Die zulässige Klage ist vollumfänglich unbegründet. Der angegriffene Aufhebungs- und Rückzahlungsbescheid vom 12. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO.
I.
1. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der beiden Zuwendungsbescheide vom 7. April 2006 und vom 20. April 2006 ist § 45
SGB X.
Bei den beiden Zuwendungsbescheiden handelt es sich jeweils um zwei zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte zu Gunsten des Klägers. Die objektive von Anfang an gegebene Rechtswidrigkeit der Zuwendungsbescheide ergibt sich aus folgender Überlegung: Grundlage für Zuwendungen nach
§ 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 SGB IX,
§§ 20,
21,
22 SchwbAV ist die Arbeitsfähigkeit des Antragstellers, da Sinn und Zweck der Zuwendung die Förderung einer bereits bestehenden oder auch anstehenden beruflichen Tätigkeit durch den schwerbehinderten Menschen ist. Rein objektiv hat eine Arbeitsfähigkeit des Klägers jedoch zu keinem Zeitpunkt seit dem Unfall bestanden. Nach eigener Aussage des Klägers ist aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen, die sich nicht gebessert haben, bei realistischer Betrachtung auch nicht damit zu rechnen, dass sich die Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zukunft wieder einstellen wird. Der Kläger hat zudem in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass nach seinem Unfall eine selbstständige berufliche Tätigkeit als Architekt, auf die die Zuwendungsbescheide gerade ausgerichtet waren, "allenfalls mit viel Wohlwollen aller am jeweiligen Bauprojekt Beteiligter" möglich gewesen wäre. Grundsätzlich hielt er demnach sogar selbst seine Arbeitsfähigkeit nicht für gegeben.
2. Die Zuwendungsbescheide durften damit unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 45
SGB X zurückgenommen werden.
Der Kläger kann sich indes nicht auf Vertrauensschutz gemäß § 45
Abs. 2 Satz 1
SGB X zu seinen Gunsten berufen. Sein Vertrauensschutz ist gemäß § 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 2
SGB X ausgeschlossen, weil sowohl der Zuwendungsbescheid vom 7. April 2006 als auch der vom 20. April 2006 auf Angaben beruhen, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig
bzw. unvollständig gemacht hat.
Dabei betreffen die Falschangaben zum einen die Berufsfähigkeit des Klägers an sich. Der Kläger hat gegenüber dem Integrationsamt seine tatsächliche gesundheitliche Situation nicht offengelegt. Zwar erscheint es noch nachvollziehbar, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung gegenüber dem Integrationsamt hoffte
bzw. glaubte, seine persönliche Situation würde sich künftig bessern und er würde wieder arbeiten können.
Zur Überzeugung des Gerichtes hat er aber pflichtwidrig gegenüber dem Integrationsamt nichts von der auch ihm selbst erkennbaren Unsicherheit dieser Einschätzung, die offensichtlich gegeben war, erwähnt. Dass er sich dieser Unsicherheit bewusst war oder zumindest bewusst sein musste, ergibt sich daraus, dass er unter Vorlage eines ärztlichen Attestes gegenüber der Bayerischen Architektenkammer ein Ruhegeld beantragte. Aus dem Attest, datierend vom 27. März 2006 (Blatt 7 der Akte der Bayerischen Architektenversorgung), ergibt sich, dass mit einer Arbeitsaufnahme seitens des Klägers jedenfalls zunächst bis Ende des Jahres 2006 nicht mehr zu rechnen gewesen sei.
Diese Angabe machte der Kläger zudem auch in dem Antrag auf Einweisung in das Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit (Blatt 9 der Akte der Bayerischen Architektenversorgung), indem er dort versicherte, dass er ab 3. September 2005 keinerlei berufliche Tätigkeit mehr ausübe
bzw. ausüben werde. Auch wenn der Kläger diese Situation nur als vorübergehend erachtet haben mag, wie er sich einlässt, so war ihm dennoch klar, dass zu dem damaligen Zeitpunkt seine Arbeitsfähigkeit zumindest noch nicht gegeben war. Gemäß dem ärztlichen Attest durfte der Kläger damit zwar auf eine künftige Berufsfähigkeit hoffen. Indes konnte er sich dessen jedoch nicht sicher sein und hätte dies gegenüber dem Integrationsamt angeben müssen. Auch wenn der Kläger medizinischer Laie ist, so hatte er dennoch durch das von seinem Bruder ausgestellte ärztliche Attest gegenüber dem Integrationsamt einen Wissensvorsprung, den er hätte offenbaren müssen.
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass dem Kläger die Bedeutung seiner Arbeitsfähigkeit für die Zuwendungen bewusst war. Er hat selbst die Anträge, von denen der Antrag vom 3. April 2006 sogar bereits mit "Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes" überschrieben ist, gestellt. Der Antrag vom 28. März 2006 war mit folgender Formulierung begründet: "Die beantragten Maßnahmen ermöglichen mir einen Zutritt
bzw. ein Verlassen der Wohnung ohne fremde Hilfe um somit eigenständig Besorgungen (Unterhaltssicherung) oder Tätigkeiten (Arbeit!) auszuüben."
Der Kläger hat jedoch nicht auf die bestehenden Zweifel bezüglich seiner Arbeitsfähigkeit hingewiesen. Der von der Kammer im Einverständnis mit den Parteien informatorisch befragte Regierungshauptsekretär Exner vom
ZBFS hat glaubwürdig geschildert, dass der Kläger keinerlei Angaben in dieser Richtung gemacht habe. Einzelheiten zum Gesundheitszustand seien zwar nicht besprochen worden, allerdings habe der Kläger sich als einigermaßen einsatzfähig dargestellt. Seine damals noch bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen seien von dem Kläger nicht erwähnt worden. Im Übrigen habe der Kläger auch sonst trotz seiner Querschnittslähmung wegen seines kräftig wirkenden Oberkörpers einen arbeitstauglichen Eindruck gemacht. Diese Darlegungen erscheinen auch im Hinblick darauf glaubhaft, dass es ansonsten nicht erklärlich wäre, warum das
ZBFS bei einer entsprechenden Kenntnis vom Zustand des Klägers dennoch die Leistungen gewährt haben sollte.
Indem der Kläger es also gegenüber dem
ZBFS unterließ, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu seinem tatsächlichen Gesundheitszustand, soweit es seine Arbeitsfähigkeit betrifft, zu machen, hat er den Tatbestand des § 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 2
SGB X verwirklicht. Ihm hätte es sich schon angesichts der Anträge, die er eigenhändig ausgefüllt hatte, geradezu aufdrängen müssen, dass seine Arbeitsfähigkeit von entscheidender Bedeutung für die Zuwendungen durch das Integrationsamt war. Unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit als immerhin akademisch gebildeter Mensch hat der Kläger damit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße verletzt (
vgl. von Wulffen,
SGB X, 5. Auflage, § 45, RdNr. 24).
Insoweit beruhen die Zuwendungsbescheide auch auf den Angaben des Klägers. Zwar liegt es in der Natur der Sache, dass die Zuwendungen nach den §§ 20, 21, 22
SchwbAV auch erst in Zukunft aufzunehmende berufliche Tätigkeiten fördern sollen und nicht nur bereits bestehende. Allerdings gilt dies nicht bei einer solchen Ungewissheit bezüglich einer künftigen Arbeitsaufnahme wie sie hier gegeben war (eine Arbeitsaufnahme vor Ablauf des Jahres 2006 war laut ärztlichem Attest ausgeschlossen).
3. Selbst wenn man unterstellen würde, der Kläger hätte gegenüber dem
ZBFS vollständig und wahrheitsgemäß auf die Tatsachen bezüglich seiner Arbeitsfähigkeit hingewiesen, würde sich an dem gefundenen Ergebnis nichts ändern.
Denn der Kläger hat auch in einem anderen Punkt Angaben gemacht, die in wesentlicher Beziehung unrichtig
bzw. unvollständig sind. Er hat weder im Antrag vom 28. März 2006 noch im Antrag vom 3. April 2006 erwähnt, dass er am 27. März 2006, also einen Tag vor dem erstdatierenden Antrag, bei der Bayerischen Architektenversorgung ein Ruhegeld beantragt hatte. Hierzu war er jedoch ausweislich der Antragsformulare verpflichtet.
In dem Antrag vom 3. April 2006 (Blatt 23 der Akte des
ZBFS) ist ausdrücklich unter Ziffer 6, Unterziffer 2 folgende Fragestellung aufgenommen: "Haben Sie Anträge auf gleichartige Leistungen, Gewährung von Renten oder ähnlichen Bezügen gestellt, über die noch nicht entschieden ist?" Der Kläger hat hierzu das Antwortfeld "Nein" angekreuzt.
Im Antrag vom 28. März 2006 findet sich eine solche Fragestellung zwar nicht. Es wird lediglich danach gefragt, ob bereits ein Antrag auf gleichartige Leistungen gestellt wurde. Jedoch befindet sich am Ende des Antrags, vor der Zeile für die Unterschrift des Antragstellers, ein Zusatz, wonach der Antragsteller zusichert, dass ihm bekannt sei, dass auch Anträge auf Renten oder ähnliche Leistungen, die nach Einreichung dieses Antrags gestellt werden, von der Anzeigepflicht erfasst würden.
Der Kläger hat sich zwar dahingehend eingelassen, dass er das gewährte Ruhegeld nicht als Rente oder ähnliche Leistungen angesehen habe, weil er davon ausgegangen sei, die Leistungen nur vorübergehend in Anspruch nehmen zu müssen. Dennoch musste er sich aufgrund der zumindest vorübergehenden Regelmäßigkeit der Zahlungen des Renten-
bzw. rentenähnlichen Charakters der Leistungen bewusst gewesen sein, zumal er wusste, dass das Ruhegeld unmittelbare Ersatzfunktion für sein früheres Einkommen als selbständiger Architekt hatte.
Wenn er sich dessen nicht bewusst war, so trifft ihn jedenfalls grobe Fahrlässigkeit bezüglich dieser Unkenntnis. Aufgrund seiner geistigen Anlagen musste dem Kläger klar sein, dass er gegenüber dem Integrationsamt auch einen Antrag wie den auf Ruhegeld anzugeben hatte. Der Kläger könnte sich auch nicht darauf berufen, dass die Formulierung im Antragsvordruck vom 28. März 2006 lautet, dass Anträge auf Renten oder ähnliche Leistungen, die nach Einreichung dieses Antrags gestellt werden, von der Anzeigepflicht erfasst werden. Aufgrund der Formulierung "auch" ist es nämlich evident, dass umso mehr Anträge auch auf Renten oder ähnliche Leistungen, die vor Einreichung des Antrags gestellt wurden, von der Anzeigepflicht miterfasst werden.
Jedenfalls auf diesen Falschangaben beruhen die Zuwendungsbescheide. Bei Kenntnis des gestellten Antrags auf Ruhegeld wäre eine Förderung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch das Integrationsamt nicht möglich gewesen.
4. § 45
Abs. 1
SGB X räumt der Behörde bezüglich ihrer Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsaktes Ermessen ein. Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht gemäß § 114
VwGO auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Ermessensfehlerhaft ist ein Verwaltungsakt insbesondere, wenn die Behörde bei ihrem Handeln von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvollständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht, Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck des zu vollziehenden Gesetzes oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften oder allgemeiner Rechtsgrundsätze dabei keine Rolle spielen können oder dürfen, oder umgekehrt wesentliche Gesichtspunkte außer Acht lässt, die zu berücksichtigen wären (
vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 15. Aufl., RdNr. 12 zu § 114). Insbesondere darf die Behörde nicht schematisch und ohne Berücksichtigung der nach dem Zweck und der Wertung des Gesetzes zu berücksichtigenden besonderen Situation des Einzelfalls entscheiden (Kopp/Schenke,
VwGO, 15. Aufl., RdNr. 16 zu § 114).
Etwas anderes gilt jedoch bei sogenannten intendierten Entscheidungen. An dieser Stelle kann daher offen bleiben, ob das Integrationsamt - wie auch im Rahmen der Begründung des Sofortvollzugs - sich dezidiert mit der besonderen persönlichen Situation des Klägers hätte auseinandersetzen müssen. Jedenfalls liegt nämlich ein Fall des intendierten Ermessens vor, der aufgrund der Sachlage regelmäßig nur die hier getroffene Entscheidung zulässt.
In Fällen des Ausschlusses des Vertrauensschutzes lenkt das Gesetz das der Behörde zustehende Ermessen dahin, dass der Verwaltungsakt grundsätzlich zurückzunehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen, wenn eine ermessenseinräumende Vorschrift dahingehend auszulegen ist, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, so versteht sich das Ergebnis der Abwägung nämlich von selbst. Dann bedarf es auch insoweit keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung der Entscheidung. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falls bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, liegt ein rechtsfehlerfreier Gebrauch des Ermessens vor, wenn diese Umstände von der Behörde nicht erwogen worden sind (
vgl. zu alldem
BVerwG vom 23.05.1996 Az.: 3 C 13.94). Eine solche außergewöhnliche Situation ist indes dem Gericht nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen.
5. Die Jahresfrist des § 45
Abs. 4 Satz 2
SGB X ist ebenfalls gewahrt. Das Integrationsamt hat erst seit dem 29. August 2008, als das Antwortschreiben der Bayerischen Versorgungskammer vorgelegen hat, gesicherte Kenntnis davon bekommen, dass der Kläger bereits mit Antrag vom 27. März 2006 bei der Versorgungskammer Ruhegeld beantragt hatte und damit schon damals Zweifel an seiner Berufsfähigkeit gehabt haben musste.
Gemäß § 45
Abs. 4 Satz 1
SGB X durften die Bescheide aufgrund des Vorliegens des Tatbestandes des § 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 2
SGB X auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Da die Voraussetzungen für eine rückwirkende Rücknahme der Bescheide nach § 45
SGB X gegeben sind, war vom Gericht nicht mehr zu prüfen, ob die Entscheidung des Integrationsamtes auch aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung rechtmäßig war.
Ebenso wenig bedarf es eines Eingehens auf den hilfsweise erfolgten Widerruf der Zuwendungsbescheide nach § 47
SGB X.
II.
Der Rückforderungsanspruch des Beklagten beruht auf § 50
Abs. 1 Satz 1
SGB X. Danach hat der Kläger die erhaltenen 8.718,96
EUR zurückzuzahlen.
Die Pflicht zur Verzinsung der zu erstattenden Beträge ab dem 23. Mai 2006
bzw. ab dem 28. September 2006 ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 50
Abs. 2a Satz 1
SGB X ist der Erstattungsanspruch mit 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz vom Eintritt der Unwirksamkeit an zu verzinsen. Die Geltendmachung der Verzinsung erst ab dem 23. Mai 2006
bzw. dem 28. September 2006, also später als dem Eintritt der Unwirksamkeit, ist damit jedenfalls rechtmäßig.
Dem Kläger bleibt es dabei unbenommen, bei Nachweis entsprechender Einkommens-
bzw. Vermögensverhältnisse einen Antrag auf Stundung oder (Teil-) Erlass der dem Integrationsamt zustehenden Forderungen zu stellen.
III.
Der Ausspruch zur Kostenfolge beruht auf §§ 154
Abs. 1, 188 Satz 2
VwGO.
Beschluss
Der Gegenstandswert wird auf 8.718,96
EUR festgesetzt (§ 23
Abs. 1 Satz 1 RVG, § 52
Abs. 1 GKG).