Die Klägerin (Klin) erzielt als Journalistin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aufgrund einer Kinderlähmung ist sie hilflos im Sinne von § 33b
Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes ( EStG). Sie ist Inhaberin eines Behindertenausweises mit dem Merkmal H. Sie kann weder gehen noch stehen und ist an den Rollstuhl gebunden. Sie bedarf ständiger Hilfe rund um die Uhr.
Für ihre privaten und beruflichen Fahrten benutzt sie einen behindertengerecht ausgebauten Mercedes-Transporter, dessen Anschaffungskosten sich im Jahre 1989 auf 72.927 DM beliefen. Es handelt sich um ein Spezialfahrzeug, in das die Klin mit ihrem Rollstuhl mit Hilfe einer Hebebühne gelangen kann.
In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin ebenso wie in den Vorjahren - die Aufwendungen für das Fahrzeug steuerlich geltend, und zwar zum Teil als Werbungskosten (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, 5.040
km), zum Teil als außergewöhnliche Belastung (übrige Fahrten, 7.960
km). Die tatsächlichen Aufwendungen für das Fahrzeug beliefen sich auf knapp 1,60 DM je Kilometer (Gesamtfahrtleistung im Streitjahr 13.000
km, Gesamtaufwand 20.747 DM). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Werbungskosten erklärungsgemäß, kürzte jedoch die als
außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Fahrtkosten von 12.683 DM auf 4.140 DM (= 7.960
km x 0,52 DM). In den Vorjahren hatte das FA die tatsächlichen Aufwendungen zugrunde gelegt.
Mit Bescheid vom 15.4.1996 setzte das FA die Einkommensteuer auf 10.930 DM fest. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12.9.1996). Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage trägt die Klägerin vor, das FA habe die umstrittenen Aufwendungen bisher zutreffend voll zum Abzug zugelassen und könne sich jetzt nicht auf das BMF- Schreiben vom 11.4.1994 berufen (BStBl I 1994, 256).
Dieser Verwaltungserlaß berücksichtige nur die Normalfälle (Behinderte mit dem Merkmal aG), nicht aber Behinderte mit dem Merkmal H. Das BMF-Schreiben stehe in Widerspruch zu §
Abs. 2
Nr. 2 EStG. Diese Regelung zu den Werbungskosten müsse auf die außergewöhnlichen Belastungen übertragen werden, zumal bei Schwerstbehinderten und Hilflosen. Das FA könne auch nicht nachträglich darauf verweisen, daß zusätzliche Umbaukosten des
Kfz im Jahr der Anschaffung und des Einbaus als außergewöhnliche Belastung hätten geltend gemacht werden können, nachdem es bis 1993 die tatsächlichen Kosten anerkannt habe.
Die Klin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.9.1996 dahingehend zu ändern, daß die
Kfz- Kosten in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage ist begründet. Die von der Klin als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten
Kfz-Kosten sind in tatsächlicher Höhe und nicht mit einer Pauschale von 0,52 DM je
km steuerlich zu berücksichtigen.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl von Steuerpflichtigen, so wird die Einkommensteuer unter den in § 33
Abs. 1 und
Abs. 2 EStG näher bestimmten Voraussetzungen und in der dort bestimmten Weise ermäßigt.
a) Bei Steuerpflichtigen, die so gehbehindert sind, daß sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines
Kfz fortbewegen können, sind nach ständiger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, grundsätzlich alle
Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, also nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten (so zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.10.1996
III R 203/94, BStBl II 1997, 384 m. w. N.).
b) Nach § 33
Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz EStG sind
Kfz-Kosten in derartigen Fällen jedoch nur dann und insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Die Angemessenheitsprüfung erstreckt sich nach BFH-Rechtsprechung auf die - im Streitfall nicht problematische - Anzahl der Fahrtkilometer sowie die vom Steuerpflichtigen benutzte Wagenklasse (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 384). Nach dem zitierten Urteil stellt der von der Finanzverwaltung festgelegte Pauschsatz (von - früher - 0,42 DM je
km) eine sinnvolle Regelung dar, die der Vereinfachung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dient. Die Pauschsätze beruhten auf einer sachverständigen Beurteilung und Auswertung repräsentativer Einzeldaten, aus denen sich die Gesamtkosten der Unterhaltung und des Betriebs eines Pkw zusammensetzten. Mehr als die steuerliche Berücksichtigung eines Durchschnittsbetrages könne auch ein körperbehinderter Steuerpflichtiger grundsätzlich nicht verlangen.
c) Diese Ausführungen beziehen sich auf ein "normales"
Kfz, das nicht über behindertengerechte Einrichtungen verfügt. In dem Fall, der dem BFH-Urteil in BStBl II 1997, 384 zugrunde lag, benutzte der Steuerpflichtige einen Merced es 300 SEL. Auch in anderen einschlägigen BFH-Entscheidungen war nicht über
Kfz zu befinden, die im Hinblick auf die Behinderung des Steuerpflichtigen umgerüstet waren (BFH-Urteile vom 26.3.1997 - III R 71/96, BStBl II 1997, 538; vom 2.10. 1992 -
III R 63/91, BStBl II 1993, 286; vom 15.11.1991 - III R 30/88, BStBl II 1992, 179; vom 27.6.1980 - VI R 147/77, BS tBl II 1980, 651; vom 1.8.1975 - VI R 158/72, BStBl II 1975, 825).
d) Im Streitfall ist demgegenüber über Aufwendungen für ein
Kfz zu urteilen, dessen Anschaffungskosten wegen der behindertengerechten Einrichtungen (insbesondere Hebebühne) stark erhöht sind. Auf derartige Fahrzeuge bezieht sich der Pauschsatz nach Abschn. 100
Abs. 7 Satz 9 LStR 1993 von (nunmehr) 0,52 DM je
km offensichtlich nicht. Dies ergibt sich daraus, daß dieser Pauschbetrag übereinstimmt mit dem Pauschbetrag von ebenfalls 0,52 DM für Reisekosten, die als Werbungskosten (Abschn. 38
Abs. 2 Satz 2
Nr. 1 LStR 1993) oder Betriebsausgaben (R 119
Abs. 2
Nr. 1 Buchst. a EStR 1993) abziehbar sind. Für ein Fahrzeug, wie es die Klin aufgrund ihrer Körperbehinderung benutzen muß, existieren keine Pauschbeträge. Die Klin kann daher die tatsächlichen Kosten von 1,60 DM je
km als angemessenen Aufwand geltend machen. Diese Frage hat der BFH in seinem Urteil III R 203/94 (BStBl II 1997, 384, unter 3 e) ausdrücklich offen gelassen. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob die Klin auch ein billigeres Fahrzeug hätte anschaffen können. Das Gesetz verlangt nicht, daß ein Steuerpflichtiger die als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Fahrtkosten möglichst niedrig hält; sie dürfen nur nicht unangemessen hoch sein. Anhaltspunkte dafür, daß dies im vorliegenden Fall zutrifft, bestehen nicht.
e) Die Anschaffungskosten des
Kfz sind auch nicht aufzuspalten in einen Anteil, der auf das "normale"
Kfz entfällt und für den (nur) der Pauschbetrag geltend gemacht werden kann sowie in einen Anteil für die behindertengerechte Einrichtung. Denn das
Kfz der Klin bildet nach der Verkehrsanschauung ein einheitliches Wirtschaftsgut, so daß eine gesonderte steuerliche Begünstigung der wegen der Körperbehinderung erforderlichen Vorrichtungen nicht möglich ist (
vgl. BFH-Urteil vom 1.3.1991 - III R 66/87, BFH/NV 1992, 17). Die Hebevorrichtung erschiene, - isoliert betrachtet - ohne das dazugehörende
Kfz unvollständig (
vgl. BFH- Urteil vom 8.2.1996 - III R 126/93, BStBl II 1996, 542).
Kfz und Hebebühne sind daher steuerlich als Einheit zu behandeln.
2. Es ergibt sich folgende Steuerberechnung:
Zu versteuerndes Einkommen bisher ---------- 49.504 DM
Zusätzliche außergewöhnliche Belastung
(Gesamtaufwand 20.747 DM
./. Werbungskosten -------------------------- 8.064 DM
./. ag Belastung FA 4.140 DM) --------------- 8.543 DM
---------
Zu versteuerndes Einkommen
lt. Urteil ------ 40.961 DM
Steuer
lt. Urteil ------------------------- 8.347 DM.
3. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135
Abs. 1 FGO.
5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Überprüfung der Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugelassen.