Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da beide Parteien in der mündlichen Verhandlung am 23.11.2006 für den Fall des Widerrufs des Vergleichs auf (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101
Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO).
Die nach dem schriftsätzlich gestellten Antrag gegen die Bescheide insgesamt erhobene Klage wäre teilweise unzulässig, weil gegen die Bescheide nur teilweise Widerspruch erhoben wurde (
vgl. Widerspruchsbegründung vom 31.1.2002). Das Gericht ist aber an die Fassung des Antrags nicht gebunden (§ 88
VwGO). Nach dem aus der Klagebegründung erkennbaren Willen der Klägerin soll die Klage nur insoweit erhoben sein als auch Widerspruch erhoben wurde, d.h. soweit die Rückforderung wegen der Zuschüsse des Zweckverbands Nahverkehr ***** für Umsteigerwertmarken/Schüler, Umsteigerwertmarken/Einzelfahrscheine, Umwelttickets und der Linie ***** (angegebene Fahrgeldeinnahmen gesamt
442.494,-- DM) erfolgt ist. In diesem Umfang ist die Klage zulässig.
Sie ist aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid verletzt keine Rechte der Klägerin (§ 113
Abs. 1
VwGO).
Fraglich ist zwar, ob richtige Rechtsgrundlage des Rücknahmebescheids § 45 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (
SGB X) oder
Art. 48 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ist. Stellt man darauf ab, dass die Erstattung der Fahrgeldausfälle keine Sozialleistung i.
S. § 11
SGB I ist und hält deshalb auch das
SGB X nicht für anwendbar (so
BVerwG, Entsch. v. 25.7.1990, Az. 7 B 100/90), wäre Rechtsgrundlage nicht der im angefochtenen Bescheid genannte § 45
SGB X, sondern
Art. 48 BayVwVfG. Andererseits wurde im Bereich des Schwerbehindertengesetzes das
SGB X aber allgemein angewendet (
vgl. Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/Von Wulffen,
SGB X § 1
Rdnr. 3 und Neumann/Pahlen,
SchwbG, 9. Auflage,
z.B. § 40
Rdnr. 11a, 17, 56) und es erscheint fraglich, ob eine Differenzierung für einzelne Teile des Gesetzes vorzunehmen ist (
vgl. zur Anwendbarkeit des § 45
SGB X bei Erstattungen nach §§ 59
ff. SchwbG auch BayVGH, Entsch. vom 22.1.2002, Az. 12 B 98.1793). Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Beide Vorschriften sind von ihren Tatbestandsvoraussetzungen nämlich identisch. Es darf ein begünstigender
Verwaltungsakt zurückgenommen werden, wenn er rechtswidrig ist (
Abs. 1) und das Vertrauen des Begünstigenden auf den Bestand des Verwaltungsakts nicht schutzwürdig ist (
Abs. 2). Darauf ob der (nur) in
Art. 48
Abs. 2 Satz 4 VwVfG vorgesehene Regelfall der Rücknahme in den gesetzlich bestimmten Fällen des fehlenden Vertrauensschutzes hier zu bejahen ist, kommt es nicht an, weil die Behörden auch das nach § 45
SGB X gegebene (nicht durch einen Regelfall eingeschränkte) Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt haben.
1. Die Bewilligungsbescheide vom 6.9.1995, 5.12.1996, 11,12,1997, 10.12.1998 und 1.12.1999 sind rechtswidrig, soweit bei der Berechnung des Erstattungsanspruchs der Klägerin auch Zuschüsse des Zweckverbands Nahverkehr ***** zugrunde gelegt worden sind.
Die Bescheide wurden unter Geltung der §§ 59
ff. Schwerbehindertengesetz erlassen. Ihre Rechtmäßigkeit ist daher an diesen Vorschriften zu messen und nicht wie im gerichtlichen Schriftverkehr der Beteiligten geschehen an den erst im Jahr 2001 in Kraft getretenen - allerdings im wesentlichen identischen -
§§ 145 ff. SGB IX. Nach § 62
Abs. 2
SchwbG sind Fahrgeldeinnahmen alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zum genehmigten Beförderungsentgelt; sie umfassen auch Erträge aus der Beförderung von Handgepäck, Krankenfahrstühlen, sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln, Tieren, sowie aus erhöhten Beförderungsentgelten. Die Vorschrift kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass zu den Fahrgeldeinnahmen auch Zuschüsse der öffentlichen Hand gehören. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Fahrgeld ist nach üblichem Wortverständnis das, was beim Erwerb eines Fahrausweises als Entgelt entrichtet wird (so auch schon
BVerwG, Entsch. vom 31.1.1975, Az. VII C 52.73). Bestätigt wird dies durch die nachfolgende Aufzählung der einzelnen ebenfalls zu berücksichtigenden Einnahmen, bei denen zweifelhaft ist, ob sie unter den Begriff des Fahrgelds nach üblichem Sprachgebrauch fallen. Damit spricht alles dafür, dass das übliche Verständnis des Begriffs in § 62
SchwbG zugrunde gelegt wurde und nicht das (nach Personenbeförderungsgesetz) genehmigungsfähige Beförderungsentgelt. Wenn durch Zuschüsse der öffentlichen Hand erreicht wird, dass das Fahrgeld niedriger bleibt als das genehmigungsfähige Entgelt, ändert dies nichts daran, dass Fahrgeld i.
S. § 62
SchwbG nur die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf sind und nicht auch die daneben gewährten Zuschüsse. Für diese wörtliche Auslegung spricht auch die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Schwerbehindertengesetzes. Dort ist ausgeführt, dass durch die Umschreibung in § 62
Abs. 2
SchwbG klargestellt wird, dass generelle Abgeltungszahlungen oder andere allgemeine Zuschüsse der öffentlichen Hand nicht in die Berechnung einbezogen werden; andernfalls würden die Unternehmer mehr erhalten, als ihnen an tariflichen Beförderungsentgelten zusteht, die die Schwerbehinderten ohne die Vergünstigung selbst entrichten müssten (
vgl. Bundestagsdrucksache 8/2453,
S. 12).
Dafür dass diese Auslegung unanhängig davon gelten muss, ob die Zuschüsse nun pauschal für eine Linie oder je verkaufter Karte gewährt werden, spricht Sinn und Zweck des vom Gesetz gewählten Abrechnungssystems, das aus Gründen der Praktikabilität einfach gestaltet werden sollte (
vgl. Gesetzesbegründung a.a.O.). Die Anknüpfung an die Fahrgeldeinnahmen im üblichen Sprachgebrauch ermöglicht eine einfache Berechnung. Die Einbeziehung von Zuschüssen würde dagegen eine Prüfung erforderlich machen, welchem konkreten Zweck der Zuschuss dient, insbesondere ob durch niedrige Fahrkartenpreise die Verkehrsteilnehmer subventioniert werden sollen oder ob es sich um eine echte Subventionierung des Verkehrsunternehmers für künftige Investitionen handeln soll (so ebenso bereits
BVerwG a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist aus den vorliegenden Behördenakten nicht erkennbar, ob die Zuschüsse je verkaufter Fahrkarte gewährt wurden oder ob es sich um Pauschalzahlungen handelt. Erst recht ist nicht erkennbar, welchem konkreten Zweck die Zuschüsse dienten. Dass überhaupt Zuschüsse einbezogen wurden, wurde erst von der Rechnungsprüfung bei einer mehrtägigen Prüfung entdeckt (
vgl. Bl. 100 der Behördenakte). Auch mit entsprechenden Unterlagen (
z.B. der Verträge mit der Verkehrsgemeinschaft) wäre die Bewilligungsbehörde mit umfangreichen Prüfungen beschäftigt, die sie nach dem Zweck des § 62
SchwbG gerade nicht vornehmen soll. Eine vollständige Erstattung in Höhe des vollen genehmigungsfähigen Beförderungsentgelts für die Beförderung Schwerbehinderter ist auch nicht aus Billigkeitsgründen geboten. Zum einen wäre es nicht angemessen, wenn die Träger des Aufwands für die Förderung Schwerbehinderter die volle Last für den von ihnen betreuten Personenkreis weitertragen müssten, obwohl die Gründe, aus denen die Beförderungsentgelte gesenkt worden sind, für alle Benutzer der Verkehrsmittel gelten; dies liefe auf eine partielle Abwälzung allgemein entstehender Kosten auf einen Sonderkostenträger hinaus (so
BVerwG a.a.O.). Es ist nicht einsehbar, dass Zuschüsse zur Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs - wie hier von der Verkehrsgemeinschaft - nicht auch für Behinderte gezahlt werden.
Zum anderen entstehen den Verkehrsunternehmen wegen des hohen Anteils von Fixkosten durch die unentgeltliche Beförderung der Schwerbehinderten praktisch keine zusätzlichen Kosten, wenn die Linie unabhängig von der Auslastung mit Hilfe öffentlicher Zuschüsse ohnehin betrieben wird (
vgl. dazu auch
BVerwG, Entsch. vom 17.1.2003, Az. 5 B 261/02). Dazu kommt, dass die Verkehrsunternehmer indirekt auch bei den Einnahmen für die Beförderung Schwerbehinderter davon profitieren, wenn wegen subventionierter Fahrkarten mehr Fahrgäste eine Linie benutzen und die Fahrgeldeinnahmen deshalb insgesamt höher werden. Auch wenn dieser Effekt durch die Abrechnung nach § 60
Abs. 5
SchwbG (Ermittlung des Anteils der Schwerbehinderten durch Verkehrszählung) abgeschwächt wird, ist nicht zu erwarten, dass der Vorteil völlig entfällt.
2. Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen. Zum einen hat sie schon nicht nachgewiesen, dass sie den gewährten Zuschuss verbraucht hat oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45
Abs. 2 Satz 2
SGB X bzw. Art. 48
Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Außerdem sind die Voraussetzungen des § 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 2
SGB X gegeben, weil der Bewilligungsbescheid auf Angaben beruht, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat; damit sind zugleich auch die Voraussetzungen des
Art. 48
Abs. 2 Satz 3
Nr. 3 VwVfG gegeben. Angesichts der oben angegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schon im Jahr 1975 hat die Klägerin - die nicht unerfahren ist sondern mit der Wahl der
Abrechnung nach § 62
Abs. 5
SchwbG detaillierte Kenntnisse der Thematik zu erkennen gibt - und erst recht die von ihr nach den Richtlinien für die Erstellung des Antrags zwingend zu beauftragenden Personen mit besonderer Qualifikation (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter) - deren etwaiges Verschulden der Klägerin zuzurechnen wäre - erkennen können, dass Zuschüsse der öffentlichen Hand grundsätzlich nicht zu den Fahrgeldeinnahmen zählen. Wenn sie der Auffassung war, dass die Zuschüsse in ihrem Fall wegen des angeblichen direkten Ausgleichs der Differenz zum genehmigten Beförderungstarif anders zu bewerten sind, dann hätte sie zumindest diese Einnahmen besonders kenntlich machen müssen und der Behörde dadurch eine Überprüfung ihrer Rechtsauffassung ermöglichen müssen. Dies ist ausweislich der gestellten Anträge aber nicht geschehen. Dazu kommt, dass die Erläuterung auf der Rückseite der verwendeten Antragsformulare die Klägerin deutlich darauf hingewiesen hat, dass Zuschüsse der öffentlichen Hand nicht anzugeben sind. Zwar ist dort ausgeführt, dass unerheblich sei, ob das Entgelt für die Fahrkarte ganz oder zum Teil vom Benutzer oder von der öffentlichen Hand gezahlt wird. Durch die ausdrückliche Betonung des Begriffs der Fahrkarte, der fett und gesperrt gedruckt ist, ist aber deutlich klargestellt, dass nur der Fall des Erwerbs von Fahrkarten durch die öffentliche Hand (wohl
z.B. Schülermonatskarten) gemeint ist. Im weiteren Verlauf der Erläuterungen ausdrücklich als nicht zu den Fahrgeldeinnahmen zählend aufgeführt, sind dagegen "Verlusteinnahmen und dergleichen" sowie "sonstige leistungsbezogene Zahlungen (
z.B. Ausgleich für unterlassene Tariferhöhungen
usw.)". Bei Befolgung dieser Erläuterungen hätte die Klägerin ohne weiteres erkennen können, dass die streitigen Zuschüsse nicht einzubeziehen waren. Dass sie diese dennoch nicht zumindest für die Bewilligungsstelle kenntlich gemacht hat, war daher mindestens grob fahrlässig, wohl sogar vorsätzlich.
3. Die Jahresfrist des § 45
Abs. 4 Satz 2
SGB X bzw. Art. 48
Abs. 4 Satz 1 VwVfG für die Rücknahme ist eingehalten, da sie frühestens mit dem Eingang des Ergebnisses der Rechnungsprüfung (21.8.2000), eher sogar erst mit dem Anhörungsschreiben vom 16.5.2001 (
vgl. BSG, Entsch. vom 8.2.1996, Az. 13 RJ 35/94) beginnt.
4. Die Ermessensausübung des Beklagten hält der gerichtlichen Überprüfung stand. Zwar fehlen im angefochtenen Ausgangsbescheid ausdrückliche Ausführungen dazu, weshalb die Behörde von dem ihr gemäß § 45
Abs. 1
SGB X bzw. Art. 48
Abs. 1 VwVfG eingeräumten Ermessen bezüglich des Obs der Rücknahme dahingehend Gebrauch gemacht hat, dass eine Rücknahme erfolgt. Der Standpunkt der Behörde kann aber sowohl den Ausführungen bei der Bejahung des Tatbestandsmerkmals unrichtige Angaben entnommen werden als auch den ausdrücklich angestellten Erwägungen dazu, weshalb von einer Verzinsung des Erstattungsanspruchs nicht abgesehen wird. Die entsprechenden Ausführungen sind eine ausreichende Begründung auch dafür, dass von einer Rücknahme nicht abgesehen wird. Außerdem ist eine schriftliche Begründung des Verwaltungsakts nach § 35
Abs. 2
Nr. 2
SGB X bzw. Art. 39
Abs. 2
Nr. 2 VwVfG dann entbehrlich, wenn demjenigen für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt ist oder wenn sie für ihn ohne weiteres erkennbar ist. Wegen der hier erfolgten zahlreichen Vorbesprechungen im Zuge der Rechnungsprüfung und der ausweislich des Vorgangs erfolgten Telefonate des Geschäftsführers der Klägerin mit der Regierung ist dies hier zu bejahen. Dazu kommt, dass schon von der Rechnungsprüfung angesprochen wurde, dass andere Busunternehmer ähnliche Zuschüsse nicht angegeben hätten, die Klägerin wiederum für die Widerspruchsbegründung ein (beratendes) Schreiben der RBO Ostbayern zu der Rechtslage (
vgl. Bl. 47 d. Behördenakte) ausdrücklich für ihre Widerspruchsbegründung verwendet hat, ihr daher schon deshalb bewusst war, dass eine Rückforderung nicht nur bei ihr sondern in allen Fällen erfolgt, in denen diese Zuschüsse als Einnahme angegeben worden sind.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154
Abs. 1
VwGO. Das Verfahren ist nicht gerichtskostenfrei, da es nicht eine Leistung der Fürsorge für Schwerbehinderte betrifft (
vgl. BVerwG, Entsch. vom 8.5.1990, Az. 7 ER 101/90 und vom 25.7.1990, Az. 7 B 100/90).
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124a
Abs. 1
VwGO).