Urteil
Pflicht zur Rückzahlung von Blindengeld aufgrund zeitgleicher Beziehung von Pflegeversicherungsleistungen - Rechtmäßige Aufhebung des Gewährungsbescheides

Gericht:

VG Münster 6. Kammer


Aktenzeichen:

6 K 2129/10 | 6 K 2129.10


Urteil vom:

17.04.2012


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist blind und gehörlos im Sinne des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG).

Am 24. Juli 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Blindengeld durch den Beklagten. Er wurde in diesem Rahmen ausweislich seiner Unterschrift und eines Vermerks der den Antrag entgegennehmenden Gemeinde Velen darauf hingewiesen, dass jede Änderung der Tatsachen, die für die Gewährung der Leistung maßgebend seien, insbesondere die Gewährung von Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - z. B. Pflegegeld, Pflegesachleistung, Kombinationsleistung - bzw. entsprechende Leistungen einer privaten Pflegeversicherung sowie Leistungen nach beamtenrechtlichen Vorschriften, unverzüglich dem Beklagten mitzuteilen seien. Der Kläger verneinte, derartige Leistungen zu erhalten. Mit Schreiben vom 29. August 2003 bat der Beklagte den Kläger um eine ergänzende Auskunft, ob er einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung oder nach beamtenrechtlichen Vorschriften gestellt habe oder ob eventuell ein Widerspruchsverfahren anhängig sei. Der Vater des Klägers teilte daraufhin in einem Telefonat vom 11. September 2003 mit, dass dies bei seinem Sohn nicht der Fall sei.

Mit Bescheid vom 12. September 2003 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2003 ein monatliches Blindengeld in Höhe von 585,- Euro. Er wies zugleich auf das als Anlage beigefügte Merkblatt über Mitwirkungspflichten hin. Anfang des Jahres 2004 teilte der Kläger zusammen mit seiner gehörlosen Ehefrau N. C. dem Beklagten eine Änderung seiner Bankverbindung mit. In den Jahren 2004 bis 2009 mit Ausnahme des Jahres 2006 wurde der Kläger jährlich durch den Beklagten schriftlich auf seine Mitwirkungspflichten und die Anrechnung von Leistungen der häuslichen Pflege auf das Blindengeld hingewiesen. In dem jährlichen Merkblatt führte der Beklagte auf Seite 2 unter Nr. 4 aus: Die Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch aus einer privaten Pflegeversicherung und von entsprechenden Leistungen nach beamtenrechtlichen Vorschriften sei bei häuslicher Pflege in jedem Fall zu melden, auch soweit es sich um Sachleistungen handele. Bei Berechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, würden vorgenannte Leistungen anteilig auf das Blindengeld angerechnet. Bereits bei der Beantragung der vorgenannten Leistungen sei der Beklagte umgehend zu informieren, damit zur Vermeidung einer Überzahlung eine vorsorgliche Kürzung vorgenommen werden könne. Im Falle der Leistungsgewährung müsse der Beklagte unter Vorlage des Bescheides unverzüglich unterrichtet werden. Änderungen in den Leistungsansprüchen seien ebenfalls anzugeben.

Ab dem 1. November 2006 erhielt der Kläger monatliche Leistungen der Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege durch die Techniker Krankenkasse in Höhe von 205,- Euro. Vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Januar 2009 erhöhte sich der Pflegegeldanspruch auf 215,- Euro monatlich. Seit dem 1. Februar 2009 hatte der Kläger Anspruch auf Leistungen der Pflegestufe II. Das monatliche Pflegegeld betrug vom 1. Februar 2009 bis zum 31. Dezember 2009 420,- Euro. Ab dem 1. Januar 2010 erhöhte sich der monatliche Pflegegeldanspruch auf 430,- Euro.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2010 übersandte der Beklagte dem Kläger einen Fragebogen unter anderem über den etwaigen Bezug von Leistungen der häuslichen Pflege. Mit der am 16. März 2010 bei dem Beklagten eingegangenen Rückantwort teilte die Ehefrau des Klägers mit, dass dieser Leistungen der häuslichen Pflege der Pflegestufe II durch die Techniker Krankenkasse beziehe. Der Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme und setzte mit Bescheid vom 14. Juni 2010 das monatliche Blindengeld ab dem 1. April 2010 auf 458,46 Euro fest. Mit Bescheid vom 26. August 2010 hob er den Bescheid über die Gewährung von Blindengeld vom 12. September 2003 für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2006 bis zum 31. März 2010 auf, soweit die an den Kläger gerichteten Leistungen der Pflegeversicherung zur häuslichen Pflege nicht auf das in diesem Zeitraum gezahlte Blindengeld in Höhe von 608,96 Euro monatlich angerechnet worden waren. Der Beklagte errechnete eine entstandene Überzahlung für den Zeitraum in Höhe von 5.848,50 Euro und forderte diesen Betrag von dem Kläger zurück. Gleichzeitig rechnete der Beklagte den Rückforderungsanspruch gegen den monatlichen Blindengeldanspruch des Klägers ab dem 1. September 2010 bis zu dessen Hälfte auf.

Der Kläger hat am 27. September 2010 Klage erhoben.

Er trägt vor, er habe nicht daran gedacht, dass Leistungsträger nicht wechselseitig über die jeweils andere Leistungsgewährung informiert seien. Aufgrund seiner Behinderung habe es bei ihm auf der Hand gelegen, dass er Pflegegeld beziehe. Bei derart schwerwiegenden Beeinträchtigungen in den persönlichen Möglichkeiten habe er damit gerechnet, dass von Seiten der Leistungsträger von Amts wegen ein entsprechender Datenaustausch zwischen ihnen erfolge im Sinne einer Zusammenarbeit "Hand in Hand". Dies entspreche der Fürsorgepflicht und einer angemessenen Hilfestellung gegenüber dem Behinderten. Es diene zugleich der eigenen Absicherung des Leistungsträgers. Bei Behinderungen der gegebenen Art könne nicht erwartet werden, dass die gesetzlichen Erfordernisse einzelner Mitteilungen vom Behinderten erkannt und auch erfüllt werden. Sofern der Kläger tatsächlich zur Mitwirkung in dem Sinne verpflichtet gewesen sei, dass er von sich aus den Bezug des Pflegegeldes hätte mitteilen müssen, könne das Verschulden allenfalls als von sehr leicht fahrlässiger Art angesehen werden. Der Beklagte habe gewusst, dass bei der Krankheit des Klägers keinesfalls auszuschließen gewesen sei, dass die gegebenen Hinweise auf Mitwirkungspflichten nicht zu seiner Kenntnis gelangen könnten. Der Beklagte hätte ohne zusätzlichen Aufwand der besonderen Problematik des Klägers gerecht werden können, indem er anstelle einseitiger Hinweise im Nachspann zur Leistungsgewährung gleichzeitig einen Fragebogen zugesandt hätte. Dies verknüpft mit dem Hinweis, dass Fortzahlung nur möglich sei, wenn der Kläger die an ihn gerichteten Fragen beantworte. Der Kläger habe auf die Rechtmäßigkeit und Beständigkeit der Leistung vertraut und sei zur Rückzahlung des Betrages nicht in der Lage.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 26. August 2010 aufzuheben, sofern der Bescheid über die Gewährung von Blindengeld vom 12. September 2003 mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2006 aufgehoben und in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. März 2010 gezahltes Blindengeld in Höhe von insgesamt 5.848,50 Euro zurückgefordert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass aus der Hör- und Sehminderung des Klägers nicht hergeleitet werden könne, dass dieser auch pflegebedürftig sei. Es habe daher nicht auf der Hand gelegen, dass der Kläger Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse habe. Auch die Annahme des Klägers, dass die Pflegekasse und der Beklagte "Hand in Hand" arbeiteten und dass ein Informationsaustausch zwischen ihnen stattfinde, entschuldige nicht sein Verhalten. Die Techniker Krankenkasse mit Sitz in Kiel gehöre nicht zum Organisationsbereich des Beklagten. Allein aus datenschutzrechtlichen Gründen könne kein automatischer Datenaustausch zwischen ihnen erfolgen. Aufgrund der mehrfach erfolgten Hinweise hätte dem Kläger bekannt sein müssen, dass im Falle der Beantragung und Gewährung von Leistungen der häuslichen Pflege der Beklagte umgehend zu informieren sei und eine teilweise Anrechnung der Leistungen der Pflegekasse auf das Blindengeld erfolge. Das Verhalten des Klägers sei als grob fahrlässig zu bewerten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Die als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Fall der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 26. August 2010 ist im Umfang der gegen ihn erhobenen Klage rechtmäßig und verletzt den Kläger deswegen nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides über die Gewährung von Blindengeld vom 12. September 2003 für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2006 bis zum 31. März 2010 in dem Umfang, in dem die an den Kläger gerichteten Leistungen der Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege nicht auf das in diesem Zeitraum gezahlte Blindengeld angerechnet wurden, ist § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Kläger hat unstreitig erst mit der am 16. März 2010 bei dem Beklagten eingegangenen Antwort auf dessen Fragebogen durch seine Ehefrau mitgeteilt, dass er ab dem 1. November 2006 monatliche Leistungen der Pflegeversicherung durch die Techniker Krankenkasse erhielt. Nach § 3 Abs. 2 S. 1 GHBG werden Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36 bis 38 SGB XI in der jeweils geltenden Fassung, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI (Pflegestufe I) mit 70 vom Hundert des Betrages nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB XI auf das Blindengeld angerechnet, bei Pflegebedürftigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB XI (Pflegestufen II und III) mit 35 vom Hundert des Betrages nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI. Da es sich bei den an den Kläger gerichteten Leistungen der Techniker Krankenkasse im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch um Leistungen einer Pflegekasse bei häuslicher Pflege nach den Pflegestufen I bzw. II handelte, hätte eine entsprechende Anrechnung auf das Blindengeld erfolgen müssen.

Die Pflicht des Klägers zur Mitteilung des Bezuges von Leistungen der Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege folgt aus § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Entgegen der Ansicht des Klägers kann in seiner Situation keine Ausnahme von dieser Mitwirkungspflicht gemacht werden: Für den Beklagten lag zum einen nicht auf der Hand, dass der Kläger einen Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse besaß. Dies gilt schon deshalb, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung am 24. Juli 2003 einen solchen Leistungsbezug ausdrücklich verneint hatte. Sein entsprechender Anspruch gegenüber der Pflegekasse ergab sich erst mehr als drei Jahre später ab dem 1. November 2006. Zum anderen kam ein automatischer Informationsaustausch von Amts wegen zwischen dem Beklagten und der Pflegekasse des Klägers ebenfalls nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass ein solcher Informationsaustausch schon rein praktisch schwer umsetzbar sein dürfte, sind die bei der Techniker Krankenkasse vorgehaltenen persönlichen Daten des Klägers vor einer solchen weitläufigen Weitergabe an den Beklagten auch rechtlich geschützt. Dies folgt aus den Bestimmungen über den Sozialdatenschutz nach § 94 SGB XI in Verbindung mit §§ 67d ff. SGB X. § 60 SGB I beinhaltet insoweit eine unverzichtbare Ergänzung und Begrenzung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 SGB X. Die Vorschrift hat die Funktion, den Leistungsträger überhaupt erst in die Lage zu versetzen, seiner in § 20 SGB X normierten Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nachgehen zu können. Sie trägt dabei den datenschutzrechtlichen Vorgaben Rechnung,

Kampe, in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 60 SGB I Rn. 18 ff.

Der Kläger ist seiner Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen. Er hat diesbezüglich - entsprechend der Legaldefinition nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X - die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Anzulegen ist insoweit ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Dabei wird auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles abgestellt. Für die grobe Fahrlässigkeit ist insbesondere auch bedeutsam, in welchem Umfang bei Bewilligung der Dauerleistung auf eine Mitteilungspflicht hingewiesen worden ist. Ist jemand unmissverständlich darüber belehrt worden, dass er bestimmte für den Leistungsempfang wesentliche Umstände mitzuteilen hat und unterlässt er dies, liegt in aller Regel grobe Fahrlässigkeit vor,

v. Wulffen, Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), 6. Aufl., § 45 Rn. 52 und § 48 Rn. 23.

Der Kläger wurde hier bereits im Rahmen seines am 24. Juli 2003 gestellten Antrags darüber belehrt, dass er jede Änderung von leistungsrelevanten Tatsachen, insbesondere die Gewährung von Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch bzw. von entsprechenden Leistungen einer privaten Pflegeversicherung unverzüglich dem Beklagten mitzuteilen habe. Nach der Unterschrift des Klägers unter dem Antrag sowie dem nachstehenden Vermerk der diesen entgegennehmenden Gemeinde Velen ist davon auszugehen, dass der Inhalt dieser Belehrung auch zur Kenntnis des Klägers gelangt ist. Weitere Hinweise auf die Mitteilungsbedürftigkeit des Bezuges von Leistungen bei häuslicher Pflege erfolgten mit dem Schreiben des Beklagten vom 29. August 2003, mit dem Bewilligungsbescheid vom 12. September 2003 sowie in dem in den Jahren 2004 bis 2009 mit Ausnahme des Jahres 2006 zugesandten Merkblatt über die Mitwirkungspflichten des Klägers. Dabei war insbesondere das jährlich zugesandte Merkblatt derartig klar und eindeutig formuliert, dass sich aus ihm ohne Weiteres eine Pflicht des Klägers zur Information des Beklagten für den Fall der Gewährung von Leistungen bei häuslicher Pflege zur Vermeidung einer Überzahlung ergab.

An dieser Pflicht ändern die beim Kläger bestehenden Behinderungen nichts. Trotz seiner Blindheit und Gehörlosigkeit musste er dafür Sorge tragen, dass der an ihn gerichtete Schriftverkehr des Beklagten ihn inhaltlich erreichte. Der Kläger musste sich die Schreiben des Beklagten und die damit verbundenen Hinweise mit der Hilfe naher Angehöriger oder anderer beauftragter Hilfspersonen oder sonstiger Hilfsmittel zugänglich machen und erschließen. Dass dies nicht nur zumutbar, sondern auch praktisch umsetzbar war, zeigt sich beispielsweise daran, dass der Vater des Klägers auf das Schreiben des Beklagten vom 29. August 2003 antwortete. Der Kläger lebt zudem mit seiner zwar gehörlosen, aber nicht erblindeten Ehefrau unter derselben Anschrift. Zusammen mit dieser teilte er dem Beklagten Anfang des Jahres 2004 eine Änderung seiner Bankverbindung mit. Auch war es seine Ehefrau, die dem Beklagten auf seinen Fragebogen vom 26. Februar 2010 antwortete und ihm eröffnete, dass der Kläger Leistungen bei häuslicher Pflege bezieht. Eine solche Mitteilung hätte mit Blick auf die erteilten und ausreichenden Hinweise des Beklagten bereits mit Beginn dieser Leistungen erfolgen müssen. Die fehlende Vornahme von geeigneten Vorkehrungen für den Postverkehr begründet einen eigenen groben Sorgfaltsverstoß auf Seiten des Klägers.

Eine atypische Härte, die in Bezug auf den Kläger der Anwendung des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X entgegenstehen könnte, ist nicht auszumachen. Ein solcher atypischer Fall ist nicht allein deshalb gegeben, weil nach erfolgter rückwirkender Aufhebung die Überzahlung zurückzuerstatten ist. Die mit der Erstattung verbundene Härte mutet das Gesetz jedem Betroffenen zu. Dies gilt auch hier, zumal der Beklagte in seinem Anhörungsschreiben anbot, dass der Kläger einen konkreten Vorschlag zur ratenweisen Tilgung der Forderung machen solle, und er seinen Rückforderungsanspruch in Übereinstimmung mit § 51 Abs. 2 SGB I gegen den monatlichen Blindengeldanspruch des Klägers bis zu dessen Hälfte aufrechnete. Einen atypischen Fall begründet die Erstattungspflicht selbst bei schlechter Einkommens- und Vermögenslage (Überschuldung) nicht, wenn die Überzahlung - wie nach dem oben Ausgeführten - durch eine grobe Pflichtwidrigkeit verursacht worden ist,

vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 1988 - 7 Rar 55/86 -, juris.

Die in dem angefochtenen Bescheid vom 26. August 2010 angeordnete Erstattung des zu Unrecht bewilligten Betrages von 5.848,50 Euro ist ebenfalls rechtmäßig. Sie stützt sich auf § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen zusteht. Bedenken gegen den geltend gemachten Rückforderungsbetrag sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der unterlegene Kläger hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 188 S. 2 VwGO werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Referenznummer:

R/R5362


Informationsstand: 27.02.2013