Urteil
Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben - Zweitausbildung - Hörschädigung - arbeitsmarktliche Notwendigkeit - Vermittelbarkeit - Erstausbildung - UN-Behindertenrechtskonvention

Gericht:

SG Osnabrück 43. Kammer


Aktenzeichen:

S 43 AL 68/19 ER


Urteil vom:

26.07.2019


Grundlage:

Leitsätze:

1. Die Förderung einer Zweitausbildung (hier: zur Erzieherin) ist auch bei Vorliegen einer Behinderung (hier: erhebliche Hörminderung) nicht geboten, wenn die Versicherte im Beruf der ersten Ausbildung (hier: sozialpädagogische Assistentin) vermittelbar ist (andere Ansicht zum Rentenversicherungsrecht: SG Lüneburg, Beschluss vom 07.07.2015, S 33 R 226/15 ER). Es besteht kein Anspruch auf die bestmögliche, sondern nur auf die notwendige Förderung.

2. Etwas Anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des BFH zur "erstmaligen Berufsausbildung" bei "mehraktiven Ausbildungsmaßnahmen" im Rahmen des Kindergeldrechts (BFH, Urteil vom 15.04.2015, V R 27/14). Im SGB III ist nicht entscheidend, ob das Berufsziel des Auszubildenden erst mit dem weiterführenden Abschluss erreicht ist, sondern, ob der Versicherte mit der Erstausbildung bereits vermittelbar ist.

3. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 27 Abs. 1 UN-BRK, der einen diskriminierungsfreien Zugang zu anderen bzw. den Wechsel des Berufsfelds garantiert (andere Ansicht zum Rentenversicherungsrecht: SG Lüneburg, Beschluss vom 07.07.2015, S 33 R 226/15 ER; allgemein zu Art. 27 BRK: BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 5/14 R).

Pressemitteilung:

(des SG Osnabrück v. 23.09.2019)

Das SG Osnabrück hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass die Bundesagentur für Arbeit nicht die Kosten für eine (zweite) Ausbildung einer erheblich Hörgeschädigten zur Erzieherin übernehmen muss, da sie grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die bestmögliche Ausbildung zu finanzieren, sondern nur eine zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung.

Die im Jahr 2000 geborene Antragstellerin trägt auf der einen Seite ein Hörgerät und ist auf dem anderen Ohr mit einem Cochlea Implantat versorgt. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen H (für hilflos), GL (für gehörlos) und RF (für eine Befreiung von Rundfunkgebühren) festgestellt. Die Antragstellerin besuchte bis Sommer 2017 eine Schule für Hörgeschädigte. In einem im Jahr 2016 erstatteten psychologischen Gutachten wird über die Antragstellerin ausgeführt, dass sie in einer sehr ruhigen Umgebung in der Lage sei, das gesprochene Wort zu verstehen. Sie greife auf Lippenlesen zurück und nutze unterstützende Gesten. Eine Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten ergab ein allgemeines intellektuelles Leistungsvermögen leicht unter dem Durchschnitt der Hauptschulnorm. Die Antragstellerin wurde als sehr freundlich, zugewandt und aufmerksam beschrieben. Eine Berufsausbildung komme auf einem eher einfachen Niveau in Frage. Die Testergebnisse seien im Grenzbereich zur Lernbehinderung anzusehen, sodass eine kontinuierliche Unterstützung bei der Ausbildung erforderlich sei.

Im Anschluss an die Schule schloss die Antragstellerin eine zweijährige, von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Ausbildung zur staatlich anerkannten sozialpädagogischen Assistentin mit der Durchschnittsnote 2,6 ab. In einer Stellungnahme führte die Klassenleiterin der Antragstellerin aus, dass diese über alle Voraussetzungen verfüge, den Beruf der Erzieherin in einem hörgeschädigtengerechten Umfeld im Rehabilitationsrahmen zu erlernen. Die Motivation und Qualität der Arbeit der Antragstellerin wurden positiv hervorgehoben.

Die im April 2019 bei der Bundesagentur für Arbeit beantragte Übernahme der Kosten für eine Ausbildung als Erzieherin lehnte die Bundesagentur unter Hinweis auf § 7 SGB III ab. Mit dem Berufsabschluss der sozialpädagogischen Assistentin sei das Förderziel erreicht. Es bestünden sehr gute Vermittlungschancen für eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es bestehe keine Notwendigkeit einer weiteren Förderung. Darüber hinaus bestehe die Gefahr einer Überforderung der Antragstellerin. Nachdem der Widerspruch der Antragstellerin erfolglos geblieben ist, hat sich diese mit Klage und einstweiligem Rechtsschutzersuchen an das SG Osnabrück gewandt.

Das SG Osnabrück hat den Antrag abgelehnt.

Nach Auffassung des Sozialgerichts ist die Ablehnung der weiteren Förderung der Antragstellerin rechtmäßig. Dabei sei ausdrücklich offengelassen worden, ob die Ausübung des Berufs der Erzieherin mit den bei der Antragstellerin unstreitig gegebenen Einschränkungen überhaupt möglich sei. Es bestünden insoweit gewisse Zweifel, welche aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht aufgeklärt werden könnten. Jedenfalls habe das Gericht aber eine sog. arbeitsmarktliche Notwendigkeit als nicht glaubhaft gemacht angesehen. Die Antragstellerin habe allein einen Anspruch darauf, dass ihr durch die Bundesagentur für Arbeit die zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendige Ausbildung, nicht jedoch die bestmögliche gewährt werde. Die Antragstellerin sei mit dem von ihr bislang erlernten Beruf auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar.

Das Gericht habe in seine Betrachtungen auch die UN-Behindertenrechtskonvention einbezogen. Das Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu einer anderweitigen als der aktuell ausgeübten Tätigkeit sei jedoch gewahrt, da auch ohne die Behinderung der Antragstellerin eine Zweitausbildung von der arbeitsmarktlichen Notwendigkeit abhängen würde. Eine solche bestehe aber vorliegend gerade nicht.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sie ist mit der Beschwerde zum LSG Celle-Bremen angegriffen worden (AZ.: L 11 AL 70/19 B).

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes Niedersachsen

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

I.

Die Antragstellerin begehrt mit dem vorliegenden Verfahren die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme für eine Ausbildung zur Erzieherin ab dem 12.08.2019.

Bei der im Jahr 2000 geborenen Antragstellerin liegt eine erhebliche Hörschädigung vor. Sie trägt auf der einen Seite ein Hörgerät und ist auf dem anderen Ohr mit einem Cochlea Implantat versorgt. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Merkzeichen H für hilflos, Gl für gehörlos und RF für eine Befreiung von den Rundfunkgebühren festgestellt (Blatt 14 der GA). Sie besuchte bis zum Sommer 2017 die Schule im Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte in C-Stadt und verließ die Schule nach der 10. Klasse.

Während des Besuchs der 9. Klasse erstellte die Antragsgegnerin ein psychologisches Gutachten über die Antragstellerin. In diesem Gutachten vom 13.04.2016 führte der Diplom-Psychologe C. aus, dass die Antragstellerin mit ihrer Hörschädigung in der Lage sei, das gesprochene Wort in einer sehr ruhigen Umgebung zu verstehen. Dabei greife sie auf das Lippenlesen zurück und nutze unterstützende Gebärden. Eine Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten durch einen psychologischen Test der Arbeitsagentur (PSU) habe ein allgemeines intellektuelles Leistungsvermögen leicht unter dem Durchschnitt der Hauptschulnorm ergeben. Die Antragstellerin sei sehr freundlich, zugewandt und aufmerksam. Die Testergebnisse würden darauf hinweisen, dass eine Berufsausbildung eher auf einfachem Niveau infrage komme. Eine sehr sorgfältige Vorbereitung auf die Ausbildung sei zwingend erforderlich. Die Testergebnisse seien im Grenzbereich zur Lernbehinderung anzusehen, sodass von einer kontinuierlichen Unterstützung für eine einfache Vollausbildung auszugehen sei.

Nach der Schule absolvierte die Antragstellerin eine Ausbildung zur Staatlich anerkannten sozialpädagogischen Assistentin in der Berufsschule für Sonderpädagogik in D. Diese Ausbildung schloss sie im Jahr 2019 erfolgreich mit der Durchschnittsnote 2,6 ab, siehe dazu das Abschlusszeugnis vom 28.06.2019 (Blatt 46 der GA). Die einzelnen Noten verteilen sich auf die beiden Noten "gut" und "befriedigend". Im berufsbezogenen Bereich hat die Antragstellerin zweimal die Note "gut" und zweimal die Note "befriedigend" erhalten. Im Wahlpflichtbereich hat sie fünf Mal die Note "gut" erreicht, im berufsübergreifenden Bereich von vier Noten dreimal die Note "befriedigend" erhalten. Die Prüfungsleistungen wurden jeweils mit der Note "befriedigend" bewertet. Für weitere Einzelheiten wird auf Blatt 46 f. der GA verwiesen. Nach der Leistungs-, und Verhaltensbeurteilung vom 28.06.2019 ist die Antragstellerin als sozialpädagogische Assistenten gut in der Lage, im Elementarbereich zu arbeiten. Ihr Wunsch und Schwerpunkt sei der Arbeitsbereich mit jungen Erwachsenen beeinträchtigten Menschen. Da dies mit der bisherigen Ausbildung kaum möglich sei, strebe sie die Aufbauausbildung als Erzieherin an.

Am 01.02.2019 sprach die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor. Nach einem über dieses Gespräch gefertigten Aktenvermerk des Mitarbeiters der Antragsgegnerin, Herrn E., gab die Antragstellerin in diesem Gespräch an, dass sie eine Ausbildung zur Erzieherin in D. absolvieren wolle. Die Antragstellerin sei darauf hingewiesen worden, dass die Erzieherausbildung in NRW und Niedersachsen nur zwei Jahre betragen würde. Außerdem sei das Berufsbild Erzieherin von der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit F. ausdrücklich nicht in die Bildungszielplanung für 2019 aufgenommen worden. Der Antragstellerin sei eine Kontaktaufnahme mit der G-Schule in H. und der I-Schule in F. geraten worden. Seit August 2019 seien die Berufsschulen zur Inklusion verpflichtet. Dies habe die Antragstellerin jedoch nicht gewollt.

Am 12.04.2019 beantragte die Antragstellerin die Übernahme der Kosten für eine Ausbildung als Erzieherin. Voraussetzung für diese Ausbildung sei die vorherige Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin gewesen. Nach Rücksprache mit der Schule werde eine Weiterführung der Ausbildung von ihrem Ausbildungsleiter und dem Schulleiter empfohlen. Insoweit fügte die Antragstellerin das Halbjahreszeugnis aus Januar 2019 bei, in dem sich ebenfalls die Noten "gut" und "befriedigend" finden. Die Verteilung war auch zu diesem Zeitpunkt ähnlich wie im Abschlusszeugnis. Für weitere Einzelheiten wird auf Blatt 22 der Verwaltungsakte verwiesen. In einer beigefügten sozialpädagogischen Stellungnahme der Ausbildungsstätte vom 06.02.2019 führten die Erzieherin, Frau J., und der Fallmanager, Herr K., aus, dass die Antragstellerin als Kommunikationsmittel sowohl die Lautsprache, als auch lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) und die Deutsche Gebärdensprache (DGS) nutze. Bei Unklarheiten stelle Sie Rückfragen. Durch ihre offene Art gelinge es der Antragstellerin, schnell Kontakt zu ihren Mitmenschen aufzubauen und diesen zu intensivieren. Sie sei gut in der Lage, mit anderen Personen zusammenzuarbeiten. Aufgrund ihrer kommunikativen Barrieren sei die Antragstellerin auf Unterstützung in Form von Hilfsmitteln (Dolmetscher, technische Hilfsmittel, etc.) angewiesen. In einer berufspädagogischen Stellungnahme vom 15.02.2019 führte die Klassenleitung, Frau L., aus, dass es der Antragstellerin gelungen sei, die schulisch erworbenen theoretischen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. Sie verfüge über die notwendigen kommunikativen Fähigkeiten, um sowohl in integrativen Einrichtungen mit Hörenden als auch mit hörgeschädigten Teams und Klienten arbeiten zu können. In größeren Gruppen wende sie entsprechende Hörtaktiken wie das Absehen vom Mund und das Nachfragen an. In kleineren Gruppen könne sie lautsprachlich kommunizieren, wenn es nicht zu laut sei. Blickkontakt und eine deutliche Aussprache erleichterten ihr die Kommunikation. Die Antragstellerin verfüge über alle Voraussetzungen, den Beruf der Erzieherin in einem hörgeschädigtengerechten Umfeld im Rehabilitationsrahmen zu erlernen. Als Erzieherin könne sie in ihrem beruflichen Profil tätig werden. Im Rahmen der Praktika sei in den Beurteilungen das Arbeitsverhalten der Antragstellerin hinsichtlich ihrer Motivation und der Qualität ihrer Arbeit positiv hervorgehoben worden.

Mit Bescheid vom 23.04.2019 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin ab. Nach § 7 SGB III seien bei der Auswahl der Leistungen die Fähigkeiten der zu fördernde Person, sowie der individuelle Förderbedarf zugrunde zu legen. Entscheidend sei, was notwendig sei, um eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. Es bestehe kein Anspruch auf die bestmögliche Förderung. Nach dem maßgeblichen psychologischen Gutachten der Agentur für Arbeit C-Stadt vom 12.04.2016 (gemeint wohl: 13.04.2016) lägen die Testergebnisse der Antragstellerin im Grenzbereich zur Lernbehinderung. Die empfohlene einfache Vollausbildung mit kontinuierlicher Unterstützung sei bewilligt worden. Mit dem Berufsabschluss Sozialpädagogische Assistentin sei das Förderziel erreicht. Für diesen Beruf seien der Antragstellerin am 12.04.2019 bereits geeignete Stellenangebote unterbreitet worden. Es bestünden sehr gute Vermittlungschancen. Deshalb werde der Antrag wegen hoher Überforderungsrisiken und mangelnder arbeitsmarktlicher Notwendigkeit abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit E-Mail vom 26.04.2019 Widerspruch ein. Von einer Überforderung könne schlichtweg keine Rede sein. Das Berufen auf ein über drei Jahre altes Gutachten dürfe rechtlich nicht in Ordnung sein. Sie habe in den letzten Jahren einen Reifeprozess absolviert. Es liege keine geistige Lernbehinderung, sondern eine körperliche Behinderung vor. Den Realschulabschluss habe sie erfolgreich absolviert und nach Rücksprache mit ihrer Schule werde die Weiterführung der Ausbildung von ihrem Ausbildungsleiter und der Schulleitung empfohlen. Das Absolvieren der Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin sei dabei nur eine unumgängliche Vorstufe zur Ausbildung zur Erzieherin. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe insoweit zu § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ausgeführt, dass die dort genannte erstmalige Berufsausbildung erst mit dem endgültigen Berufsziel erreicht sei, wenn verschiedene Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden (BFH, Urteil vom 15.04.2015, V R 27/14; BFH, Urteil vom 03.09.2015, V R 9/15). Dies sei hier der Fall. Auch sei die weitere Qualifizierung sehr wohl notwendig. Durch das aktuell verabschiedete Gute-Kita-Gesetz der Bundesregierung werde unter anderem eine bessere Qualität in den Kitas und eine bessere/höhere Qualifikation der Betreuer angestrebt. In den meisten Bundesländern würde immer mehr auf pädagogische Fachkräfte gesetzt, da die Ansprüche an die Arbeitnehmer stetig steigen würden. Ihr sei zudem damals im Jahr 2016 nicht bewusst gewesen, dass von ihr ein psychologisches Gutachten erstellt werde. In Unkenntnis dürfte ein solches Gutachten rechtlich wohl bedenklich sein. Auch ein Gebärdendolmetscher habe ihr nicht zur Verfügung gestanden.

In einer daraufhin intern von der Antragsgegnerin eingeholten Stellungnahme führte der Mitarbeiter der Antragsgegnerin, Herr E., in einem Schreiben vom 14.05.2019 aus, dass kein Anlass bestehe, das berufspsychologische Gutachten infrage zu stellen. Der Gutachter habe langjährige Berufserfahrung und seine Aussagen seien aus beraterischer Sicht nachvollziehbar. Die Einschränkungen der Antragstellerin seien bei Durchführung der Begutachtung berücksichtigt worden. Die große Diskrepanz zu den Eignungsaussagen des Bildungsträger könnten nicht erklärt werden, schließlich müsse eine Erzieherin unter anderem dazu in der Lage sein, eine Kindergartengruppe selbstständig zu leiten. Dies würde die Antragstellerin jedoch überfordern. Zum Arbeitsmarkt sei auszuführen, dass die Aufnahme einer ungeförderten Tätigkeit erste Priorität habe. Eine schnelle, konkrete Vermittlungschance in eine dauerhafte Beschäftigung sei bei der Antragstellerin gegeben. Es hätten bereits drei geeignete Stellenangebote unterbreitet werden können, die Antragstellerin weigere sich bisher aber, adäquat mitzuwirken. Allein die Maßnahmekosten würden für die weiter geplante Ausbildung zur Erzieherin in D. 120.000 EUR kosten. Zwar sei es richtig, dass es nicht genügend Erzieherinnen und Erzieher gebe. Aber gerade deshalb hätten jetzt auch verstärkt andere Fachkräfte mit einer zweijährigen Ausbildung, wie zum Beispiel Kinderpfleger oder sozialpädagogische Assistenten eine Chance, eingestellt zu werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2019 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Eine arbeitsmarktliche Notwendigkeit zur Förderung einer weiteren Qualifizierung zu Erzieherin im Rahmen der beruflichen Rehabilitation sei nicht erkennbar. Es seien ausreichend geeignete Arbeitsstellen für die erlangte Qualifikation als sozialpädagogische Assistentin vorhanden. Auch hierbei handelt es sich schließlich um einen Berufsabschluss. Dass sich auch der Arbeitsmarkt für Erzieherinnen positiv darstelle, werde damit nicht bestritten. Gerade daraus ergebe sich jedoch auch eine weitergehende Möglichkeit für die Antragstellerin. Zudem könne für die angestrebte Ausbildung eine Eignung nicht bestätigt werden, es sei aufgrund der Leistungseinschränkung der Antragstellerin eine Überforderung zu erwarten. Das Gutachten aus dem Jahr 2016 könne für diese Beurteilung herangezogen werden. In diesem sei die Körperbehinderung der Antragstellerin dokumentiert. Diese schließe nach dieser Beurteilung die Ausübung der Tätigkeit als Erzieherin aus. Mit der Leitung einer Kindergartengruppe sei die Antragstellerin überfordert.

Gegen den Bescheid vom 23.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2019 erhob die Antragstellerin am 10.06.2019 Klage (S 43 AL 64/19). Am 27.06.2019 hat sich die Antragstellerin zudem mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz an das Gericht gewandt.

Die Ausbildung sei notwendig. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich hier bei den Tätigkeiten (sozialpädagogische Assistentin und Erzieherin) um in großen Teilen wesensverschiede Aufgabenfelder handele. Sozialassistenten seien lediglich ergänzend neben einer Erzieherin oder einem Erzieher in einer Kindertagesstätte tätig. Sie würden dabei Aufgaben von untergeordneter Bedeutung übernehmen. Sie besitze jedoch die Fähigkeiten, um langfristig als Erzieherin tätig werden zu können. Zur weiteren Begründung verwies die Antragstellerin auf eine Entscheidung des SG Lüneburg (Beschluss vom 07.07.2015, S 33 R 226/15 ER). Demnach könne sie nicht darauf verwiesen werden, dass es sich bei der Ausbildung zur Sozialassistentin bereits um eine Ausbildung handele.

Zudem sei sie hochmotiviert und habe ausweislich ihrer Zeugnisse und der Bestätigungen der Schule auch die Eignung, die Ausbildung zur Erzieherin anzutreten. Hierfür habe das Bestehen der Ausbildung allein nicht genügt. Das Abschlusszeugnis müsse vielmehr entsprechende Noten aufweisen, was hier der Fall sei. Unter Berücksichtigung ihres Abschlusszeugnisses und der dortigen Leistungs-, und Verhaltensbeurteilung vom 28.06.2019 könne an ihrer Eignung kein vernünftiger Zweifel bestehen. Es werde ausdrücklich die Erzieherausbildung befürwortet. Zudem verweist die Antragstellerin auf eine Stellungnahme des Schulleiters M. In einer E-Mail vom 11.07.2019 führt dieser aus, dass er aufgrund seiner 24-jährigen Erfahrung sicher sei, dass das Sprachniveau der Antragstellerin für die dortige Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin absolut ausreichend sei. Die Einrichtung sei für Menschen mit Behinderung da, fast alle Ehemaligen seien noch heute im Beruf der Erzieherin tätig. Die Antragsgegnerin nehme fälschlicherweise Bezug auf die Leitung einer Kindergartengruppe. Es gehe jedoch nicht um die Leitung einer Gruppe, sondern die Förderung einer Erzieherausbildung. In der Praxis habe sie sich in den Praktika in verschiedenen Betreuungseinrichtungen bereits bewiesen.

Darüber hinaus gebiete die UN-Behindertenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dem behinderten Menschen eine Höherqualifizierung zu ermöglichen. Es genüge nicht, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben könne, vielmehr müsse der Zugang zu anderen bzw. der Wechsel von Berufsausbildungen diskriminierungsfrei ermöglicht werden. Insoweit verweist die Antragstellerin auf eine Entscheidung des BSG (Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 5/14 R). Bezüglich des Tests aus dem Jahr 2016 sei zudem noch darauf hinzuweisen, dass hier ca. 20 Schülerinnen und Schüler in einem Raum anwesend gewesen seien. Es habe keinen Gebärdendolmetscher gegeben, den sie normalerweise benötige. Auch habe der Lehrer nicht erklärt, was bei diesem Test gemacht werden solle. Auch sei dieser Test bereits drei Jahre alt. Unverständlich sei zudem, dass anderen Klassenkameraden in der gleichen Situation seitens der Antragsgegnerin eine Erzieherausbildung sehr wohl gezahlt werde. Das Ermessen sei hier auf Null reduziert, da es keine andere Einrichtung gebe, die ihre behinderungsbedingte Beeinträchtigung ausreichend ausgleichen könnte.

Auch der Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht, da die angestrebte Ausbildung bereits am 12.08.2019 beginne. Die Argumentation der Antragsgegnerin, man dürfe die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen, würde ein Eilverfahren stets ad absurdum führen. Zudem legt die Antragstellerin eine persönliche Stellungnahme vor, auf die ergänzend verwiesen wird (Blatt 11 f. der GA).


Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme für eine Ausbildung zu Erzieherin ab dem 12.08.2019 in der Gehörlosenfachschule D. zu gewähren.


Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig. Zum Anordnungsgrund sei der juristische Grundsatz zu berücksichtigen, dass die streitige Angelegenheit nicht abschließend im Rahmen eines nur summarischen Überprüfungsverfahrens innerhalb eines einstweiligen Anordnungsverfahrens entschieden werden dürfe. Es würden keine schweren oder nicht mehr wieder gut zu machende Nachteile drohen. Die Antragstellerin sei erst 18 Jahre alt und stehe gerade am Beginn Ihres beruflichen Werdegangs. Die Fragen seien derart komplex, dass sie im vorliegenden Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden könnten.

Auch bestehe kein Anordnungsanspruch. Dies sei nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null der Fall. Eine solche liege jedoch nicht vor. Sowohl an der Eignung der Antragstellerin als auch an der Notwendigkeit der erneuten Weiterbildungsmaßnahme bestünden Zweifel. Außerdem sei eine zweijährige Ausbildung an der G-Schule in H. eine ernsthafte Alternative zur angestrebten Ausbildung, die sich als deutlich günstiger darstellen dürfte. Aus den im vorliegenden Verfahren vorgelegten Unterlagen ergebe sich nicht, dass die Antragstellerin für die angestrebte Ausbildung als Erzieherin personell und fachlich voll umfassend geeignet sei. So spreche zum Beispiel die sozialpädagogische Stellungnahme der bisherigen Ausbildungsstätte vom 06.02.2019 davon, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer kommunikativen Barrieren auf Unterstützung in Form von Hilfsmitteln angewiesen sei. Dies sei im Berufsalltag dann ebenfalls der Fall, da die gesundheitliche Einschränkung der Antragstellerin dauerhaft sei. Damit sei nicht klar, ob sie eine künftig auf sie zukommende Leitung einer Kindergartengruppe meistern könne, sich also weitestgehend allein kommunikativ mit den Kindern auseinanderzusetzen. Auch in der berufspädagogischen Stellungnahme vom 15.02.2019 würden Zweifel an der Eignung der Antragstellerin insoweit laut, als dass bescheinigt werde, dass die Antragstellerin mittels Laut- oder Gebärdensprache kommuniziere. Dies werde jedoch nicht jedes Kind ohne Weiteres verstehen und verdeutliche erneut den Hilfsbedarf. Außerdem heiße es dort wörtlich, dass die Antragstellerin in Kleingruppen laut sprachlich kommunizieren könne, wenn es nicht zu laut ist. Diese Bedingungen seien im Berufsalltag einer Erzieherin schwer zu finden. Die Ausbildungsstätte dürfe zudem ein gehöriges Eigeninteresse daran haben, die Antragstellerin weiterhin auszubilden.

Bezüglich der arbeitsmarktlichen Notwendigkeit werde auf die bereits angesprochenen Vermittlungsvorschläge verwiesen, die beigefügt sind (vgl. Blatt 26 bis 33 der GA). Der Antragstellerin seien mittlerweile sieben Stellenangebote unterbreitet worden. Auch handele es sich um eine Zweitausbildung. Die angestrebte Ausbildungsstelle stelle einen beruflichen Aufstieg dar, für den das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz einschlägig sei. Bei den Entscheidungen anderer Agenturen handele es sich um Einzelfallentscheidungen, insofern könne die Antragsgegnerin keine Angaben zu den behaupteten positiven Entscheidungen andere Agenturen machen. Die Antragstellerin habe sich bei der Maßnahme in D. zudem bereits ohne eine Förderanlage angemeldet. Insoweit verweist der Antragsgegner auf eine Stellungnahme der Bildungseinrichtung vom 21.06.2019 (Blatt 55 der GA).

Ergänzend wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen hier nicht vor.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ebenfalls eine einstweilige Anordnung treffen. Hierfür bedarf es der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes durch den Antragsteller (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b, Rn. 27 ff.). Der Anordnungsgrund betrifft die Frage der Eilbedürftigkeit oder Dringlichkeit. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs betrifft demgegenüber die Prüfung der Erfolgsaussichten des geltend gemachten Anspruchs, d.h. der Rechtsanspruch muss mit großer Wahrscheinlichkeit begründet sein und aller Voraussicht auch im Klageverfahren bestätigt werden.

Die Kammer lässt offen, ob ein Anordnungsgrund besteht (dazu unter 1), nach dem derzeitigen Stand der Akten ist zumindest ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden (dazu unter 2).

1. Ob ein Anordnungsgrund besteht, lässt die Kammer offen.

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass bei angestrebten Rehabilitationsmaßnahmen, bei denen ein Einstieg nur jährlich möglich ist, ein Anordnungsgrund vorliegt. Ein Zuwarten um ein Jahr, um das Hauptsacheverfahren abzuwarten, ist dem behinderten Menschen grundsätzlich nicht zumutbar. Die Kammer würde insoweit auch nicht von einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache ausgehen.

Im vorliegenden Fall bestehen an dieser Einschätzung allerdings deshalb Zweifel, da die Antragstellerin bereits eine Ausbildung absolviert hat, also auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann (dazu näher unter 2) und sie tatsächlich noch sehr jung ist. Es erscheint vor dem Hintergrund nicht völlig unzumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten und in der Zwischenzeit in dem bereits erlernten Beruf zu arbeiten.

2. Diese Frage konnte die Kammer letztlich offen lassen, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht wurde.

Dabei lässt die Kammer wiederum offen, ob die Antragstellerin für die angestrebte Tätigkeit als Erzieherin geeignet ist (dazu unter a), zumindest sieht die Kammer nach dem aktuellen Stand eine arbeitsmarktliche Notwendigkeit nicht als gegeben an (dazu unter b).

a) Die Frage der Eignung der Antragstellerin für die angestrebte Ausbildung und den Tätigkeitsbereich der Erzieherin kann die Kammer im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilen.

aa) Dabei hat sich die Kammer nicht maßgeblich auf das Gutachten des Dipl. Psych. C. gestützt. Daran, dass dieses nach über drei Jahren tatsächlich noch aussagekräftig ist, könnten zumindest Zweifel bestehen. Ob sich die kognitiven Fähigkeiten in dieser Zeit weiterentwickelt haben, daran könnten zwar ggf. Zweifel bestehen, da sich diese insgesamt als doch eher stabil darstellen dürften, allerdings soll der Antragstellerin nicht abgesprochen werden, dass sie in den letzten Jahren wahrscheinlich einen Reifeprozess im Erwachsenwerden durchlebt hat, der sich positiv auf die Eignung auswirken könnte. Auch könnten die kognitiven Fähigkeiten der Antragstellerin bei dem streitgegenständlichen Test ggf. nicht richtig eingeschätzt worden sein.

Die eingebrachten Einwände, dass der Antragstellerin nicht hinreichend erklärt worden sei, dass ein psychologisches Gutachten erstellt werde und sie die Situation wegen eines fehlenden Gebärdendolmetschers nicht richtig habe erfassen können, werden nach dem bisherigen Stand jedoch nicht als durchgreifend angesehen. Es dürfte sich bei dem genannten Test um einen schriftlichen Test handeln, der schriftlich zu beantworten war. Soweit es sich hier um einen Test wie dem unter https://www.ausbildungspark.com/einstellungstest/psychologischer-test-der-arbeitsagentur/ zu findenden gehandelt haben sollte, dürften hierbei mündliche Erläuterungen im Vorfeld des Tests zwar sinnvoll, aber nicht völlig zwingend sein. Um welchen Test es sich genau gehandelt hat, mag ggf. im Hauptsacheverfahren aufgeklärt werden.

bb) Die Kammer hat aber anhand der Beurteilungen der Einrichtung auch gewisse Zweifel, ob eine Ausübung des Berufs der Erzieherin der Antragstellerin mit ihren unstreitig gegebenen Einschränkungen möglich ist. Dabei hat die Kammer nicht auf eine Gruppenleitung abgestellt, da es in Kindergarten-, Kita- und Krippengruppen auch erzieherische Zweit- und teilweise auch Drittkräfte gibt. Auch als Zweitkraft dürfte jedoch die Kommunikation mit den Kindern einen wichtigen Teil des Arbeitsalltags ausmachen, beim Lösen von Konflikten der Kinder untereinander, bei Gruppenangeboten, beim gemeinsamen Spiel mit den Kindern, aber nicht zuletzt auch in Gefahrensituationen. Ob die Fähigkeiten der Antragstellerin hierfür ausreichend sind, ist zumindest nicht abschließend klar. So wird übereinstimmend berichtet, dass die Antragstellerin sich sowohl der Lautsprache und ergänzenden Gebärden, aber auch der Gebärdensprache bedient. Eine Kommunikation mittels Lautsprache sei aber nur möglich, wenn es nicht zu laut sei. Dies dürfte in einer Kindergartengruppe aber nur sehr selten der Fall sein.

Dabei können diese Zweifel auch nicht völlig mit dem Hinweis beseitigt werden, die Antragstellerin strebe den Einsatz unter anderen hörbeeinträchtigten Kindern an. Auch insoweit ist eine Eignung nach dem aktuellen Stand nicht glaubhaft gemacht worden. Es kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Antragstellerin insoweit hinreichend über Laut- und Gebärdensprache kommunizieren kann, wie dies für eine adäquate pädagogische Arbeit als Erzieherin notwendig wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in Kindergartengruppen häufig vorkommt, dass viele Kinder gleichzeitig etwas von der Erzieherin wollen, was bereits bei insoweit unbeeinträchtigten Menschen zu einer hohen Anstrengung führt und ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit erfordert. Dabei ist ein gewisses Eigeninteresse bei den Stellungnahmen der Einrichtung nicht ganz von der Hand zu weisen.

Mit der Einschätzung soll nicht präjudiziert werden, dass die Antragstellerin für den Beruf nicht geeignet ist. Es bestehen aber gewisse Zweifel. Eine weitere Aufklärung wäre im Hauptsacheverfahren - soweit es in Bezug auf die arbeitsmarktliche Notwendigkeit darauf ankommt - durch einen gerichtlichen Gutachter notwendig.

b) Die arbeitsmarktliche Notwendigkeit sieht die Kammer nach dem derzeitigen Stand als nicht glaubhaft gemacht an.

Die Kammer teilt im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin in ihrem bislang erlernten Beruf vermittelbar wäre. Dabei ist der Antragsgegnerin auch in der rechtlichen Einschätzung zuzustimmen, dass nicht die bestmögliche, sondern nur die zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendig Ausbildung seitens der Antragsgegnerin geschuldet ist. Dass eine weitere Ausbildung - eine Eignung vorausgesetzt - für die Antragstellerin positiv wäre und sie danach ggf. den bestehenden Fachkräftemangel mit ausgleichen kann, ist damit nicht relevant. Zwar ist es richtig, dass gerade im Erzieherbereich viele Stellen nicht besetzt sind. Ebenso stimmt jedoch auch die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass gerade dann auch ein Rückgriff auf sozialpädagogische Assistenten erfolgt. Etwas andere ergibt sich auch nicht aus den Anforderungen des zitierten "Gute-Kita-Gesetzes". Der gesetzgeberische Wille, hier eine weitere Fachqualifizierung zu schaffen, führt nicht im Einzelfall dazu, dass eine im Sinne des Arbeitsförderungsrechts nicht notwendige Ausbildung zu finanzieren ist.

Auch der Vergleich mit der Rechtsprechung des BFH führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist dabei anzumerken, dass sich keine der zitierten Entscheidungen mit dem Beruf der Erzieherin auseinandersetzt. Auch wenn diese Überlegungen auf die Ausbildung zur Erzieherin übertragbar sind, so ist der unterschiedliche rechtliche Rahmen der Vorschriften zu beachten. Im SGB III ist allein entscheidend, ob mit der bisherigen Ausbildung eine Integration in den Arbeitsmarkt unter den gegebenen Umständen der Versicherten zeitnah wahrscheinlich ist. Dafür ist nicht relevant, dass diese Ausbildung ggf. für viele Absolventen ein Durchgangsstadium für eine weitere Qualifikation ist. Es ist im Gegensatz zum Steuerrecht gerade nicht das angestrebte endgültige Ausbildungsziel entscheidend, sondern, ob die Versicherte mit der aktuellen Ausbildung vermittelbar ist. Dies ist nach Ansicht der Kammer hier der Fall. Insoweit kann ergänzend auf die seitens der Antragsgegnerin vorgelegten Stellenbeschreibungen verwiesen werden.

Etwas Anderes ergibt sich vorliegend nicht aus der UN-Behindertenrechtskonvention. Das zitierte Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu einer anderweitigen als der aktuell ausgeübten Tätigkeit (BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 5/14 R, Rn. 24) ist hier gewahrt, da auch ohne die Behinderung der Antragstellerin eine Zweitausbildung von der arbeitsmarktlichen Notwendigkeit abhängen würde. Die UN-Behindertenrechtskonvention verschafft kein Recht auf eine Besserstellung in diesem Zusammenhang. Damit können die völkerrechtlichen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen (siehe dazu: Stölting/Greiser in: SGB 2016, 136 ff.), hier ebenfalls offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R8375


Informationsstand: 19.03.2020