Urteil
Begehr von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe der Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zur Sicherung eines Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt in Form eines persönlichen Budgets

Gericht:

SG Detmold 16. Kammer


Aktenzeichen:

S 16 SO 93/12


Urteil vom:

07.05.2013


Orientierungssatz:

1. Der zuständige Rehabilitationsträger kann Leistungen zur Teilhabe nach § 17 Abs. 2 SGB IX auch durch ein Persönliches Budget gewähren, um dem Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Hierzu bedarf es einer Anspruchsgrundlage aus dem materiellen Leistungsrecht [...].

2. Stellt der zunächst angegangene Leistungsträger seine Unzuständigkeit fest und leitet er den Antrag aber nicht unverzüglich an den nach seiner Auffassung zuständigen Träger weiter, so ist er verpflichtet, Leistungen aufgrund aller Rechtsgrundlagen zu erbringen, die in der konkreten vorgesehen sind [...].

3. Begehrt ein geistig Behinderter Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe der Leistungen in einer Werkstätte für behinderte Menschen zur Sicherung seines Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt in Form eines Persönlichen Budgets, so kann ein solcher Anspruch nicht auf die Vorschriften der §§ 117 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB III oder 54 SGB XII i.V.m. § 41 Abs. 1 SGB IX gestützt werden, wenn der Behinderte nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann.

4. Als Anspruchsgrundlage scheidet auch die Vorschrift des § 56 SGB XII aus, wenn es sich bei dem vom Antragsteller begehrten Arbeitsplatz nicht um eine Beschäftigungsstätte handelt, die mit einer Werkstatt für behinderte Menschen vergleichbar ist.

Quelle: Recht & Praxis 03/2014

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe der Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt in Form eines persönlichen Budgets.

Die im Jahre 1987 geborene Klägerin ist geistig behindert. Nach einem psychologischen Gutachten der Agentur für Arbeit vom 18.09.2007 bereitet es der Klägerin große Probleme, in logischen Zusammenhängen zu denken bzw. logische Schlussfolgerungen zu vollziehen. Sie erziele gemessen an lernbehinderten Schülerinnen und Schülern ein deutlich unterdurchschnittliches Arbeitsergebnis. Die Klägerin habe auch einfache Grundrechenoperationen nicht lösen können, darüber hinaus bestünden im feinmotorischen Bereich erhebliche Einschränkungen. Aufgrund dieser intellektuellen Ausstattung könne eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden.

Die Klägerin hatte bereits während ihrer Schulzeit ein Praktikum in dem Altenheim St. K in X absolviert. Sie war dort im Speisesaal mit dem Eindecken und Abräumen der Tische und im Bereich der Küche mit dem Einräumen der Spülmaschine beschäftigt. Nach dem Ende der Schulzeit war die Klägerin weiterhin in dem Altenheim tätig, und zwar zunächst im Zeitraum 07.01.2008 bis 03.07.2009 im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, die von der Beigeladenen finanziert wurde. Seit dem Abschluss dieser Maßnahme arbeitet die Klägerin im Rahmen eines Dauer-Praktikums in dem Altenheim, das von dem Beklagten aus dem Programm "aktion5" i.H.v. monatlich 400,- EUR finanziert wird. Davon erhielt die Klägerin zunächst einen Betrag i.H.v. 150,- EUR, mittlerweile sind es 225,- EUR. Der Rest fließt an das Altenheim. Am 21.04.2009 fand eine Fachausschusssitzung der Werkstätten St. O in X statt. Darin erklärte sich die Werkstatt grundsätzlich bereit, einen Außenarbeitsplatz für die Klägerin in dem Altenheim einzurichten. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass sich das Altenheim zumindest in Höhe des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohnes an den Lohnkosten für die Klägerin beteilige. Dies lehnte das Altenheim ab, da die Arbeitsleistung derart schwach sei, da die Klägerin nicht als Arbeitskraft angesehen werden könne.

Die Klägerin stellte am 20.04.2009 einen Antrag auf Gewährung eines persönlichen Budgets bei dem Beklagten, um damit eine Teilnahme am Arbeitsleben in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes ihrer Wahl sicherzustellen.

Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 15.07.2009 ab. Die Klägerin könne aufgrund ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Es komme daher nur eine Tätigkeit in einer WfbM oder ein Außenarbeitsplatz in Betracht. Letzteres werde von dem Altenheim nicht gewünscht. Leistungen ohne eine Anbindung an eine WfbM könnten nicht gewährt werden.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 25.07.2009 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass sie aufgrund ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne und daher auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen sei. Diese könnten auch als persönliches Budget geleistet werden, denn grundsätzlich seien alle Teilhabeleistungen budgetfähig. Eine Anbindung an eine WfbM sei nicht erforderlich.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2009 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf das beantragte persönliche Budget habe. Behinderte Menschen, die nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könnten, hätten Anspruch auf Leistungen in einer WfbM. Es komme auch die Einrichtung eines Außenarbeitsplatzes in Betracht, was jedoch im Falle der Klägerin nicht möglich sei, da sich das Altenheim nicht an den Kosten beteilige. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ohne Anbindung an eine WfbM könnten nicht gewährt werden.

Die Klägerin hat am 04.01.2010 eine Klage erhoben. Diese begründet sie damit, dass sie einen Anspruch auf Gewährung eines persönlichen Budgets zur Teilhabe am Arbeitsleben habe. Sie könne aufgrund ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein, so dass die Leistungen gewährt werden müssten. Eine Anbindung an eine WfBM sei nicht erforderlich, denn das persönliche Budget verfolge ja gerade den Zweck, dem Berechtigten ein Höchstmaß an Wahlfreiheit einzuräumen. Im Falle der Klägerin komme die Einrichtung eines Außenarbeitsplatzes nicht in Betracht, so dass nur die Möglichkeit bestehe, ihr das persönliche Budget ohne Anbindung an eine WfBM zu gewähren.


Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 15.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe der Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt in Form eines persönlichen Budgets zu gewähren, hilfsweise als trägerübergreifendes persönliches Budget unter Einbeziehung der Leistungen anderer Rehabilitationsträger.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung eines persönlichen Budgets zur Teilhabe am Arbeitsleben, da der von ihr angestrebte Arbeitsplatz nicht mit der Tätigkeit in einer WfbM vergleichbar sei.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugin H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten und des IFD Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 15.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2009 erweist sich als rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe der Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt in Form eines persönlichen Budgets.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem persönlichen Budget nicht um eine neue Leistung handelt, sondern gem. § 17 Abs. 2 SGB IX um eine besondere Form der Leistungsausführung. Dies bedeutet, dass der Anspruch nicht auf diese Vorschrift gestützt werden kann, sondern es bedarf einer Anspruchsgrundlage aus dem materiellen Leistungsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2011 - B 11 AL 7/10 R).

Das Gericht hat daher im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob es eine Anspruchsgrundlage gibt, aus der sich die von der Klägerin begehrte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben herleiten lässt. Dabei sind nicht nur die Vorschriften des SGB XII in Betracht zu ziehen, sondern alle Teilhabeleistungen, denn der Beklagte ist aufgrund der Vorschrift in § 14 SGB IX umfassend zuständig geworden. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX hat der Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages festzustellen, ob er für die Leistung zuständig ist; stellt er seine Unzuständigkeit fest, hat er nach § 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Träger zuzuleiten. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, hat der angegangene Träger gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen. Aus den genannten Bestimmungen folgt nach der Rechtsprechung des BSG, dass der erstangegangene Träger, der den Antrag nicht nach den Vorgaben des § 14 Abs. 1 SGB IX weiterleitet, verpflichtet ist, Leistungen aufgrund aller Rechtsgrundlagen zu erbringen, die in der konkreten Bedarfssituation vorgesehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2011 - B 11 AL 7/10 R).

Nach Auffassung der Kammer existiert keine Anspruchsgrundlage, aus der sich die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge herleiten lässt.

Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 117 Abs. 1 SGB III (§ 102 Abs. 1 SGB III a.F.) stützen. Nach dieser Vorschrift sind unter bestimmten Voraussetzungen die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen. Eine solche Leistung setzt voraus, dass Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen (§ 102 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a SGB III a.F.) oder an einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme (§ 102 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b SGB III a.F.) unerlässlich machen oder dass die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen (§ 102 Abs.1 S. 1 Nr. 2 SGB III a.F.). Allerdings ist bei § 102 Abs. 1 SGB III a.F. zu beachten, dass die auf § 56 Abs. 3a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zurückgehende Vorschrift bezweckt, die Förderung behinderter Menschen in allen Berufen zu gewährleisten, die gute und dauerhafte Beschäftigungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bieten. Eine Förderung nach § 102 Abs. 1 SGB III a.F. kann also nur beansprucht werden, wenn durch die Maßnahme in der Einrichtung die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2011 - B 11 AL 7/10 R). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht erfüllt, denn sie kann nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Dies ergibt sich aus dem psychologischen Gutachten der Agentur für Arbeit vom 18.09.2007, nach dem aufgrund der intellektuellen Ausstattung eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden könne. Die Zeugin H hat dies im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 117 Abs. 2 SGB III (§ 102 Abs. 2 SGB III a.F.) stützen. Danach werden Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 40 des Neunten Buches erbracht. Bei § 102 Abs. 2 SGB III a.F. ist - anders als bei § 102 Abs. 1 SGB III - nicht die Frage nach der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu stellen; vielmehr handelt es sich bei § 102 Abs. 2 SGB III a.F. um eine Sondervorschrift für behinderte Menschen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht tätig sein können und auf einen Arbeitsplatz in einer WfbM angewiesen sind. Eine Förderung nach § 102 Abs. 2 SGB III a.F. ist jedenfalls dann möglich, wenn erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach der Teilnahme an der Maßnahme in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Darüber hinaus ist es nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht erforderlich, dass die Leistungen durch eine WfbM erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2011 - B 11 AL 7/10 R). Im Falle der Klägerin kommen solche Leistungen dennoch nicht in Betracht. Sie ist zwar in der Lage, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Es geht ihr aber nicht um eine Arbeitserprobung oder Berufsausbildung, die im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich erbracht werden, sondern sie begehrt einen dauerhaften Arbeitsplatz vergleichbar mit dem Arbeitsbereich der WfbM. § 117 Abs. 2 SGB III (§ 102 Abs. 2 SGB III a.F.) ist daher nicht einschlägig.

Auch § 54 SGB XII i.V.m. § 41 Abs. 1 SGB IX stellt keine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin dar. Danach erhalten Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen behinderte Menschen, bei denen 1. eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder 2. Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 bis 4) wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Klägerin kann sich nicht auf die Vorschrift stützen, denn sie möchte gerade nicht im Arbeitsbereich einer WfbM arbeiten, sondern in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Damit kommt als Anspruchsgrundlage nur § 56 SGB XII in Betracht. Danach kann Hilfe in einer den anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 des Neunten Buches vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätte geleistet werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor, denn bei dem von der Klägerin begehrten Arbeitsplatz handelt es sich nicht um eine Beschäftigungsstätte, die mit einer WfbM vergleichbar wäre.

Nach § 136 Abs. 1 SGB IX verfolgt die WfbM zwei Ziele: Zum einen soll sie dem behinderten Menschen eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anbieten (Nr. 1). Zum anderen soll sie es den behinderten Menschen ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln (Nr. 2). Diesen beiden Zielen entspricht es, dass die Mitarbeiter der WfbM gem. § 9 der Werkstättenverordnung nicht nur über eine fachliche, sondern zusätzlich auch über eine sonderpädagogische Ausbildung verfügen müssen. Darüber hinaus muss die Werkstatt gem. § 10 der Werkstättenverordnung zur pädagogischen, sozialen und medizinischen Betreuung der behinderten Menschen über begleitende Dienste verfügen. Dabei muss es sich um Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter sowie pflegerische, therapeutische und sonst erforderliche Fachkräfte handeln. Auch die medizinische Versorgung ist sicherzustellen.

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen ist der von der Klägerin angestrebte Arbeitsplatz nicht mit einer WfbM vergleichbar, denn es soll offensichtlich nur ihre Beschäftigung sichergestellt werden. Demgegenüber wird die Erhaltung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Klägerin sowie die Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit nicht als Ziel verfolgt, zumal dafür auch kein geeignetes Personal zur Verfügung steht. Nach der Aussage der Zeugin H beschäftigt das Altenheim kein pädagogisches Personal. Die Klägerin wird dort von einer "betrieblichen Patin" betreut, die als Hauswirtschafterin tätig ist. Eine zusätzliche Betreuung erfolgt über die Zeugin H, die allerdings nach ihrer eigenen Aussage lediglich anstrebt, die Klägerin einmal im Monat in dem Altenheim zu besuchen, was auch nicht immer gelinge. Diese Betreuung lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht mit der innerhalb einer WfbM vergleichen, denn dort ist nach den gesetzlichen Bestimmungen ein begleitender Dienst einzurichten. Dieser besteht aus qualifizierten Mitarbeitern unterschiedlicher Fachrichtungen und steht den behinderten Menschen jederzeit zur Verfügung. Dies gilt auch für die Außenarbeitsplätze der WfbM. Demgegenüber kann die Klägerin allenfalls einmal im Monat auf die Unterstützung einer Sozialarbeiterin des Integrationsfachdienstes zurückgreifen.

Die Kammer verkennt bei ihrer Entscheidung nicht, dass sich sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Persönlichkeit der Klägerin durch die Tätigkeit in dem Altenheim auch ohne einen begleitenden Dienst offenbar positiv entwickelt haben. Nach der Aussage der Zeugin H hat die Klägerin ihr Leistungsvermögen in den letzten Jahren steigern können. Sie könne jetzt auch besser mit Kritik umgehen, ohne dass es gleich zu Konflikten komme. Die Kontaktfähigkeit zu den Mitarbeitern habe sich ebenfalls verbessert. Dies spricht nach Auffassung der Kammer dafür, dass sich die Arbeit in dem Altenheim positiv auf die Klägerin auswirkt und sie durch die "betriebliche Patin" und die Zeugin H ausreichend betreut wird. Dass die Klägerin in Vergangenheit nicht auf eine zusätzliche Betreuung und Förderung angewiesen war, bedeutet jedoch nicht, dass dies auch in Zukunft so sein wird. Es kann sein, dass sich die Situation der Klägerin wieder verschlechtert und dann eine zusätzliche Unterstützung notwendig wird. Dies ist nach der Aussage der Zeugin H in der Vergangenheit auch einmal der Fall gewesen, als sie während der betrieblichen Einzelmaßnahme die Hilfe einer Ergotherapeutin in Anspruch genommen hat. Vor diesem Hintergrund kommt eine dauerhafte Förderung des Arbeitsplatzes nach § 56 SGB XII erst in Betracht, wenn die Ausgestaltung mit einem Arbeitsplatz im Arbeitsbereich einer WfbM vergleichbar ist.

Nach Ansicht der Kammer wäre es dazu erforderlich, zunächst ein Konzept zu entwickeln, wie auch die Erhaltung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Klägerin sowie die Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit an dem von der Klägerin angestrebten Arbeitsplatz rea-lisiert werden kann. Darüber hinaus müssten entsprechend qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung stehen, um die Klägerin bei der Erreichung dieses Ziel zu unterstützen. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass das Altenheim diese Mitarbeiter anstellen muss, sondern es kann sich auch um externe Fachkräfte handeln. Erforderlich ist nur, dass sie der Klägerin im Bedarfsfall zur Verfügung stehen. Darüber hinaus müsste die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses näher konkretisiert werden, um für den Beklagten und ggf. die Gerichte eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nicht angeben können, wie hoch der Lohn sein soll und welche weiteren Kosten für Sozialabgaben und Betreuung entstehen würden. Dies ist jedoch erforderlich, um auch über die Angemessenheit der entstehenden Kosten entscheiden können.

Weitere Anspruchsgrundlagen für das Begehren der Klägerin sind nach Auffassung der Kammer nicht vorhanden. Ansprüche gegen die Beigeladene sind von der Klägerin nicht geltend gemacht worden und kommen im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelung in § 14 SGB IX auch nicht in Betracht (s.o.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Referenznummer:

R/R6015


Informationsstand: 30.12.2013