Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2010 ist auch in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 24. Mai 2011 rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb gemäß § 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO aufzuheben.
Zwar haben die Beklagte und das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger infolge seines Umzuges in ein Alten- und Pflegeheim am 17. Januar 2008 gemäß § 3
Abs. 1 und 2 LBlindenGG seit dem 14. Februar 2008 keinen Anspruch mehr auf die Auszahlung von Blindengeld hatte und dass es, weil das Sozialamt der Beklagten hiervon erst im Dezember 2010 erfuhr, deswegen zu einer Überzahlung in Höhe von 14.166,21
EUR gekommen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten zudem unstreitig.
Weiterhin gehen die Beklagte und das Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass der Kläger seiner ihm gemäß § 8 LBlindenGG obliegenden Pflicht, seinen Umzug in ein Alten- und Pflegeheim als eine für die Bewilligung von Blindengeld an ihn wesentliche und für ihn nachteilige Änderung der Verhältnisse dem Sozialamt der Beklagten mitzuteilen, nicht genügt hat. Hierfür genügte nämlich nicht allein die Meldung gegenüber dem Ordnungsamt der Beklagten, er sei in die J.-Straße umgezogen, und zwar auch dann nicht, wenn dabei zugleich mündlich darauf hingewiesen worden ist, dort befinde sich ein Alten- und Pflegeheim, oder wenn dies dem im Ordnungsamt tätigen Mitarbeiter der Beklagten ohnehin bekannt gewesen ist. Denn allein deswegen hatte letzterer keine Veranlassung zu einer Weitergabe der Umzugsmeldung an das Sozialamt der Beklagten, da nicht zugleich auch auf den Blindengeldbezug des Klägers hingewiesen wurde und sich dieser auch nicht aus der Umzugsmeldung ergab.
Jedoch konnte der Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2005 nicht gemäß § 48
Abs. 1 Satz 2
Nr. 2
SGB X, der gemäß § 9 LBlindenGG für das Verwaltungsverfahren entsprechend gilt, rückwirkend für den Zeitraum vom 14. Februar 2008 bis zum 31. Dezember 2010 aufgehoben werden. Dies hätte vorausgesetzt, dass der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die ihm gemäß § 8 LBlindenGG obliegende Pflicht, seinen Umzug in ein Alten- und Pflegeheim als eine für die Bewilligung von Blindengeld an ihn wesentliche und für ihn nachteilige Änderung der Verhältnisse dem Sozialamt der Beklagten mitzuteilen, grob fahrlässig verletzt hat.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn der Betreffende die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (
vgl. § 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 3 Halbsatz 2
SGB X). Dies ist dem Kläger nicht vorzuwerfen.
Allerdings hieß es in dem vom Kläger am 27. November 2005 unterzeichneten Antragsformular:
"Ich bin darauf hingewiesen worden, dass jede Änderung der Umstände, welche für die Gewährung des Landesblindengeldes maßgebend sind, der Bewilligungsbehörde unverzüglich und unaufgefordert mitgeteilt werden muss. Dies gilt insbesondere für anrechenbare Pflegeleistungen oder die Aufnahme in Anstalten, Heime und gleichartigen Einrichtungen sowie in teilstationäre Einrichtungen."
Auch hieß es im dem Kläger zugegangenen Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2005:
"Blinde und ihre gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertreter haben jede Änderung der Umstände, welche für die Gewährung des Landesblindengeldes maßgebend sind, der nach § 10
Abs. 1 zuständigen Behörde (Stadtverwaltung Zweibrücken, Sozialamt) mitzuteilen.
Dies gilt insbesondere für
- (...)
- (...)
- die - auch kurzfristige - Aufnahme in eine Anstalt, ein Heim oder eine gleichartige Einrichtung (
z.B. Krankenhaus, Reha-Klinik, Kurzzeitpflegeheim)."
- (...)
- (...)
Überzahlte Landesblindengeldbeträge sind gemäß § 4
Abs. 3 LBlindenGG zurückzuerstatten."
Der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2005 ist dem Kläger entgegen seiner Annahme auch in rechtmäßiger Weise bekannt gegeben worden und damit wirksam geworden. Soweit für einen Bescheid über eine Sozialleistung Schriftform vorgeschrieben ist oder ein Sozialleistungsträger dafür Schriftform wählt, ist den Anforderungen genügt, wenn als Schriftzeichen Buchstaben und Zeichen verwendet werden, die den Inhalt der in deutscher Sprache verfassten Verfügung der Entscheidung der Behörde für einen Sehenden lesbar machen. Zwar ist es geboten, einem blinden Menschen keine rechtlichen Nachteile daraus erwachsen zu lassen, dass er sich infolge seiner Blindheit keine Kenntnis vom Inhalt eines schriftlichen Bescheides verschaffen kann. Blinde Menschen haben jedoch keinen Anspruch auf die Bekanntgabe eines Bescheides in einer sonstigen Form (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1988 - 5 B 49/88 - juris).
Etwas anderes gilt auch nicht etwa gemäß
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG, gemäß
Art. 64 der Verfassung für Rheinland-Pfalz (LV), gemäß § 10
Abs. 1 des allerdings nur bei der Ausführung von Bundesrecht und deshalb im vorliegenden Fall nicht anwendbaren Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen - Behindertengleichstellungsgesetz (
BGG) - vom 27. April 2002, gemäß §§ 2 bis 5 der deshalb vorliegend ebenfalls nicht anwendbaren Verordnung zur Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (VBD) vom 17. April 2002 sowie gemäß § 6 des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (LGGBehM) vom 16. Dezember 2004. Weder
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, noch
Art. 64 LV, wonach das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände behinderte Menschen vor Benachteiligung schützen und auf ihre Integration und die Gleichwertigkeit ihrer Lebensbedingungen hinwirken, kann konkret entnommen werden, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an einen behinderten Menschen in einer für ihn verständlichen Form erfolgen muss, solange sichergestellt ist, dass jener dadurch im Ergebnis nicht schlechter gestellt wird als ein nicht behinderter Mensch.
Zwar sieht
§ 10 Abs. 1 Satz 1 BGG vor, dass Träger öffentlicher Gewalt bei der Gestaltung von schriftlichen Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken eine Behinderung von Menschen zu berücksichtigen haben, belässt es aber bei deren Schriftlichkeit. Ferner können blinde und sehbehinderte Menschen gemäß § 10
Abs.1 Satz 2
BGG verlangen, dass ihnen nach Maßgabe der vorerwähnten Durchführungsverordnung vom 17. April 2002 Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, wenn dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die Bekanntgabe eines Bescheides in Schriftform bleibt damit unberührt, vielmehr soll der schriftliche Bescheid den Betroffenen "gleichzeitig mit der Bekanntgabe auch in der für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden" (so ausdrücklich
§ 4 VBD).
Damit grundsätzlich vergleichbar ist die im vorliegenden Fall anwendbare landesrechtliche Regelung: § 6
Abs. 1 Satz 1 LGGBehM sieht vor, dass die Behörden bei der Gestaltung von schriftlichen Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken die besonderen Belange behinderter Menschen zu berücksichtigen haben, belässt es aber bei der Schriftlichkeit dieser Dokumente. Ferner sind diese gemäß § 6
Abs. 1 Satz 2 LGGBehM blinden und sehbehinderten Menschen auf ihren Wunsch auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Zwar sieht § 6
Abs. 2 LGGBehM weiter vor, dass die Landesregierung durch
Rechtsverordnung bestimmt, bei welchen Anlässen und in welcher Art und Weise die in § 6
Abs. 1 Satz 2 LGGBehM geregelte Verpflichtung umzusetzen ist. Hierauf hat die Landesregierung indes verzichtet, weil sie - wie der "Handreichung zum Thema Barrierefreiheit: Rechtliche Grundlagen" des damaligen Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen zu entnehmen ist - vielmehr in der Praxis darauf hinwirkt, dass die Regelungen in der Verordnung zur Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz sinngemäß angewendet werden, und weil das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen sowie das Ministerium des Innern und für Sport die Broschüre "Barrierefreie Verwaltung für behinderte Menschen" erstellt haben. Darin werden die Behörden allerdings nicht etwa wie in
§ 5 Abs. 2 und 3 VBD dazu verpflichtet, sobald sie Kenntnis von der Blindheit oder einer anderen Sehbehinderung von Verfahrensbeteiligten erhalten, diese auf ihr Recht, dass ihnen Dokumente auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, und auf ihr diesbezügliches Wahlrecht hinzuweisen und deren Wahlentscheidung im weiteren Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Vielmehr wird ihnen in dieser Broschüre "empfohlen", auf den Anspruch nach § 6
Abs. 1 Satz 2 LGGBehM konkret erst in den Bescheiden und ansonsten nur in allgemeinen Veröffentlichungen (
z.B. auf der Homepage) hinzuweisen. Dadurch wird indes nicht nur den Bedürfnissen blinder und sehbehinderter Menschen weniger gut Rechnung getragen. Auch wäre die Situation für die Behörden durch eine der Verordnung zur Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz entsprechende Landesverordnung klarer und präsenter geregelt.
Auch wenn danach der Kläger spätestens im Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2005 auf sein Wunsch- und Wahlrecht nach § 6
Abs. 1 Satz 2 LGGBehM hätte hingewiesen werden sollen, so genügte mithin gleichwohl dessen Bekanntgabe in der üblichen schriftlichen Form an den Kläger für sein Wirksamwerden.
Der Kläger hat das Antragsformular und den Bescheid vom 22. Dezember 2005 jedoch nicht selbst lesen können, weil er hierzu infolge seiner Blindheit nicht in der Lage war. Die Beklagte hat ihm zudem weder das Antragsformular noch den Bescheid vom 22. Dezember 2005 auch in einer für ihn wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht, sodass der Kläger auch nicht etwa auf diese Weise von deren Inhalt Kenntnis erhalten hat. Auf grobfahrlässiges Handeln des Klägers, für das die Beklagte materiell-rechtlich die Beweislast trägt, könnte sie sich deshalb allenfalls dann berufen, wenn dem Kläger der Inhalt des Antragsformulars oder des Bescheides vom 22. Dezember 2005 vollumfänglich vorgelesen worden ist oder wenn er verpflichtet gewesen wäre, Sorge dafür zu tragen, dass ihm deren Inhalt vollständig vorgelesen wird. Von beidem kann nicht ausgegangen werden.
Zwar ist das klägerseitige Vorbringen, die Töchter des Klägers, die diesem regelmäßig die vorgefundenen Schreiben vorgelesen hätten, hätten den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2005, wohl weil der Kläger diesen nach dem Leeren des Hausbriefkastens als vermeintliche Werbung weggeworfen habe, nicht erhalten und ihm deshalb nicht zur Kenntnis bringen können, eher unwahrscheinlich. Dieses Vorbringen erfolgte nämlich erst im Berufungsverfahren, auch würde der Kläger die aus dem Hausbriefkasten geholte Post wohl zur Durchsicht für seine Töchter bereit gelegt und wegen seiner Blindheit nicht insgesamt als vermeintliche Werbung entsorgt haben. Allerdings kann im Haushalt eines blinden Menschen sicherlich einmal ein Briefumschlag mit Inhalt unbemerkt zwischen zu entsorgende Papierabfälle oder ähnliches geraten, sodass die Behauptung, beide Töchter hätten den Bescheid vom 22. Dezember 2012 nicht vorgefunden, nicht zwingend unzutreffend sein muss. Vor allem aber ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zwangsläufig auch davon auszugehen, dass eine Tochter des Klägers, sollte sie den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2005 vorgefunden haben, diesen dem damals 76-jährigen und zumindest bereits schwerhörigen Kläger vollständig, also wenigstens einschließlich der Begründung und der Hinweise auf § 8 LBlindenGG, vorgelesen und nicht nur den wesentlichen Inhalt des Bescheides mitgeteilt hat, also die Bewilligung von Blindengeld rückwirkend ab dem 1. Oktober 2005 in Höhe von 410,00
EUR monatlich. Dasselbe gilt bezüglich des zweiseitigen engzeiligen Antragsformulars mit Buchstaben und Zahlen durchweg in geringer Größe nebst vier Seiten Anlagenformularen; insoweit spricht die allgemeine Lebenserfahrung sogar eher dafür, dass die Person, die dem Kläger bei der Antragstellung behilflich war, also wahrscheinlich seine Tochter H., das Antragsformular, die selbst auszufüllenden Anlagen (Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und Erklärung über nicht zustehendes Pflegegeld) sowie die Kopfzeilen der "Augenfachärztlichen Bescheinigung" und der "Erklärung der Krankenkasse" nach bestem Wissen ausgefüllt, gegebenenfalls den Kläger dazu befragt, die "Augenfachärztliche Bescheinigung" und die "Erklärung der Krankenkasse" zur Vervollständigung an den Augenarzt und die Krankenkasse weitergeleitet und nach deren Rücklauf dem Kläger in den Formularen jeweils die Stelle verdeutlicht hat, auf die er seinen Namen schreiben sollte. Anhaltspunkte dafür, dass ihm auch nur das zweiseitige Antragsformular vollständig vorgelesen worden wäre, werden von der Beklagten nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Da der Kläger blind war, das Antragsformular deshalb nicht lesen, aber auch nicht feststellen konnte, ob es ihm vollständig vorgelesen worden ist, kann ihm auch kein Vorwurf deswegen gemacht werden, dass er durch seine Unterschrift versichert hat, er sei auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen worden, sofern er darauf nicht hingewiesen wurde. Anders wäre es nur dann, wenn der Kläger
- etwa aufgrund vergleichbarer früherer Vorfälle - Veranlassung gehabt hätte, ausdrücklich auf der vollständigen Wiedergabe der Formulare oder aber des Bewilligungsbescheides vom 22. Dezember 2005 zu bestehen (
vgl. OVG RP, Urteil vom 7. Januar 1988 - 12 A 145/87 - insoweit unveröffentlicht]). Dass der Kläger hierzu Veranlassung gehabt hätte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Eine allgemeine Verpflichtung eines blinden Menschen, sich bei der Beantragung von Sozialleistungen vorsichtshalber alle Formulare und hernach alle ihm zugehenden Schriftstück von Dritten ausdrücklich vollständig vorlesen lassen zu müssen, besteht entgegen der Annahme der Beklagten nicht und lässt sich insbesondere nicht aus dem oben bereits zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 1988 herleiten. Vielmehr besteht, wie oben in anderem Zusammenhang aufgezeigt, die Obliegenheit der Behörden, mit blinden oder sehbehinderten Menschen in einer für sie wahrnehmbaren Form barrierefrei zu kommunizieren.
Kann schon deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die ihm gemäß § 8 LBlindenGG obliegende Pflicht, seinen Umzug in ein Alten- und Pflegeheim als eine für die Bewilligung von Blindengeld an ihn wesentliche und für ihn nachteilige Änderung der Verhältnisse dem Sozialamt der Beklagten mitzuteilen, grob fahrlässig verletzt hat, so kommt Folgendes hinzu: Selbst wenn dem Kläger seinerzeit der Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2005 vollständig vorgelesen worden wäre, wäre ihm der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nur dann zu machen, wenn er sich im Zeitpunkt seiner Aufnahme in das Alten- und Pflegeheim an die Belehrung über seine Verpflichtung hätte erinnern müssen, diese Aufnahme dem Sozialamt der Beklagten anzuzeigen. Insoweit ist aber nicht nur die Länge der inzwischen verstrichenen Zeit - im vorliegenden Fall waren dies immerhin mehr als zwei Jahre - und die intellektuelle Befähigung des Betroffenen zu berücksichtigen, sondern auch der Umfang der erteilten Hinweise und Belehrungen. Im vorliegenden Fall waren dies ein allgemeiner Hinweis auf die Notwendigkeit der Mitteilung "jede(r) Änderung der Umstände, welche für die Gewährung des Landesblindengeldes maßgebend sind", sowie der Hinweis auf fünf Fallgruppen, in denen dies "insbesondere" gilt (s.o.). Ob sich der Kläger angesichts von alledem an den Hinweis auf die dritte Fallgruppe hätte erinnern müssen, wonach er verpflichtet ist, "die - auch kurzfristige - Aufnahme in eine Anstalt, ein Heim oder eine gleichartige Einrichtung (
z.B. Krankenhaus, Reha-Klinik, Kurzzeitpflegeheim)" anzuzeigen, ist zumindest zweifelhaft. Anders als ein Sehender war er als Blinder auch nicht in der Lage, wenigstens der sich ihm etwa stellenden Frage "War da nicht etwas?" durch Heraussuchen des Bewilligungsbescheides und nochmaliges Nachlesen weiter nachzugehen. Das zweiseitige Antragsformular war ohnehin der Beklagten übersandt worden und deshalb nicht mehr in seinem Besitz.
Da auch nicht etwa die Voraussetzungen des § 48
Abs. 1 Satz 2
Nr. 1, 3 oder 4
SGB X vorliegen, war der Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2005 zwar gemäß § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, also für den Zeitraum ab Januar 2011, konnte entgegen der Annahme des Stadtrechtsausschusses der Beklagten und des Verwaltungsgerichts jedoch nicht gemäß § 48
Abs. 1 Satz 2
SGB X rückwirkend für den Zeitraum vom 14. Februar 2008 bis zum 31. Dezember 2010 aufgehoben werden. Unter diesen Umständen waren die für den letztgenannten Zeitraum von der Beklagten bereits erbrachten Blindengeldleistungen auch nicht etwa gemäß § 50
Abs. 1 Satz 1
SGB X vom Kläger zu erstatten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2
VwGO nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167
Abs. 2 und 1 Satz 1
VwGO in Verbindung mit § 708
Nr. 10 und mit § 711
ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132
Abs. 2
VwGO genannten Gründe vorliegt.