Urteil
Anspruch auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz bei zerebralen Schäden

Gericht:

LSG München


Aktenzeichen:

L 15 BL 2/17


Urteil vom:

28.07.2020


Grundlage:

  • BayBlindG Art. 1

Leitsätze

1. Maßgeblich bei der Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall blindheitsbedingte Mehraufwendungen möglich sind, ist die objektive Situation des betroffenen blinden Menschen. Ob blindheitsbedingte Mehraufwendungen von dem Betroffenen tatsächlich getragen werden, ist dabei nur ein Indiz.

2. Geringfügiger, gegebenenfalls singulärer Mehraufwand bleibt außer Betracht.

Rechtsweg:

SG München, Urteil vom 30. November 2016 - S 11 BL 1/13

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des 1940 geborenen und 2016 verstorbenen Klägers (im Folgenden: Antragsteller) auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG).

Die Klägerin ist die Ehefrau des Antragstellers und führt als dessen Rechtsnachfolgerin den Rechtsstreit fort. Der Antragsteller erlitt am 03.10.2010 aufgrund einer Aneurysmaruptur eine Hirnblutung, die zu schweren zerebralen Schäden führte. Zuletzt sind für ihn (mit Bescheid vom 02.07.2012) ein Grad der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, aG, B, H, und RF festgestellt worden. Der Antragsteller lebte zuletzt in einer Pflegeeinrichtung in N-Stadt.

Die gesetzlichen Betreuer stellten für ihn am 16.10.2011 einen Antrag auf Gewährung von Blindengeld beim Beklagten (Auslegung des Antrags auf Feststellung des GdB). Im am 06.02.2012 beim Beklagten eingegangenen Schreiben wiesen die Betreuer darauf hin, dass beim Antragsteller keine Sehfähigkeit gegeben sei; jedoch könne der Kranke partiell hören, tasten und gezielte sonstige Bewegungen wie etwa Schluck- und Kehlkopfbewegungen machen.

Der Allgemeinarzt Dr. J. teilte im Befundbericht vom 30.10.2011 mit, dass seit der Subarachnoidalblutung am 03.10.2010 ein apallisches Syndrom bestehe. Der Antragsteller zeige Reaktion auf Lärm, aber keine sonstige Reaktion wie z.B. Augenfolgen, außer gelegentliche Spontanbewegungen des linken Arms. Der Antragsteller werde in den Pflegerollstuhl mobilisiert, was sehr aufwendig sei. Es sei ein ventriculoperitonealer Shunt angelegt worden; die Ernährung erfolge mittels PEG-Sonde. Blindheit könne nicht bestätigt, jedoch auch nicht ausgeschlossen werden.

Weiter wertete der Beklagte ein Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit vom 16.03.2011 aus. Daraus geht hervor, dass der Antragsteller vollständig bettlägerig sei. Mangels Äußerung des Antragstellers sei seine Orientierung nicht zu beurteilen. Eine eigenständige Beschäftigung sei nicht möglich. Auch Gedächtnisleistungen seien mangels Äußerung nicht beurteilbar. Gleiches gelte für die Wahrnehmung und das Denken. Eine verbale Kommunikation sei nicht möglich. Die Wahrnehmung und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte seien dem Antragsteller ebenfalls nicht möglich. Weiter ist in dem Gutachten dargestellt, dass der Antragsteller unfähig sei, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen. Er könne sich allgemein nicht mehr adäquat artikulieren und sei dadurch in seiner Alltagskompetenz eingeschränkt. Der Antragsteller leide an einem demenziellen Syndrom, einem Zustand nach Subarachnoidalblutung erlitten bei Aneurysma der Arteria communicans posterior mit Hydrocephalus und Infarkt der Arteria cerebri media. An Pflegeerschwernissen bestünden eine Hemiparese rechts, eine zentrale Sprachstörung sowie Schluckstörungen.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 16.05.2012 hielt Dr. L. fest, dass nach der Beurteilung der Aufnahmen des Gehirns des Antragstellers zusammenfassend festzustellen sei, dass eine schwere Schädigung der zentralen Sehstrukturen auf der linken Seite des Gehirns vorliege, die Sehstrukturen auf der rechten Seite aber keine hochgradige Schädigung aufweisen würden, so dass auch durch die Bildgebung nicht der Nachweis einer zerebralen Blindheit erbracht werden könne.

Mit Bescheid vom 19.06.2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Blindengeld ab. Um Leistungen nach dem BayBlindG erbringen zu können, sei der Nachweis einer entsprechend schweren Schädigung speziell der Sehstrukturen in Abgrenzung von einer generellen zerebralen Funktionsstörung erforderlich. Beim Antragsteller bestehe jedoch ein apallisches Syndrom, keine spezifische Sehstörung.

Hiergegen legte der Antragsteller über seinen Vertreter Widerspruch ein. Das Erkennen-Können sei dem Antragsteller nicht mehr möglich. Die visuelle Wahrnehmung sei deutlich stärker als die sonstigen Sinne betroffen. Der Antragsteller könne seinen Tastsinn in Maßen einsetzen. Im Widerspruchsverfahren wies der vom Beklagten beauftragte neuropsychologische Sachverständige Prof. Dr. Z. am 16.10.2012 darauf hin, dass beim Antragsteller keine neuropsychologische Begutachtung durchgeführt werden könne. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass sich der Antragsteller aufgrund mehrerer ausgedehnter Schädigungen des Gehirns im Zustand eines apallischen Syndroms befinde bzw. eine schwere Störung der Vigilanz aufweise. Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2012 zurück und stellte unter anderem darauf ab, es läge eine schwere Schädigung der zentralen Sehstrukturen nur auf der linken Seite des Gehirns vor. Auch durch die Bildgebung könne nicht der Nachweis einer zerebralen Blindheit erbracht werden.

Hiergegen ist am 02.01.2013 Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben worden. Die augenärztliche Untersuchung des Antragstellers, so die Klagebegründung, sei nicht geeignet, die Schädigung des Sehapparates auszuschließen, da sie sich nur auf die akute Keratitis bezogen habe; auf weitergehende Untersuchungen sei verzichtet worden. Es sei auch zu überprüfen, ob beim Antragsteller eine Rindenblindheit vorliege. Dies sei anhand geeigneter diagnostischer Maßnahmen durch einen medizinischen Sachverständigen festzustellen. Darüber hinaus sei es durchaus denkbar, dass durch die Blutung auch die Sehnerven selbst oder andere Teile des Sehapparats geschädigt worden seien. Spezielle Untersuchungen hierzu hätten nicht stattgefunden. Weiter ist in der Klagebegründung dargelegt worden, dass der Antragsteller im Rahmen des Tastsinns reagiere. Er führe regelmäßig seine Hand an die Stirn, um etwa Schweiß abzubrechen oder sich zu kratzen. Weiterhin reagiere der Antragsteller auf Berührungen. Darüber hinaus reagiere der Antragsteller bisweilen auch emotional auf eine etwaige gedrückte oder traurige Stimmung im Zimmer. Hieraus lasse sich auf die teilweise Aktivität des Hörsinns schließen.

Das Gericht hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. J. vom 05.04.2013 eingeholt, der mitgeteilt hat, dass der Antragsteller nicht in der Lage sei, Beschwerden zu äußern. Es bestehe keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Des Weiteren sind Befundberichte des Augenarztes Dr. D. sowie des Neurologen Dr. M. eingeholt worden. Der Augenarzt hat am 18.02.2010 am rechten Auge einen Visus (mit Korrektur) von 0,7, links von 0,2 festgestellt; die Sehleistungen am rechten Auge hätten sich deutlich gebessert, links verschlechtert. Dr. M. hat am 28.05.2013 von einer inkompletten Tetraplegie, einer Dysphagie sowie einer Aphasie berichtet. Es sei von umfassenden Defiziten u.a. bei den kognitiven Funktionen auszugehen; eine differenziertere Kommunikation sei aufgrund der eingeschränkten Fähigkeit hierzu nicht möglich.

Im Schriftsatz vom 21.04.2013 ist von der Klägerseite darauf hingewiesen worden, dass der Antragsteller bereits vor der Hirnblutung nicht unerhebliche Probleme mit seinem Augenlicht gehabt habe; nach Kataraktoperation sei dem Antragsteller eine künstliche Linse rechts implantiert worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben und PD Dr. I. mit der Erstellung eines neurologischen Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 14.02.2014 hat der Sachverständige u.a. die Befunde seiner ambulanten Untersuchungen vom 28.11.2013 und 06.02.2014 dargestellt. PD Dr. I. hat festgehalten, dass der Antragsteller selbst keinerlei Auskunft habe geben können, auch nicht durch nonverbale Beantwortung von Ja-Nein-Fragen (z.B. durch zielgerichtete Augen- oder Kopfbewegungen). Die Angehörigen des Antragstellers hätten u.a. berichtet, bisher ein Befolgen von Aufforderungen im eigentlichen Sinn nicht beobachtet zu haben. Der Antragsteller könne nicht sprechen, auch keine sinnhaften Laute von sich geben und sei vollständig bettlägerig sowie mit einer PEG versorgt. Er habe ohne Stimulation die Augen geöffnet und nicht gesprochen. Vom Transportdienst sei er ins Bett transferiert worden, wobei keinerlei Kooperation, allerdings merklich Anspannung und chronische Verkrampfung der Extremitäten stattgefunden habe. Der Antragsteller habe gehustet und grimassiert. Beim zweiten Termin habe sich anders als beim ersten keine eindeutige akustische Orientierungsreaktion nachweisen lassen. Es seien wiederholt spontane Bewegungen des linken Armes im Sinne von Abwehrbewegungen beobachtet worden, z.B. beim unerwünschten Zähneputzen. Einmal sei die Hand hinter den Kopf gelegt und einmal versucht worden, sich am Rücken zu kratzen. Die Pflegekräfte im Heim und auch die Kinder des Antragstellers hätten berichtet, so PD Dr. I., dass der Antragsteller Geschehnisse im Bereich seines linken Umfeldes mit Kopf und Blickwendung verfolge.

PD Dr. I. hat beim Antragsteller eine chronische Störung des Bewusstseins und eine spastische Tetraparese infolge einer schweren Subarachnoidalblutung am 03.10.2010 diagnostiziert. Der Antragsteller befinde sich klinisch in einem sog. Minimalen Bewusstseinszustand (MCS) mit Bewusstsein definierenden Reaktionen im Bereich des visuellen Systems (Fixation und Blickfolgebewegungen im Bereich des linken Gesichtsfeldes) und Willkürmotorik des linken Arms mit zielgerichteten Abwehrbewegungen. Die Verhaltensantwort auf Schmerzreize könne nicht rein reflektorisch erklärt werden und weise auf eine bewusste Wahrnehmung des Reizes und bewusste Ausführung der entsprechenden Bewegungen hin. Im Bereich des Hörens habe außer einer Schreckreaktion, welche auch reflektorisch zu erklären sei, keine bewusste Reaktion objektiviert werden können. Dagegen sei der Antragsteller reproduzierbar in der Lage, die Augen des Untersuchers und Bewegungen im Bereich des linken Gesichtsfeldes zu verfolgen; im Bereich des rechten Gesichtsfeldes habe sich keine Reaktion erhalten lassen, was auf die homonyme Hemianopsie durch einen Infarkt des linken Hinterhauptlappens zurückgeführt werden könne.

Der Gutachter hat festgestellt, dass sich die Frage, ob eine ophthalmologisch bedingte Visusminderung auf 1/50 vorliege, nicht mit Sicherheit beantworten lasse, da hierzu eine in typischer Weise durchgeführte augenärztliche Untersuchung erfolgen müsse, die der Mitarbeit des Probanden bedürfe. Angesichts der reproduzierbaren Fixationsfähigkeit des Antragstellers sei jedoch von einem Visus von mehr als 1/50 auszugehen, zumal das rechte Auge eine klare Linse habe und vor dem Ereignis einen Visus von 0,7 mit Korrektur aufgewiesen habe. Demzufolge könne auf dem ophthalmologischen Fachgebiet alleine eine Blindheit nicht angenommen werden. Rechts zeige sich eine Pupillenverengung auf Licht, was eine grob intakte sensorische Verarbeitung des Lichtreizes von der Linse bis zum Hirnstamm und einen intakten efferenten Schenkel des Pupillenreflexes bis zum Pupillenschließmuskel beweise. Weiter hat der Sachverständige u.a. darauf hingewiesen, dass die visuell evozierten Potenziale (VEP) von beiden Augen mit absolut normalen Werten ableitbar gewesen seien, was eine grob intakte Reizübertragung von der Netzhaut beider Augen bis zum visuellen Kortex beweise. Es könne attestiert werden, dass ein Erkennen und eine bewusste Wahrnehmung von visueller Information im Bereich des linken Gesichtsfeldes stattfinde und dass sich der Antragsteller damit weder im apallischen Syndrom befinde noch dass Rindenblindheit vorliege. Ob die nachweisbare Einschränkung des Gesichtsfelds um mutmaßlich 50 % einer Visusminderung von 1/50 und damit einer Blindheit gleichzusetzen sei, hänge letztlich davon ab, ob wegen der oben ausgeführten Einschränkung des Sehvermögens durch die Hemianopsie eine Sehschärfe von nicht mehr als 1/10 anzunehmen sei. Diese Frage sei angesichts der mangelnden Kooperationsfähigkeit des Antragstellers letztlich nicht mit Sicherheit zu beantworten. Aufgrund der vorliegenden CT des Gehirns und des klinischen Befundes müsse, so der Sachverständige, beim Antragsteller mit Wahrscheinlichkeit von einem Ausfall des rechten Gesichtsfeldes beider Augen ausgegangen werden. Darüber hinaus sei eine hochgradige Visusminderung des linken Auges anzunehmen, welches keine Reaktion auf Licht aufweise und bereits vor der Subarachnoidalblutung einen stark reduzierten Visus von 0,2 aufgewiesen habe. In der Summe resultierten diese Einschränkungen in einem residuellen Sehvermögen dergestalt, dass der Antragsteller mit dem besseren rechten Auge die linke Hälfte des Gesichtsfeldes wahrnehme. Die Wahrnehmung in diesem Bereich werde dabei durch eine zusätzliche Minderung des Visus aufgrund einer gestörten Refraktion durch die künstliche Linse kompromittiert. Demnach sei der vorliegende Ausfall des rechten Gesichtsfeldes bei einer zusätzlichen höchstgradigen Visusminderung des linken Auges und einer zusätzlichen mittel- bis hochgradigen Visusminderung des besseren rechten Auges einer Beeinträchtigung der Sehschärfe von weniger als 1/50 und damit einer Blindheit im Sinne des BayBlindG gleichzusetzen.

Zusammenfassend hat der Sachverständige schließlich festgestellt, dass zur Störung des Sehvermögens des Antragstellers drei Teilkomponenten beitragen würden, nämlich die Hemianopsie des rechten Gesichtsfeldes, der Katarakt mit einer höchstgradigen Visusstörung des linken Auges von maximal 0,2, wahrscheinlich jedoch weniger und zusätzlich die Visusstörung des rechten Auges von mindestens 0,7, wahrscheinlich jedoch mehr. Der Antragsteller sei in der Lage, auf einem niedrigen Niveau bewusst zu sehen und zwar im linken Gesichtsfeld des rechten Auges, welches eine zusätzliche Einschränkung des Visus durch einen Zustand nach Kataraktoperation mit Linsenimplantat habe. Das Sehvermögen des Antragstellers sei aufgrund der vorliegenden Kombination einer Hemianopsie mit zusätzlichen beidseitigen Linsentrübung in einem so hohen Grade beeinträchtigt, dass diese Beeinträchtigung einer Sehstörung von weniger als 1/50 und damit einer Blindheit gleichzusetzen sei. Da Zeichen einer MCS bereits seit Einleitung des Blindengeldverfahrens bestehen würden, sei von einer Blindheit im gesetzlichen Sinne seit Oktober 2011 auszugehen.

In ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme hat die Ärztin Dr. P. für den Beklagten am 28.03.2014 dargelegt, um bei einer Sehschärfe von 0,7 Blindheit bejahen zu können, müsse gleichzeitig eine Einengung des Gesichtsfeldes auf mindestens 5° Abstand vom Zentrum vorhanden sein. Dies sei jedoch vorliegend nicht nachgewiesen.

In seiner im Auftrag des SG erstellten ergänzenden Stellungnahme (Eingang beim SG am 13.05.2014) hat der Sachverständige PD Dr. I. festgestellt, dass die aus den drei genannten Teilkomponenten resultierende Sehstörung alleine in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung der Sehschärfe auf 1/50 oder weniger nicht gleichzuachten sei. Es sei jedoch die Frage, inwieweit zusätzliche, über den erwähnten Schaden im Bereich des linken visuellen Kortex hinausgehende Schäden im Bereich des Gehirns vorliegen würden, die das Erkennenkönnen in einem Maße beeinträchtigen würden, die eine Anerkennung von faktischer Blindheit rechtfertigen würden. Aufgrund der parietalen Schädigung links sei in der Tat von einer zusätzlichen Beeinträchtigung der höheren räumlichen visuellen Verarbeitung auszugehen. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass das Sehen im Vergleich zu den anderen Sinnen besonders stark betroffen sei. Er empfehle eine ergänzende ophthalmologische Untersuchung. Sollten sich hier keine neuen Aspekte ergeben, schließe er sich der Beurteilung von Dr. P. an, dass aufgrund der auf ophthalmologischem Gebiet vorliegenden Befunde alleine Blindheit im Sinne des BayBlindG nicht anzuerkennen sei.

Sodann hat das SG Dr. K. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im ophthalmologischen Gutachten vom 22.05.2015, das u.a. auf einer am 26.02.2015 durchgeführten Untersuchung beruht, hat der Sachverständige festgehalten, dass der Antragsteller bettlägerig sei und nach Angaben seines Sohnes wachkomatös, also zur Mitarbeit nicht befähigt. Auf Wunsch des Sohnes sei die augenärztliche Begutachtungsuntersuchung vor Ort im Wege eines Hausbesuchs durchgeführt worden. In diesem Rahmen habe die [Pflege-]Schwester S. angegeben, sie habe den Eindruck, dass der Antragsteller keine Reaktionen auf akustische Reize und bezüglich des Tastsinns, sehr wohl aber auf optische Reize, nämlich Augenfolgebewegungen auf vorbeigehende Personen, zeige.

Dr. K. hat die folgenden Diagnosen gestellt:
rechtes Auge: leichte Hyperopie, leichter Astigmatismus und Akkomodationslosigkeit bei Pseudophakie, Verdacht auf Aderhautnaevus parazentral;
linkes Auge: Cataracta corticonuclearis brunescens provecta mit Linsenverdickung und größerer Pupille, Verdacht auf inkomplette Lähmung des nervus occulomotorius mit herabhängendem Oberlid, mit Außenschielen und weiterer lichtstarrer Pupille, Verdacht auf Unterlidblutschwamm;
beide Augen: Presbyopie, Außenschielen der Augen zueinander, vorwiegend aber des linken Auges (Differenzialdiagnose: sekundäre Exotropie), hochgradiger Verdacht auf homonyme Hemianopsie nach rechts im Sinne einer postchiasmalen Sehbahn-/Sehrindenschädigung links.

In seinen Darlegungen ist der Sachverständige u.a. auch der Argumentation der Klägerseite entgegengetreten, selbst wenn in einer aktuellen Bildgebung Schädigungen der für das Sehen zuständigen Bereiche des rechten Occipitallappens nicht erkennbar wären, bereits eine Schädigung nur des linken Lappens mit dortiger Rindenblindheit mit Blick auf eine Interaktion zwischen rechts und links zur Annahme von Blindheit ausreichen würde. Sogar der völlige Ausfall einer Sehrinde bzw. der Sehbahn (also je auf einer Seite) hätte vielmehr der Anatomie der Sehbahn folgend "nur" eine homonyme Hemianopsie zur anderen Seite zur Folge, in der Regel sogar bei voll erhaltener Sehzeichen-Sehschärfe eines jeden Auges, also ohne nennenswerte beeinträchtigende Interaktion zwischen rechts und links. Eine Blindheit nach dem BayBlindG wäre hier nur dann gegeben, so der Sachverständige, wenn zusätzlich zum vollständigen Halbseitenausfall die Sehschärfe auf dem besseren Auge nur 0,1 oder weniger betragen und darüber hinaus eine Gesichtsfeldeinschränkung des verbliebenen Halbfeldes des besseren Auges auf 30° horizontalen Durchmesser oder weniger vorliegen würde (sog. eine einer Sehschärfeminderung auf 1/50 oder weniger gleichzuachtende Sehstörung).

Die Beobachtungen von PD Dr. I., die dieser hinsichtlich der reproduzierbaren Fixationsaufnahmen, Blickkontaktaufnahmen und Augenfolgebewegungen geschildert habe, würden sich weitgehend mit seinen, Dr. K.s, Beobachtungen decken. Im Hinblick auf die von PD Dr. I. ermittelten Blitz-VEP-Werte könnte selbst bei Unterstellung der völligen Funktionsunfähigkeit der linken Sehbahn (bzw. Sehrinde) eine Mindestintaktheit beider Augen, beider Sehnerven und auch der rechten Sehbahn mit Sehrinde unterstellt werden. Der Schlussfolgerung des genannten Sachverständigen, wonach wegen der gestörten Refraktion durch die künstliche Linse von einer hohen bis mittelgradigen Sehschärfeminderung auszugehen sei, müsse aus ophthalmologischer Sicht allerdings widersprochen werden. Vielmehr hätten die heutigen Einschätzungen der Restfehlsichtigkeiten einen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die Fehlsichtigkeiten relativ gering ausgeprägt seien, sodass am rechten Auge sogar ohne Korrektion eine Sehschärfe von über 0,1 möglich sein könnte. Eine höchstgradige Visusminderung links, wie sie PD Dr. I. annehme, sei unwahrscheinlich, weil der Einblick auf den Augenhintergrund mit Erkennbarkeit von Netzhautdetails noch gelinge. Erst recht sei eine derartige Sehschärfenminderung nicht nachweisbar, wenn auch eine höhergradige anzunehmen sei. Die heutige Untersuchung habe, so Dr. K., anhand der Fixationsaufnahme auf das Untersuchergesicht deutliche Hinweise darauf ergeben, dass das Restgesichtsfeld in seinem horizontalen Durchmesser größer als 30° sei.

Dr. K. hat zusammenfassend festgestellt, dass keine beweisbaren Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorlägen, welche einer beeinträchtigenden Sehschärfe auf dem besseren Auge von nicht mehr als 1/50 gleichzusetzen seien. Insbesondere seien der Strukturbefund wie auch die objektiven Funktionsprüfungen und die gezeigten visuellen Verhaltensreaktionen über das bessere rechte Auge gut mit einer Sehzeichenschärfe von sogar mehr als 0,1 vereinbar. Sie würden eine solche Sehschärfe nahelegen, wenn auch nicht beweisen; erst recht aber würden sie eine Sehschärfe von nur 0,1 oder darunter nicht beweisen. Das Vorliegen einer homonymen Hemianopsie nach rechts sei sehr wahrscheinlich, könne aber wegen der schwierigen Untersuchbarkeit bei mangelnder Fähigkeit zur Mitarbeit und Beschwerdeäußerung nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden. Die Augenfolgebewegungen wie auch die Aufnahme des Blickkontakts würden die plausible Möglichkeit eines im horizontalen Durchmesser ausreichenden Restgesichtsfelds von mehr als 30° im homonymen Halbfeld mindestens des rechten Auges eröffnen und würden deshalb dem Nachweis eines kleineren Gesichtsfelds entgegenstehen. Auch wenn kein apallisches Syndrom vorliege, bestehe zweifellos eine massive Hirnfunktions- und Vigilanzstörung, die eine aktive Mitarbeit des Antragstellers sowie Angaben zu seinem Sehvermögen verhindern würden. Strukturell bestünden nach seiner, Dr. K.s, Ansicht weder im Bereich der Augen noch der Sehnerven noch im Bereich der aufsteigenden Sehbahn bis hin zur Sehrinde eine ausreichende erkennbare Veränderung, die Blindheit im Sinne einer primären Störung der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit nachweisen könne; es bestehe also kein für eine Beweisführung ausreichendes morphologisches Korrelat. Auch die objektiven Funktionsparameter (Pupillenreaktionen, VEP, OKN) und die visuelle Verhaltensweisen seien mit einem Restsehvermögen mindestens vereinbar, das besser als Blindheit nach dem BayBlindG sei. Die Ergebnisse der Begutachtungen würden eindeutig nahelegen, dass die visuellen Verhaltensweisen sogar noch besser und zielgerichteter ausgebildet seien als z.B. die akustischen Reaktionen.

Auf das Gutachten hat sich die Klägerseite am 21.08.2015 dahingehend geäußert, dass für den Antragsteller eine Korrektion der Sehschärfe mittels Brille aufgrund der spontanen Handbewegungen etc. nicht möglich sei. Die Blindheit des Antragstellers ergebe sich zusammenfassend aus einer Zusammenschau der ophthalmologischen Einschränkungen und zusätzlich der bisher völlig unberücksichtigten hochgradigen zerebralen Störungen des Erkennenkönnens.

Der Beklagte hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.09.2015 durch die Ärztin Dr. P. darauf hingewiesen, Grundvoraussetzung für den Bezug von Blindengeld sei immer, dass die im Gesetz genannten Voraussetzungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen seien. Dies sei vorliegend nach dem aussagekräftigen augenfachärztlichen Gutachten von Dr. K. nicht der Fall.

Im Schriftsatz vom 21.11.2015 ist die Klägerseite auf die neue Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.08.2015 - B 9 BL 1/14 R) eingegangen und hat die Auffassung vertreten, dass sich allein aus dem Zustand des MCS, der beim Antragsteller bestehe, der Blindheitsnachweis im Sinne des BayBlindG ergebe. Hinzu kämen zusätzlich eine Hemianopsie des rechten Gesichtsfelds sowie ein Katarakt und überdies eine Visusminderung rechts. Die ohnehin bestehende allgemeine Verarbeitungsstörung, die den Antragsteller allein bereits blind im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung mache, werde damit noch einmal verstärkt durch drei getrennte und nachgewiesene Störungen des optischen Apparats, die für sich allein genommen bereits PD Dr. I. in dessen Gutachten zum Schluss hätten kommen lassen, der Antragsteller sei blind.

In der weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.12.2015 ist darauf hingewiesen worden, dass nach dem Urteil des BSG vom 11.08.2015 auch bei schwer zerebral geschädigten Menschen Blindheit nachgewiesen werden müsse. Dass das Restsehvermögen aufgrund der sehr eingeschränkten Untersuchbarkeit vorliegend nicht genau quantifiziert werden könne, gehe nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, den das BSG in dem genannten Urteil ausdrücklich bekräftigt habe, zulasten des Antragstellers.

Der Antragsteller ist am 31.01.2016 verstorben. In der Folge hat die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Antragstellers die Klage fortgeführt.

Im Schriftsatz vom 26.04.2016 hat die Klägerseite darauf hingewiesen, dass das BSG in seinem oben genannten Urteil ausdrücklich den Kreis der für Blindheit heranzuziehenden Ursachen um die allgemeine Bewusstseinsstörung bzw. die generelle Herabsetzung der kognitiven Fähigkeiten erweitert habe. Die generelle schwerste Herabsetzung der kognitiven Fähigkeiten des Antragstellers, die im Vollbeweis belegt sei, habe der Beklagte nicht bestritten. Dieser lasse außer Acht, dass eine schwerwiegende Bewusstseinsherabsetzung - verursacht durch Schäden außerhalb der Sehrinde, allein oder im Zusammenspiel mit anderen Störungen aus dem klassischen Sehapparat - für Blindheit nunmehr ausreiche.

Der Beklagte hat am 14.06.2016 die Auffassung vertreten, dass es für den Anspruch auf Blindengeld allein entscheidend sei, ob es insgesamt an der Möglichkeit zur Sinneswahrnehmung fehle. Durch das Gutachten von Dr. K. sei hinreichend geklärt, dass beim Antragsteller nicht von einem Fehlen der optischen Reizaufnahme auszugehen sei. Die Entscheidung des BSG führe zu keiner expliziten Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises.

Dem ist die Klägerseite am 11.07.2016 entgegengetreten. Wenn der Beklagte ausführe, dass das Blindengeld kein "Bewusstlosengeld" sei, so sei darauf hinzuweisen, dass der Ausschluss bloß bewusstloser Patienten vom Blindengeld weder medizinisch noch juristisch haltbar sei.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.08.2016 hat der Beklagte die Annahme der Blindheit bei einer allgemeinen Wahrnehmungsstörung abgelehnt.

In der mündlichen Verhandlung des SG am 30.11.2016 hat der Beklagte nach einem gerichtlichen Hinweis unstreitig gestellt, dass die Klägerin Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I sei. Zudem haben beide Beteiligten unstreitig gestellt, dass eine Sehschärfe auf dem besseren Auge von nicht mehr als 1/50 nicht nachgewiesen und damit ein Anspruch aus Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBlindG nicht gegeben sei.

Mit Urteil vom 30.11.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Unstreitig sei, dass die Klägerin Sonderrechtsnachfolgerin sei. Unter Bezugnahme auf die eingeholten Sachverständigengutachten hat das SG die Auffassung vertreten, dass Blindheit des Antragstellers nicht nachgewiesen sei. Etwaige Beweiserleichterungen des Sozialen Entschädigungsrechts kämen nicht zum Tragen. Nach Auffassung des Gerichts seien die in Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayBlindG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Unter Anwendung der früheren Rechtsprechung des BSG vom 20.07.2005 (B 9a BL 1/05 R) sei festzustellen, dass im hier zu entscheidenden Fall die visuelle Fähigkeit nicht stärker betroffen gewesen sei als die übrigen Sinneswahrnehmungen. Vielmehr seien Fixationen und Augenbewegungen reproduzierbar gewesen. Nach der neuen Rechtsprechung des BSG sei weiterhin die Prüfung erforderlich, ob die visuellen Fähigkeiten des Betroffenen unterhalb der vom BayBlindG vorgegebenen Blindheitsschwelle lägen. Entscheidend sei allein, ob es insgesamt an der Möglichkeit der Sinneswahrnehmung "Sehen" fehle, wobei dahingestellt bleiben könne, worauf die Blindheit beruhe.

Wie vorliegend der Sachverständige Dr. K. ausgeführt habe, sei auf dem linken Auge keine Sehschärfeminderung von 0,1 oder weniger bewiesen. Der Strukturbefund wie auch die objektiven Funktionsbefunde und die gezeigten visuellen Verhaltensreaktionen seien mit einer Sehzeichensehschärfe von mehr 0,1 auf dem besseren rechten Auge vereinbar. Die Augenfolgebewegungen wie auch die Aufnahme des Blickkontaktes, die sowohl bei Dr. K. als auch bei PD Dr. I. festgestellt hätten werden können, eröffneten die Möglichkeit eines im horizontalen Durchmesser ausreichenden Restgesichtsfeldes von mehr als 30° im homonymen Halbfeld zumindest des rechten Auges. Die Auslösbarkeit des optokinetischen Nystagmus (OKN) im Kotowski-Test mit einem Gittersehschärfeäquivalent von mindestens 0,3 am rechten Auge sei, so das SG unter Bezugnahme auf das Gutachten, mit einer Sehzeichensehschärfe weit über 0,1 vereinbar. Der Sachverständige beschreibe in seinem Gutachten zerebrale Schäden, die eine vollständige Rindenblindheit bzw. einen Funktionsausfall der aufsteigenden Sehbahn zwar nicht automatisch ausschließen, aber viel wahrscheinlicher eine funktionelle Betroffenheit "nur" des rechten Gesichtsfeldes beider Augen nahelegen würden, was wiederum mit den Beobachtungen des visuellen Verhaltens übereinstimme. Auch hätten Dr. K. und PD Dr. I. keinen objektiven Strukturbefund feststellen können, der eine mögliche Blindheit des verstorbenen Antragstellers erklärt hätte. Schließlich hat das SG darauf hingewiesen, dass auch die Voraussetzungen für die Annahme von Blindheit außerhalb der nominierten Fallgruppen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) bzw. der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) nicht gegeben seien. Allein der Umstand, dass der verstorbene Antragsteller sich zunächst im Wachkoma und dann im MCS befunden habe, begründe keine Blindheit. Da nach Auffassung des Gerichts jedenfalls eine Sehschärfe von 0,1 und weniger nicht nachgewiesen sei, habe keine Blindheit im Sinne des Gesetzes vorgelegen. Aufgrund dieses fehlenden Nachweises sei auch bei einem erhaltenen Gesichtsfeld von weniger als 30° Durchmesser (unter Zugrundelegung der Richtlinien der DOG) keine Blindheit gegeben.

Gegen das Urteil hat die Klägerin am 09.01.2017 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt. Zu der Begründung hat sie dargelegt, dass der Antragsteller gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG blind gewesen sei. Den Richtlinien der DOG komme kein normativer Charakter zu, so dass der unbestimmte Rechtsbegriff der gleichzuachtenden Störung autonom auszulegen sei. Die Rechtsprechung nehme daher bereits in besonderen Ausnahmefällen auch Blindheit außerhalb der genannten Fallgruppen an (z.B. das Urteil des erkennenden Senats vom 31.01.2013 - L 15 BL 6/07). Ein solcher Ausnahmefall könne insbesondere dann vorliegen, wenn zwar kein Katalogfall der DOG vorliege, die kognitiven Funktionen gleichwohl insgesamt massiv eingeschränkt seien. Der Kreis der möglichen Blindheitsquellen über die Reizverarbeitung in Augen, Sehnerv und Sehrinde hinaus würde sich auf die weitere Verarbeitung der Reize im Bewusstsein des Patienten erweitern. Der erkennende Senat habe zutreffend bereits festgestellt, dass ein weites Begriffsverständnis im Hinblick auf die Verarbeitungsvorgänge anzuerkennen sei. Er habe anerkannt, dass in den Fällen des Vorliegens zerebraler Schäden immer zu prüfen sei, ob die Verarbeitung von Reizen im Bewusstsein aufgehoben oder beeinträchtigt sei. Die Prüfung von Störungen des Bewusstseinszustandes sei nunmehr auch im vorliegenden Fall nachzuholen; sie sei erstinstanzlich unterlassen worden. Beim Antragsteller seien massive Bewusstseinsbeeinträchtigungen nachgewiesen. Dieser habe sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in ersten Instanz bis Februar 2014 im Wachkoma und seitdem im Zustand des MCS befunden. Der Antragsteller sei zu jedem Zeitpunkt ein maximal bettlägeriger, nicht ansprechbarer Patient gewesen, mit dem in einem Zeitraum von über fünf Jahren keinerlei Kommunikation möglich gewesen sei. Ursächlich hierfür seien nachweisbar schwerste zerebrale Schäden gewesen. Durch die Störung des Bewusstseins sei beim Antragsteller die Verarbeitung visueller Reize derart eingeschränkt bzw. unterbunden gewesen, dass nach klägerischer Ansicht analog der oben genannten Rechtsprechung des erkennenden Senats allein hierwegen eine gleich zu achtende Sehstörung festzustellen sei. Der Antragsteller sei damit aufgrund des Zustands des MCS bzw. des Wachkomas blind im Sinne des Gesetzes. Hinzu komme jedoch im vorliegenden Fall, dass der Antragsteller über die schwerwiegende Bewusstseinsstörung hinaus auch noch schwerwiegende Stehstörungen auf ophthalmologischen Gebiet aufgewiesen habe. Eine derartige Gesamtbetrachtung von Schädigungen des optischen Apparats, die unter der Blindheitsschwelle nach den DOG-Kriterien liegen würden, mit zerebralen Schäden sei nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zulässig und geboten.

Mit Blick auf das beim BSG anhängige Revisionsverfahren B 9 BL 1/17 R ist mit Beschluss des Senats vom 19.09.2017 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.

Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 10.12.2018, in dem sich diese ausführlich mit dem Urteil des BSG vom 14.06.2018 (B 9 BL 1/17 R) auseinandergesetzt hat, ist das Verfahren sodann fortgesetzt worden. Die Zahlung des Blindengelds sei nicht ausnahmsweise deswegen im Fall des Antragstellers ausgeschlossen, weil aufgrund des konkreten Störungsbilds blindheitsbedingte Mehraufwendungen nicht entstehen könnten, so der Vortrag der Klägerin. Die Anwendung des genannten anspruchsausschließenden Kriteriums des BSG würde einen Verstoß gegen die Grundrechte des Antragstellers darstellen. Die Klägerin hat u.a. darauf hingewiesen, dass durch die jüngere Rechtsprechung des BSG eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hinsichtlich von Menschen mit hochgradigen, mehrschichtigen Sinnesbeeinträchtigungen vermieden werden solle. Vorliegend bestehe aus klägerischer Sicht an der Blindheit des Antragstellers kein Zweifel. Der Beklagte könne den Beweis der Tatsache, aufgrund des konkreten Störungsbild könne ein Blindheitsmehrbedarf schon systematisch nicht entstehen, nicht erbringen. Ein solcher Bedarf sei sogar beweisbar. Im vorliegenden Fall liege jedoch schon kein generalisiertes Leiden in Form etwa einer dauernden Bewusstlosigkeit vor. Wie sich aus den umfangreichen Tatsachenfeststellungen des SG ergebe, seien die kognitiven Fähigkeiten des Antragstellers äußerst unterschiedlich stark betroffen gewesen. Ein Fall dauerhafter Bewusstlosigkeit werde schon im Sachverständigengutachten von PD Dr. I. ausdrücklich ausgeschlossen. Denklogisch ausgeschlossen wären, so die Klägerin, blindheitsbedingte Mehraufwendungen lediglich dann, wenn sich alle Sinnesmodalitäten des Anspruchsstellers - anders als im vorliegenden Fall - auf exakt dem gleichen Null- bzw. Niedriglevel befinden würden, sodass eine irgendwie geartete Zuordnung von Aufwendungen zu den Ausfällen einzelner Modalitäten schon denklogisch nicht möglich sei, weil die Aufwendungen zwingend allen eingeschränkten Sinnen in gleicher Weise zukommen und damit die Aufwendungen des Patienten vielmehr der Pflege seines schlechten Allgemeinzustands dienen würden. Allein hierwegen könne die rechtsvernichtende Einwendung des Beklagten, soweit sie überhaupt erhoben werde, nicht greifen. Weiterer Beweis sei insofern nach Ansicht der Klägerin hierüber nicht zu erheben, da die bereits getroffenen Tatsachenfeststellungen in der ersten Instanz ein etwaiges Vorbringen des Beklagten zum Einwand der Zweckverfehlung widerlegen würden. Weiter hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass ein blindheitsbedingter Mehraufwand nicht nur nicht ausgeschlossen sei, sondern "erkennbar positiv" vorliege. Gerade aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit seiner Sinnesmodalitäten sei das Therapiekonzept des Antragstellers hierauf abgestimmt worden. Im Einzelnen hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass aufgrund der besonderen Betroffenheit des Sehens im Zimmer des Antragstellers häufig und durch das Pflegepersonal veranlasst der gesondert bezahlte Fernseher oder Radio angeschaltet worden sei, um dem Antragsteller eine denkbare soziale Teilhabe über das Hören des Tons des Fernsehers zu ermöglichen. Darüber hinaus sei durch die Therapeuten eine spezielle Klang- und Dufttherapie angewandt worden, um eine Kompensation des Sehens zu versuchen. Wenn für einen lediglich blinden Menschen eine Brailletastatur blindheitsbedingten Mehraufwand darstelle, müssten diese Maßnahmen auch für den Antragsteller in gleicher Weise als blindheitsbedingte Mehraufwendungen zur sozialen Teilhabe angesehen werden. Unabhängig davon, dass dem Beklagten der Beweis der Zweckverfehlung nicht gelingen werde, so die Klägerin, sei hilfsweise darauf hingewiesen, dass die vom BSG postulierte anspruchsausschließende Einwendung aus mehreren Gründen rechtlich nicht haltbar sei und daher jedenfalls in verfassungsrechtlich gebotener Weise nur sehr eingeschränkt Anwendung finden könne. Die Klägerin hat u.a. hervorgehoben, dass das BSG "die verfassungsrechtliche Baustelle" lediglich beweislastrechtlich an andere Stelle verlagert habe. Es sei schon fraglich, ob die Argumentation des BSG zur Begründung des Einwands der Zweckverfehlung dogmatisch verfange. Es erscheine "durchaus gekünstelt", dass das BSG zwar zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes eine Rechtsprechungsänderung vornehme, die es jedoch insbesondere im Bereich der generalisierten Leiden gleichzeitig wieder revidiere. Nach Ansicht der Klägerin lasse der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 BayBlindG keinen anderen Schluss zu, als dass es sich hierbei um eine unwiderlegliche Vermutung handle ("zum Ausgleich der Mehraufwendungen"). Soweit man hieraus ein anspruchsausschließendes Tatbestandsmerkmal lesen würde, dürfte dies nicht vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, so die Klägerin. Jedenfalls aber stelle dieses Konstrukt erneut eine rechtlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung der Menschen mit generalisierten, schwerwiegenden Leiden wie etwa dem Wachkoma, das hier nicht vorliege, und zusätzlich diagnostizierten Sehstörungen dar. Den Betroffenen werde faktisch jede Möglichkeit genommen, Blindengeld zu beanspruchen, weil der Anspruchsgegner immer mit dem Einwand durchdringe, aufgrund der die spezifische Blindheit überlagernden generalisierten Störung bestünden gar keine blindheitsbedingten Mehraufwendungen. Kein Blindengeld bekomme damit erneut derjenige, der blind und zusätzlich schwer zerebral geschädigt sei; Blindengeld bekomme dagegen derjenige, der nur blind sei. Im Übrigen erscheine eine Ungleichbehandlung auch unter Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen weder erforderlich noch angemessen.

Mit Schriftsatz vom 16.05.2019 hat der Beklagte erneut auf das Gutachten von Dr. K. hingewiesen, worin ausgeführt sei, dass beim Antragsteller keine beweisbaren Störungen des Sehvermögens von einem blindengeldrechtlich relevanten Schweregrad vorliegen würden. Was das Urteil des BSG vom 14.06.2018 betreffe, sei zunächst klarzustellen, dass sich der vom BSG entschiedene Sachverhalt wesentlich anders darstelle als der im streitgegenständlichen Fall. Vorliegend hätten sowohl PD Dr. I. als auch Dr. K. visuelle Reaktionen beobachtet. Ein Verlust der kognitiven Verarbeitung dahingehend, dass die aufgenommenen Signale wegen fehlender Verarbeitung nicht mehr genutzt hätten werden können, habe beim Antragsteller gerade nicht vorgelegen. Selbst wenn man eine Blindheit im Sinne der Rechtsprechung des BSG bejahen würde, stehe vorliegend kein Blindengeld zu, da der anspruchsvernichtende Einwand der Zweckverfehlung erhoben werde. Der behandelnde Arzt Dr. J. und Prof. Dr. Z. hätten den Zustand eines apallischen Syndroms bzw. eine schwere Störung der Vigilanz festgestellt. Der Antragsteller habe sich also zunächst im Zustand eines apallischen Syndroms befunden. Nach den Gutachten von PD Dr. I. und Dr. K. und den übrigen ärztlichen Unterlagen sei der Antragsteller infolge der schweren Hirnschädigung nicht in der Lage gewesen, zu kommunizieren; es habe keinerlei Fähigkeit zur Mitarbeit bestanden. Er sei schwerst pflegebedürftig und in allen Verrichtungen komplett von fremder Hilfe abhängig gewesen. Nach dem Urteil des BSG vom 14.06.2018 komme es jedoch darauf an, dass der Beschwerdeführer eigene Initiativen entfalten könne bzw. darauf, ob zielbewusste Aktivitäten möglich seien. Für die Verwaltung sei nicht ersichtlich, inwieweit aufgrund der schwerwiegenden Erkrankung des Antragstellers, der zu keinen zielbewussten Aktivitäten in der Lage gewesen sei, ein blindheitsbedingter Mehraufwand eingetreten sei.

Mit Schriftsatz vom 06.05.2020 hat die Klägerin daraufhin erneut Stellung genommen. Der Zweckverfehlungseinwand gehe in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht fehl. Es sei unzutreffend, dass dem Antragsteller keine zielbewussten Aktivitäten möglich gewesen seien bzw. dass er keine eigenen Initiativen habe entfalten können. Dem Antragsteller seien umfangreiche, auf seine spezifischen Fähigkeiten abgestimmte Therapien zugutegekommen. Er sei gerade nicht vollständig komatös gewesen. Die Klägerin hat insoweit auf das Gutachten von Dr. I. hingewiesen. Stehe wie hier fest, dass auf zumindest niedrigstem Niveau eine differenzierte Sinneswahrnehmung möglich sei, verbiete sich jede weitere Bewertung des Bewusstseinszustands des Betroffenen auf "Wertigkeit" der Sinneswahrnehmungen ebenso wie Mutmaßungen in Bezug auf die etwaige Nützlichkeit der vorhandenen Restfähigkeiten für die soziale Teilhabe. Es sei medizinisch herrschende Meinung, dass Patienten in Bewusstseinszuständen wie dem des Antragstellers in einem größeren Maße sozial teilhaben würden, als dies "von außen" vermutet werde. Bei entsprechenden Überlegungen seitens der Gerichte, ob diese Sinneswahrnehmungen ausreichten, würde die Grenze zur rechtlich unzulässigen Bewertung des "Werts" menschlichen Lebens überschritten. Die positiv festgestellten Fähigkeiten des Antragstellers stünden, so die Klägerin, einer wertenden Betrachtungsweise von außen daher nicht zur Verfügung, sondern sie stünden in ihrer Absolutheit für sich. Es komme nur darauf an, ob blindheitsbedingte Mehraufwendungen denklogisch ausgeschlossen seien. Hierzu habe der Beklagte nichts vorgetragen. Das BSG habe mit dem Zweckverfehlungseinwand diejenigen Kläger im Blick, die regungslos daliegen würden, womit Wachkomapatienten und erst recht der Antragsteller nicht zu vergleichen seien. Es gehe nicht an, ohne jegliche Kenntnis über die subjektiv empfundenen Wahrnehmungsfähigkeiten darüber zu urteilen, welche getätigten Aufwendungen welchen spezifischen Nutzen für den Betroffenen haben würden. Diesen könne man schlicht nicht beurteilen - es wäre also moralisch nicht vertretbar anzunehmen, in bestimmten Fällen bestünden mit Sicherheit keine blindheitsspezifischen Mehraufwendungen.

Der Senat hat zudem die Behindertenakte des Beklagten beigezogen und ausgewertet. Im Entlassungsbericht des Klinikums B. vom 14.01.2013 ist u.a. geschildert worden, dass sich klinisch-neurologisch bei der Aufnahme ein "wacher, global aphasischer Patient mit einer fixierten Kopfwendung nach links sowie einer hochgradigen, rechts betonten, spastischen Tetraparese" gezeigt habe. Eine Kontaktaufnahme sei zu keinem Zeitpunkt zu beobachten gewesen; es bestünden keine Provokationsmethoden. Die Augen des Antragstellers seien offen gewesen, ein visueller Kontakt sei nicht erfolgt. Es hätten sich Kopf- und Blickwendungen nach links gezeigt, im Verlauf keine Blickwendung, kein Spontannystagmus. Aufforderungen seien nicht befolgt worden, eine Sprachproduktion sei ebenfalls nicht gegeben gewesen. Die spastische Tetraparese habe rechts mehr als links bestanden und es seien Spontanbewegungen der linken Körperhälfte festgestellt worden. Allseits habe eine geringe Reaktion auf Schmerzreiz bestanden. Die Koordination sei nicht überprüfbar gewesen. In der Zusammenschau der Befunde sei im Vergleich zu den im Februar 2011 vordokumentierten Befunden keine Veränderung des schweren neurologischen Defektzustandes zu verzeichnen.

Am 16.06.2020 hat ein Erörterungstermin des Senats stattgefunden, in dem der Sachverhalt mit den Beteiligten sehr ausführlich erörtert worden ist. Dabei hat der Bevollmächtigte der Klägerin, der Sohn der Klägerin und des Antragstellers, insbesondere darauf hingewiesen, dass die vom BSG angenommene Darlegungs- und Beweislast des Beklagten hinsichtlich des Zweckverfehlungseinwandes eine gewichtige rechtliche Hürde darstellen müsse. Selbst wenn es sich um eine Negativtatsache handle, seien hier erhebliche Anforderungen zu stellen; es reiche nicht aus, wenn der Beklagte nur auf das bestehende Krankheitsbild Bezug nehme. Wenn blindheitsbedingter Mehraufwand sogar dargelegt werde, erstrecke sich die Darlegungspflicht des Beklagten darauf, die Blindheitsbedingtheit im Einzelnen zu widerlegen. Weiter hat der Bevollmächtigte das Beispiel einer beim Antragsteller verwendeten Blindenschrift-Tafel und eine "Hörschule" für Blinde, nämlich ein Glas mit Reiskörnern zum Schütteln bzw. Bewegen, vorgezeigt. Diese seien angefertigt worden, um die Blindheit auszugleichen. Im Übrigen hat er weitere Maßnahmen genannt, die beim Antragsteller zum Einsatz gekommen seien:
- Aufsetzen einer Brille zur Anregung des Gefühls sehen zu können
- Gitarren-, Flöten-, Triangeln- und Geigenmusik zum Ausgleich des durch den Sehverlust erlittenen Verlusts an kultureller Teilhabe
- "Leuchtspiele" zur Ausnutzung der etwa vorhandenen Reserven des Sehens, um eine visuelle Kommunikation zu versuchen
- Geräuschwecker mit verschiedenen Toneinstellungen zur Kompensation des Verlustes der visuellen Wahrnehmung der Zeit bzw. von Tag und Nacht
- Herstellung eines Blindenarmbandes
- TV- und Radiokabelgebühren (gesondert bezahlt) zur Kompensation sozialer Teilhabe durch das Sehen
- Bekämpfung blindheitsbedingter Einsamkeitsangst durch selbstbeschaffte Gegenstände, wie etwa Spielzeuge, Salben oder Stoffe
- Vorlesen von Post und von Mitteilungen anderer Personen
- Medikamente zur Linderung von Augentrockenheit
- Gesichtswaschungen mit Kaffee und Augenkompressen
- Kopfmassage (ohne oder mit Balsam) zur Anregung
- Fußmalen (Malpinsel zwischen den Zehen)
- Wasseranwendungen auf der Stirn zur Anregung des Tastsinns im Gesicht

Der Bevollmächtigte hat auch die Auffassung deutlich gemacht, dass die jüngere Rechtsprechung des BSG kein morphologisches Korrelat im Bereich des Sehens mehr erfordere. Schließlich hat er berichtet, es hätten begründete Hoffnungen bestanden, dass man über eine Kompensation der Sinne an den Antragsteller "herankomme". Man habe nicht von vorneherein wissen können, ob die Maßnahmen medizinisch erfolgreich werden würden. Ausschlaggebend für die o.g. Maßnahmen seien Berichte des Pflegepersonals, Augenfolgebewegungen und auch Schmerzreaktionen des Antragstellers gewesen. Es könne vorliegend keine Rede davon sein, dass blindheitsbedingte Mehraufwendungen beim Antragsteller ausgeschlossen gewesen seien.

Der Vertreter des Beklagten hat im Termin darauf hingewiesen, dass es aus seiner Sicht auf den Mehraufwand nicht ankomme, da entsprechend den Darlegungen des Gutachters Dr. K. bereits der Blindheitsnachweis nicht gelungen sei. Er hat u.a. hervorgehoben, dass der Sachverständige insbesondere keinen Nachweis einer Rindenblindheit gesehen habe.

Die Beteiligten haben zudem ihr Einverständnis mit einer Entscheidung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.11.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 19.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2012 zu verurteilen, Blindengeld für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.01.2016 zu gewähren

sowie hilfsweise, die Revision zu zulassen.


Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten vom 16.06.2020 ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG.

Die zulässige Berufung (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i.V.m. §§ 143, 151 SGG) ist in der Sache nicht begründet.

Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin aktivlegitimiert.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller blind oder hochgradig sehbehindert im Sinne des BayBlindG war und ihm deshalb ab dem Monat der Antragstellung bis zu seinem Ableben Blindengeld zustand. Dies hat das SG zu Recht verneint.

Der Antragsteller hatte keinen Anspruch auf Blindengeld. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 19.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2012 ist rechtmäßig und hat den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Damit scheidet auch eine Rechtsverletzung der Klägerin aus.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG erhalten blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dies vorsieht, zum Ausgleich der durch diese Behinderungen bedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld.

Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 0,02 (1/50) beträgt,
2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.

Hochgradig sehbehindert ist gemäß Art. 1 Abs. 3 BayBlindG, wer nicht blind in diesem Sinne (Art. 1 Abs. 2 BayBlindG) ist und
1. wessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch beidäugig nicht mehr als 0,05 (1/20) beträgt oder
2. wer so schwere Störungen des Sehvermögens hat, dass sie einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) bedingen.

Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.

Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der DOG folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe VG Teil A Nr. 6):
aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.

Wie der Senat wiederholt (vgl. z.B. die Urteile vom 26.09.2017 - L 15 BL 8/14 - und vom 20.12.2018 - L 15 BL 6/17) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92, Beschluss vom 29.01.2018 - B 9 V 39/17 B, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R). Auch dem Vollbeweis können gewisse Zweifel innewohnen; verbleibende Restzweifel sind bei der Überzeugungsbildung unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (z.B. BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R, m.w.N.).

Der Antragsteller hatte keinen Anspruch auf Blindengeld.

Wie das SG zutreffend angenommen hat, ist schon keine Blindheit im Sinne des BayBlindG nachgewiesen. Zudem hat der Beklagte mit Erfolg den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung des BayBlindG erhoben, da das konkrete Krankheitsbild des Antragstellers blindheitsbedingte Aufwendungen (in seiner Situation) von vornherein ausschließt.

1. Beim Antragsteller lag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Einschränkung aller Sinnesfunktionen aufgrund zerebraler Beeinträchtigung vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. bereits die Entscheidungen vom 31.01.1995 - 1 RS 1/93 - und 26.10.2004 - B 7 SF 2/03 R; zuletzt Urteil vom 14.06.2018 - B 9 BL 1/17 R) stehen auch zerebrale Schäden, die - für sich allein oder im Zusammenwirken mit Beeinträchtigungen des Sehorgans - zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen, der Annahme von Blindheit nicht grundsätzlich entgegen.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens war die beim Antragsteller vorliegende Einschränkung aller Sinnesfunktionen auch hochgradig. Dies folgt eindeutig aus sämtlichen nachvollziehbaren und aussagekräftigen medizinischen Unterlagen, u.a. auch aus den Sachverständigengutachten von PD Dr. I. und Dr. K. und ist prinzipiell auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Darauf, ob und inwieweit das visuelle System stärker betroffen ist als die anderen Sinnesmodalitäten, kommt es nicht (mehr) an. Soweit das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung für den Blindengeldanspruch verlangt hatte, dass bei zerebralen Schäden eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliegt, hat es im Urteil vom 11.08.2015 (a.a.O.) hieran nicht mehr festgehalten. Zur Aufgabe dieser Rechtsprechung hat sich das BSG aufgrund von Erkenntnisschwierigkeiten sowie unter dem Aspekt der Gleichbehandlung veranlasst gesehen (vgl. näher a.a.O.). Ebenfalls aufgegeben in der genannten Entscheidung hat das BSG die in der früheren Rechtsprechung getroffene Unterscheidung zwischen dem "Erkennen" und dem "Benennen" als so verstandene Teilaspekte bzw. Teilphasen des Sehvorgangs, da die Differenzierung gerade bei zerebral geschädigten Menschen vielfach medizinisch kaum nachvollzogen, d.h. die Ursache der Beeinträchtigung des Sehvermögens nicht genau bestimmt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11.08.2015 - a.a.O. - und vom 14.06.2018 - B 9 BL 1/17 R) ist für den Anspruch auf Blindengeld vielmehr allein entscheidend, ob es insgesamt an der Möglichkeit zur Sinneswahrnehmung "Sehen (optische Reizaufnahme und deren weitere Verarbeitung im Bewusstsein des Menschen) fehlt, ob der behinderte Mensch blind ist" (BSG, a.a.O.). Der Senat fühlt sich an diese (neuere) Rechtsprechung des BSG gebunden (vgl. bereits das Urteil vom 19.12.2016 - L 15 BL 9/14), was im Übrigen nicht nur hinsichtlich der Blindheitsdefinition, sondern auch der Vorgaben zum Zweckverfehlungseinwand gilt (siehe im Einzelnen unten).

Der Antragsteller war bereits nicht nachgewiesen blind im Sinne des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG.

a. Durch die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11.08.2015 - B 9 BL 1/14 R - und 14.06.2018 - B 9 BL 1/17 R) hat sich an der Erforderlichkeit der Prüfung, ob die visuellen Fähigkeiten des Betroffenen (nun: optische Reizaufnahme und Verarbeitung etc.) unterhalb der vom BayBlindG vorgegebenen Blindheitsschwelle liegen, nichts geändert (vgl. bereits die frühere Rechtsprechung des erkennenden Senats, nach der es schon bisher in den Fällen umfangreicher zerebraler Schäden auf das Erfordernis einer spezifischen Störung des Sehvermögens nicht mehr ankam, wenn bereits Zweifel am Vorliegen von Blindheit bestanden, z.B. Urteil vom 27.11.2013 - L 15 BL 4/11; so auch die Lit., vgl. Braun, Neue Regeln für den Blindheitsnachweis bei zerebralen Funktionsstörungen, in: MedSach 2016, 134 (135): keine allgemeine "Entwarnung"). Der Blindheitsnachweis muss somit auch weiterhin erbracht werden.

b. Hinsichtlich des Antragstellers ist, wie das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, der Blindheitsnachweis nicht erbracht. In dem genannten Urteil vom 11.08.2015 hat das BSG, wie bereits dargelegt, den Sehvorgang im Sinne des BayBlindG (neu) definiert und im Urteil vom 14.06.2018 (a.a.O.) dies bestätigt. Im Rahmen eines umfassenden Verständnisses des Sehvorgangs sieht das BSG nicht nur die optische Reizaufnahme - und wohl ebenfalls die Reizweiterleitung, ohne dass dies in der genannten Entscheidung ausdrücklich festgehalten worden wäre -, sondern auch die weitere Verarbeitung der optischen Reize im Bewusstsein des Menschen als vom Begriff des Sehens im rechtlichen Sinne mit umfasst an; dabei hat das BSG insoweit keine weitere Einschränkung gemacht. Es ist daher im Hinblick auf die Verarbeitungsvorgänge von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen (s.u.). Dieses erklärt sich auch mit Blick auf die nach der neuen Rechtsprechung des BSG nun entfallende (in Abgrenzung vor allem zu Störungen aus dem Bereich der seelisch-geistigen Behinderungen früher vorzunehmende), in Problemfällen äußerst schwierige und kaum zu leistende Differenzierung, ob das Sehvermögen (Sehen- bzw. Erkennen-Können) beeinträchtigt war, oder ob - bei vorhandener Sehfunktion - (nur) eine Störung des visuellen Benennens vorlag, sodass das Gesehene nicht richtig benannt werden konnte. Der Senat hat im Urteil vom 19.12.2016 (a.a.O.) bereits dargestellt, dass die Aufgabe dieser schwierigen Differenzierung von der Literatur denn auch als sachgerecht begrüßt und als gewisse Vereinfachung auf dem Weg zum Blindheitsnachweis verstanden worden ist, und hat hervorgehoben, dass er diese Auffassung teilt. Somit ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11.08.2015 - B 9 BL 1/14 R - und 14.06.2018 - B 9 BL 1/17 R) jedenfalls in den Fällen zerebraler Schäden auch zu prüfen, ob die Fähigkeit zur "Verarbeitung im Bewusstsein" des sehbehinderten Menschen beeinträchtigt bzw. aufgehoben ist.

Im Falle des Antragstellers war weder die optische Reizaufnahme bzw. Reizweiterleitung noch die Verarbeitung der Reize in seinem Bewusstsein zur Überzeugung des Senats in dem Maß gestört, dass Blindheit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG vorgelegen hätte.

aa. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass eine Sehschärfe auf dem besseren Auge von nicht mehr als 1/50 nicht nachgewiesen ist und damit kein Anspruch aus Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBlindG besteht. Dies ergibt sich auch ohne Weiteres aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen.

Wie das SG zutreffend angenommen hat, sind hier aber auch die in Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayBlindG genannten Voraussetzungen nicht im Sinne des Vollbeweises erfüllt. Dies ergibt sich ebenfalls ohne Weiteres aus den vorliegenden fundierten und plausiblen Sachverständigengutachten von PD Dr. I. und Dr. K ... Der Senat macht sich nach eigener Prüfung diese sachverständigen Feststellungen, die oben in aller Ausführlichkeit dargestellt worden sind, zu eigen. Er verweist an dieser Stelle auf die Ausführungen des SG, denen er sich anschließt, und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend weist er darauf hin, dass der Klägerseite zwar durchaus zuzugestehen ist, dass vorliegend lediglich Untersuchungsergebnisse gegeben sind, die im Wesentlichen nur einige Reaktionen im Bereich des Sehens - wie reproduzierbare Fixationsaufnahmen, Blickkontaktaufnahmen und Augenfolgebewegungen - beschreiben. Ein Rückschluss hieraus, der Antragsteller habe nur noch basale Reaktionen zeigen können, weil er zu weiteren visuellen Leistungen nicht (mehr) in der Lage gewesen sei, ist jedoch unzulässig. Denn eine fehlende oder nicht adäquate Reaktion auf optische Reize kann "nur dann als Beleg für Blindheit gewertet werden, wenn bei erhaltener - teilweiser - Untersuchbarkeit eine zuverlässige reproduzierbare Kommunikation mit dem sehbehinderten Menschen möglich ist" (vgl. z.B. Braun, Neue Regeln für den Blindheitsnachweis bei zerebralen Funktionsstörungen, in: MedSach 2016, S. 134). Für den Senat bleibt letztlich nicht aufklärbar, welches Sehvermögen der Antragsteller im Einzelnen hatte. Insbesondere liegt zwar ein morphologischer Befund vor, der erhebliche Einschränkungen des Sehvermögens erklärt. Ein Rückschluss von den erfolgten Untersuchungen des Gehirns des Antragstellers auf das exakte Sehvermögen ist jedoch, wie im Verfahren deutlich geworden ist und wie dem Senat aufgrund der identischen Problemstellung in zahlreichen vergleichbaren bei ihm (früher) anhängigen Berufungsverfahren bekannt ist, unzulässig, da insoweit keine strenge Korrelation gegeben ist (vgl. z.B. auch das vom Sachverständigen Dr. K. im Auftrag des Senats im Verfahren L 15 BL 10/13 erstellte Gutachten).

Vor allem aber hat, wie oben und vom SG dargelegt, die Beweisaufnahme ergeben, dass mehrere Aspekte eine Sehschärfe von über 0,1 und ein im horizontalen Durchmesser ausreichendes Restgesichtsfeld von mehr als 30° (im homonymen Halbfeld mindestens des rechten Auges) als durchaus möglich erscheinen lassen, wenn nicht sogar nahelegen.

Es ist freilich andererseits auch nicht völlig auszuschließen, dass das Sehvermögen des Antragstellers doch unter die maßgeblichen Grenzen des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG herabgesunken gewesen sein könnte. Dafür fehlt es aber jedenfalls am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non liquet), so gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z.B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/ders., SGG, 13. Aufl. 2020, § 103, Rdnr. 19a mit Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Die Klägerin muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen daraus tragen, dass eine große Ungewissheit bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG und der hochgradigen Sehbehinderung gemäß Art. 1 Abs. 3 BayBlindG trägt der in seinem Sehvermögen beeinträchtigte Mensch bzw. der Anspruchsteller die objektive Beweislast. Das BSG hat in seinen Urteilen vom 11.08.2015 (B 9 BL 1/14) und 14.06.2018 (B 9 BL 1/17 R) eine Beweiserleichterung - gerade also für die besonders schwierigen Fälle der Blindheit bei zerebralen Schäden - klar abgelehnt.

bb. Weiter steht auch nicht zur Gewissheit des Senats fest, dass beim Antragsteller eine Verarbeitungsstörung im Sinne der neueren Rechtsprechung des BSG (s.o.) vorgelegen hätte. Dies folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Zwar steht fest und ist unstreitig, dass der Antragsteller an einer hochgradigen Einschränkung seiner Sinnesfunktionen gelitten hat, weil sein Gehirn schwer geschädigt war. Wie die Beweisaufnahme jedoch ergeben hat, war beim Antragsteller - im Übrigen anders als in dem vom Senat bzw. vom BSG (L 15 BL 9/14 bzw. B 9 BL 1/17 R) entschiedenen, im Verfahren thematisierten Fall - keine so schwere Kognitionsstörung gegeben, dass eine bewusste Sinneswahrnehmung (völlig) ausgeschlossen gewesen wäre. Vorliegend hat der Sachverständige PD Dr. I. plausibel dargelegt, dass der Antragsteller durchaus noch in der Lage gewesen ist, auf einem - wenn auch niedrigen - Niveau bewusst zu sehen, nämlich im linken Gesichtsfeld des rechten Auges. Auch für den Zeitraum vor der Untersuchung durch den Sachverständigen ergibt sich nichts anderes. Wie die Klägerin zuletzt (nach Fortsetzung des Berufungsverfahrens) ausdrücklich dargelegt hat, bestand beim Antragsteller kein generalisiertes Leiden in Form einer dauernden Bewusstlosigkeit. Auch ergeben sich im Hinblick auf die vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere die Entlassungsberichte des Klinikums B. vom 20.02.2011 und vom 14.01.2013, massive Zweifel an einer dauernden Bewusstlosigkeit (Wachkoma/apallisches Syndrom), selbst wenn, worauf der Beklagte hingewiesen hat, in den Beurteilungen des behandelnden Arztes Dr. J. und des beauftragten Prof. Dr. Z. anklingt, dass der Zustand eines apallischen Syndroms doch vorgelegen haben könnte. Denn in den Entlassungsberichten ist eindeutig von einem wechselnden Verlauf der Vigilanz des Antragstellers die Rede; so sei er auf bestimmte Maßnahmen "wieder wacher geworden". Vor allem hat auch der Neurologe Dr. M. in seinem Bericht vom 28.05.2013 den Antragsteller als wachen Patienten bezeichnet. Eine dauernde Bewusstlosigkeit ist aus Sicht des Senats jedenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.

cc. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist vorliegend auch keine Blindheit des Antragstellers anzunehmen, weil ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Senats vorliegen würde. Zwar hat der Senat in seinen Urteilen vom 31.01.2013 (L 15 BL 6/07) und 05.07.2016 (L 15 BL 17/12) im Einzelnen dargelegt, dass in besonderen Ausnahmefällen spezieller Krankheitsbilder die Annahme von Blindheit auch außerhalb der normierten Fallgruppen der VG (bzw. der Richtlinien der DOG) nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Damit bedarf es in speziellen, seltenen Ausnahmefällen durchaus einer gewissen Wertung des medizinischen Sachverständigen, ob trotz der noch besseren Sehschärfe- und Gesichtsfeldwerte wegen zusätzlicher Einschränkungen der Sehleistung - also wegen der (nahezu) zwingenden Vergleichbarkeit des gemäß den gesetzlichen Vorgaben weitgehend eingeschränkten Visus/Gesichtsfelds einerseits mit der Situation von geringeren Einschränkungen (die jedoch immer noch erheblich sind) zuzüglich weiterer massiver Einschränkungen andererseits - der Fall des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 2 BayBlindG gegeben ist.

Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Die Voraussetzungen für die Annahme von Blindheit ausnahmsweise außerhalb der normierten Fallgruppen der VG bzw. der DOG sind vorliegend nicht gegeben. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 05.07.2016 ausdrücklich dargelegt hat, bestehen sie nämlich vor allem darin, dass die (Nicht-)Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBlindG geklärt ist, dass also feststeht, ob das Sehvermögen unter die normierten Werte herabgesunken ist bzw. welche Werte im Einzelnen erreicht werden. So liegt es vorliegend jedoch gerade nicht, da, wie oben im Detail dargelegt, nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, welches Sehvermögen der Antragsteller hatte. Es genügt jedoch nicht, dass nur feststeht, dass Letzterer ein sehr schlechtes Sehvermögen hatte. Dies würde den vom bayerischen Gesetzgeber gemachten und von den VG bzw. den sachverständigen Festlegungen der DOG konkretisierten Vorgaben (s.o.) widersprechen. Abgesehen davon, dass das Vorliegen einer homonymen Hemianopsie nach der plausiblen Darlegung von Dr. K. nicht gesichert, sondern nur wahrscheinlich ist (siehe oben), kommt noch hinzu, dass eine Berücksichtigung der Bewusstseinsstörung, der homonymen Hemianopsie, der fortgeschrittenen Linsentrübung links und der reduzierten Sehschärfe rechts als Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Senats - wie von der Klägerin gewollt - u.a. auch bereits daran scheitert, dass hier keine (seltene) Kombination einzelner Sehbeeinträchtigungen, sondern zum Teil eine doppelte Berücksichtigung erfolgen würde. Denn die fraglos vorliegende Bewusstseinsbeeinträchtigung und die (mögliche) Hemianopsie bestehen beide nicht unabhängig von, sondern aufgrund der zerebralen Beeinträchtigung. Zudem scheitert die Annahme eines Ausnahmefalls auch daran, dass ein solcher nicht bereits generell deshalb bestehen kann, weil neben Schäden des optischen Apparats auch zerebrale Schäden feststellbar sind. Andernfalls würde bei zerebralen Schäden immer Blindheit auch ohne Erreichen der maßgeblichen Werte der DOG bzw. VG anzunehmen sein, wenn die Sehleistung -gegebenenfalls mutmaßlich - nur mehr als ganz geringfügig beeinträchtigt wäre.

Im Übrigen kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die Feststellung von PD Dr. I. in seinem Gutachten vom 14.02.2014 berufen, wenn dieser die Kombination der Hemianopsie mit der Linsentrübung hervorhebt. Denn der Sachverständige scheint dabei von einer beidseitigen Linsentrübung wegen eines Grauen Stars auszugehen. Wie der Ophthalmologe Dr. K. jedoch unangreifbar festgestellt hat, ist dem Antragsteller bereits vor seinem Blindengeldantrag am rechten Auge eine Kunstlinse eingesetzt worden; die dadurch entstehende Akkomodationslosigkeit (rechts) lässt sich aber entsprechend der plausiblen Darlegung des Gutachters problemlos ausgleichen und trägt deshalb zu einer Sehverschlechterung nicht nennenswert bei. Vor allem hat PD Dr. I. in seiner im Auftrag des SG erstellten ergänzenden Stellungnahme (13.05.2014) ausdrücklich festgestellt, dass die aus den genannten Teilkomponenten Hemianopsie, Linsentrübung links und Sehschärfereduzierung rechts resultierende Sehstörung in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung der Sehschärfe auf 1/50 oder weniger nicht gleichzuachten sei. Inwieweit darüber hinaus die parietale Schädigung links zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der höheren räumlichen visuellen Verarbeitung führt, konnte der Sachverständige nicht darlegen, sondern hat vielmehr darauf verwiesen, dass andere Sinnesmodalitäten stärker betroffen sein. Zudem würde es sich hier erneut um eine Ausprägung der zerebralen Schäden handeln.

2. Ein Anspruch des Antragstellers auf Blindengeld nach dem BayBlindG bestand auch deshalb nicht, da der Beklagte erfolgreich den Einwand der Zweckverfehlung erhoben hat.

Wie das BSG in dem genannten Urteil vom 14.06.2018 dargelegt hat, stellt die in Art. 1 Abs. 1 BayBlindG enthaltene Formulierung des Gesetzgebers hinsichtlich des Ausgleichs blindheitsbedingter Mehraufwendungen keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung dar, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung. Dennoch bleibe, so das BSG (a.a.O.), der Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen ausdrücklich das erklärte Ziel der Regelung, was sich auch an anderer Stelle aus dem Gesetz erschließe. So sehe das BayBlindG Regelungen zur Vermeidung einer Überversorgung des blinden Menschen vor (Art. 4 Abs. 3 BayBlindG). Der Zweck des Blindengelds werde aber, so das BSG in der genannten Entscheidung, auch dann verfehlt, wenn ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbilds des Betroffenen gar nicht erst ent- bzw. bestehen könne. Das BSG hat in der Entscheidung vom 14.06.2018 im Einzelnen Folgendes festgestellt:

"Hieran anknüpfend führt der Senat seine Rechtsprechung fort und räumt der Versorgungsverwaltung den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung ein, wenn bestimmte Krankheitsbilder blindheitsbedingte Aufwendungen von vornherein ausschließen, weil der Mangel an Sehvermögen krankheitsbedingt durch keinerlei Maßnahmen (auch nicht anteilig) ausgeglichen werden kann. Dies wird am ehesten auf generalisierte Leiden zutreffen können (zB dauernde Bewusstlosigkeit oder Koma). Das Gesetz geht in Art 1 Abs 1 BayBlindG ausdrücklich vom Vorliegen der Blindheit und von bestehenden Mehraufwendungen aus. Es setzt typisierend voraus, dass überhaupt ein "Mehraufwand" aufgrund der Blindheit bestehen kann. Mit dem Blindengeld soll weniger ein wirtschaftlicher Bedarf gesteuert werden. Das BVerwG hat hierzu zur früheren Blindenhilfe nach § 67 Abs 1 BSHG bereits ausgeführt, dass Aufwendungen, die einem Blinden durch Kontaktpflege und Teilnahme am kulturellen Leben entstehen, nur einen Teil dessen ausmachen, was ein Blinder bedingt durch sein Leiden im Verhältnis zu einem Sehenden vermehrt aufwenden muss (so BVerwG Urteil vom 4.11.1976 - V C 7.76 - BVerwGE 51, 281, 287). Das Blindengeld dient in erster Linie als Mittel zur Befriedigung laufender blindheitsspezifischer, auch immaterieller Bedürfnisse des Blinden, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, sich trotz Blindheit mit seiner Umgebung vertraut zu machen, mit eigenen Mitteln Kontakt zur Umwelt zu pflegen und am kulturellen Leben teilzunehmen [ ...]. Eine Eingliederung blinder Menschen in die Gesellschaft kann nur erreicht werden, wenn ein Ausgleich für die dauernden blindheitsbedingten Mehraufwendungen und Nachteile erfolgt (vgl Demmel, Die Entwicklung und Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Blindengeldleistung als Sozialleistung, 2003, S 35), weil diese in der zunehmend visualisierten Umwelt besonderen Beeinträchtigungen unterliegen (vgl Braun, MedSach 3/2016, 134, 135 mwN). So geht der Bayerische Landesgesetzgeber nach wie vor davon aus, dass ua blinde Menschen einen außergewöhnlich großen Bedarf an Assistenzleistungen zur Kommunikation und an Unterstützungsleistungen zur Bewältigung des Alltags haben und dass finanzielle Ausgleichsleistungen die selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich fördern (vgl Bayerisches LSG, aaO; BayLT-Drucks 17/17055 S 1 zu A und 17/21510 S 1 zu A).

Orientiert am vorgenannten Regelungszweck des Gesetzes ist es sachgerecht, im Fall eines objektiv nicht möglichen blindheitsbedingten Mehraufwands den Anwendungsbereich für die Blindengeldleistung einzuschränken. Steht fest, dass aufgrund eines bestimmten Krankheitsbildes typischerweise von vornherein kein Mehraufwand im oben genannten Sinne speziell durch die Blindheit entstehen kann, weil etwa ein derart multimorbides oder die Blindheit überlagerndes Krankheitsbild besteht (zB dauerhafte Bewusstlosigkeit), dass aus der Blindheit keinerlei eigenständige Aufwendung in materieller oder immaterieller Hinsicht folgt, kann die gesetzliche Zielsetzung der Blindengeldgewährung nicht erreicht werden. Denn deren Zweck wird verfehlt, wenn ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes gar nicht erst ent- bzw bestehen kann."

Vorliegend hat der Beklagte den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung wirksam erhoben. Der Mangel an Sehvermögen des Antragstellers konnte krankheitsbedingt durch keine Maßnahmen ausgeglichen werden.

Dies folgt aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere der Auswertung aller vorliegenden einschlägigen medizinischen und pflegerischen Unterlagen. Der Senat beruft sich hier vor allem auf die o.g. sachverständigen Feststellungen der vom SG beauftragten Sachverständigen PD Dr. I. und Dr. K. und macht sich diese nach eigener Prüfung zu eigen. Vor allem das o.g. Pflegegutachten, die Arztberichte aus dem Klinikum B. (siehe oben) und auch die Angaben der Klägerseite selbst (vor allem im Schriftsatz der Berufungsbegründung vom 24.03.2017, Seite 5) zeigen daneben ebenfalls deutlich, dass aufgrund des Gesundheitszustands des Antragstellers ein Ausgleich des Mangels an Sehvermögen nicht möglich war.

a. Maßgeblich sind die tatsächlichen beim Antragsteller bestehenden Verhältnisse (vgl. bereits die Urteile des Senats vom 12.11.2019 - L 15 BL 1/12, 26.11.2019 - L 15 BL 2/19, 10.12.2019 - L 15 BL 5/16 - und 11.02.2020 - L 15 BL 9/14). Auch wenn in dem Urteil des BSG vom 14.06.2018 (a.a.O.) von einer "näheren Bestimmung aller relevanten Krankheitsbilder ..., welche blindheitsbedingte Aufwendungen ausschließen" die Rede ist, würde es, wie die Klägerin zutreffend annimmt, nicht genügen, wenn der Beklagte abstrakt alle insoweit einschlägigen Krankheitsbilder auflisten würde. Aus naheliegenden Gründen ist ein Verweis auf die jeweilige Diagnose nicht ausreichend, um dem Einzelfall gerecht zu werden (vgl. bereits das Urteil des erkennenden Senats v. 17.07.2012 - L 15 BL 11/08, in dem im Einzelnen dargelegt worden ist, dass auch bei der Diagnose eines "vollständigen apallischen Syndroms" die individuellen Verhältnisse mit Blick auf die der Feststellung immanenten diagnostischen Unsicherheit und der Begrenztheit medizinischer Erfahrungssätze im Einzelnen untersucht werden müssen); es sind die Voraussetzungen zu überprüfen, ob bei der konkreten Ausprägung des Krankheitsbildes blindheitsbedingte Mehraufwendungen in Betracht kommen (so auch Braun, Die neuen Kriterien für den Blindheitsnachweis bei zerebralen Funktionsstörungen, in: MedSach 3/2019, 94 (97)).

b. Mit dem BSG geht der Senat davon aus, dass der Begriff der blindheitsbedingten Mehraufwendungen weit auszulegen ist (vgl. bereits das Urteil des Senats vom 12.11.2019, a.a.O.). Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus den Darlegungen des BSG (s.o.) sowie aus den vom BSG genannten Motiven des Landesgesetzgebers (s.o.) (so auch Braun, a.a.O.). Hingegen bleibt geringfügiger, ggf. singulärer Mehraufwand, der (so gut wie) keine Kosten verursacht - wie vorliegend etwa bei der von den Angehörigen selbst hergestellten "Hörschule" der Fall -, außer Betracht. Denn ein solcher "Aufwand" ist im Sinne von Art. 1 Abs. 1 BayBlindG ohne Bedeutung, weil es tatsächlich nichts auszugleichen gibt (vgl. zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses z.B. BeckOGK/Bieresborn, 01.09.2019, SGG, § 54, Rn. 126) und weil das BayBlindG (nur) einen spürbaren Aufwand, der durch die betraglich nicht unerhebliche Dauerleistung auszugleichen ist, im Blick hat.

c. Wie vom Senat bereits entscheiden worden ist (Urteil vom 12.11.2019, a.a.O.), stellen entgegen einer in der Literatur geäußerten Auffassung (vgl. Dau, in: jurisPR-SozR 9/2019 Anm. 4) Aufwendungen für die allgemeine pflegerische Betreuung, wie sie hier zur Überzeugung des Senats ausschließlich bestehen, keine blindheitsbedingten Mehraufwendungen dar. Der Senat kann der Argumentation (Dau, a.a.O.) nicht folgen, es sei zweifelhaft, ob es einen Fall mit einem anspruchsvernichtenden Zweckverfehlungseinwand im Freistaat Bayern jemals geben werden könne, weil das BayBlindG unter blindheitsbedingten Mehraufwendungen entsprechend den gesetzgeberischen Motiven in erster Linie Aufwendungen für die pflegerische Betreuung verstehe, Wachkomapatienten und zerebral schwerstgeschädigte Menschen jedoch in jedem Fall intensiver pflegerischer Betreuung bedürften, so dass sich der Leistungszweck des BayBlindG bei ihnen deshalb gar nicht verfehlen lasse. Denn zum einen lässt sich aus den Motiven des Gesetzgebers (vgl. Bayer. Landtag, Drs. 13/458, S. 5) eine Verengung auf die - wie auch immer verstandene - pflegerische Betreuung gar nicht ableiten. Zum anderen kann sich der Senat dieser formalen Argumentation auch nicht anschließen, da in den einschlägigen Fällen naheliegenderweise auf blindheitsspezifische Betreuung abzustellen ist. Anderenfalls würden übrigens die Vorgaben des BSG im Wesentlichen ins Leere laufen.

d. Für den gerichtlich überprüfbaren Einwand der Zweckverfehlung trägt nach der Entscheidung des BSG die Behörde die Darlegungs- und die Beweislast. Dabei ist sie verpflichtet, soweit möglich den - wie oben dargelegt individuellen - Sachverhalt zu ermitteln, steht jedoch vor der Schwierigkeit, dass sie die Darlegungs- und Beweispflicht hinsichtlich einer negativen Tatsache trifft, eben hinsichtlich des Nichtvorhandenseins blindheitsbedingter Mehraufwendungen. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass zur Ermittlung daher neben den medizinischen/pflegerischen Unterlagen vor allem die Angaben der Personen heranzuziehen sind, die die Verhältnisse hinsichtlich des betroffenen blinden Menschen aufgrund der Sach- und Ortsnähe zutreffend beurteilen können. Die Antragsteller trifft dabei eine Mitwirkungsobliegenheit.

Maßgeblich bei der Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall blindheitsbedingte Mehraufwendungen möglich sind, ist die objektive Situation des betroffenen blinden Menschen. Ob blindheitsbedingte Mehraufwendungen von dem Betroffenen tatsächlich getragen werden, ist dabei nur ein Indiz; so kann unnötiger Aufwand o.ä. keine Berücksichtigung finden. Entscheidend nach der Rechtsprechung des BSG ist, dass der Mangel an Sehvermögen durch spezielle Maßnahmen ausgeglichen werden kann. In der konkreten Situation des Betroffenen objektiv nicht möglicher blindheitsbedingter Mehraufwand muss außer Betracht bleiben. Dies schließt es auch aus, Aufwendungen zu berücksichtigen, die lediglich in der Hoffnung getätigt werden, sie führten zu einer Besserung des Gesundheitszustands bzw. der Wahrnehmungsfähigkeit etc. des Betroffenen, wie vorliegend die Klägerin vorgetragen hat.

e. Es wäre nicht ausreichend, wenn eine Zweckverfehlung des Blindengelds aufgrund der schweren zerebralen Schäden des Antragstellers ohne weitere Prüfung angenommen würde. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Aufgrund der vielmehr im Einzelnen durchgeführten Prüfung der dem Antragsteller verbliebenen Möglichkeiten durch den Senat ergibt sich, dass wegen den plausiblen medizinischen Unterlagen und weiteren vorliegenden Angaben davon ausgegangen werden muss, dass es das schwere Krankheitsbild ausgeschlossen hat, den Mangel an Sehvermögen durch spezielle Maßnahmen (auch nur teilweise) auszugleichen.

Wie sich aufgrund der vorliegenden medizinischen Befunde ergibt, litt der Antragsteller an einer chronischen Störung des Bewusstseins und einer spastischen Tetraparese neben weiteren gravierenden Gesundheitsstörungen infolge einer schweren Subarachnoidalblutung durch die Ruptur eines Aneurysmas der arteria communicans posterior links bzw. infolge der im Rahmen des anschließenden komplizierten Verlaufes erfolgten ischämischen Infarkten. Der Antragsteller hat sich klinisch im MCS mit Bewusstsein definierenden Reaktionen im Bereich des visuellen Systems und Willkürmotorik des linken Arms mit zielgerichteten Abwehrbewegungen befunden. Aus den vorliegenden Unterlagen und den Angaben der Klägerseite ergibt sich ohne Weiteres, dass der Antragsteller in jeder Hinsicht schwerst pflegebedürftig und in allen Verrichtungen des täglichen Lebens vollständig von fremder Hilfe abhängig gewesen ist. Der Antragsteller ist unfähig gewesen, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen. Wie die Klägerin selbst ausdrücklich bestätigt hat, ist der Antragsteller (seit der Subarachnoidalblutung) "zu jedem Zeitpunkt ein maximal bettlägeriger, nicht ansprechbarer Patient" gewesen, mit dem in einem Zeitraum von über fünf Jahren keinerlei Kommunikation möglich gewesen ist.

Es besteht keine Nachweispflicht des Betroffenen, welche blindheitsbedingten Mehraufwendungen im Einzelnen entstanden sind. Dies folgt aus Sicht des Senats aufgrund der vom BSG vorgenommenen Beweislastverteilung, an die er sich ebenfalls gebunden fühlt. Vorliegend ist jedoch zur Überzeugung des Senats, die dieser aufgrund der plausiblen und fundierten medizinischen Befunde gewonnen hat, ausgeschlossen, dass ein möglicher blindheitsbedingter Mehraufwand beim Antragsteller im Hinblick auf sein schweres Behinderungsbild bestanden hat, da der Antragsteller keine Mehraufwendungen hat haben können, "die aufgrund der Unfähigkeit, selbst etwas in gleicher Weise zu tun, wie bei vorhandenem Sehvermögen, entstehen, so dass entweder die Tätigkeiten von Anderen ausgeführt werden müssen oder die Unterstützung durch Andere notwendig ist bzw. spezielle Hilfsmittel eingesetzt werden müssen" (vgl. Braun, a.a.O., S. 97, mit Verweis auf Demmel, Die Entwicklung und Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Blindengeldleistung als Sozialleistung, 2003, S. 239). Insbesondere die "klassischen" Assistenzleistungen (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 12.11.2019 - L 15 BL 1/12) kommen nicht in Betracht, darüber hinaus jedoch auch keine weiteren Maßnahmen des Ausgleichs mangelnden bzw. aufgehobenen Sehvermögens (vgl. Demmel, a.a.O.).

Der gesamte sich aus den Unterlagen ergebende und sehr naheliegende im Hinblick auf die unzweifelhaft schwere Pflegebedürftigkeit bestehende Aufwand stellt allgemeinen Pflegeaufwand (bzw. pflegerische Leistungen) dar, der durch das sehr schwere Krankheitsbild des Antragstellers verursacht worden ist. Dieses hat die Störung seines Sehvermögens bei weitem überlagert. Zusätzliche Erschwernisse durch Letztere haben nicht bestanden.

Nicht für überzeugend hält der Senat vorliegend die Auffassung der Klägerseite, dass dann, wenn die Sinnesmodalitäten des Betroffenen unterschiedlich stark geschädigt seien, denklogisch nicht auszuschließen sei, dass sich bestimmte Aufwendungen auf die konkreten Schädigungen der einzelnen, unterschiedlich betroffenen Sinnesmodalitäten beziehen würden und dass daher "beim Antragsteller schon denklogisch nicht ausgeschlossen werden [könne], dass er aufgrund der sich aus der unterschiedlichen Betroffenheit der Sinne ergebenden begründeten Hoffnung auf eine zumindest partielle Reaktivierung einzelner Sinnesmodalitäten spezifische Aufwendungen konkret zur Aktivierung des Sehens" gehabt habe, dass "also aufgrund der relativ zu den anderen Modalitäten unterschiedlichen Betroffenheit des Sehens als einzelne Modalität dieses einen Ansatzpunkt für spezifisch hierauf anzusetzenden Therapieoptionen" geboten habe. Sei "in irgendwie gearteter Weise" eine differenzierte Sinneswahrnehmung nachgewiesen bzw. indiziert, so bestehe eine unwiderlegliche Vermutung, dass blindheitsbedingte Mehraufwendungen bestehen würden.

Denn diese Ansicht stellt das vorliegende Grundproblem, ob eben spezifischer Mehraufwand besteht, zunächst lediglich auf eine pauschale bzw. abstrakte Ebene. Eine solche bietet jedoch für die Klärung der maßgebenden Frage keine Basis, weil sich diese Frage einer pauschalen Betrachtungsweise gerade entzieht. Es erscheint auch bei einem einheitlichen Grad der Beeinträchtigungen der einzelnen Modalitäten nicht gerechtfertigt, von vornherein einen Ausschluss blindheitsbedingter Mehraufwendungen anzunehmen, weil stets der Einzelfall betrachtet werden muss und weil es vielmehr auf das Maß der (ggf. einheitlich ausgeprägten) Beeinträchtigungen ankommt. Im Übrigen gilt: Zwar mag es so sein, dass bei unterschiedlicher Ausprägung der Funktionsfähigkeiten der einzelnen Sinne spezifischer Aufwand jeweils näher liegt. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn diese Unterschiede auch erheblich sind, weil nur in diesem Fall kein multimorbides oder überlagerndes Krankheitsbild im Sinne der BSG-Rechtsprechung vorliegt. Vorliegend hat die Beweisaufnahme wie dargelegt jedoch ohne Weiteres ergeben, dass solche erheblichen Unterschiede nicht bestehen; dies ergibt sich insbesondere bereits anschaulich aus den einzelnen Schilderungen des Zustands des Antragstellers, die sich in den verschiedenen medizinischen Berichten finden. Auch das Argument der Klägerseite, die Aufwendungen des Antragstellers seien schon deshalb konkret teilweise seiner Blindheit zuzuordnen, weil sich die Annahme verbiete, die Therapie habe sich pauschal auf die Pflege eines generalisierten Leidens bezogen, muss daher ins Leere gehen.

Nicht nachvollziehen kann der Senat im Übrigen die Auffassung der Klägerin, bei entsprechenden Überlegungen seitens der Gerichte, ob die einzelnen Sinneswahrnehmungen zur Annahme von Mehrbedarf ausreichen würden, würde die "Grenze zur rechtlich unzulässigen Bewertung des Werts menschlichen Lebens überschritten" und es wäre moralisch nicht vertretbar, ohne "sichere Kenntnis über die subjektiv empfundenen Wahrnehmungsfähigkeiten" anzunehmen, in bestimmten Fällen bestünden mit Sicherheit keine blindheitsspezifischen Mehraufwendungen. Denn dabei wird übersehen, dass auch im Blindengeldrecht schlicht gilt, dass sich die erkennenden Gerichte hinsichtlich des behaupteten Anspruchs eine tragfähige und nachvollziehbare Überzeugung bilden müssen und ihre (unter anderem zusprechenden) Entscheidungen nicht auf bloße Vermutungen stützen dürfen. Andernfalls wären willkürlichen Entscheidungen - und solchen mit unangemessener Berücksichtigung emotionaler Betroffenheit - Tür und Tor geöffnet.

Danach ist hier festzustellen, dass der Senat überzeugt ist, dass die Funktionsfähigkeiten der einzelnen Sinnesmodalitäten des Antragstellers nicht ausreichen, um einen blindheitsbedingten Mehrbedarf begründen zu können. Dabei sind auch hier die obigen Darlegungen zum Nachweis gültig. Das bedeutet, dass die verbleibenden Unsicherheiten bzw. Restzweifel, die die Klägerin angesprochen hat, man könne bei einem solchen Patienten nie mit Sicherheit wissen, ob eine bestimmte Therapiemaßnahme hilfreich sei, der Überzeugung des Senats nicht entgegenstehen (s.o., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R, m.w.N.), dass aufgrund der Störungen aller Sinnesmodalitäten blindheitsbedingte Mehraufwendungen nicht bestehen. Insoweit ist für diese Tatsachen die Frage der Beweislastverteilung also gar nicht betroffen. Bei der Gewichtung der Restzweifel hat der Senat vor allen Dingen auch die Problematik grundsätzlicher Unsicherheiten medizinischer Einschätzungen und Beurteilungen berücksichtigt. So stellen medizinische Erfahrungssätze - wie der Senat früher bereits hervorgehoben hat (Urteil vom 12.02.2019 - L 15 VH 1/15) - "Generalisierungen dar, die auf einer begründeten Anzahl von Beobachtungen (Erfahrungsbasis) beruhen und deren Geltungsbereich über diese Erfahrungsbasis hinausgeht" (Kater, Das ärztliche Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren, 2. Aufl. 2011, S. 49). Solche Erfahrungssätze sind - abhängig von ihrer Erfahrungsbasis - nur als "mehr oder minder gesichert zu bezeichnen" (a.a.O.). Wie der Senat bereits mehrfach darauf hingewiesen hat (z.B. Urteil vom 12.02.2019, a.a.O., und vom 10.04.2018 - L 15 BL 4/16), müssen sich daher alle Beteiligten generell mit der Sicherheit begnügen, die die medizinische Wissenschaft bieten kann (vgl. Kater, a.a.O., S. 51, m.w.N.). Es erscheint also von vornherein unmöglich, völlig ausschließen zu wollen, dass die Maßnahmen u.U. vielleicht doch (auch) positive "blindheitsausgleichende" Wirkungen haben könnten. Mehr als unbedeutende Restzweifel ergeben sich hieraus aber eben nicht.

Auch die Kläger vermochten letztlich keine blindheitsbedingten Mehraufwendungen darzulegen, was aufgrund der Beweislastverteilung (siehe oben) nicht von entscheidender Bedeutung, jedoch logische Konsequenz der schwersten Behinderung des Antragstellers ist und die Auffassung des Senats unterstreicht. Der Senat stellt im Übrigen Bedenken hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der erst nach Ladung zur mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zurück.

Insbesondere genügt es nicht, wenn die Klägerseite darauf hingewiesen hat, dass aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit der Sinnesmodalitäten des Antragstellers sein Therapiekonzept hierauf abgestimmt worden sei. Aus dieser pauschalen Behauptung ergibt sich nicht, inwieweit ein blindheitsbedingter Mehrbedarf entstanden wäre. Das im Erörterungstermin mitgeteilte Therapiekonzept und die einzelnen Maßnahmen lassen wiederum keinen relevanten solchen Mehrbedarf erkennen.

Teilweise betreffen die - auch aus Sicht des Senats sicherlich sinnvollen - Maßnahmen schon nicht den Ausgleich von Blindheit, sondern von Störungen anderer Sinnesmodalitäten wie die benannten Wasseranwendungen auf der Stirn ausdrücklich zur Anregung des Tastsinns im Gesicht und wohl auch Kopfmassagen, Fußmalen und Gesichtswaschungen.

Zum anderen genügen entgegen der Auffassung der Klägerseite auch die Anschaffung und Inbetriebnahme eines Fernseh- oder Radiogeräts und zudem die weiteren (erst) am 16.06.2020 aufgezeigten Maßnahmen nicht, um hinsichtlich des Antragstellers das Entstehen von blindheitsbedingten Mehraufwendungen annehmen zu können, wie nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 26.11.2019 - L 15 BL 2/19) auch die Möglichkeit nicht ausreicht, dass eine externe Vorlesekraft tätig wird, die finanziellen Aufwand erzeugt.

Dies wäre mit den Vorgaben des BSG im Urteil vom 14.06.2018 nicht vereinbar. So sind der Einsatz der entsprechenden Geräte, Utensilien etc. oder einer Vorlesekraft (unter anderem zur Entlastung von Betreuungspersonen und) zur direkten Betreuung des Betroffenen hinsichtlich jeder Behinderung und Erkrankung denkbar; somit könnte der Einwand der Zweckverfehlung nie erhoben werden. Zum anderen handelt es sich hinsichtlich des Betriebs eines Fernseh- oder Radiogeräts und der weiteren Geräte (z.B. Leuchtwecker) im vorliegenden Fall gerade nicht um blindheitsbedingten Mehrbedarf, weil der Betrieb auch allgemein im Falle ernsthaft erkrankter bzw. anderweitig behinderter Menschen sinnvoll und gegebenenfalls notwendig ist. Soweit es um inhaltliche Informationen geht, wäre die Vermittlung dieser Informationen etc. durch Ton beim Antragsteller ohnehin nicht wegen der Sehbehinderung, sondern wegen der allgemeinen behinderungsbedingten Leseunfähigkeit erforderlich; die Abgabe von Informationen spielt hier aber wohl ohnehin wegen der geistigen Behinderung des Antragstellers bzw. der nicht möglichen Inhaltserfassung keine Rolle.

Soweit es um die Herstellung von Beruhigung etc. des Antragstellers geht - also um das Hören von Stimmen bzw. Musik -, reicht dies auch unter Berücksichtigung mangelnden Sehvermögens nicht aus. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 27.11.2013 - L 15 BL 4/12), stellen Maßnahmen nur des psychischen Beistands o.ä. keinen blindheitsbedingten Aufwand dar, da insoweit keine Betreuungsleistungen (im weiteren Sinn) betroffen sind. Daher führt auch der oben mehrfach erwähnte Hinweis der Klägerin nicht zum Erfolg, man könne bei einem solchen Patienten wie dem Antragsteller nicht mit Sicherheit wissen, ob eine bestimmte Therapiemaßnahme für den Betroffenen subjektiv eine sehr große z.B. psychologische Hilfe darstelle oder nicht. Gleiches gilt auch für die Maßnahmen zur Bekämpfung von Einsamkeitsangst im weiteren Sinne, die von der Familie des Antragstellers (und gegebenenfalls auch vom Pflegepersonal) mit großem Engagement erdacht und durchgeführt worden sind. Schließlich gleicht auch die Herstellung von Nähe etc. keine blindheitsspezifischen Nachteile aus (vgl. die therapeutisch empfohlene Ansprache bewusstloser Menschen) (vgl. auch das Senatsurteil vom 26.11.2019 - L 15 BL 2/19).

Im Übrigen hat Mehraufwand auch nicht wegen einer Klang- und Dufttherapie des Antragstellers bestanden; Entsprechendes gilt auch für eine zeitintensive Beschäftigung des Antragstellers allgemein. Auch hier gilt, dass beim Antragsteller bereits wegen der Bewusstseinsstörung und wegen seiner völligen Immobilität usw. kein blindheitsbedingter Mehraufwand bestand. Die genannten Maßnahmen (ferner die allgemeine zeitintensive Beschäftigung) sind, was sich als offensichtlich darstellt, vielmehr der allgemeinen Problematik der schwersten Beeinträchtigung des Antragstellers, nicht jedoch einer Blindheit geschuldet.

Zusätzliche abschätzbare, auch nur ansatzweise quantifizierbare und den Senat sachlich überzeugende Erschwernisse durch die Sehstörung des Antragstellers kommen nicht hinzu und konnten denn auch von der Klägerseite nicht benannt werden. Dass der Antragsteller mit Blick auf sein Sehvermögen nicht in der Lage gewesen sein könnte, "zum Zeitvertreib" Bilder, Filme o.ä. anzusehen, um dabei "unterhalten" zu werden, wäre übrigens nicht von Relevanz, da dies wegen der schweren geistigen Behinderung des Antragstellers bzw. der nicht möglichen Inhaltserfassung etc. keine Rolle spielen würde.

Weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich. Sie sind denn auch nicht beantragt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Referenznummer:

R/R9163


Informationsstand: 29.03.2022