Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 07.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2007 beschwert im Sinne des § 54
Abs. 2
S. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), denn der Bescheid ist rechtswidrig.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Versorgung mit einer Oberschenkelprothese unter Einbeziehung des C-Leg-Kniegelenksystems der
Fa. P C.
Nach
§ 33 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33
SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (
§ 12 Abs. 1 SGB V). Die Hilfsmitteleigenschaft erfüllen die Hilfen dann, wenn damit allgemeine Grundbedürfnisse befriedigt werden sollen. Der Einsatz der Beine stellt insoweit ein von der gesetzlichen Krankenversicherung zu befriedigendes Grundbedürfnis dar. Da mit der Prothese der Ausgleich der Behinderung erfolgen soll, indem die nicht vorhandene Gliedmaße künstlich ersetzt wird, hat die Prüfung des Anspruchs anhand des § 33
Abs. 1
S. 1, dritte Alternative
SGB V zu erfolgen, so dass die Frage, ob durch den Einsatz des streitigen Hilfsmittels noch Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erfüllt werden, nicht in der Intensität zu ermitteln ist, wie dies bei Hilfsmitteln, die lediglich den mittelbaren Ausgleich von Behinderungen betreffen, der Fall ist (
vgl. Urteil des
BSG v. 25.06.2009,
B 3 KR 2/08 R).
Im Rahmen des § 33
Abs. 1
S. 1, dritte Alternative
SGB V gilt daher das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei ist die Wirtschaftlichkeit eine dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels grundsätzlich zu unterstellen. Eine Prüfung hat erst dann zu erfolgen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.
Unter Berücksichtigung der glaubhaften Ausführungen des Klägers zu seinem Aktivitätsgrad und Freizeitverhalten sowie den Feststellungen des Sachverständigen
Prof. Dr. X kann sich die Kammer mit guten Gründen dessen Einschätzung im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit, den Kläger mit einer Oberschenkelprothese mit C-Leg-Kniegelenk zu versorgen, anschließen. Unter Berücksichtigung der hier erforderlichen Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung einer prognostischen Sichtweise ist nach Auffassung der Kammer davon auszugehen, dass der Kläger einen deutlichen Vorteil aus der Nutzung mit der begehrten Oberschenkelprothese ziehen wird.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Maß der Gebrauchsvorteile anhand der von
Prof. Dr. Wetz aufgestellten Kriterien in: Der Orthopäde, 2005 ("Einfluss des C-Leg-Kniegelenk-Passteiles der
Fa. Otto Bock auf die Versorgungsqualtiät Oberschenkelamputierter") zu prüfen ist. Hierbei handelt es sich um folgende Kriterien:
1. Zuwachs an Sicherheit 2. Entlastung der Gegenseite 3. Integration der Prothese in das Körperschema mit Möglichkeit zu geteilter Aufmerksamkeit 4. Variation der Ganggeschwindigkeit 5. Verringerung des Kraftaufwandes 6. Harmonisierung des Gangbildes 7. Reduktion eventueller Hilfsmittelversorgungen.
Zunächst hat der Kläger für die Kammer glaubhaft dargelegt, ein gesteigertes Sicherheitsgefühl bei der Nutzung der Prothese mit C-Leg zu haben. Er hat sowohl beim MDK als auch bei
Prof. Dr. X davon berichtet, dass er mit der Versorgung sehr gut zurechtkomme und die Gefahr von Stürzen nach seinem subjektiven Gefühl vermindert sei. Ebenso steht jedenfalls nach der von
Prof. Dr. X durchgeführten Ganganalyse fest, dass Schrägen und Rampen deutlich besser bewältigt werden können, als dies mit der vorhandenen Prothese der Fall ist. Hierin liegt ein nach Auffassung der Kammer erheblicher Funktionszugewinn, da die Bewältigung von Schrägen im täglichen Leben häufig vorkommt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger ein Vermeidungsverhalten unter Nutzung der herkömmlichen Prothese an den Tag gelegt hat, das sich bei Versorgung mit der C-Leg gestützten Prothese sicherlich verändern wird. So hat er davon berichtet, steile Wege beim Spazierengehen grundsätzlich zu vermeiden, um die Sturzgefahr soweit wie möglich zu minimieren. Der Kläger ist jedoch sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdwahrnehmung als recht aktiver und bewegungsfreudiger Mensch einzustufen und wurde daher - auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - in den Aktivitätsgrad der Klasse 3 eingestuft und zählt damit zu den uneingeschränkten Außenbereichsgehern. Dies spiegelt sich auch in seiner Darstellung über sein Freizeitverhalten wider. Er berichtet von Radfahrausflügen und dem Bedürfnis, mit seiner Familie auch längere Spaziergänge machen zu wollen. Ebenso verrichtet er regelmäßig Gartenarbeit. Auch im Rahmen solcher Freizeitaktivitäten sind höhere Anforderungen an die prothetische Versorgung zu stellen, als dies bei vorsichtigen und eher ängstlichen Versicherten der Fall ist, die auch dauerhaft nur die nötigsten Wege mit der Prothese zurücklegen und sich dabei mehr oder weniger in ihrem gewohnten wohnlichen Umfeld oder jedenfalls auf bekanntem Gelände angstfrei bewegen können.
Vor diesem Hintergrund ist es für die Kammer durchaus nachvollziehbar und sehr wahrscheinlich, dass der Kläger auch mit dem Einsatz des streitigen Gelenkes sein Gangbild wird harmonisieren können. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach Verordnung und Durchführung einer Gehschulung das langjährig angewöhnte Gehverhalten durchaus einer Anpassung zugänglich ist.
Prof. Dr. X hat hierzu ausgeführt, dass der Kläger bereits nach kurzer Zeit in der Lage war, gewisse Gebrauchsvorteile - nämlich die sicherere Bewältigung von abschüssigen Rampen - nutzen zu können. Hilfsmittel waren dabei nicht erforderlich. Ein besonderes Bild der ängstlichen Zurückhaltung war nicht erkennbar. Nach einer Umstellungsphase unter Zuhilfenahme intensiver Heilmittel werden sich die Gebrauchsvorteile, die sich im Rahmen der Probeversorgung und bei der Ganganalyse bei
Prof. Dr. X bereits gezeigt haben, noch weiter verdeutlichen. Damit ist auch zu erwarten, dass die Entlastung der erhaltenen Seite eintreten wird und auch die geteilte Aufmerksamkeit einer weiteren Verbesserung zugeführt werden kann.
Auch wenn die Beklagte zutreffend darauf hinweist, dass das alternierende Treppensteigen noch nicht möglich war, so liegt dies sicherlich an der langjährigen Nutzung konventioneller Prothesen. Ohne Gangschulung wird der Kläger nicht die Sicherheit erhalten, die besonderen Vorteile des Gelenkes kennen zu lernen, um diese
z.B. auch beim Treppensteigen einzusetzen. Gerade die Bewältigung von Treppen dürfte ohnehin ein für langjährig Amputierte schwer erreichbares Ziel darstellen, da dies mit der herkömmlichen Versorgung in keiner Weise möglich war. Die Gebrauchsvorteile des C-Legs erst dann als gegeben anzusehen, wenn alternierendes Treppensteigen möglich und nachgewiesen ist, stellt sich nach Auffassung der Kammer als überzogene Anforderung an die Wirtschaftlichkeit des Hilfsmittels dar.
Die geteilte Aufmerksamkeit konnte bereits nach der vierwöchigen Versorgung mit der C-Leg-Prothese verbessert werden. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des MDK vom 16.04.2007. Der Kläger war in der Lage, einen Ball auf einem Tablett zu balancieren. Er konnte - wenn auch nur geringfügig - unterschiedliche Ganggeschwindigkeiten zeigen. Auch insoweit geht die Kammer unter Berücksichtigung des Engagements und des schwungvollen - wenn auch kraftfordernden - Gangbildes des Klägers davon aus, dass hier unter gezielter Anleitung durchaus eine deutliche Verbesserung eintreten wird.
Der Beklagten mag zwar zugegeben werden, dass letzte Sicherheit über die tatsächlich sich auswirkenden Gebrauchsvorteile erst eine vergleichende Untersuchung des Gangbildes unter Einsatz des C-Leg-Kniegelenks einerseits und unter Einsatz des vom MDK befürworteten dem Aktivitätsgrad des Klägers entsprechenden Kniegelenks andererseits ergibt. Die Kammer sieht jedoch anhand der hier bereits vorliegenden Befunderhebungen und des individuellen Lebensumfeldes des Klägers eine deutlich günstige Prognose für die sich im Laufe der Zeit noch bestätigenden Nutzungsvorteile im Verhältnis zu einer herkömmlichen prothetischen Versorgung.
Dass die Kammer zu einer solchen Sichtweise berechtigt ist, ergibt sich insbesondere auch aus den Hilfsmittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Fassung vom 16.10.2008. Darin heißt es (§ 6
Abs. 3 Hilfsmittelrichtlinie), dass sich die Notwendigkeit der Verordnung von Hilfsmitteln nicht allein aus der Diagnose ergibt. Vielmehr hat unter einer Gesamtbetrachtung der funktionellen
bzw. strukturellen Schädigung, der Beeinträchtigung der Aktivitäten und der noch verbliebenen Aktivität und einer störungsbildabhängigen Diagnostik die Verordnung unter Berücksichtigung des Bedarfes, der Fähigkeit zur Nutzung, der Prognose und des Rehabilitationsziels zu erfolgen. Insbesondere sollen dabei auch die individuellen Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt als Voraussetzung für das angestrebte Behandlungsziel Berücksichtigung finden. Deshalb ist im Einzelnen zu prüfen, welches Behandlungsziel mit der Versorgung erreicht werden soll und ob es realistischerweise erreicht werden kann. Die Verbesserung der Mobilität und die Erweiterung der Aktionsradien ist angesichts des Umstandes, dass es sich hier um ein Hilfsmittel handelt, das dem Behinderungsausgleich dient, ein legitimes Behandlungsziel. Dabei darf auch keine Rolle spielen, ob der Versicherte die Prothese für sportliche Aktivitäten nutzt, die beispielsweise im Rahmen des nur mittelbaren Behinderungsausgleichs keine Berücksichtigung finden können, oder sich die Gebrauchsvorteile täglich und fortwährend darstellen. Vielmehr ist der Rechtsprechung des
BSG zu entnehmen, dass eine Versorgung mit einem C-Leg dann beansprucht werden kann, wenn sich nach ärztlicher Einschätzung im Alltagsleben dadurch deutliche Gebrauchsvorteile einstellen. Keinesfalls erfassen die bereits nachgewiesenen und prognostisch sicher noch zu erwartenden Gebrauchsvorteile nur Randbereiche im Rahmen der individuellen Lebensgestaltung des Klägers. Das
BSG hat hierzu in der Entscheidung vom 06.06.2002 (
B 3 KR 68/01 R) ausgeführt, dass zwar die zusätzliche Standsicherheit, die durch die automatische Steuerung der Prothese erzielt wird, zum Teil sicher auch durch eine größere Vorsicht kompensiert werden kann und - was für den Kläger besonders zutreffen dürfte - durch ein entsprechendes kraftaufwändiges und raumgreifendes Gangbild erreicht wird. Aber immer dann, wenn die eigene Sicherheit zurücktreten muss, weil andere Gefahren abzuwenden sind oder, wenn eine größere Gefahr als die eines Sturzes rascheres Laufen erfordert, kann sich die zusätzliche Standsicherheit, die die technischen Möglichkeiten der Prothese bietet, deutlich auswirken. Bedenkt man, dass der Kläger bereits mit der konventionellen Versorgung dem Aktivitätsgrad der Stufe 3 zuzuordnen ist, obgleich dies mit besonderem Kraftaufwand verbunden ist, so ist sicherlich zu erwarten, dass eine weitere Steigerung der Aktivität oder jedenfalls eine zusätzliche Sicherheit im Rahmen des bisherigen Aktivitätsgrades zu erwarten ist. Nur geringe Auswirkungen im Alltagsleben hat daher der Einsatz der Prothese nicht. Sowohl bei der Teilnahme am Straßenverkehr als auch beim Zurücklegen von notwendigen Strecken im Rahmen der beruflichen Tätigkeit als auch bei privaten Spaziergängen oder Fahrradtouren sind die Gebrauchsvorteile deutlich und rechtfertigen den Anspruch des Klägers, obwohl bei dem Gangbild eine nachhaltige Änderung im Rahmen der Probeversorgung noch nicht erreicht werden konnte.
Die Kammer folgt auch deshalb der Einschätzung des Sachverständigen, da dieser mit dem Einsatz der streitigen Versorgung bestens vertraut ist. Wie sich aus seinen Veröffentlichungen zum C-Leg-Kniegelenk ergibt, hat er bereits eine Vielzahl von an der unteren Extremität amputierten Patienten gesehen und kann damit die Wirtschaftlichkeit einer solchen Versorgung gut einschätzen. Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten Mängel aufweist, die es erfordern, weitere Ermittlungen durch Einholung eines weiteren Gutachtens oder durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme erfordern, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist auch bei Würdigung der Ausführungen des Sachversständigen zu berücksichtigen, dass sich grundsätzlich Unsicherheiten durch die hier erforderliche prognostische Einschätzung ergeben. Wie bereits ausgeführt, muss eine zukunftsorientierte Prüfung anhand des individuellen Lebensumfeldes und des persönlichen Aktivitäsgrades erfolgen. In der Gesamtschau wertet die Kammer die Einschätzung des Sachverständigen vor diesem Hintergrund als neben den erwiesenermaßen vorhandenen Nutzungsvorteilen als ein weiteres Indiz für die Notwendigkeit der streitigen Versorgung. Denn die Erfahrung, die sich der Sachverständige im Rahmen derartiger Versorgungen angeeignet hat, muss auch bei der Kammerentscheidung Berücksichtigung finden. Dies gilt auch, wenn eine solche Prognose mit Schwierigkeiten verbunden ist, was besonders für die Versicherten zutrifft, die bereits seit vielen Jahren oder Jahrzehnten mit einer konventionellen Prothese versorgt sind.
Vor diesem Hintergrund misst die Kammer der Einschätzung des Sachverständigen großes Gewicht bei, wobei darauf hinzuweisen ist, dass inhaltliche oder formale Verstöße gegen Denkgesetze oder andere Annahmen, die auf unrichtiger Tatsachengrundlage beruhen, in dem Sachverständigengutachten vom 13.07.2009 nicht zu finden sind. Insbesondere verdeutlicht die von
Prof. Dr. X veranlasste Ganganalyse die bereits nach kurzer Zeit eintretenden Gebrauchsvorteile, die mithilfe von Sensoren exakt gemessen werden konnten. Auch vor diesem Hintergrund folgt die Kammer der Einschätzung des Sachverständigen, auch wenn seine Ausführungen zu den voraussichtlichen Gebrauchsvorteilen im Vergleich zu der vom MDK vorgeschlagenen Versorgung etwas ausführlicher hätten sein können.
Somit war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.