Urteil
Antrag auf Zulassung der Berufung - Klage gegen die Feststellung der Dienstunfähigkeit eines schwerbehinderten Polizeibeamten

Gericht:

OVG Nordrhein-Westfalen 6. Senat


Aktenzeichen:

6 A 224/08


Urteil vom:

27.04.2010


Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung eines schwerbehinderten Polizeikommissars, der sich mit seiner Klage gegen die Feststellung seiner Polizeidienstunfähigkeit wendet.

Zum Verständnis des § 194 Abs. 1 und 3 LBG NRW a.F. unter Berücksichtigung von Nr. 15.3 der Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Innenministeriums vom 14. November 2003 - 25- 5.35.005/03, SMBl.NRW.203030) - wie Senatsbeschluss vom 13. November 2006 - 6 B 2086/06 -.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht dargelegt oder nicht gegeben.

Der Kläger beruft sich mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung allein auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon auf Grund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen.

Hiervon ausgehend ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aus dem Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger macht zur Begründung geltend, bereits im Rahmen der Entscheidung gemäß § 194 Abs. 1 zweiter Halbsatz LBG NRW (a.F.; jetzt § 116 Abs. 1 zweiter Halbsatz LBG NRW) hätte die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers berücksichtigt werden müssen. Alles andere führe zu einem Leerlaufen des Schwerbehindertenschutzes, der durch die Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen vom 14. November 2003 und dort insbesondere in der Regelung unter Ziffer 15.3 vorgesehen sei. Der Beklagte habe dem Kläger deshalb einen angemessenen und gleichwertigen Arbeitsplatz vorrangig in der bisherigen Dienststelle bzw. am bisherigen Dienstort zu vermitteln. Dabei könne der Kläger anders als lebensältere Beamte etwa sachbearbeitende Tätigkeiten im Polizeivollzugsdienst im Rahmen des Innendienstes vollschichtig und in Wechselschicht wahrnehmen. Außerdem sei problematisch, ob dem Kläger die mit einem Laufbahnwechsel verbundenen Belastungen zumutbar wären. Auch werde bei Berücksichtigung der Schwerbehinderung erst im Rahmen des § 194 Abs. 3 LBG NRW kein gleichwertiger Arbeitsplatz vermittelt, weil die Polizeizulage entfalle. Zudem sei nicht erkennbar, inwiefern die dann zur Verfügung stehenden Dienstposten den Fähigkeiten und Kenntnissen des Klägers weiterhin voll entsprechen würden. Schließlich müsse der Kläger dann noch eine Laufbahnprüfung bestehen.

Aus dem Vorbringen zum Verständnis des § 194 Abs. 1 zweiter Halbsatz LBG NRW a.F. und des § 194 Abs. 3 LBG NRW a.F. unter Berücksichtigung von Ziffer 15.3 der Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen vom 14. November 2003 (RdErl. des Innenministeriums vom 14.11.2003 - 25-5.35.00-5/03, SMBl.NRW 203030, in der hier maßgeblichen Fassung des Rd.Erl. vom 20.5.2005, MBl. NRW 2005, S. 669) ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht. Dies folgt aus den entsprechenden Ausführungen des Senats in dem Beschluss vom 13. November 2006 - 6 B 2086/06, juris, in dem unter anderem ausgeführt ist:

"In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Polizeidienstfähigkeit im Sinne des § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG NRW die Einsetzbarkeit des Polizeibeamten zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung voraussetzt. Die Polizeidienstfähigkeit orientiert sich an den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für sämtliche Ämter der Laufbahn "Polizeivollzugsdienst". Demgegenüber normiert § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW keine Tatbestandseinschränkung, sondern lediglich eine Rechtsfolgenbeschränkung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. August 2003 6 A 1579/02 , IÖD 2005, 247; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 3. März 2005 2 C 4.04 , IÖD 2005, 206.

Der Dienstherr soll nach Maßgabe des § 194 Abs. 3 LBG NRW einem polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamten grundsätzlich den Laufbahnwechsel abverlangen. Verzichtet er bei Eintritt der Polizeidienstunfähigkeit zunächst darauf, den an sich gebotenen Laufbahnwechsel einzuleiten, weil er im Interesse des betroffenen Beamten die mögliche Wiederherstellung der Polizeidienstfähigkeit abwarten will und er den Beamten für den dafür erforderlichen Zeitraum in einer dem Polizeivollzugsdienst zugeordneten Funktion mit geringeren gesundheitlichen Anforderungen beschäftigen kann, ist dies unbedenklich. Wird in der Folgezeit die Polizeidienstfähigkeit des Beamten nicht wiederhergestellt oder fällt bei fortbestehender Polizeidienstunfähigkeit der Dienstposten, auf dem er vorübergehend eingesetzt war, weg, stellt sich als Alternative zur Zurruhesetzung nach § 47 LBG NRW die Frage des Laufbahnwechsels.

In jedem Fall muss der Dienstherr allerdings zunächst prüfen, ob bei dem Beamten die Voraussetzungen des § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW für eine Weiterverwendung im Polizeivollzugsdienst vorliegen. Dies erfordert eine Prognose über dessen dienstliche Verwendung bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand. Entscheidend ist dabei, ob die von dem Beamten auszuübende Funktion dessen Polizeidienstfähigkeit auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt erfordert. Der Dienstherr darf in die Prognose weitreichende organisatorische und personalpolitische Erwägungen einstellen. Prüfungsmaßstab für die Fähigkeit eines Polizeibeamten, seine Dienstpflichten zu erfüllen, ist dabei nur im Ausgangspunkt sein abstrakt-funktionelles Amt; ergänzend treten dienstliche Gegebenheiten und Erfordernisse der jeweiligen Dienstbehörde, die einzelfallbezogene Einschätzung der Verwendungsbreite des Beamten im polizeilichen Innendienst, grundsätzliche Erwägungen personalwirtschaftlicher Art für den gesamten Polizeidienst sowie personalpolitische Prioritäten hinzu, die der Dienstherr im Rahmen seines Organisationsermessens setzen kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. August 2003 6 A 1579/02 , a.a.O.

(...)

Entgegen der von der Beschwerde vertretenen Auffassung ist Nr. 15.3 der Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Innenministeriums vom 14. November 2003 - 25-5.35.005/03, SMBl.NRW.203030) Richtlinie hier nicht einschlägig. Die besagte Regelung gilt nur für den Fall, dass der weitere Einsatz eines schwerbehinderten Beamten auf dem bisherigen Dienstposten aus organisatorischen, strukturellen oder betriebsbedingten Gründen nicht mehr möglich ist. Sie ist nicht anwendbar, wenn eine weitere, der Laufbahn des Beamten entsprechende Beschäftigung aus Gründen ausscheidet, die in ihrem Ursprung aus der Dienstunfähigkeit des Beamten resultieren und damit persönlicher Natur sind. Selbst wenn der konkrete Dienstposten des Beamten aus organisatorischen Gründen wegfällt, ändert dies nichts daran, dass der ursprüngliche und damit eigentliche Hinderungsgrund für den weiteren Einsatz des Betroffenen aus dessen persönlichen Verhältnissen folgt. Für diese Fallkonstellation enthält Nr. 15.3 der Richtlinie keine Regelung.

Erst recht bindet Nr. 15.3 der Richtlinie den Antragsgegner bei der Ermessensausübung im Zusammenhang mit § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW nicht in der Weise, dass - wie die Beschwerde zu meinen scheint - zu Gunsten des Antragstellers ein Dienstposten im Polizeivollzugsdienst geschaffen oder durch Umsetzung freigemacht werden muss, der die besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes auf Dauer nicht uneingeschränkt erfordert. Ein gegenteiliges Verständnis der fraglichen Vorschriften würde den Entscheidungsspielraum des Dienstherrn bei der Anwendung des § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW unangemessen einengen und dem Zweck der Vorschrift, ihm die Entscheidung über die weitere Verwendung von polizeidienstunfähigen Beamten im Rahmen seines Organisationsermessens zu überlassen, zuwiderlaufen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass ein größerer Teil derjenigen Polizeivollzugsbeamten, die im Laufe ihres Dienstes polizeidienstunfähig werden, zugleich die Voraussetzungen für die Anerkennung als Schwerbehinderter oder einer entsprechenden Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX erfüllen. Eine unzulässige Benachteiligung gegenüber polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamten, die nicht zugleich schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, vermag der Senat insoweit nicht festzustellen. Auch diese sollen, sofern nicht im Einzelfall die Voraussetzungen des § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW gegeben sind, den Laufbahnwechsel vollziehen. Dass der Antragsgegner diejenigen Funktionen im Polizeidienst, die die besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes auf Dauer nicht uneingeschränkt erfordern, lebensälteren Polizeivollzugsbeamten vorbehalten will, denen aus Altersgründen ein Laufbahnwechsel nicht mehr zugemutet werden kann oder bei denen ein Laufbahnwechsel wegen der kurzen verbleibenden Restdienstzeit keinen Sinn ergeben würde, lässt ebenfalls keine unzulässige Benachteiligung schwerbehinderter Menschen oder der ihnen Gleichgestellten erkennen. Die Weiterbeschäftigung in derartigen Funktionen kommt grundsätzlich auch für lebensältere Polizeivollzugsbeamte in Betracht, die schwerbehindert oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind.

Im Übrigen ist gerade der hier angestrebte Laufbahnwechsel geeignet, dem Antragsteller einen anderen angemessenen und gleichwertigen Arbeitsplatz im Sinne von Nr. 15.3 der Richtlinie zu vermitteln und dabei seinen gesundheitlichen Einschränkungen Rechnung zu tragen."

Von diesen Feststellungen abzugehen gibt das Zulassungsvorbringen keinen Anlass.

Die Entscheidung des beklagten Landes, die Polizeidienstunfähigkeit des Klägers festzustellen, ist gemessen daran nicht ermessensfehlerhaft; dies hat das Verwaltungsgericht näher dargelegt. Soweit sich der Kläger darauf beruft, es sei zweckmäßig, statt älterer Beamter ihn für bestimmte Innendiensttätigkeiten vorzusehen, weil er diese Tätigkeiten vollschichtig bzw. in Wechselschicht wahrnehmen könne, unterfällt das dem gerichtlich insoweit nicht überprüfbaren Organisationsermessen des Dienstherrn. Auch die vorgetragenen Bedenken im Hinblick auf die Zumutbarkeit des Laufbahnwechsels und die Gleichwertigkeit des Arbeitsplatzes wecken Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht. Sie sind schon unzureichend erläutert, ferner derzeit noch spekulativ und im Rahmen einer gegebenenfalls noch zu treffenden Entscheidung nach § 116 Abs. 3 LBG NRW (§ 194 Abs. 3 LBG NRW a.F.) zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Referenznummer:

R/R3371


Informationsstand: 27.07.2010