996 diskutiert wurden und gerade keinen Eingang in die Anhaltspunkte gefunden haben. Der ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMGS hat auch bei der Neuauflage der Anhaltspunkte (2004) diese Grundlage nach ausführlicher inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Einteilungs- und Bewertungsvorschlägen der DDG nicht verlassen, dies wird in dem Schreiben vom 24.5.2004 nochmals ausdrücklich bestätigt. Die Einteilung in den Anhaltspunkten sei sachgerecht und entspreche auch heute dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Medizin. Der Senat tritt nach eigener Überzeugungsbildung dieser Einschätzung bei. Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren keine neuen Gesichtspunkte oder Argumente vorgebracht, die den Senat veranlassen müssten, nochmals ausführlich darauf einzugehen. Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, warum der Katalog der DDG anders als 1996 oder 2004 heute dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen sollte.
Der Senat folgt damit wie auch schon das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Urteile vom 20. Oktober 2004 - L 6 SB 20/04 und vom 1. Dezember 2003 - L 4 SB 74/03) und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ( Urteile vom 10. Juni 2004 -
L 7 SB 101/03) den Vorgaben in den Anhaltspunkte 2004. Er hält die Anhaltspunkte für maßgebend und weiterhin dem herrschenden wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechend.
Die Einschätzung von
Prof. Dr. I., dass die Anhaltspunkte 2004 den betroffenen Typ 2-Diabetikern in der Mehrheit nicht gerecht würden und der Bewertungsvorschlag der DDG die Probleme der Diabetiker im Alltag deutlich realistischer darstelle sowie der Problematik der Diabetikerversorgung deutlich besser gerecht werde, vermag daran nichts zu ändern.
Prof. Dr. I. zeigt nicht auf, weshalb nach medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand eine Differenzierung zwischen Typ 1 und Typ 2- Diabetikern nicht weiterhin sinnvoll sein soll. Dass es möglicherweise Schwierigkeiten bei der Zuordnung zu einem Typ gibt oder Überschneidungen zwischen beiden Typen, genügt nicht, um von dieser Typisierung abzugehen.
Dr. L. hat in seinem Gutachten für das SG vom 15.2.2005 demgegenüber ausführlich die Unterschiede der Typen von Diabetes mellitus herausgearbeitet und dargestellt, dass die Bewertung des Typ 1- und Typ 2-Diabetes unterschiedlich sein müsse, wie dies ja auch in den Anhaltspunkten 2004 erfolgt sei. Der Senat nimmt hierauf Bezug und verweist auf die Ausführungen auf Blatt 6 und 7 des genannten Sachverständigengutachtens.
Der Einwand des Klägers, dass eine Auslegung des Gesetzeszwecks, eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben weitestgehend zu ermöglichen, auch eine Berücksichtigung des Therapieaufwands zulasse, ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Soweit der Kläger allerdings vorbringt, eine Normauslegung, die begünstigen würde, dass ein ( eigenverschuldet) schlecht eingestellter Diabetiker wegen Hypoglykämien beziehungsweise Organkomplikationen besser gestellt wäre als ein mit hohem eigenem Aufwand gut eingestellter Diabetiker, der in vergleichbarer Weise wegen des Therapieaufwands nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne, widerspräche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Zu berücksichtigen ist insoweit zum einen, dass das Vorliegen von beispielsweise Hypoglykämien zunächst für eine schlechte Einstellung spricht und nicht für eine schlechte Einstellbarkeit des Diabetes, so dass auch nach den Kriterien der Anhaltspunkte eine derart hervorgerufene Hypoglykämie nicht
GdB-relevant wäre. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eventuell vorliegende Organkomplikationen unabhängig davon berücksichtigt werden müssten, ob es sich um einen eigenverschuldet schlecht eingestellten Diabetiker oder um einen mit hohem Therapieaufwand gut eingestellten Diabetiker handelt. Dies zeigt, dass das Abstellen auf den Typ der Erkrankung, Einstellbarkeit sowie Art und Ausmaß von Komplikationen - wie in den Anhaltspunkten - weiterhin sachgerecht ist. Der Senat weist auch darauf hin, dass der Therapieaufwand in den Kriterien der Anhaltspunkte nicht völlig außer Betracht gelassen wird. Ansonsten müsste ein gut eingestellter Diabetiker praktisch wie ein Gesunder behandelt werden. Dies ist indes nicht der Fall. Auch nach den Anhaltspunkten 2004 hat der Kläger, auch wenn sein Diabetes mellitus mit erheblichem Therapieaufwand gut oder befriedigend eingestellt ist, einen Einzel-
GdB von 40. Dies hält der Senat für sachgerecht.
Im übrigen ist die Bildung des Gesamt-
GdB von 40 unter Einschluss sämtlicher festgestellter Funktionseinschränkungen nach Lage der Akten nicht zu beanstanden.
Die Berufung des Klägers ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Der Senat lässt die Revision an das Bundessozialgericht zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160
Abs. 1
Abs. 2
Nr. 1
SGG). Der Umfang der Berücksichtigungsfähigkeit des Therapieaufwands beim Diabetes mellitus im Rahmen des § 69
SGB IX ist eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist.