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Urteil
Zur Verfassungsmäßigkeit des Bundesausbildungsplatzförderungsgesetzes

Gericht:

BVerfG 2. Senat


Aktenzeichen:

2 BvF 3/77


Urteil vom:

10.12.1980


Grundlage:

  • AusbPlFöG § 3 Abs 1 S 1 |
  • AusbPlFöG § 3 Abs 6 |
  • AusbPlFöG § 3 Abs 8 Nr 3 |
  • GG Art 104a |
  • GG Art 105 Abs 3 |
  • GG Art 108 |
  • GG Art 84 Abs 1

Leitsatz:

(Zur Verfassungsmäßigkeit des Bundesausbildungsplatzförderungsgesetzes)
1. Als außersteuerliche Geldleistungspflicht der Angehörigen einzelner Gruppen stößt die Sonderabgabe auf enge kompetenzrechtliche Grenzen. Sie kann als zusätzliche Belastung einzelner nur erhoben werden, wenn sie sich auf einen besonderen Zurechnungsgrund stützen läßt, der vor den Grundsätzen der bundesstaatlichen Finanzverfassung und vor dem Gebot der Gleichheit aller Bürger vor den öffentlichen Lasten Bestand hat.

2. Die Bewahrung der bundesstaatlichen Ordnungsfunktion und Ausgleichsfunktion der GG Art 104a bis GG Art 108 macht es unabdingbar, Steuern und außersteuerliche Abgaben eindeutig voneinander abzugrenzen.

2.1 Entscheidend für die Qualifizierung einer Abgabe als Sonderabgabe ist ihr materieller Gehalt. Es kommt nicht darauf an, wie das Abgabengesetz selbst eine öffentliche-rechtliche Abgabe klassifiziert.
2.2 Sonderabgaben dürfen nicht zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben und ihr Aufkommen darf nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden.
2.3 Die konkrete haushaltsmäßige Behandlung einer Abgabe durch den Gesetzgeber hat keine konstitutive Bedeutung für ihre verfassungsrechtliche Qualifizierung als Sonderabgabe oder Steuer.

3.1 Eine gesellschaftliche Gruppe kann nur dann mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist, wenn es sich also um eine in diesem Sinne homogene Gruppe handelt.
3.2 Die Erhebung einer Sonderabgabe setzt eine spezifische Beziehung (Sachnähe) zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus. Die mit der Abgabe belastete Gruppe muß dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus dieser Sachnähe muß eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen.
3.3 Die außersteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt voraus, daß zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Das ist der Fall, wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also "gruppennützig" verwendet wird.

4. Die Sonderabgabe hat gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme zu sein; daraus folgt, daß die Zulässigkeitskriterien strikt auszulegen und anzuwenden sind.

5. Der Gesetzgeber ist bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische Verantwortung einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe von Verfassungs wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des gesetzgeberischen Mittels "Sonderabgabe" aufrecht zu erhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände,
insbesondere wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung zu ändern oder aufzuheben ist.

6. Die Berufsausbildungsabgabe nach AusbPlFöG § 3 Abs 1 S 1 stellt sich - gemessen an den dargelegten Kriterien - nicht als Steuer, sondern als zulässige Sonderabgabe dar. Als solche unterfällt sie nicht den für Steuern geltenden GG Art 104aff. Eine Zustimmung des Bundesrates zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz war deshalb nach GG Art 105 Abs 3 nicht erforderlich.

7. Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Sinne von GG Art 84 Abs 1 sind jedenfalls gesetzliche Bestimmungen, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungsvorgänge und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln.

8. Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz hätte nach GG Art 84 Abs 1 der Zustimmung des Bundesrates bedurft, weil es jedenfalls in § 3 Abs 6 und Abs 8 Nr 3 Vorschriften über das Verwaltungsverfahren enthält. Diese Entscheidung wird zitiert von:
VG Düsseldorf 1985-06-11 14 K 1084/85 Vergleiche
BVerfG 1987-04-08 2 BvR 909/82 Vergleiche
BVerfG 1988-06-08 2 BvL 9/85 Vergleiche
FG München 1988-02-22 XIII 217/86 E, G Vergleiche
BFH 1989-06-20 VIII R 82/86 Vergleiche
BVerfG 1990-01-23 1 BvL 44/86 Vergleiche
BFH 1990-02-21 II B 93/89 Vergleiche
BFH 1990-02-21 II B 98/89 Vergleiche
JA 1981, 511-513, Pitschas, R (Entscheidungsbesprechung)
BlStSozArbR 1981, 61, Klein, Franz (Entscheidungsbesprechung)
DB 1981, 743-746, Schmidt-Bleibtreu, Bruno
DB 1981, 370-373, Klein, Franz (Entscheidungsbesprechung)
DStZ 1981, 130, Schemmel, Lothar (Anmerkung)
DStR 1981, 274-274, Dehm, Walter
DStR 1981, 275-281, Klein, Franz
DVBl 1981, 375-379, Stettner, Rupert (Anmerkung)
DB 1981, 370-373, Klein, Franz
BWP 1981, Nr 1, 20-21, Benner, Hermann (Entscheidungsbesprechung)
EuGRZ 1981, 53-54, Berkemann, Jörg
NJW 1981, 2103-2104, Brandt, Edmund
RdJB 1986, 71-76, Hurlebaus, Horst-Dieter
DVBl 1982, 328-340, Schulze-Fielitz, Helmuth (Entscheidungsbesprechung)
StädteT 1990, 279-282, Fiedler, Klaus P

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Referenznummer:

BVRE100808009


Informationsstand: 01.01.1990