Die zulässige Berufung des Klägers ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.1998 ist rechtswidrig. Der Kläger hatte im Zeitraum vom 13.03.1997 bis 12.03.1998 Anspruch auf Alhi; sein Anspruch ruhte nicht wegen fehlender Bedürftigkeit.
Rechtsgrundlage für den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 13.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.1998 ist § 45
SGB X i.V.m. § 152
Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (
AFG). Danach ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45
Abs. 2 Satz 3
SGB X genannten Rücknahmevoraussetzungen vorliegen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 2
SGB X) oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 3
SGB X).
Vorliegend ist der Bewilligungsbescheid vom 10.04.1997 zwar insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die Zinseinkünfte des Klägers aus den zwei Sparkassenbriefen nicht auf die Höhe der Alhi angerechnet hat. Eine Rückforderung der überzahlten Leistungen kommt dennoch nicht in Betracht, da dem Kläger nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Im Übrigen ist der Bescheid vom 10.04.1997 rechtmäßig. Insbesondere war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum bedürftig.
Nach § 134
Abs. 1
Nr. 3
AFG, der hier noch anwendbar ist (
vgl. § 426
Abs. 1
Nr. 1
SGB III), hat Anspruch auf Alhi, wer u.a. bedürftig ist. Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht übersteigt (
vgl. § 137
Abs. 1
AFG). Bedürftigkeit besteht dagegen nicht, solange mit Rücksicht auf das Vermögen des Arbeitslosen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 137
Abs. 2
AFG).
Nach § 6
Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (
AlhiV) vom 07.08.1974 (BGBl. I
S. 1929) hier in der Fassung des Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes vom 24.06.1996 (BGBl. I
S. 878) ist bei der Bedürftigkeitsprüfung Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, 8.000,00 DM übersteigt. Bedürftigkeit besteht nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet (§ 9
AlhiV).
Entgegen der Ansicht der Beklagten verfügte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über ein berücksichtigungsfähiges und seinen Leistungsanspruch ausschließenden Vermögen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügte der Kläger zwar über ein Vermögen in Höhe von 44.300,18 DM. Hiervon war der Freibetrag abzuziehen, so dass ein Vermögen von 36.300,18 DM verbleibt. Die Verwertung dieses Vermögens war dem Kläger jedoch nicht zumutbar.
Der Kläger besaß zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung Spar-
bzw. Bankguthaben in Höhe von 12,36 DM
bzw. 287,82 DM. Des Weiteren war er Inhaber von zwei Sparkassenbriefen der Sparkasse K mit einem Gesamtwert von 44.000,00 DM. Die Sparkassenbriefe sind unzweifelhaft dem Vermögen des Klägers zuzurechnen. Bei Sparkassenbriefen handelt es sich grundsätzlich um echte Wertpapiere im Sinne von Namensschuldverschreibungen. Nur der namentlich Berechtigte oder sein Rechtsnachfolger ist befugt, die verbrieften Ansprüche geltend zu machen (
vgl. BGH, Urteil vom 07.07.1992 - XI ZR 239/91 - WM 1992, 1522, 1523
m.w.N.). Allerdings wurde vorliegend ausweislich der Kaufaufträge vom 09.05.1996
bzw. 14.10.1996 die Ausstellung der Sparkassen-Urkunden gestundet, d.h. die Forderungen sind derzeit nicht verbrieft. Es existieren lediglich die Kaufaufträge. Wer Inhaber der Forderungen gegen die Sparkasse geworden ist, muss daher den Kaufaufträgen entnommen werden. Dies ist hier eindeutig der Kläger. Die Kaufaufträge für die Sparkassenbriefe wurden vom Kläger selbst unterschrieben; auch ist der Kläger als einziger in den Kaufaufträgen namentlich benannt worden. Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich ein Dritter durch den Kauf der Sparbriefe begünstigt werden sollte, bestehen nicht. Insbesondere wurde die Rubrik "Käuferanschrift - soweit abweichend vom Gläubiger" in den Anträgen jeweils nicht ausgefüllt. Auch die Kapitalgutschrift sollte am Fälligkeitstermin zugunsten des Girokontos des Klägers bei der Sparkasse K (Konto-
Nr. ) erfolgen. Der Kläger ist somit beim Ankauf der Sparbriefe gegenüber der Bank sowohl als Käufer als auch als Gläubiger der Forderungen aufgetreten. Aus wessen Mitteln die Spareinlage stammt, ist dagegen ohne Bedeutung (
vgl. BGHZ 21, 148, 150 zum Sparbuch). Da zur Zeit keine Sparkassen-Urkunden existieren, kann im Übrigen auch dahin stehen, wie sich die Tatsache, dass ein Dritter diese Urkunden in seinem Besitz hat, auf die Zuordnung der Sparkassenbriefe zum Vermögen des Klägers auswirken würde.
Der Kläger kann sich hier jedoch auf den Privilegierungstatbestand des § 6
Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 3. Alternative
AlhiV berufen. Danach ist die Verwertung von Vermögen nicht zumutbar, soweit es zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist.
Unter welchen Voraussetzungen die Zweckbestimmung "Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung" zu bejahen ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles sowie von Sinn und Zweck der Alhi-Bestimmungen beantworten. Ausgangspunkt ist die vom Arbeitslosen angegebene Zweckbestimmung, die anhand objektivierbarer Kriterien nachvollziehbar sein muss (
vgl. BSG SozR 3-4100 § 137
Nr. 7
S. 63). Dies ist hier für die zwei Sparkassenbriefe zu bejahen.
Der Kläger ist von Geburt an schwerbehindert. Wegen einer frühkindlichen Hirnschädigung ist ein
GdB von 80 anerkannt. Der Kläger hat weder Lesen und Schreiben noch Rechnen gelernt. Zählen kann er lediglich bis 10. Allerdings ist eine mündliche Kommunikation mit dem Kläger durchaus möglich, wie sich aus der anlässlich der Einleitung einer Betreuung durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung vom 10.07.1998 sowie dem Protokoll über die Anhörung durch die Betreuungsrichterin am 05.08.1998 ergibt. Aufgrund seiner Behinderung ist der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur in der Lage, einfachste Tätigkeiten mit entsprechend niedriger Entlohnung auszuführen. So war er in der Vergangenheit lange Zeit als Papierpresser für den H in K bei einem Bruttogehalt von 2.409,00 DM monatlich tätig. Seit August 1998 hat der Kläger erneut eine Arbeit bei der Firma "P J
e.V." in K gefunden. Nach den Angaben des Klägers im Betreuungsverfahren ist er hierbei mit dem Säubern von Spielplätzen beschäftigt. Der Bruttomonatslohn beläuft sich - wie dem Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe entnommen werden kann - auf 2.535,00 DM. Zum Zeitpunkt der Alhi-Antragstellung war der Kläger bereits seit fast zwei Jahren arbeitslos. Trotz zweier Fortbildungsmaßnahmen einschließlich eines Praktikums und Förderungsangeboten des Arbeitsamtes war es dem Kläger bisher nicht gelungen, wieder eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten. Er musste daher auch in Zukunft mit längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit rechnen.
Angesichts dieser Umstände war eine zusätzliche private Absicherung des Klägers für das Alter dringend erforderlich. Nach Aussage des Vaters und jetzigen Betreuers des Klägers war das Guthaben aus den beiden Sparbriefen zur Absicherung des Klägers im Alter bestimmt, wobei unterstellt werden kann, dass sich auch der Kläger diese Zweckbestimmung zu eigen gemacht hat. Unschädlich ist insoweit, dass der Vater vorgetragen hat, die beiden Sparbriefe sollten dem Kläger insbesondere nach seinem - des Vaters - Ableben als Reserve zur Verfügung stehen, wenn er nicht mehr selbst für seinen Sohn sorgen könne. Zwar muss der Tod des Vaters nicht zwangsläufig zeitlich mit dem Eintritt des Klägers ins Rentenalter zusammenfallen. Die beiden Zweckbestimmung schließen sich dennoch nicht gegenseitig aus. Dabei ist zu bedenken, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung voraussichtlich vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden wird. Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung 41 Jahre alt. Er musste damit rechnen, dass er mit zunehmenden Alter immer weniger konkurrenzfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sein würde und möglicherweise bereits in 10 bis 15 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden würde.
Schließlich ist auch zweifelhaft, ob der Kläger selbst aufgrund seiner Behinderung überhaupt in der Lage gewesen wäre, über sein Vermögen vorzeitig zu verfügen. Auch für den Zeitraum ab der Bestellung des Vaters des Klägers als Betreuer kann nichts anderes gelten. Denn der Betreuer darf aufgrund seiner besonderen Pflichtenstellung über das Vermögen des Betreuten nur so verfügen, wie es dessen Wohl entspricht (
vgl. § 1901
Abs. 1 Satz 1
BGB).
Aufgrund der Gesamtumstände ist die subjektive Zweckbestimmung durch den Kläger daher glaubhaft. Der Tatsache, dass der Kläger sein Vermögen nur kurzfristig (hier: in Sparbriefen mit einer Laufzeit von vier Jahren) angelegt hat, kommt demgegenüber keine besondere Bedeutung zu. Denn Voraussetzung ist nicht, dass das der Alterssicherung dienende Vermögen nur in einer bestimmten und nur unter erschwerten Bedingungen und Verlusten kündbaren Anlageform festgelegt ist (
BSG SozR 3-4100 § 137
Nr. 7
S. 63).
Soweit dem Kläger im Jahr 1997 aus den Sparkassenbriefen Zinserträge in Höhe von 3.789,00 DM zugeflossen sind, handelt es sich zwar um Einkommen i.
S. des § 137
Abs. 1
AFG, die grundsätzlich auf die Alhi des Klägers anzurechnen waren. Einkommen in diesem Sinne sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 138
Abs. 2 Satz 1
AFG), die dem Arbeitslosen im Alhi-Bewilligungszeitraum zufließen (
vgl. BSG SozR 3-4100 § 137
Nr. 6
S. 55
m.w.N.). Insofern kann dem Kläger jedoch zur Überzeugung des Senats weder eine zumindest grob fahrlässige Verletzung von Mitwirkungspflichten noch eine grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nachgewiesen werden.
Grobe Fahrlässigkeit ist dann anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (
vgl. § 45
Abs. 2 Satz 3
Nr. 3
SGB X). Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem besonders hohem Maße, d.h. eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (
BSG SozR 3-1300 § 45
Nr. 42). Dabei ist grundsätzlich ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, d.h. es kommt wesentlich darauf an, ob der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit hätte erkennen müssen, dass die betreffenden Angaben zu machen waren
bzw. dass der Bewilligungsbescheid rechtswidrig war. Angesichts der erheblichen intellektuellen Einschränkung des Klägers - das amtsärztliche Gutachten im Betreuungsverfahren spricht von einer mittelgradigen Intelligenzminderung - liegt es auf der Hand, dass der Kläger hierzu nicht in der Lage war. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob die Zinseinkünfte dem Kläger selbst überhaupt bekannt waren. Anders als das SG meint, kann auch nicht unterstellt werden, dass dem Kläger bei der Antragstellung eine Person geholfen hat, deren Kenntnis der Kläger sich nach §§ 166, 278
BGB zurechnen lassen muss.
Der Vater des Klägers hat mitgeteilt, dass er selbst das Antragsformular nicht ausgefüllt habe, auch sei ihm nicht erinnerlich, wer dies getan habe. Tatsächlich handelt es sich bei den handschriftlichen Eintragungen in dem Antragsformular nicht um die Schrift des Vaters des Klägers, wie ein Vergleich mit den späteren handschriftlichen Stellungnahmen des Herrn T zeigt. Da der Antrag einheitlich mit blauem Kugelschreiber ausgefüllt wurde, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Formular durch einen Mitarbeiter des Arbeitsamtes während einer persönlichen Vorsprache des Klägers ausgefüllt wurde. Da sich die näheren Umstände nicht weiter aufklären lassen, steht nicht fest, dass zumindest ein vom Kläger eingeschalteter Vertreter oder Erfüllungsgehilfe falsche Angaben gemacht hat oder die notwendige Kenntnis besaß. Die Beweislast trifft insofern die Beklagte.
Ob der Kläger nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig und damit handlungsfähig (
vgl. § 11
Abs. 1
Nr. 1
SGB X) war, kann vorliegend offen bleiben. Zwar mussten die angefochtenen Bescheide grundsätzlich einem handlungsfähigen Beteiligten gegenüber bekannt gegeben werden, damit sie Rechtswirkungen erzeugen (
vgl. § 39
SGB X;
vgl. hierzu BSGE 80, 283 = SozR 3-1300 § 50
Nr. 19). Sollte der Kläger tatsächlich geschäftsunfähig sein - wofür allerdings das im Betreuungsverfahren eingeholte amtsärztliche Gutachten keinen Anhalt bietet -, wäre daher sowohl der Bescheid vom 13.05.1998 als auch der dem Vater des Klägers gegenüber ergangene Widerspruchsbescheid vom 06.07.1998 zunächst nicht wirksam bekannt gegeben. Denn auch die Bevollmächtigung des Vaters durch den Kläger wäre mangels Geschäftsfähigkeit unwirksam. Mit der Bestellung seines Vaters zum Betreuer durch Beschluss des Amtsgerichts K vom 1998 ist die Bekanntgabe des Bescheides vom 13.05.1998 sowie des Widerspruchsbescheides vom 06.07.1998 jedoch nachträglich wirksam geworden. Denn mit der Bestellung seines Vaters zum Betreuer muss sich der Kläger auch die Kenntnis seines Vaters von dem Verwaltungsakt zurechnen lassen (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 1994 - 2 B 173/93 - NJW 1994, 2633 = Buchholz 310 § 86
Abs. 1
VwGO Nr. 258).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Revisionszulassungsgründe nach § 160
Abs. 2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.