Urteil
Rückforderung von BAföG-Leistungen wegen Unterrichtsversäumnis

Gericht:

VG Frankfurt/Oder 6. Kammer


Aktenzeichen:

6 K 1780/07


Urteil vom:

06.10.2010


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen.

Der Kläger beantragte am 30. August 2004 beim Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für den Besuch der xxx-Fachoberschule in Berlin. Mit Bescheid vom 29. September 2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 536,00 Euro monatlich ab August 2004.

Am 12. Januar 2005 teilte die xxx-Schule dem Beklagten mit, dass der Kläger seit dem 26. November 2004 den Unterricht unentschuldigt versäumt habe und seit dem 5. Januar 2005 aus der Schülerliste gestrichen sei. Unter Hinweis auf das unentschuldigte Fehlen seit dem 26. November 2004 forderte der Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 28. Januar 2005 Leistungen in Höhe von 1.163,33 Euro vom Kläger zurück. Mit Bescheid vom 27. Februar 2006 bestätigte der Beklagte unter Aufhebung des Rückförderungsvorbehalts die dem Kläger für den Besuch der YYY-Schule im Schuljahr 2003/2004 bewilligte Ausbildungsförderung, wobei in diesem Bescheid zugleich der vorgenannte Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.163,33 Euro ausgewiesen war. Am 23. März 2006 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 27. Februar 2006 Widerspruch mit der Begründung, der Bescheid sei für ihn nicht nachvollziehbar. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 zurück. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die ausgewiesene Rückforderung resultiere aus der Ausbildung an der xxx-Fachoberschule. Der Kläger habe unentschuldigt gefehlt und die Ausbildung abgebrochen. Die Rückforderung sei bereits am 28. Januar 2005 erhoben worden. Da sie nach wie vor bestehe, sei sie im Bescheid vom 27. Februar 2006 erneut ausgewiesen worden. Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 29. März 2006 zugestellt worden.

Am 13. April 2006 legte der Kläger beim Beklagten erneut Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er habe auf das Schreiben vom 28. Januar 2005 hin eine ärztliche Bescheinigung seiner Hausärztin vorgelegt. Zu den genannten Terminen sei er krank gewesen. Die Schule habe bestätigt, dass er noch bis zum 10. Januar 2005 zur Schule gegangen sei. Der Beklagte habe ihm schriftlich bestätigt, dass sich die Rückforderung vom 28. Januar 2005 erledigt habe. Da er sich auf dieses Schreiben verlassen habe, könne er den Bescheid vom 27. Februar 2006 nicht nachvollziehen. Mit Schreiben vom 19. April 2006 verwies der Beklagte auf die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 und die Möglichkeit gegen den Bescheid vom 27. Februar 2006 Klage zu erheben. Mit Schreiben vom 21. Februar 2007 übersandte der Kläger dem Beklagten ein Abgangszeugnis der xxx-Fachoberschule vom 5. Januar 2005 sowie einen Karteiauszug seiner Hausärztin, wonach eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 6. Dezember bis 10. Dezember 2004 und vom 20. Dezember bis 23. Dezember 2004 vorgelegen habe.

Am 16. April 2007 hat der Kläger Klage beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2005 "und weitere" erhoben sowie auf Rücknahme dieser Bescheide "gemäß § 44 SGB". Das Landessozialgericht hat die Klage formlos an das Sozialgericht Frankfurt (Oder) weitergeleitet. Dieses hat das Verfahren mit Beschluss vom 15. Mai 2007 an das Sozialgericht Berlin verwiesen, welches wiederum die Klage mit Beschluss vom 28. September 2007 an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) verwiesen hat. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt: Er sei infolge eines Schlaganfalls im Jahr 2000 schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60. Seit August 2004 habe er die Fachoberschule der xxx-Schule in Berlin zum Erwerb des Fachabiturs besucht. Im November und Dezember sei er erkrankt und mit Bescheinigung durch den Hausarzt dem Unterricht ferngeblieben. Diese langen Ausfälle durch Krankheit hätten es ihm nicht mehr ermöglicht, den Unterrichtsstoff zu erfassen, weshalb er am 05. Januar 2005 die Schulausbildung abgebrochen habe. Nach Erhalt der Rückforderung vom 28. Januar 2005 habe er sich telefonisch mit dem BAföG-Amt in Verbindung gesetzt und auf seine Krankschreibung verwiesen. Er habe dann noch ein Krankschreibungsattest an das BAföG-Amt geschickt und sei davon ausgegangen, dass die Sache erledigt sei. Gleichwohl sei er nachfolgend von der Landeshauptkasse Brandenburg mehrmals zur Rückzahlung aufgefordert worden, am 19. Februar 2007 sei ein Gerichtsvollzieher zwecks Pfändung bei ihm erschienen. Nach dem Besuch des Gerichtsvollziehers habe er erneut an das BAföG-Amt geschrieben, Widerspruch eingelegt und eine Rücknahme der Forderung gefordert. Er habe noch einmal das ärztliche Krankschreibungsschreiben für November und Dezember und das Abgangszeugnis der Schule beigelegt. Gleichwohl sei der Beklagte nicht bereit, die unrichtige Entscheidung zurückzunehmen. Aufgrund seines Gesundheitszustandes habe er die Zusammenhänge nicht richtig erfasst und nicht erkannt, dass er schon früher Klage hätte erheben müssen. Bei der Entscheidung sollte auch berücksichtigt werden, dass er seit Jahren Hartz-IV-Empfänger sei.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid vom 28. Januar 2005 sowie den Bescheid vom 27. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, die vorgenannten Bescheide zurückzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass sowohl der Bescheid vom 28. Januar 2005 als auch der Bescheid vom 27. Februar 2006 bestandskräftig seien. Eine Rücknahme dieser Bescheide komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger sei dem Unterricht ohne Angabe von Gründen bzw. Vorlage entsprechender Krankenbescheinigungen ferngeblieben. Eine telefonische Rücksprache des Klägers zur Klärung der Sachlage werde mit Nichtwissen bestritten, der Verwaltungsvorgang enthalte keine Vermerke über solche Telefongespräche. Der Beklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass sich die Rückforderung erledigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Klage hat keinen Erfolg.

Soweit der Kläger die Aufhebung der Bescheide vom 28. Januar 2005 und vom 27. Februar 2006 begehrt, ist die Klage bereits unzulässig, da der Kläger in beiden Fällen die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO versäumt hat. Gründe für eine Wiedereinsetzung des Klägers in die Klagefrist gemäß § 60 VwGO sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Soweit der Kläger die Rücknahme der vorgenannten Bescheide begehrt, ist die Klage jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen der insoweit allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - § 44 Abs. 2 SGB X - liegen nicht vor. Nach der letztgenannten Vorschrift kann ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung des Beklagten handelt und ein Anspruch auf Rücknahme nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null bestehen würde, kann hier schon keine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide festgestellt werden. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gewährten Ausbildungsförderung im Zeitraum 26. November 2004 bis Ende Januar 2005 ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Nach dieser Vorschrift hat der Auszubildende den Förderbetrag für den Kalendermonat oder den Teil eines Kalendermonats zurückzuzahlen, in dem er die Ausbildung aus einem von ihm zu vertretenen Grund unterbrochen hat. Eine Unterbrechung der Ausbildung liegt vor, wenn der Auszubildende die Ausbildungsstätte zeitweise nicht besucht. Zu vertreten hat dieser die Unterbrechung, wenn ihm das Fernbleiben von der Ausbildung zuzurechnen ist (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 25. Juni 2010 - 1 D 990/10 -, juris). Das ist der Fall, wenn der Auszubildende den Grund für die Unterbrechung selbst vorsätzlich oder fahrlässig gesetzt hat und ihm sein Verhalten subjektiv vorwerfbar ist oder er den Grund für die Unterbrechung in zumutbarer Weise hätte abwenden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1979 - 5 C 15.78 - BVerwGE 58, 132). Eine Krankheit ist zwar grundsätzlich kein zu vertretener Grund, weshalb Ausbildungsförderung nach § 15 Abs. 2 a BAföG jedenfalls zeitlich beschränkt auch dann geleistet wird, wenn der Auszubildende infolge von Erkrankung gehindert ist, die Ausbildung durchzuführen. Wird die Ausbildung jedoch unentschuldigt unterbrochen, so hat der Auszubildende den Grund in der Regel zu vertreten, weil ihm das Fernbleiben vom Unterricht dann subjektiv vorwerfbar ist (vgl. OVG Bautzen, a. a. O.). So liegt der Fall hier. Aufgrund der Mitteilung der xxx-Schule vom 12. Januar 2005 ist davon auszugehen, dass der Kläger dem Unterricht seit dem 26. November 2004 unentschuldigt ferngeblieben ist. Diese Erklärung der Schule konnte der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht entkräften. Die Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit, die aus dem vom Kläger vorgelegten Karteiauszug seiner Hausärztin hervorgehen, beziehen sich von vornherein nur auf einen geringen Teil des fraglichen Rückforderungszeitraums. Der Grund für die Arbeitsunfähigkeit geht aus dem Karteiauszug nicht hervor. Zudem fehlt jeder Nachweis dafür, dass der Kläger tatsächlich die entsprechenden Atteste zeitnah der Schule und/oder dem Beklagten vorgelegt hat. Ab dem 5. Januar 2005 hat er die Schulausbildung dann ohnehin nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift vom 12. April 2007 und ausweislich des Abgangszeugnisses der Schule gänzlich abgebrochen. Dafür, dass der Beklagte (schriftlich) auf eine Rückforderung verzichtet haben könnte, fehlt ebenfalls jeder Anhaltspunkt.

Der vom Kläger angeführte Umstand seines Bezugs von Leistungen nach dem SGB II ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Rückforderung, sondern betrifft allein die Frage, ob eine Beitreibung des Rückforderungsbetrages möglich ist. In diesem Zusammenhang ist nach wie vor eine (seitens des Gerichts mehrfach angeregte) gütliche Einigung zwischen den Beteiligten möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Referenznummer:

R/R4855


Informationsstand: 27.04.2011