I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.2017 sowie des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2017 verurteilt, den Antrag des Klägers auf Teilhabe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu verbescheiden.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der am 1965 geborene Kläger hat nach erlangter Fachhochschulreife von 1987-1990 eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger absolviert und hat als solcher nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Rettungsassistent seit 1994 in diesem Beruf gearbeitet.
Am 04.08.2015 stellte der Kläger Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zum Arbeitsleben; dabei machte er geltend, aufgrund des häufigen Händewaschens und des Umgangs mit Desinfektionsmitteln unter einem rezidivierenden Handekzem, aber bei bestehendem Schichtdienst auch unter Schlafstörungen, Magenbeschwerden und Körperschwäche zu leiden. Als angestrebte Maßnahme bezeichnete der Kläger dabei eine Qualifizierung zum "Fachberater Seelsorge" und anschließend zum Diakon
bzw. Therapeutischen Seelsorger. Dem Antrag beigefügt waren ärztliche Bescheinigungen über ein chronisches Handekzem und einen durch den ständigen Schichtdienst gestörten Tag-Nacht-Rhythmus mit Schlafstörungen. Der behandelnde Hausarzt
Dr. K. beschrieb dabei eine berufsbedingte Genese und Zunahme der Beschwerden.
Außerdem berichtete
Dr. M. als Facharzt für psychotherapeutische Medizin über eine seit Februar 2014 erfolgte Behandlung bei Anpassungsstörung und Insomnie mit Beschwerden durch depressive Verstimmungen, Grübelneigung und Erschöpfung. Dabei führte
Dr. M. die Symptomatik der Anpassungsstörung auf eine Mobbing-Situation am Arbeitsplatz zurück.
Mit Bescheid vom 12.11.2015 bewilligte die Beklagte dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und veranlasste ein anschließendes Beratungsgespräch mit dem Reha-Fachberatungsdienst, dem sich konkrete Maßnahmen zur Wiedererlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes anschließen sollten. Nach aktenkundigem Vermerk fand das Beratungsgespräch nachfolgend am 07.12.2015 statt. Dabei wurde dem Kläger eröffnet, dass seine beruflichen Vorstellungen nicht mit seinem Leistungsbild im Einklang stünden und therapeutische/pädagogische Tätigkeiten ausgeschlossen seien. Angeboten wurde dem Kläger die Absolvierung einer Integrationsmaßnahme. Der Kläger machte demgegenüber deutlich, dass er auch in ärztlicher Rücksprache die Leistungsbeurteilung für unzutreffend erachte und um Klärung seines Leistungsbildes bitte. An der Integrationsmaßnahme bestehe grundsätzlich Interesse, vorrangig sei für ihn aber die Überprüfung der erstellten Leistungsbeurteilung.
Zwischenzeitlich hatte der Kläger bereits Kurse zum Begleitenden Seelsorger bei der I. als erste Stufe der angestrebten Ausbildung zum Therapeutischen Seelsorger beginnend im Oktober 2015 bis Juli 2016 belegt und absolviert. Zur Unterstreichung seines Antrags auf Unterstützung für eine Ausbildung zur Tätigkeit eines Klinikseelsorgers oder Telefonseelsorgers übersandte der Kläger insbesondere das Ergebnis einer Eignungstestung durch das Landratsamt Oberallgäu vom 21.08.2015, welches eine Eignung und ausreichende psychische Stabilität für eine Umschulung auf einen heilpädagogischen, sozialpädagogischen oder erzieherischen Beruf ergeben habe. Übersandt wurde außerdem ein Attest des
Dr. K. vom Juli 2015, wonach der Kläger physisch und psychisch für den eine seelsorgerische Ausbildung und einen seelsorgerischen Beruf geeignet sei.
Die Beklagte zog nachfolgend Berichte des vorbehandelnden Facharztes für psychotherapeutische Medizin über eine Behandlung in den Jahren 2012 - 2014 bei. Anschließend wurde eine Stellungnahme des sozialärztlichen Dienstes vom 16.02.2016 eingeholt. Darin kam dieser zum Ergebnis, dass beim Kläger von einer psychischen Minderbelastbarkeit auszugehen sei, die Tätigkeiten im pädagogischen, pflegerischen, sozialen und therapeutischen Bereich nicht als geeignet erscheinen ließen.
Mit Schreiben vom 01.03.2016 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass es bei der bisherigen Leistungsbeurteilung verbleibe; die angestrebte Tätigkeit als Seelsorger sei aus sozialmedizinischer Sicht nicht leidensgerecht. Das weitere Vorgehen sei mit der Rehaberaterin zu besprechen.
Mit seinem Schreiben vom 09. 03.2016 machte der Kläger nachfolgend geltend, dass er mit der ergangenen Leistungsbeurteilung weiterhin nicht einverstanden sei und dass ihm bislang keine Alternativen für eine berufliche Umorientierung angeboten worden seien. Maßgeblicher Grund für die Aufgabe der Tätigkeit als Kläger sei der Hautdefekt sowie der durch die Schichtarbeit bedingte gestörte Tag/Nacht Rhythmus gewesen. Dies werde auch durch beigelegtes Attest des
Dr. M. vom 27.06.2016 bestätigt. Er beantrage eine ärztliche Begutachtung.
Daraufhin veranlasste die Beklagte das psychiatrische Gutachten des
Dr. W. vom 30.06.2016;
Dr. W. kam darin unter Auswertung der Aktenlage sowie nach ausführliche Anamneseerhebung und Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit auf Dauer der geplanten und bereits begonnenen Umschulung zum Klinikseelsorger gewachsen sei; es sei nicht mit Schlafstörungen oder Anpassungsstörungen zu rechnen. Demgegenüber sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenpfleger wegen der Belastung der Haut bei Hautekzem und Schichtdiensten nicht mehr geeignet. Eine Tätigkeit als Krankenpfleger sei aus psychiatrischer Sicht in gewissen Bereichen dann noch 6 Stunden und mehr möglich, wenn keine hohe Stressbelastung bestehe, ein gutes Arbeitsklima herrsche und keine Wechselschicht/Nachtschicht notwendig ist.
Mit Anfrage vom 17.08.2016 begehrte der Kläger erneut eine endgültige Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Unterstützung auf dem Weg einer beruflichen Umschulung. Es bestünden bereits Kontakte und Sondierungsgespräche zu potentiellen Arbeitgebern.
Daraufhin erteilte die Beklagte nach weiterem Beratungsgespräch vom 19.08.2016 einen Grundbescheid über Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes in Form eines Eingliederungszuschusses.
Im April 2017 nahm der Kläger erneut Kontakt zur Beklagten auf mit der Bitte um Förderung des gewählten Weges der Qualifizierung zum therapeutischen Seelsorger. Gemäß Vermerk über eine telefonische Beratung vom 20.04.2017 wurde dem Kläger einerseits das Fortbestehen der ablehnenden Haltung der vor
LTA-Bewilligung selbstgewählten Qualifizierung zum therapeutischen Seelsorger eröffnet, anderseits auf die für Qualifizierungsleistungen grundsätzlich notwendige Durchführung von Maßnahmen der erweiterten Berufsförderung und Arbeitserprobung hingewiesen.
Mit Schreiben vom 25.04.2017 beantragte der Kläger Kostenerstattung für die bei der I. absolvierte Ausbildung zum Begleitenden Seelsorger und die nunmehr begonnene Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger. Dem Antrag beigefügt war neben Teilnahme- und Empfangsbestätigungen des I. ein Leitfaden zur Ausbildung der Stiftung therapeutische Seelsorge mit Darstellung der stufenweisen Ausbildung zum Begleitenden Seelsorger, Beratenden Seelsorger und Therapeutischen Seelsorger.
Mit Bescheid vom 02.05.2017 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für eine Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger ab. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien darauf auszurichten, den Betreuten möglichst dauerhaft wieder einzugliedern, die Maßnahme müsse einer wesentlichen Verbesserung und Sicherung der Erwerbsfähigkeit entsprechen. Bei der angestrebten Tätigkeit als Therapeutischer Seelsorger seien aber nicht alle Belastungsmerkmale ausgeschlossen, durch welche die bisherige Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpfleger gefährdet oder verhindert sei. Zu den persönlichen Grundfähigkeiten der Tätigkeit als therapeutische Seelsorge gehöre die seelische Stabilität; ein diagnostizierter Zustand nach Anpassungsstörung und Insomnie mit überdauernder psychischen Minderbelastbarkeit stelle eine Kontraindikation für Tätigkeiten im sozialtherapeutischen und sozialpädagogischen Bereich dar.
Dementsprechend sei die Tätigkeit als Therapeutischer Seelsorger nicht leidensgerecht und könne daher auch von der Beklagten nicht unterstützt werden. Die gewünschte Ausbildung sei auch aus arbeitsmarktpolitischen Überlegungen nicht zu befürworten. Ein zum Therapeutischen Seelsorger weitergebildeter Bewerber könne ohne staatliche Abschlussprüfung im Studienfach Psychologie oder eine staatliche Zulassung zur Ausübung von Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz, - welche Psychotherapeuten vorbehalten sei,- keinen anerkannten Heilberuf ausüben.
Eine Kostenübernahme der gewünschten Umschulung könne deshalb nicht erfolgen, die Beklagte sei vor dem Hintergrund des Eingliederungsauftrages jedoch weiterhin bereit zu prüfen, durch welche geeignete Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben eine erfolgreiche Rehabilitation zu erreichen sei. Nachfolgend verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2017 auf klägerischen Antrag die Zusage auf Eingliederungszuschuss.
Zwischenzeitlich zeigte die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (
BGW) die Prüfung einer Berufskrankheit an und erkundigte sich, ob die Beklagte die seit Oktober 2015 absolvierte Ausbildung zum Klinikseelsorger fördere
bzw. nicht fördere. Der
BGW wurde daraufhin von der Beklagten mitgeteilt, dass der begehrte Beruf nicht mit der Leistungsbeurteilung des sozialmedizinischen Dienstes vereinbar sei und dem Kläger Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes in Aussicht gestellt worden seien.
Mit ausführlichem Schreiben vom 09.08.2017 wandte sich der Kläger erneut unter Bezug auf seinen Antrag auf Förderung der Umschulung zum Therapeutischen Seelsorger an die Beklagte und bat um Unterstützung für die Finanzierung der weiteren Ausbildung sowie eine weiterhin angezeigte Korrektur des Leistungsbildes entsprechend dem erholten Gutachten des
Dr. W. vom 28.06.2016, von dessen Inhalt er erst jetzt Kenntnis erlangt habe. Dabei begründete der Kläger, warum aus seiner Sicht von ausreichender seelischer Stabilität auszugehen sei und keine arbeitsmarktpolitische Unzweckmäßigkeit vorliege. Auch seien von der Beklagten bislang keinerlei Alternativen zur notwendigen Umschulung genannt worden, nachdem dem Kläger die bisherige pflegerische Tätigkeit gesundheitlich nicht mehr möglich sei.
Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 17.08. 2017 ein und erließ nachfolgend den Überprüfungsbescheid vom 18.08.2017, in welchem ausgeführt wurde, dass keine Änderung des Leistungsbildes angezeigt sei, eine psychische Komorbidität sei unzweifelhaft belegt, auch wenn derzeit Symptomfreiheit vorliege, die Weiterbildung zum therapeutischen Seelsorger sei daher weiterhin nicht leidensgerecht. Es müsse daher bei der Entscheidung im Bescheid vom 02.05.2017 verbleiben.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und begründete diesen mit Schreiben vom 23.08.17 erneut insbesondere mit einer unzutreffenden Feststellung des Leistungsbildes durch den Beklagten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2017 hielt die Beklagte an der Ausgangsentscheidung vom 02.05.2017 und dem Überprüfungsbescheid vom 18.08.2017 fest und begründete die Zurückweisung des Widerspruchs damit, dass die angestrebte Weiterbildung aufgrund der vorliegenden psychischen Komorbidität weiterhin nicht bewilligt werden könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.11.2017 Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und zugleich Klage zum Sozialgericht Augsburg.
Auf den gerichtlichen Hinweis, dass eine Ermessensreduzierung auf Null bei Auswahl der dem Grunde nach bewilligten Leistungen zur beruflichen Teilhabe nur in seltenen Ausnahmefällen begründbar und vorliegend wegen fehlender entscheidungsunterstützender Leistungen zur Arbeitserprobung und Berufsfindung ausscheiden dürfte, erklärte der Kläger das einstweilige Rechtsschutzverfahren für erledigt. Die erhobene Klage begründete der Kläger mit Schriftsätzen vom 23.11.2017 und 21.12. 2017 insbesondere unter Berufung auf das Ergebnis des Gutachtens des
Dr. W. sowie unter Vorlage eines im Berufsgenossenschaftlichen Verfahren eingeholten dermatologischen Gutachtens des
Dr. P. vom 23.10.2017. Ziel der begehrten Ausbildung sei weiterhin die Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger, zwischenzeitlich erlangt sei der Status eines "Begleitenden Seelsorgers". Arbeitsplätze als Therapeutischer Seelsorger gäbe es als Klinikseelsorger, für Trauerbegleitung, in der Telefonseelsorge und in Gemeinden. Auch eine freiberufliche Tätigkeit komme in Betracht.
Mit Schriftsatz vom 09.02.2018 verwies die Beklagte ergänzend zu ihren aktenkundigen Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren darauf, dass der Kläger bereits am 14.10.2015 und damit vor der Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Bescheid vom 12.11.2015 mit der begehrten Qualifizierungsmaßnahme begonnen habe, ohne dass eine Unaufschiebbarkeit nach
§ 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 9. Buch (SGB IX) in der bis 31.12.2017 gültigen Fassung vorgelegen habe.
Zwischenzeitlich zeigte der Kläger seinen Verzug nach A-Stadt an, wo er zum 01.01.2018 ein auf zwei Jahre befristetes Arbeitsverhältnis bei einem Unternehmen für Bestattung und Trauerbegleitung antrat.
Mit Schriftsatz vom 26.02.2018 trat der Kläger erneut der Einschätzung seines Leistungsbildes durch die Beklagte entgegen. Eine Wiedereingliederung im alten Beruf als Krankenpfleger sei wegen der bestehenden chronischen Hauterkrankungen nicht möglich. Der Beginn der Qualifizierung im Oktober 2015 sei dringlich gewesen, der nächste Ausbildungsbeginn wäre erst ein Jahr später möglich gewesen; auf Anraten der Rehaberaterin H. habe der Kläger zuvor den Antrag als Eilantrag gestellt.
Eine Berufserprobung, Beratung für einen anderen Beruf oder sonstige konkrete Maßnahmen zur Berufsfindung sei von der Beklagten bis heute unterlassen worden. Mit weiterem Schriftsatz vom 25.04.2018 teilte der Kläger mit, dass ihm die begonnene Beschäftigung in der Probezeit ohne Angabe von Gründen im Februar 2018 gekündigt worden sei. Er habe nunmehr auch die Möglichkeit einer Zertifizierung zum Berufsbetreuer und bitte die Beklagte dabei um finanzielle Unterstützung.
Aufgrund dieser geänderten Ausgangssituation veranlasste die Beklagte ein erneutes Beratungsgespräch vom 05.07.2018 durch den Rehabilitationsberater. Gemäß Schriftsatz vom 03.08.2018 wurden dem Kläger darin alternative Möglichkeiten zur Entwicklung einer tragbaren Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch erneute Teilnahme an einer Integrationsmaßnahme oder durch Durchführung einer erweiterten Arbeitserprobung und Berufsfindung angeboten. Der Kläger möge sich insoweit kurzfristig entscheiden, um das Verfahren voranzubringen.
In der mündlichen Verhandlung bestätigte der Kläger ein fortbestehendes Interesse an einer Arbeitserprobung und Berufsfindungsmaßnahme sowie einer tragfähigen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben.
Der Kläger beantragte sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.10.2017 sowie des Bescheides vom 02.05.2017 zu verurteilen, den Antrag des Klägers auf Teilhabe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu verbescheiden.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragte die Abweisung der Klage, soweit das Begehren über das Angebot vom 03.08.2018 hinausgehe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakten sowie beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Streitgegenstand ist die Ausgangsentscheidung vom 02.05.2017 mit ablehnender Überprüfungsentscheidung vom 18.08.2017, in welcher die Beklagte beantragte Leistungen zur Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger abgelehnt hat.
Die Klage mit dem Antrag auf Neuverbescheidung ist auch begründet, weil die ablehnende Entscheidung vom 02.05.2017 wegen eines Ermessensfehlgebrauchs ermessensfehlerhaft war und damit auch zugleich das Recht unrichtig angewandt wurde im Sinne des § 44
Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (
SGB X). Das der Entscheidung zugrunde gelegte Leistungsbild des Klägers wurde nämlich nicht pflichtgemäß ermittelt.
Nach § 10
Abs. 1
Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch (
SGB VI) können Versicherte unter weiteren Voraussetzungen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist.
Die Beklagte erbringt gemäß § 16
SGB VI in der anzuwendenden, bis 31.12.2017 geltenden Fassung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den
§§ 33 ff alte Fassung SGB IX (jetzt:
§§ 49 ff SGB IX; sämtliche Vorschriften des
SGB IX werden nachfolgend in der anzuwendenden alten Fassung zitiert). Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33
Abs. 1
SGB IX). Die Leistungen umfassen insbesondere auch berufliche Anpassung und Weiterbildung (§ 33
Abs. 3
Nr. 3
SGB IX) sowie berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (§ 33
Abs. 3
Nr. 4
SGB IX).
Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt (§ 33
Abs. 4 Satz 1
SGB IX). Ziel ist die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen und die Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer (§ 33
Abs. 1
SGB IX,
§§ 4 Abs. 1 Nr 3,
10 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).
Kommen nach den oben dargelegten Grundsätzen bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach verschiedene Maßnahmen in Betracht, die gleichermaßen geeignet sind, die Teilhabe des Versicherten am Arbeitsleben zu sichern, hat der Reha-Träger ein Auswahlermessen, welche Maßnahme er gewähren will (
vgl. BSG vom 17.10.2006,
B 5 RJ 15/05 R,
Rdnr. 42). Dieses Auswahlermessen muss i.
S. von § 39
Abs. 1
S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) pflichtgemäß ausgeübt werden.
Neben der im Vordergrund stehenden Orientierung der Maßnahme am Gesetzeszweck der dauerhaften beruflichen Eingliederung soll zugleich bei der Entscheidung über das "Wie" der Leistungen zur Teilhabe berechtigten Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen werden und dabei auch auf Anknüpfungspunkte wie die persönliche Lebenssituation, das Alter oder auch die religiösen oder weltanschaulichen Bedürfnisse des Leistungsberechtigten Rücksicht genommen werden (
§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Die besondere Bedeutung des Berufswunsches bei der Auswahl der Rehabilitationsmaßnahme kann also insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn der behinderte Mensch einen die Eingliederung gewährleistenden Beruf wählt, für den er uneingeschränkt geeignet ist (
vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2000,
B 11 AL 107/99,
Rdnr. 15 m.w. Nw.).
Nach diesen Grundsätzen sind von der Beklagten geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, welche diese im eigenen pflichtgemäßen Ermessen unter Berücksichtigung von Eignung und Neigung und unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auszuwählen hat. Dabei ist unter Berücksichtigung von Anknüpfungspunkten wie persönlicher Lebenssituation oder Alter berechtigten Wünschen des Leistungsberechtigten zu entsprechen.
Die Beklagte ist vorliegend zumindest formal im Außenverhältnis zum Kläger zuständiger Reha-Träger nach
§ 14 Abs. 1 und 2 SGB IX, nachdem sie innerhalb von zwei Wochen, nachdem das Reha-Begehren deutlich wurde, den Antrag nicht weitergeleitet hat; soweit eine nachzuholende pflichtgemäße Ermittlungen des Leistungsbildes ergäbe, dass die weitere Ausübung des bisherigen Berufes als Kranken- und Gesundheitspfleger allein oder ganz vordringlich wegen einer beruflich bedingten Hauterkrankung nicht möglich war, käme im Innenverhältnis der Träger letztlich auch eine Zuständigkeit der anderweitig befassten
BGW nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch,
SGB VII, in Betracht.
Zu Recht hat die Beklagte mit dem ursprünglichen, nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 12.11.2015 dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt. Unzweifelhaft war die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Beruf als Gesundheits- und Krankheitspfleger bereits alleine aufgrund der unstreitig bestehenden chronischen Hauterkrankungen zumindest gefährdet, hinzukommt eine unabhängig von ihrer Genese beachtliche in allen ärztlichen Befunden erweisliche Störung des Tag-Nacht-Rhythmus, welche die im zuletzt ausgeübten Beruf regelhaft erwartete Leistung von Schichtdiensten unzumutbar erscheinen lässt. Eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im Beruf als Gesundheits- und Krankenpfleger wurde auch von der Beklagten nicht bezweifelt.
Uneinigkeit besteht vorliegend darin, ob die vom Kläger begehrte Weiterbildung in einem pädagogisch-therapeutischen Beruf (hier: Seelsorger) geeignet ist, um die Teilhabe des Klägers am Arbeitsleben dauerhaft zu sichern.
Aus den aktenkundigen Stellungnahmen des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten ergibt sich die Grundhaltung, dass eine durch psychische Störungen zumindest mitbedingte Berufsaufgabe jedwede Tätigkeit mit pädagogischen oder therapeutischen Elementen dauerhaft als geeignete Umschulungstätigkeit ausschließt.
Eine allgemeine Zurückhaltung bei der Förderung einer Tätigkeit im pädagogischen oder therapeutischen Bereich ist dabei nicht zu beanstanden, wenn geklärt ist, dass der bisherige Beruf tatsächlich wegen Funktionsstörungen im nervenärztlichen Bereich aufgegeben werden musste und zu erwarten ist, dass eine dauerhafte gesundheitliche Einschränkung - beispielsweise eine dauerhafte psychische Minderbelastbarkeit - vorliegt.
Ergeben allerdings die Einzelfallumstände Hinweise darauf, dass für die Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf andere gesundheitliche Einschränkungen vordringlich verantwortlich sind und dass eine daneben begleitende nervlich-seelische Funktionsstörung vorübergehend war und bereits überwunden ist, so ist auch eine einzelfallbezogene Prüfung des Leistungsbildes erforderlich, um bei der Auswahl der zu erbringenden Teilhabeleistung das Ermessen richtig ausüben zu können.
Aus den im zeitlichen Zusammenhand mit der erstmaligen Beantragung von Teilhabeleistungen zum Arbeitsleben vorgelegten ärztlichen Berichten des Hautarztes
Dr. H. und
Dr. K. ergibt sich, dass die bisherige Tätigkeit als Krankenpfleger durch das chronisch-rezidivierende Hautekzeme massiv beeinträchtigt wurde; außerdem berichtet wurde über Schlafstörungen und eine psychosoziale Konfliktsituation. Im Einklang damit hatte
Dr. M. in seinem Bericht vom Oktober 2015 eine Mobbingsituation am Arbeitsplatz bei der Klinik W. als vermutete Ursache für eine durch Psychotherapie ab 2012-2015 behandelten Anpassungsstörung mit Erschöpfung und depressiver Verstimmung sowie Schlaflosigkeit beschrieben. Dabei bestand insbesondere hoher Leidensdruck aufgrund von Schlafstörungen mit gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus, welche durch den massiven Schichtdienst befördert wurden.
Die Beklagte ging nachfolgend in ihrer Leistungseinschätzung vom 01.03.2016 von einer fehlenden Eignung für pädagogisch/therapeutische Tätigkeiten aus, ohne diese Einschätzung im Anschluss hieran während des langanhaltenden Verwaltungsverfahrens einer näheren Überprüfung zum Beispiel durch eine Maßnahme zur Belastungs- und Eignungserprobung zu unterziehen.
Diese die gesundheitliche Eignung weiter aufklärenden Maßnahmen hätten sich angesichts der vorgelegten positiven Eignungsmessung des Landratsamts Oberallgäu vom 21.08.2015, dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung des
Dr. W. vom 30.06.2016 und der positiven Berichte des Klinikum K. über die absolvierte Praktikumszeit als Seelsorger durchaus aufgedrängt.
Dabei erscheint es insbesondere unverständlich, weshalb das von der Beklagten selbst in Auftrag gegebene Gutachten des
Dr. W. mit dem Ergebnis der Geeignetheit der angestrebten Förderung und der Empfehlung einer den Wünschen des Klägers entsprechenden Teilhabemaßnahme letztlich nicht weiter aufgegriffen wurde. Soweit die Beklagte Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung des Sachverständigen hatte, hätte Anlass bestanden, dem Leistungsberechtigten eine Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung konkret anzubieten, um hinsichtlich des bestehenden gesundheitlichen Eignungsbildes bessere Erkenntnisse zu erlangen.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Kosten der ersten Ausbildungsstufe zum Begleitenden Seelsorger, welche der Kläger vom Oktober 2015 bis Juli 2016 absolviert hat, als selbstbeschaffte Maßnahme vor der behördlichen Entscheidung über den Antrag vom 04.08.2015 nach
§ 15 SGB IX grundsätzlich ohne die zusätzlichen Voraussetzungen der Unaufschiebbarkeit des Maßnahmeantritts
gem. § 15
Abs. 1
SGB IX nicht zu erstatten sind. Unmittelbarer Streitgegenstand ist jedoch vorliegend nicht die Verwaltungsentscheidung vom 01.03.2016 mit sinngemäßer Ablehnung der Förderung der Ausbildung zum Begleitenden Seelsorger, sondern die erstmalig am 02.05.2017 abgelehnte Weiterbildungsmaßnahme zum Therapeutischen Seelsorger. Der Kläger hatte insoweit mit Schriftsatz vom 25.04.2017 einen eigenständigen Antrag zur Förderung der Weiterbildung zum therapeutischen Seelsorger gestellt. Dabei hat der Kläger auch fortgesetzt auf eine erforderliche individuelle Überprüfung seines Leistungsbildes hingewiesen und hat nach den vorliegenden Schriftsätzen durchaus deutlich gemacht, dass er trotz seiner eigenen klaren beruflichen Vorstellungen grundsätzlich bereit wäre, an Alternativangeboten, auch an vorbereitenden eignungsklärenden Maßnahmen mitzuwirken. Diese grundsätzlich vorhandene Bereitschaft zur Flexibilität hat der Kläger auch trotz seiner beharrlichen Versuche, in der Weiterbildung für eine seelsorgerische Tätigkeit Unterstützung zu finden, durch seine zuletzt angestrengten Versuche einer Tätigkeit als Berufsbetreuer unter Beweis gestellt. Vorliegend durfte die Beklagte letztlich angesichts der vorstehend dargelegten Einzelfallumstände nicht allein vom Grundsatz ausgehen, dass eine durch eine festgestellte psychische Komorbidität mitbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf dauerhaft belegt, dass jedwede pädagogische oder therapeutische Tätigkeit für den Kläger nicht geeignet ist.
Das nunmehr am 03.08.2018 abgegebene Angebot insbesondere auch für die Durchführung einer erweiterten Arbeitserprobung und Berufsfindung ist letztlich zu begrüßen, vermag aber die Ermessensfehlerhaftigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung vom 02.05.2017 nicht mehr zu beseitigen; die fehlende ermessensfehlerfreie Entscheidung spricht dabei einer falschen Anwendung des Rechts, so dass sich auch der Überprüfungsbescheid vom 18.08.2017 mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2017 als rechtswidrig erweist.
Eine Neuentscheidung unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens ist auch nicht obsolet, weil die gewünschte Weiterbildungsmaßnahme bereits aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen als ungeeignet ausscheidet. Dabei wurde die Ablehnung durch die Beklagte der Förderung der Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger zuletzt allein auf eine fehlende gesundheitliche Eignung gestützt. Soweit im Bescheid vom 02.05.2017 arbeitsmarktpolitische Bedenken anklingen, erscheinen diese nicht stichhaltig. So bieten insbesondere kirchliche Träger seelsorgerische Tätigkeiten mit existenzsichernden Erwerbseinkünften bei abgeschlossener Weiterbildung zum Beratenden oder Therapeutischen Seelsorger auch ohne ein abgeschlossenes theologisches Studium in Bereichen wie der Klinikseelsorge, als Gemeindepädagoge oder auch als pastoraler Mitarbeiter an.
Die Beklagte war daher zu verpflichten, die beantragte Förderung der Weiterbildung zum Therapeutischen Seelsorger neu zu verbescheiden. Neben der erforderlichen individuellen Prüfung des aktuellen Leistungsbildes des Klägers wird die Beklagte bei ihrer Entscheidung im Falle eines positiven Leistungsbildes für eine qualifizierende Maßnahme auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger in Ermangelung einer geeigneten sachgerechten Entscheidung bereits erhebliche zeitliche und finanzielle Investitionen in die künftige berufliche Tätigkeit im Bereich der Seelsorge getätigt hat, was bei einer zeitnahen tragfähigen negativen Entscheidung möglicherweise entbehrlich gewesen wäre; außerdem ist zu berücksichtigen, dass angesichts der Berufsausbildung des Klägers dem Grunde nach durchaus qualifizierende Maßnahmen in Betracht kommen und im Falle eines positiven Leistungsbildes letztlich hinsichtlich der Auswahl der angemessenen Teilhabeleistung auf den Zeitpunkt einer erstmals möglichen günstigen Entscheidung abzustellen wäre.
Eine Ermessensreduzierung auf null für die Bewilligung der begehrten Weiterbildung zum therapeutischen Seelsorger lässt sich vorliegend angesichts der fehlenden geeigneten Prüfung des Leistungsbildes derzeit nicht begründen. Die Beklagte hätte jedoch bei Feststellung eines geeigneten Leistungsbildes zu prüfen, ob sich das Auswahlermessen vorliegend auf die vom Versicherten gewählte und begonnene Maßnahme verengt (vergleiche hierzu
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2014, Az.
L 11 R 2652/13, Rn. 33 nach Juris)
Nachdem der Klage stattzugeben war, hat die Beklagte auch gemäß § 193
SGG die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.