Die bei der Beklagten versicherte Klägerin (
geb. 00.00.2008) begehrt die Versorgung mit dem Hilfsmittel Innowalk medium der Firma made for movement.
Bei der Klägerin liegen eine infantile dyskinetische Zerebralparese (rechtsbetont), Intelligenzminderung, symptomatische fokale Epilepsie, Sehstörungen mit Schielen, Nystagmus, Kurzsichtigkeit, Astigmatismus, Obstipation, Dystrophie u.a. vor. Sie hat den Pflegegrad 5 und einen anerkannten Grad der Behinderung (
GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B, H, RF, aG und G. Sie kann nicht selbstständig sitzen, stehen oder gehen. Im Zeitraum 20.01.2014 bis 10.08.2020 war die Klägerin durch die Krankenkasse mit dem Hilfsmittel Innowalk small versorgt worden.
Am 09.08.2019 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung (Dres. O./N.) vom 21.08.2019 ("Wachstumsbedingte Folgeversorgung") die Versorgung mit dem Innowalk medium. Sie legte einen Kostenvoranschlag der Firma made for movement über 25.246,75 Euro vor und reichte einen "Nutzungsnachweis" der Firma made for movement ein, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK). Dieser gelangte mit Gutachten vom 30.09.2019 zu der Einschätzung, es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB), die einer positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bedürfe. Der medizinische Nutzen dieses intensiven Funktionstrainings sei bisher nicht vom GBA geprüft worden. Gleiches gelte in Bezug auf mögliche Risiken, die nicht nur auf Überbelastung durch die Therapie selbst beruhen könnten, sondern auch auf Falschbelastungen, Falscheinstellungen, Falschprogrammierungen oder unkontrollierten Selbstanwendungen. Die Beklagte zog im Folgenden weitere medizinische Unterlagen sowie eine Videodokumentation zum begehrten Hilfsmittel bei. Mit weiterem Gutachten vom 12.12.2019 bestätigte der MDK die Einschätzung im ersten Gutachten.
Mit Bescheid vom 17.12.2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung verwies sie auf die MDK-Gutachten und führte aus, es handele sich um eine neue Behandlungsmethode. Dagegen legte die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, am 15.01.2020 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 21.02.2020 führte die inzwischen anwaltlich vertretene Klägerin aus, bereits kurz nach der Erstversorgung im Jahr 2014 seien erhebliche Erfolge erkennbar gewesen. Beispielsweise habe die Einnahme von Movicol nach Benutzung des Innowalk erheblich reduziert werden können. Die Spastiken hätten sich verbessert, entscheidend habe sich der Innowalk auch für den postoperativen Hüftschutz nach der 2013 erfolgten OP erwiesen. U.a. diene der Innowalk der Regulierung des Muskeltonus, Reduzierung der Spastik, Aktivierung und Erhaltung der Muskelkraft, Anregung/Verbesserung der Vitalfunktionen, Anregung der Darmfunktion, Förderung der Gehfähigkeit und der Gangstabilität, Verbesserung der Gewichtsübernahme im Stehen/Gehen, Verbesserung der Körperkoordination und Kontrolle/Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, Verbesserung der Kopf- und Rumpfstabilität, Reduzierung von Medikamenten und deren Nebenwirkungen sowie der Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens. Es komme zu einem unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleich; die fehlende Funktion des Sitzens, Stehens und Gehens, der Bewegung und der Teilhabe im Alltag würden unmittelbar ausgeglichen. Ein mittelbarer Ausgleich finde insofern statt, als durch die Nutzung eine eigene Sitzfähigkeit, Stehfähigkeit und Gehfähigkeit und die selbstständige Teilhabe am sozialen Leben und Alltag erlernt und erreicht werden solle. Auch ergebe sich aus Stellungnahmen des GBA vom 17.08.2018 und 13.12.2018, dass es sich nicht um eine NUB handele. Das Hilfsmittel werde durch geschulte Außendienstmitarbeiter speziell für den jeweiligen Patienten eingestellt. So erfolge eine individuelle Größenanpassung unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Patienten. Eine individuelle Spastikkontrolle werde voreingestellt. Diese schalte im Falle eines zu starken Gegendrucks automatisch so lange ab, bis die Spastik sich gelegt habe. Die maximalen Nutzungszeiten würden ebenfalls voreingestellt und im Laufe der Zeit an die jeweiligen Fortschritte angepasst. Die Einstellungen könnten durch den jeweiligen Patienten nicht geändert werden. Weiter verwies die Klägerin auf eine Stellungnahme des Außendienstleiters der Firma made for movement Herrn L., auf den Inhalt wird Bezug genommen. Bei Übergabe des Gerätes würden u.a. übergeben der Trainingsplan und die Trainingsdokumentation, eine Empfangsbestätigung, eine Einverständniserklärung, eine Kundeninformation zur Datenerhebung und das Handbuch. Auf den Inhalt der genannten Unterlagen wird jeweils Bezug genommen.
Die Beklagte holte daraufhin weitere Gutachten des MDK vom 11.05.2020, 13.11.2020 und 16.04.2021 ein. Der MDK verblieb bei seiner Einschätzung und führte ergänzend aus, die begehrte Versorgung sei medizinisch nicht indiziert. Die Klägerin sei bereits mit verschiedenen Hilfsmitteln versorgt, um die Grundbedürfnisse Sitzen, Stehen und Gehen und Erschließung eines körperlichen und geistigen Freiraums zu sichern. Auch sei die Studienlage zum Nachweis des medizinischen Nutzens des Trainings mit dem Innowalk nicht ausreichend, um von einer Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung auszugehen. Alternativ sei die Versorgung mit einem Stehtrainer zur Vertikalisierung für die Schule und den häuslichen Bereich sowie mit einem fremdkraftbetriebenen Kombinationstrainer für Arme und Beine zur Mobilisierung medizinisch indiziert. Eine Kostenempfehlung könne auch im Einzelfall nicht gegeben werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2021 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie zur Begründung aus, der Innowalk habe nicht zum Ziel, den Ausfall der Körperfunktionen (Gehen, Stehen, Sitzen) zu beseitigen
bzw. zu mildern. Das Gerät ermögliche zwar die Vertikalisierung, dies sei aber nicht der Hauptzweck des Hilfsmittels. Vielmehr diene die Vertikalisierung nur der mit dem Hilfsmittel beabsichtigten Einübung einer korrekten Gehbewegung sowie des Aufbaus und der Kräftigung der hierfür benötigten Muskulatur. Es werde auch nicht die Körperfunktion des Gehens ausgeglichen, da sich die Klägerin mit dem Hilfsmittel nicht tatsächlich fortbewegen könne. Der Innowalk verbleibe während des Einübens der Gehbewegung statisch an seinem Ort. Der Behinderungsausgleich stehe im Hintergrund, er sei nur Nebenfolge des eigentlich angestrebten Ziels der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung. Der Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setze voraus, dass die Verwendung des Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehe und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27
SGB V als erforderlich anzusehen sei. Hierfür reiche nach MDK die aktuelle Studienlage zum Nachweis des medizinischen Nutzens des Trainings nicht aus. Bewegung und Teilhabe am Alltag seien nach der Rspr. des
BSG keine Grundbedürfnisse, die im Sinne eines Behinderungsausgleichs zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV) ausgeglichen werden müssten. Zudem handele es sich um eine NUB und es fehle nach wie vor an einer positiven Empfehlung des GBA hierzu.
Hiergegen richtet sich die am 10.08.2021 erhobene Klage. Die Klägerin vertieft ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus, das mit dem Innowalk verfolgte Konzept sei nicht "neu". Es bestehe in einer Kombination der unterstützten Vertikalisierung und des fremdkraftbetriebenen Beintrainings. Jedes dieser Konzepte sei für sich nicht neu, sondern gehöre zum Leistungsumfang der
GKV. Es liege auch keine wesentliche Änderung oder Erweiterung der anerkannten Behandlungsmethoden vor, die eine vorherige Prüfung durch den GBA bedürften. Gegenüber den gelisteten Hilfsmitteln erhöhte Risiken für den Anwender seien nicht ersichtlich. Die Klägerin legt die Stellungnahmen des GBA vom 17.08.2018 und 13.12.2018 erneut vor und verweist auf diese.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid der Beklagten vom 27.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie mit dem Hilfsmittel "Innowalk medium" auf Dauer zu versorgen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Das Gericht hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte der Fachärztin für Kinderchirurgie
Dr. A. vom 21.10.2021 und des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Herrn C., Kinderneurologisches Zentrum der Sana Klinik E. vom 24.02.2021 und 01.03.2022 eingeholt. Weiter hat das Gericht von Amts wegen eine Begutachtung der Klägerin durch den Leiter der Neuro- und Sozialpädiatrie der Uniklinik I.
Dr. K. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 09.08.2022 u.a. ausgeführt, im Falle der Klägerin drohe eine Verschlechterung der Kontrakturen mit der Folge von weiteren orthopädischen Operationen. Es könne bei Einsatz des Innowalk von einem kurativ-therapeutischen Ansatz gesprochen werden. Die bisher erfolgte Nutzung des Innowalk small sei effektiv gewesen, initial sei eine Verbesserung der Tonusstörung, der Spastik und der Obstipation festzustellen. Nach dem aktuellen Zustand der Klägerin beurteilt sei die aktuelle Hilfsmittelversorgung nicht ausreichend zur Erreichung des alten status quo als medizinischem Behandlungsziel. Eine gleichermaßen geeignete Alternative gegenüber dem Innowalk stehe nicht zur Verfügung. Im Übrigen wird auf die Ausführungen Bezug genommen.
Die Beteiligten haben schriftlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben, § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54
Abs. 2
S. 1
SGG beschwert, da sie rechtswidrig sind. Sie hat Anspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel Innowalk medium.
Nach
§ 33 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34
Abs. 4 ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" grundsätzlich nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß
§ 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (
vgl. BSG, Urteil vom 10.03.2011 -
B 3 KR 9/10 R, juris).
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht schon daraus, dass sie in der Vergangenheit mit einem Innowalk small versorgt war und eine ärztliche Verordnung (
§ 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB V) des Hilfsmittels vorlegen konnte. Die Beklagte hat die frühere Versorgung entgegen der damaligen Stellungnahme des MDK vorgenommen. Die Anerkennung der medizinischen Notwendigkeit ist ausdrücklich nicht erfolgt. Ein Anspruch auf Bewilligung des größeren Nachfolgemodells Innowalk medium kann hieraus daher nicht abgeleitet werden. Eine vertragsärztliche Verordnung ist nach der seit dem 30.10.2012 geltenden Rechtslage allenfalls dann für eine Krankenkasse verbindlich, wenn sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet hat, was
z.B. durch vertragliche Vereinbarungen nach
§ 127 SGB V mit Leistungserbringern
bzw. deren Verbänden möglich ist (
vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2015 -
B 3 KR 13/13 R, juris). Ein solcher Verzicht auf eine Genehmigung liegt hier nicht vor.
Andererseits schließt die fehlende Erwähnung im Hilfsmittelverzeichnis (
HMV) einen Anspruch nicht aus.
Mit der Regelung in § 33
Abs. 1
S. 2
SGB V hat der Gesetzgeber klargestellt, dass Versicherte nur solche Hilfsmittel beanspruchen können, die die nach
§ 139 Abs. 2 SGB V im Hilfsmittelverzeichnis festgelegten Qualitätsanforderungen erfüllen. Diese Vorgabe gilt für alle im Hilfsmittelverzeichnis gelisteten Hilfsmittel und solche Hilfsmittel, die zwar nicht im Verzeichnis enthalten sind, sich jedoch hinsichtlich ihrer Funktion
bzw. medizinischen Zweckbestimmung grundsätzlich einer Produktart des Hilfsmittelverzeichnisses zuordnen lassen. Für alle anderen Hilfsmittel greift die Regelung nicht, sodass die Versorgung mit Hilfsmitteln, die nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind und auch keiner dort bereits definierten Produktart zugeordnet werden können, sichergestellt ist (Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 33
SGB V (Stand: 09.08.2021), Rn. 24). Nach der ständigen Rechtsprechung des
BSG hat das Hilfsmittelverzeichnis nicht die Aufgabe, abschließend als Positivliste darüber zu befinden, welche Hilfsmittel der Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung beanspruchen kann (
BSG, Urteil vom 18.06.2014 -
B 3 KR 8/13 R, juris). Es stellt damit für die Gerichte nur eine unverbindliche Orientierungs- und Auslegungshilfe dar (Pitz a.a.O. § 33
SGB V (Stand: 09.08.2021), Rn. 25). Den Krankenkassen steht ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33
SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung im Einzelfall erforderlich ist.
Bei dem Innowalk handelt es sich um ein Hilfsmittel, das in erster Linie der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient.
Hilfsmittel können nach § 33
Abs.1
S. 1
SGB V drei unterschiedlichen Zielrichtungen dienen: der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (Var. 1), dem Vorbeugen vor Behinderung (Var. 2) oder dem Behinderungsausgleich (Var. 3).
Bei der Versorgung mit einem sächlichen Hilfsmittel handelt es sich nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation, wenn der Einsatz des Hilfsmittels der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient (
vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 30/15 R, juris). Nach der Rspr. des
BSG dienen Hilfsmittel dann der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, wenn sie im Rahmen einer Krankenbehandlung, d.h. zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung einer Erkrankung als der Kernaufgabe der
GKV nach dem
SGB V eingesetzt werden. Krankenbehandlung umfasst dabei nach der Definition des
§ 27 Abs.1 S. 1 SGB V die notwendigen Maßnahmen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das umschreibt die kurative Therapie einer Krankheit, wozu auch medizinische Untersuchungs- und Diagnostikverfahren gehören. Insoweit unterliegt auch das Hilfsmittel selbst den Vorschriften zur Qualitätssicherung vertragsärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, insbesondere dem Erfordernis der positiven Empfehlung durch den GBA, soweit die Verwendung des Hilfsmittels untrennbar mit einer neuen Methode verbunden ist (
vgl. BSG, Urteil vom 08.07.2015 -
B 3 KR 5/14 R;
BSG, Urteil vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R, jeweils juris). Dabei ist keine Voraussetzung, dass durch das Hilfsmittel eine Heilung der Erkrankung erreicht wird. Es ist zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung im Rahmen von § 33
Abs. 1
S. 1 1. Alt.
SGB V ausreichend, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt wird (
vgl. BSG, Urteil vom 08.07.2015 a.a.O.; ausführlich zum Ganzen auch
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.06.2019 -
L 9 KR 410/18 B ER;
LSG Sachsen, Beschluss vom 09.05.2019 -
L 9 KR 351/18 B ER;
LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.08 2018 -
L 5 KR 127/18 B ER; SG Darmstadt, Urteil vom 24.06.2019 -
S 8 KR 116/18, jeweils juris). Der Einsatz von Hilfsmitteln ist nach deren Funktionalität und schwerpunktmäßiger Zielrichtung
bzw. Zwecksetzung zu differenzieren (
vgl. BSG, Urteil vom 15.03.2018 a.a.O.;
BSG, Urteil vom 07.05.2020 -
B 3 KR 7/19 R, juris).
Dies zugrunde gelegt wird der Innowalk nicht mit der Zielsetzung der Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder zum Ausgleich einer Behinderung eingesetzt, sondern soll schwerpunktmäßig den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern.
Bei dem "Innowalk" handelt es sich nach Angaben der Firma "made for movement" um einen Bewegungstrainer, der speziell für Menschen mit mittelschweren bis schweren motorischen Beeinträchtigungen entwickelt wurde, die sich allein nur eingeschränkt oder gar nicht bewegen können (nicht gehfähig sind). Dabei wird der Nutzer in einer aufrechten, stehenden Position gehalten, sodass er oder sie sich mit Unterstützung oder allein bewegen und geführte, unterstützte und repetitive Bewegungen ausführen kann. Dabei wird der Einsatz für verschiedene Erkrankungen empfohlen, wie etwa Zerebralparese, verschiedene Syndrome wie Rett-Syndrom und Trisomie 21, Rückenmarksverletzungen, Schlaganfall oder Multiple Sklerose. Es erfolgt eine motorisierte, passive Bewegung bei nach Möglichkeit maximaler Muskelstreckung und Gewichtsübernahme, wodurch eine Reaktion im gesamten Körper hervorgerufen wird. Die motorisierte Bewegung ruft eine Aktivitätsreaktion im ganzen Körper hervor und der Benutzer kann mit den Beinen und zusätzlich mit den Armen über Armgriffe aktiv in den Bewegungsablauf eingebunden werden (
vgl. hierzu die Angaben und
FAQ auf der Homepage von "made for movement", abrufbar unter https://blog.madeformovement.com/de/die-12-h%C3%A4ufigsten-fragen-zum-bewegungstrainer-innowalk, zuletzt abgerufen am 07.12.2022). Durch das Training mit dem Innowalk soll eine positive Beeinflussung auf die Atmung, Durchblutung, Verdauung, Muskelaktivität und Gelenkbeweglichkeit, Knochenmineraldichte und die psychische Gesundheit erfolgen. Schwerpunktmäßig dient der Innowalk folglich nach Zielrichtung
bzw. Zwecksetzung der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, er soll einen kurativ-therapeutischen Einfluss auf die Symptome der jeweiligen Erkrankung bewirken.
Die Klägerin ist aktuell mit folgenden Hilfsmitteln für die Bewegungsstörung versorgt:
1. Rollstuhl
2. Stehtrainer
3. motorisierter Bewegungstrainer Motomed
4. Orthesen
Sie leidet an folgenden Gesundheitsstörungen:
1. Bilaterale dyskinetische Zerebralparese, rechtsbetont, GMFCS 5, CFCS 4-5
2. Intelligenzminderung unklaren Ausmaßes
3. Symptomatische fokale Epilepsie
4. Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus
5. Sehstörung mit Schielen, Nystagmus, Kurzsichtigkeit, Astigmatismus
6. Obstipation
7. Dystrophie
Die Klägerin leidet an den Symptomen einer Zerebralparese. Hierunter fallen eine Gruppe von Symptomen mit Bewegungsstörungen und muskelsteife (Spastik). Sie wird verursacht durch Fehlbildungen des Gehirns, die während der Gehirnentwicklung vor der Geburt oder durch einen Gehirnschaden vor, während oder kurz nach der Geburt entstehen. Sie ist beim GMFCS (Gross Motor Functions Classification System) in Level 5 eingeordnet, dieses Level kennzeichnet Personen, die motorisch vollständig auf äußere Hilfe angewiesen sind. Beim CFCS (Communication Function Classification System) ist die Klägerin in Level 4-5 eingeordnet, dieses kennzeichnet Personen, die nicht durchgängig in der Lage sind, mit vertrauten Personen zu kommunizieren. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen hat die Klägerin Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27
SGB V - dies ist dem Grunde nach zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Der Innowalk ist auch für die Krankenbehandlung im Fall der Klägerin erforderlich.
Die Kammer entnimmt dies dem von Amts wegen eingeholten Gutachten des Sachverständigen
Dr. I.. Dieser hat ausgeführt, durch die Nutzung des Innowalk könne die Klägerin eine Verbesserung der Tonusstörung, der Spastik und der Obstipation erreichen; dies sei bereits in der Vergangenheit durch die Nutzung des Innowalk small gelungen. Die erkrankungsverursachten Beschwerden wie verringerte Spontanbewegungen, Kontrakturen und Schmerzen, also mithin das schwere Residualsyndrom, könnten abgemildert werden, eine Verschlechterung der Kontrakturen mit der Folge weiterer orthopädischer Operationen solle vermieden werden. Es solle nach Möglichkeit der status quo aufrecht erhalten bleiben. Der Sachverständige ist als Leiter der Neuro- und Sozialpädiatrie der Uniklinik L. aufgrund eingehender Untersuchung und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter Berücksichtigung der übrigen vorliegenden medizinischen Unterlagen nachvollziehbar zu dieser Einschätzung gelangt. Die Kammer hat keinerlei Bedenken, sich dem widerspruchsfrei begründeten Gutachten anzuschließen. Die Therapie der infantilen Zerebralparese erfolgt symptomatisch,
z.B. durch Physiotherapie, Ergotherapie (einen ganzheitlichen Bewegungsansatz, konkretes an den Betätigungsproblemen orientiertes Alltagstraining), Logopädie u.a. (
vgl. Pschyrembel online zu "Infantile Zerabralparese"). Als eine Therapieoption bei Zerebralparese werden in den die Klägerin betreffenden vorliegenden Befundberichten und Behandlungsunterlagen funktionelle Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie genannt, u.a. zur Unterstützung der motorischen Entwicklung. Das Prinzip dieser Therapien besteht danach in einer problembezogenen Therapie. Die Therapieintensität ist abhängig von dem Schweregrad der Zerebralparese.
Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass bei der Klägerin durch die vorgenannten Therapieformen insbesondere die Rumpfaufrichtung und eine weitgehende Vertikalisierung der Klägerin im Rollstuhl erreicht werden soll. Auch Funktionen wie etwa das gezielte Greifen oder motorische Fähigkeiten sollen verbessert werden, ebenso wurde die Verbesserung der Hüftbeweglichkeit und die gleichzeitige Aktivierung des Rumpfes sowie die Mobilisation der Wirbelsäule angestrebt. Allgemein soll es zu einer Kreislaufverbesserung und Förderung der kognitiven Fähigkeiten kommen. Damit sollen durch den Einsatz des Innowalk sowohl die Verschlimmerung der Krankheit und ihrer Folgen vermieden als auch die Krankheitsbeschwerden gelindert werden, sodass das Hilfsmittel unmittelbar der Krankenbehandlung dient.
Die Kammer hat nach den Ausführungen des Sachverständigen
Dr. I. keinerlei Zweifel daran, dass die von den die Klägerin behandelnden Ärzten und Therapeuten gesetzten Therapieziele durch Einsatz des Innowalk unterstützt werden. Nach Einschätzung des Sachverständigen ist auch eine Integration des Innowalk in den ärztlichen Therapieplan und die Therapieadhärenz gewährleistet. Dem folgt die Kammer; auch sie geht davon aus, dass im konkreten Einzelfall der Einsatz des Innowalk im Rahmen einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung (§ 27
Abs. 1
S. 2
Nr. 3
SGB V) eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen, und hierfür auch erforderlich ist.
Der Innowalk soll außerhalb der Physiotherapie in Eigenanwendung im häuslichen Umfeld erfolgen. Der Hersteller beschreibt die Alleinstellungsmerkmale des Innowalk gegenüber
z.B. einem Motomed (=passiver Bewegungstrainer) dahingehend, dass die Patienten unter Eigengewicht trainieren. Auf die passiv/reziprok eingeleitete Beinbewegung reagierten sie aktiv, die weiterlaufende Bewegung der Beine in der maximalen Aufrichtung führe zu einer aktiven Stimulation der Bein-, Becken- und Rumpfmuskulatur. Die neu gewonnene Sicherheit während des Trainings gebe dem Patienten Vertrauen in seine eigenen Bewegungen und sei maßgeblich für die Regulation des Muskeltonus mitverantwortlich. Die schnellen Erfolge und das leichte Training motivierten die Patienten und die betreuenden Personen, dieses Training so oft wie möglich durchzuführen. Das Training sei somit sehr effizient und könne häufiger durchgeführt werden, was den Trainingserfolg und das Erreichen der Therapieziele deutlich verbessere. Der Innowalk ermögliche viele korrigierte Bewegungszyklen, die Bewegungsmuster im zentralen Nervensystem verselbstständigten. Er sei einfach zu handhaben und benötige wenig Hilfe durch Begleitpersonen. Aus den Befundberichten geht hervor, dass auch die Ärzte der Klägerin den Einsatz des Innowalk befürworten.
Dies zugrunde gelegt geht die Kammer nicht davon aus, dass das Fehlen einer positiven Empfehlung des GBA nach § 135
Abs. 1
S. 1
SGB V der Gewährung des Hilfsmittels entgegen steht.
Der Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. "Neu" ist eine Behandlungsmethode grundsätzlich dann, wenn sie bislang nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist. Dem in
§ 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 und
§ 135 Abs. 1 SGB V verwendeten Begriff der "Behandlungsmethode" kommt jedoch eine umfassendere Bedeutung zu als dem Begriff der "ärztlichen Leistung" im EBM-Ä nach
§ 87 SGB V, da einzelne vertragsärztliche Leistungen oftmals nur Bestandteil eines methodischen Konzepts sind (
vgl. BSG, Urteil vom 25.08.1999 - B 6 KA 39/98 R, juris). Setzt sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener - für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammen, kann es sich um eine neue Behandlungsmethode handeln, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener Einzelleistungen liegt. Es kommt dann darauf an, ob die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (
BSG, Urteil vom 08.07.2015 a.a.O.
m.w.N.). Die Beurteilung der Wesentlichkeit von Änderungen oder Erweiterungen erfordert nach der Rechtsprechung des
BSG eine Orientierung am Schutzzweck des § 135
Abs. 1
SGB V. Die Bewertung des GBA dient der Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen
bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden (Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 135
SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 22,
m.w.N.). Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der
GKV abrechnungsfähige Methoden insbesondere dann, wenn sich der diagnostische
bzw. therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll oder wenn mit der Methode gesundheitliche Risiken verbunden sein könnten, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (
BSG, Urteil vom 08.07.2015 a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht schon auf der Grundlage der Auskünfte des GBA vom 17.08.2018 und 13.12.2018 eine NUB zu verneinen. Darin hat der GBA lediglich bestätigt, dass das Hilfsmittel "Innowalk" bisher im GBA nicht überprüft worden ist und zu dieser Therapieform bislang keine Empfehlung nach § 135
Abs. 1
SGB V abgegeben worden ist. Ein Antrag auf Prüfung dieser Therapieform als neue Behandlungsmethode der antragsberechtigten Organisationen gemäß den Vorgaben des § 135
SGB V liegt nicht vor. Allein daraus, dass es bisher mangels Antragstellung keine Befassung des GBA mit der Therapie mit dem "Innowalk" gegeben hat, kann nicht abgeleitet werden, dass es sich nicht um eine NUB handelt. Die Kammer geht jedoch aus anderen Gründend davon aus, dass keine NUB vorliegt.
Zwar soll der Einsatz des Innowalk außerhalb der Physiotherapie in Eigenanwendung erfolgen. Daraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer jedoch nicht, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt, die einer positiven Richtlinienempfehlung des GBA bedarf (ebenso
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.07.2017 -
L 4 KR 635/19 ER-B; SG Chemnitz, Urteil vom 30.06.2020 - S 36 KR 661/19; SG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2020 -
S 3 KR 1730/18, jeweils juris; SG München, Urteil vom 22.06.2021 -
S 35 KR 3752/19; SG Neuruppin, Urteil vom 15.01.2021,
S 9 KR 90/18; anderer Auffassung Thüringer
LSG, Urteil vom 23.12.2021 - L 6 KR 1126/18; Sächsisches
LSG, Beschluss vom 09.05.2019 -
L 9 KR 351/18 B ER; Schleswig-Holsteinisches
LSG, Beschluss vom 20.08.2018; SG Darmstadt, Urteil vom 24.06.2019 -
S 8 KR 116/18, jeweils juris).
Das mit dem Innowalk verfolgte Konzept besteht in einer Kombination der unterstützten Vertikalisierung und des fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainings. Keines dieser Konzepte ist in diesem Sinne neu, sondern gehört zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. So sind im Hilfsmittelverzeichnis für die Vertikalisierung in Produktgruppe 28 (Stehhilfen) Stehständer als Hilfsmittel gelistet. Fahrbare Stehständer sind mit einer fußseitigen Grundplatte ausgestattet, an der vier lenkbare Rollen mit Bremsfeststeller befestigt sind. Mit Hilfe der angebrachten Rollen ist es möglich, den Stehständer allein oder zusammen mit dem Anwender innerhalb des Wohnbereichs an unterschiedliche Stellen zu schieben. Als Indikation wird unter anderem aufgeführt: "Erheblich ausgeprägte Beeinträchtigung des Stehens und Gehens bei:
- kompletten/inkompletten Halbseitenlähmungen (Hemiplegie/Hemiparese)
- kompletten/inkompletten Lähmungen der Arme und Beine (Tetraplegie/-parese) und gegebenenfalls mit Einbeziehung der Rumpfmuskulatur infolge einer Erkrankung des Gehirns
(z. B. Multiple Sklerose, Hirnverletzung), des Rückenmarks
(z. B. Poliomyelitis, Querschnittsyndrom bei Trauma oder Tumor) oder des peripheren Nervensystems/Muskelerkrankungen
(z. B. Guillain-Barré-Syndrom, Muskeldystrophien)
- zur Einnahme einer stehenden Position zum Beispiel in Vorbereitung auf ein Gehtraining und/oder zur Erzielung positiver Auswirkungen einer aufrechten Körperposition (zum Beispiel hinsichtlich Kreislaufregulation/Knochenstoffwechsel/Darmperistaltik/Harnableitung und/oder zur Verhütung eines Dekubitus-, einer Thrombose- oder von Gelenkkontrakturen, Förderung von Kopfkontrolle und Armfunktion und Verbesserung der Raumwahrnehmung)"
Für das fremdkraftbetriebene Training sind in der Produktgruppe 32 (Therapeutische Bewegungsgeräte) fremdkraftbetriebene Arm- und Beintrainer gelistet. Von der Grundkonzeption besteht nach Beschreibung im Hilfsmittelverzeichnis Ähnlichkeit zu den sogenannten Fahrradergometern, allerdings verfügen sie über keinen Sattel. Das Bewegungstraining kann sitzend aus dem Rollstuhl oder liegend ausgeführt werden. Aus der Produktbeschreibung zu "Fremdkraftbetriebene Beintrainer" der Produktgruppe 32 ergibt sich, dass bei fremdkraftbetriebenen Beintrainern ein Motor passiv beide Beine bewegt. Über eine Steuerelektronik können Motorgeschwindigkeit und Drehrichtung beeinflusst und überwacht werden. Als Indikation wird im Hilfsmittelverzeichnis ausgeführt:
"Erheblich bis voll ausgeprägte Schädigung der neuromuskuloskelettalen und bewegungsbezogenen Funktionen der unteren Extremität (Muskelkraft, -tonus, -ausdauer, -koordination, Funktionen der Willkürbewegungen, Bewegungsmuster) mit Beeinträchtigung der Aktivitäten infolge einer Erkrankung des Gehirns
(z. B. Multiple Sklerose, Trauma), des Rückenmarks
(z. B. Querschnittsyndrome bei spinalen Tumoren, Trauma), der Nervenwurzeln
(z. B. Bandscheibenvorfall) oder neuromuskulärer Erkrankungen
(z. B. Muskeldystrophien)." Fremdkraftbetriebene Beintrainer sollen nach dem Hilfsmittelverzeichnis zur passiven Unterstützung der Bewegung als Ergänzung zu Maßnahmen der Physiotherapie (Krankengymnastik,
KG-ZNS) oder Ergotherapie (motorisch funktionelle Behandlung, sensomotorisch-perzeptive Behandlung) gemäß geltender Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) eingesetzt werden. Gleiches gilt für "Fremdkraftbetriebene Kombinationstrainer" der Produktgruppe 29 (Ganzkörper), die auch noch die Arme einbeziehen.
Hinsichtlich der Indikation und der Funktionsweise entspricht die Behandlung mit dem Innowalk nach Auffassung der Kammer den bereits gelisteten Hilfsmitteln in den vorgenannten Produktgruppen. Der therapeutische Nutzen dieser Hilfsmittel ist nachgewiesen und entspricht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse; dies ist durch das Aufnahmeverfahren nachgewiesen. Hiervon ausgehend kann die Kammer nicht erkennen, dass es sich bei dem Innowalk um eine neue Behandlungsmethode handelt, die einer positiven Bewertung durch den GBA bedarf. Die Kammer ist ausgehend hiervon in Bezug auf die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen davon überzeugt, dass das fremdkraftbetriebene Bewegungstraining in Vertikalisierung dem medizinischen Standard entspricht. In der Anwendung und Funktionsweise des Innowalk liegt nach dem Dafürhalten der Kammer gerade keine wesentliche Änderung oder Erweiterung der anerkannten Behandlungsmethoden vor, die einer Empfehlung des GBA bedarf. Die Kombination der Vertikalisierung und des Bewegungstrainings stellt nicht eine im oben genannten Sinne neue Wirkungsweise dar oder birgt noch nicht erforschte Risiken für den oder die Versicherte/n. Die Besonderheit in der Vereinigung bereits angebotener "Einzelgeräte-/bestandteile" besteht darin, dass eine Kombination aus Stehtrainer und motorisiertem Bewegungstrainer und zusätzlich eine Bewegungsinduktion in der physiologischen Vertikalen erfolgt. Damit einher gehen eine ganzheitlichere Behandlung und positive Synergieeffekte; es kommt nicht zuletzt auch zu erheblichen zeitlichen Einsparungen gegenüber dem Training/der Anwendung der Teilkonzepte. Allein ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen im Vergleich zu gelisteten Hilfsmitteln führt aber nicht schon zur Annahme einer neuen Behandlungsmethode. Die Kammer geht nicht davon aus, dass sich aus der Eigenanwendung des Innowalk neue und höhere Risiken ergeben, die zum Schutze der Patienten einer Prüfung und Bewertung durch den GBA bedürfen. Gegenüber den gelisteten Hilfsmitteln erhöhte Risiken für den Anwender sind für die Kammer nicht ersichtlich. Der Innowalk darf nach Angaben der Firma made for movement nur unter Aufsicht einer geschulten Person benutzt werden, nach den Angaben der Eltern der Klägerin sind diese entsprechend geschult. Er wird durch geschulte Außendienstmitarbeiter speziell für den jeweiligen Patienten eingestellt, wobei eine individuelle Größenanpassung unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Patienten erfolgt. Eine individuelle Spastikkontrolle wird voreingestellt, die im Falle eines zu starken Gegendrucks automatisch so lange abschaltet, bis die Spastik sich gelegt hat. Es gibt zudem eine Notabschaltung. Auch wird die maximale Nutzungszeit voreingestellt und im Laufe der Zeit an die jeweiligen Fortschritte angepasst. Die Einstellungen können durch den jeweiligen Patienten nicht geändert werden. Bei Übergabe des Gerätes wird unter anderem der Trainingsplan und die Trainingsdokumentation übergeben. Zur Überzeugung der Kammer besteht daher weder eine gesteigerte Gefahr eines übertriebenen Einsatzes noch ein erhöhtes Risiko im Vergleich mit im Hilfsmittelverzeichnis gelisteten Bewegungstrainern in der vorgesehenen häuslichen Anwendung.
Das Hilfsmittel ist auch geeignet, ausreichend und zweckmäßig. Die Kammer schließt sich hierbei vollumfänglich den Ausführungen des Sachverständigen
Dr. I. an. Die Anwendung des Innowalk kann einer Verschlechterung im Gesundheitszustand entgegenwirken und bestehende Beeinträchtigungen mildern. Hierfür spricht auch, dass nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen nach Beendigung der Anwendung des Innowalk small eine Kontrakturzunahme, Schmerzkrisen, Durchblutungsstörungen in den Beinen und vermehrte Verstopfung bei der Klägerin eingetreten waren. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass mit dem Innowalk die Erhaltung des status quo und die Verhinderung einer Verschlechterung der Kontrakturen mit der Folge von weiteren orthopädischen Operationen ermöglicht wird.
Das streitgegenständliche Hilfsmittel ist auch wirtschaftlich und übersteigt das Maß des Notwendigen nicht.
Bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten müssen die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sein. Bei Hilfsmitteln entspricht dem eine begründbare angemessene Relation zwischen Kosten und Gebrauchsvorteil. Wirtschaftlich im engeren Sinne ist hier die Maßnahme, die sich im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse als die günstigste erweist. Dabei sind auf der Nutzenseite Art, Dauer und Nachhaltigkeit des Heilerfolgs einzubeziehen. Es besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, wenn für den angestrebten Nachteilsausgleich eine funktionell ebenfalls geeignete, aber kostengünstigere Versorgung möglich ist (Heinz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl.,
§ 12 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 106).
Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass die aktuelle Hilfsmittelversorgung der Klägerin nicht ausreichend zur Erreichung des Behandlungsziels ist. Eine gleichermaßen geeignete Alternative gegenüber dem Innowalk steht der Klägerin nach Einschätzung des Sachverständigen, der die Kammer sich anschließt, nicht zur Verfügung. Ein Ersatz der Therapie mittels Bewegungstherapie in Vertikalisierung etwa durch konventionelle Therapie ist nach den Ausführungen des Sachverständigen bei der Klägerin nicht vorstellbar. Es gibt kein vergleichbares ebenso gutes und zugleich günstigeres Hilfsmittel
bzw. eine Kombination mehrerer für die Klägerin geeigneter Hilfsmittel. Auch kann die Beklagte andere Kosten ersparen, etwa für Einzelkomponenten wie einen Stehtrainer, die bei Nutzung des Innowalk nicht benötigt werden. Der begehrte Innowalk überteigt das Maß des Notwendigen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.