Sprungnavigation Tastaturkurzbefehle

Suche und Service

Urteil
Verwaltungsakt - Feststellungsbescheid - Änderung der Verhältnisse - künftige Abschmelzung - Einfrieren der Leistung - über 55 Jahre alter Versorgungsberechtigter

Gericht:

BSG 9. Senat


Aktenzeichen:

B 9 V 26/98 R


Urteil vom:

15.12.1999


Grundlage:

  • SGG § 54 |
  • SGB 10 § 45 |
  • SGB 10 § 48 |
  • SGB 10 § 31 |
  • BVG § 62 Abs 3

Leitsatz:

1. Bei über 55 Jahre alten Versorgungsberechtigten, deren
MdE seit 10 Jahren unverändert geblieben ist, darf eine
"Abschmelzung" der laufenden Leistungsanpassungen auch
dann nicht vorgenommen werden, wenn die MdE von Anfang an
wegen einer fälschlich anerkannten Schädigungsfolge zu
Unrecht festgestellt worden war (Ergänzung zu BSG vom
28.7.1999 - B 9 V 18/98 R = SozR 3-3100 § 62 Nr 3).
2. Ein Leistungsträger ist befugt, durch Verwaltungsakt
seine Berechtigung festzustellen, laufende
Sozialleistungen künftig abzuschmelzen.

Orientierungssatz:

1. Bei den sonstigen - nicht die regelmäßige Anpassung
der Leistungen betreffenden - Änderungen der Verhältnisse
zugunsten des Berechtigten (zB Wegfall der
Voraussetzungen für die Teilversorgung bei gleichzeitigem
Eintritt der Voraussetzungen für die Vollversorgung - vgl
BSG vom 8.3.1995 - 9 RV 7/93 - oder Erhöhung der MdE -
BSG vom 12.12.1995 - 9 RV 26/94 = SozR 3-3100 § 62 Nr 2)
bleibt es bei der Anwendung des § 48 Abs 3 SGB 10.
2. Es kommt nicht darauf an, auf welche Weise der
Versorgungsträger von der Unrichtigkeit des früheren
Bescheides erfahren hat. Für die Zulässigkeit der
Abschmelzung iS des § 48 Abs 3 BVG bei dem in § 62 Abs 3
BVG genannten Personenkreis spielt allein die Art der
Änderungen der Verhältnisse eine Rolle.
3. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eines Bescheides
ergeben sich nicht schon daraus, daß ein (belastender)
feststellender Verwaltungsakt einer gesetzlichen
Grundlage bedarf; denn eine nicht ausdrückliche
gesetzliche Grundlage reicht insoweit aus (vgl BVerwG vom
29.11.1995 - 8 C 105/83 = BVerwGE 72, 265). Sie kann sich
aus der Systematik des Gesetzes und aus der Eigenart des
zwischen der Behörde und dem Einzelnen bestehenden
Rechtsverhältnisses - hier des
Versorgungsrechtsverhältnisses - ergeben (vgl BSG vom
17.12.1997 - 11 RAr 103/96 = SozR 3-4100 § 128 Nr 4
einerseits und BSG vom 11.3.1987 - 10 RAr 5/85 = SozR
4100 § 186a Nr 21 = BSGE 61, 203, BSG vom 1.10.1991 - 12
RK 7/90 = SozR 3-5425 § 24 Nr 1 = BSGE 69, 259, BSG vom
8.12.1988 - 12 RK 1/86 = SozR 5425 § 24 Nr 2 = BSGE 64,
221 andererseits).

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Tatbestand:

Der 1926 geborene Kläger wurde im September 1944 durch
einen Steckschuß am rechten Oberschenkel und im Februar
1945 durch Granatsplitter an Hals und Kiefer verletzt.
Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 15. Januar 1958 ua
eine Kantenabsprengung am vierten Lendenwirbelkörper mit
geringer Verschmälerung der Bandscheibe zwischen 3. und
4. Lendenwirbelkörper und Wurzelneuralgien als
Schädigungsfolge an und bewilligte Beschädigtenrente nach
einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH.
Im Oktober 1983 beantragte der Kläger die Anerkennung von
Wirbelsäulenbeschwerden als weitere Schädigungsfolge. Die
gegen den Ablehnungsbescheid und den entsprechenden
Widerspruchsbescheid des Beklagten erhobene Klage nahm er
im September 1991 zurück. In diesem Klageverfahren hatte
sich herausgestellt, daß die Kantenabsprengung am 4.
Lendenwirbelkörper zu Unrecht als Schädigungsfolge
anerkannt worden war. Mit Bescheid vom 5. Mai 1995 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1995
stellte der Beklagte fest, daß der Bescheid vom 15.
Januar 1958 und seine Folgebescheide rechtswidrig seien,
soweit darin "Kantenabsprengung am 4. Lendenwirbelkörper
mit geringer Verschmälerung der Bandscheibe zwischen 3.
und 4. Lendenwirbelkörper und Wurzelneuralgien" als
Schädigungsfolge ... anerkannt und eine MdE in
rentenberechtigendem Grade festgestellt worden seien
(Verfügungssatz Nr 1). Zugleich kündigte er in
Verfügungssatz Nr 2 an, er werde bei künftig eintretenden
Änderungen zugunsten des Klägers die Grundrente in
Anwendung des § 48 Abs 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB X) solange nur in der bisherigen Höhe weiter
gewähren, bis der Betrag von 211,00 DM ohne Rücksicht auf
die Bestandskraft der früheren Bescheide von der dem
Kläger tatsächlich zustehenden Leistung überschritten
werde.
Diesen Bescheid hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit
Urteil vom 28. Januar 1997 insoweit aufgehoben, als der
Beklagte die Leistung auf den Zahlungsbetrag von 211,00
DM "eingefroren" hatte, und im übrigen die Klage
abgewiesen. Die Berufung des Beklagten gegen dieses
Urteil blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts
(LSG) Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1997). Das LSG
hat im wesentlichen ausgeführt, die Bescheide des
Beklagten widersprächen dem Urteil des Senats vom 29.
August 1990 (9a/9 RV 32/88 = SozR 3-3100 § 62 Nr 2).
Hinsichtlich der alljährlichen Rentenanpassung sei die
Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X "durch die Vorschrift des
§ 62 Abs 3 Satz 1 BVG" ausgeschlossen. § 48 Abs 3 SGB X
sei bei älteren langjährigen Beziehern von
Versorgungsrenten iS des § 62 Abs 3 Satz 1
Bundesversorgungsgesetz (BVG) nur ausnahmsweise, etwa im
Fall einer Leidensverschlimmerung, anwendbar.
Zur Begründung der - vom Senat zugelassenen - Revision
macht der Beklagte ua geltend, es sei nach systematischer
Stellung und Entstehungsgeschichte der fraglichen Normen
unzulässig, den Anwendungsbereich des § 48 Abs 3 SGB X
durch eine entsprechende Anwendung des § 62 Abs 3 Satz 1
BVG einzuschränken, zumal die letztgenannte Vorschrift
einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sei. Selbst
wenn man aber der zum Verhältnis des § 62 Abs 3 Satz 1
BVG und § 48 Abs 3 SGB X ergangenen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) folge, sei hier eine
Abschmelzung dennoch gerechtfertigt. Denn die
Unrichtigkeit des Altbescheides vom 15. Januar 1958 habe
sich in dem Verwaltungsverfahren über den im Oktober 1983
gestellten Antrag des Klägers nach § 44 SGB X und in dem
anschließenden Klageverfahren vor dem SG Düsseldorf (S 30
V 162/86) herausgestellt. Die in diesem Verfahren
gewonnenen Erkenntnisse seien Anlaß für die erneute
Überprüfung der Versorgungsangelegenheit des Klägers
gewesen.
Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28. Januar
1997 und das
Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
vom 13. November 1997
abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,

die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für richtig.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht
haben die Vorinstanzen den allein vom Kläger noch
angegriffenen Verfügungssatz Nr 2 im Bescheid des
Beklagten vom 5. Mai 1995 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1995 (Nr 2 des
Bescheides) aufgehoben.
Auch Nr 2 des Bescheides trifft eine - feststellende -
Regelung, gegen die die hier vorliegende Anfechtungsklage
iS des § 54 Abs 1 SGG statthaft ist. Es liegt insoweit
nicht etwa nur die Ankündigung eines Verwaltungsakts vor
(vgl dazu Meyer-Ladewig SGG 6. Aufl RdNr 7a nach § 54;
Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl, RdNr 32a zu §
35; BSG SozR 2940 § 7 Nr 2 auf S 3 f). Denn der Beklagte
hatte mit Nr 2 des Bescheides (zusätzlich) festgestellt,
daß die im Verfügungssatz Nr 1 des Bescheides getroffene
Feststellung, wonach bestimmte die Wirbelsäule
betreffende Schädigungsfolgen und eine
rentenberechtigende MdE seinerzeit zu Unrecht anerkannt
worden waren, ein "Einfrieren" iS des § 48 Abs 3 SGB X
rechtfertige. Sinngemäß hat der Beklagte damit seine
Befugnis festgestellt, die weiter zu gewährende Leistung
so lange von Leistungserhöhungen auszunehmen, bis sie bei
Wegdenken des 1958 bei der Anerkennung der
Schädigungsfolgen unterlaufenen Fehlers einen Betrag von
211,00 DM monatlich übersteigt. Die verbindliche
Feststellung dieser Rechtsfolge durch Nr 2 des Bescheides
schon vor der ersten zukünftigen Erhöhung war
grundsätzlich zulässig (vgl BSGE 63, 254, 256; 266, 267
f; Steinwedel in Kasseler Kommentar RdNr 67 zu § 48 SGB
X).
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Nr 2 des Bescheides
ergeben sich nicht schon daraus, daß ein (belastender)
feststellender Verwaltungsakt einer gesetzlichen
Grundlage bedarf (vgl BVerwGE 72, 265, 268); denn eine
nicht ausdrückliche gesetzliche Grundlage reicht insoweit
aus (BVerwG aaO). Sie kann sich - wie hier - aus der
Systematik des Gesetzes und aus der Eigenart des zwischen
der Behörde und dem Einzelnen bestehenden
Rechtsverhältnisses - hier des
Versorgungsrechtsverhältnisses - ergeben (vgl dazu BSG
SozR 3-4100 § 128 Nr 4 auf S 35 ff einerseits und BSGE
61, 203, 205 = SozR 4100 § 186a Nr 21; BSGE 69, 259, 260
ff = SozR 3-5425 § 24 Nr 1; BSGE 64, 221, 223 ff = SozR
5425 § 24 Nr 2 andererseits). Ein Sozialrechtsverhältnis,
das laufende Leistungen zum Gegenstand hat, erfordert -
gerade im Interesse des Leistungsberechtigten - möglichst
bald Klarheit darüber, ob der Berechtigte mit weiteren
Leistungserhöhungen rechnen kann oder nicht. Es
widerspricht dem existenzsichernden Zweck laufender
Sozialleistungen und des ihnen zugrunde liegenden
Dauerrechtsverhältnisses, die alsbaldige verbindliche
Klärung dieser Grundfrage einer vom Berechtigten
möglicherweise nicht oder zu spät erhobenen vorbeugenden
Feststellungsklage zu überlassen. Ein Bedürfnis nach dem
beschriebenen Feststellungsbescheid besteht insbesondere
hinsichtlich der alljährlichen Anpassung der Leistungen
an die wirtschaftliche Entwicklung (Dynamisierung), weil
diese regelmäßig von Amts wegen, mechanisch und ohne
umfassende rechtliche Prüfung erfolgt. Außerdem brauchen
zur Bewirkung der Abschmelzung in diesen Fällen
Verwaltungsakte nicht notwendig zu ergehen, weil auch
eine schlichte stillschweigende Aussetzung der
Anpassungen die Abschmelzung bewirken würde. Gerade
deswegen - um den Betroffenen über den Grund dieses
Unterbleibens von Erhöhungen zu unterrichten - ist ein
vorausgehender Feststellungsbescheid notwendig. Er liegt
auch im Interesse des Leistungsträgers selbst. Denn wenn
der Leistungsträger die Möglichkeit der Abschmelzung
übersieht und weiterhin (mechanische)
Abschmelzungsbescheide erläßt, können diese später nur
zurückgenommen werden, wenn ihnen ein
Feststellungsbescheid vorausgegangen ist (BSGE 63, 259
ff; 266 ff). Die - nicht näher begründeten - Bedenken des
4. Senats (BSGE 65, 8, 12; SozR 1300 § 48 Nr 33 auf S
104) gegen die Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden
mit dem dargestellten Inhalt teilt der Senat daher nicht.
Er sieht den Leistungsträger vielmehr im Interesse der
alsbaldigen Klärung des Dauerrechtsverhältnisses
weiterhin als berechtigt an, auch schon vor dem Eintritt
einer Änderung der Verhältnisse zugunsten der
Leistungsberechtigten (zB durch eine generelle Erhöhung
der Versorgungsbezüge) das Vorliegen der Voraussetzungen
des § 48 Abs 3 SGB X durch Bescheid im voraus
festzustellen.
Die angefochtene Feststellung des Beklagten ist indessen
- jedenfalls hinsichtlich der laufenden
Leistungsanpassungen - rechtswidrig. Zwar stellt auch das
Inkrafttreten der in § 56 BVG vorgesehenen
Anpassungsverordnungen jeweils eine Änderung in den
(rechtlichen) Verhältnissen zugunsten des Berechtigten iS
des § 48 Abs 1 SGB X dar (vgl das Urteil des Senats SozR
1300 § 48 Nr 51 und Urteil des 2. Senats SozR 1300 § 48
Nr 54). Jedenfalls für diese Anpassungen stand dem
Beklagten die von ihm beanspruchte Befugnis zur
"Abschmelzung" der vom Kläger bezogenen Leistung aber
nicht zu, da der Kläger bei Bekanntgabe des Bescheides
vom 5. Mai 1995 bereits das 55. Lebensjahr vollendet
hatte und er die Leistung bereits seit zehn Jahren nach
einer unverändert gebliebenen MdE bezog. In einem
derartigen Fall ist die Regelung des § 62 Abs 3 Satz 1
BVG heranzuziehen. Aus ihr ergibt sich, daß bei dem in
der Vorschrift genannten Personenkreis die alljährlichen
Anpassungen der Versorgungsrente nach § 56 BVG und den
entsprechenden Anpassungsverordnungen nicht der
Abschmelzung unterliegen (vgl dazu Entscheidungen des
Senats SozR 3-3100 § 62 Nr 1, 2 und 3). Wie der Senat
bereits mit Urteil vom 20. August 1990 (SozR 3-3100 § 62
Nr 1) entschieden hat, ist die an sich nur für den Fall
der Besserung des Versorgungsleidens (Änderung der
Verhältnisse "zu Ungunsten" des Versorgungsberechtigten)
geltende Regelung des § 62 Abs 3 BVG auch für den Fall
anwendbar, daß die seit mehr als zehn Jahren unverändert
anerkannte MdE zu Unrecht festgestellt war (ständige
Rechtsprechung des Senats; vgl unveröffentlichtes Urteil
vom 8. März 1995 - 9 RV 7/93; SozR 3-3100 § 62 Nr 2). Die
dogmatische Begründung für die Übertragung der Regelung
des § 62 Abs 3 auf diesen Fall hat der Senat allerdings
erst in seinem Urteil vom 28. Juli 1999 (SozR 3-3100 § 62
Nr 3 = br 1999, 183) gegeben: Es sei insoweit eine
Gesetzeslücke zu schließen. Der Gesetzgeber habe in der
Regelung des § 62 Abs 3 BVG zu erkennen gegeben, daß ein
über 55-jähriger Bezieher von laufenden
Versorgungsbezügen gegen einen Eingriff in seinen
sozialen Besitzstand, der auf einer langjährig
anerkannten, wenngleich unzutreffenden MdE beruhe,
weitgehend geschützt sein solle. Dies gesetzgeberische
Ziel lasse sich nur erreichen, wenn der
Versorgungsberechtigte gegen einen Eingriff in diesen
Besitzstand nicht nur wegen einer durch eine Änderung der
Verhältnisse rechtswidrig gewordenen (vgl § 48 Abs 1 SGB
X), sondern auch wegen einer ursprünglich rechtswidrigen
Anerkennung (§ 45 Abs 1 SGB X) geschützt werde. Seien
aber in § 62 Abs 3 BVG genannte Personen, deren MdE die
Versorgungsverwaltung von Anfang an zu hoch festgestellt
habe, den Personen gleichzustellen, deren MdE
nachträglich abgesunken sei, so verbiete es sich auch,
die Abschmelzungsregelung des § 48 Abs 3 SGB X auf sie
anzuwenden. Denn auch die Leistungen an diejenigen
Personen, deren anerkannte MdE erst später - wegen einer
Änderung der Verhältnisse (§ 48 Abs 1 SGB X) - der
tatsächlich vorliegenden MdE nicht mehr entspreche,
unterlägen nicht der Abschmelzungsregelung (vgl
Entscheidung des Senats SozR 3-3100 § 62 Nrn 1 und 3). An
dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter
Prüfung fest.
Der Ausnahmecharakter des § 62 Abs 3 BVG steht der
analogen Anwendung auf die Fälle nicht entgegen, in denen
der Versorgungsträger von Anfang an eine zu hohe Leistung
bewilligt hat. Es trifft nämlich nicht zu, daß
Ausnahmebestimmungen eine Analogie verbieten und zu einem
Umkehrschluß zwingen (vgl auch Urteil des Senats vom 28.
Juli 1999 aaO mwN). Zwar darf eine Vorschrift, die für
einen bestimmten Ausnahmefall oder eine Gruppe solcher
Fälle erlassen ist, nicht analog angewandt werden auf
Fälle, in denen die Ausnahmesituation nicht gegeben ist;
in den Grenzen des Grundgedankens der Ausnahmevorschrift
ist aber sehr wohl eine Analogie statthaft (BSGE 10, 244,
247). Die Herkunft der vom Senat entwickelten Regelung
aus der Gleichstellung der älteren Empfänger von
Versorgungsbezügen nach einer schon anfänglich zu Unrecht
festgestellten MdE mit den in § 62 Abs 3 BVG ausdrücklich
genannten Personen führt somit dazu, daß auch der
gleichgestellte Personenkreis bei einer Änderung der
Verhältnisse gegen eine (zeitweilige) Entdynamisierung
der Leistung geschützt ist.
Bei den sonstigen - nicht die regelmäßige Anpassung der
Leistungen betreffenden - Änderungen der Verhältnisse
zugunsten des Berechtigten (zB Wegfall der
Voraussetzungen für die Teilversorgung bei gleichzeitigem
Eintritt der Voraussetzungen für die Vollversorgung - vgl
unveröffentlichtes Urteil des Senats vom 8. März 1995 9
RV 7/93 - oder Erhöhung der MdE - SozR 3-3100 § 62 Nr 2 -
) bleibt es dagegen bei der Anwendung des § 48 Abs 3 SGB
X. Denn derjenige, dessen MdE gemäß der in § 62 Abs 3 BVG
getroffenen Regelung nicht mehr verändert werden kann,
kann sich nur darauf verlassen, daß ihm die Leistung mit
den sich aus der Dynamisierung ergebenden Erhöhungen so
verbleibt, wie es dem endgültig festgestellten, nicht
mehr zu seinen Lasten veränderbaren MdE-Grad entspricht.
Der Versorgungsberechtigte ist aber nach § 62 Abs 3 BVG
nur gegen eine Herabsetzung des erreichten Grades der MdE
geschützt. Für sonstige, dh nicht die Dynamisierung
betreffende Änderungen der Verhältnisse zugunsten des
Berechtigten ist daher eine Ausnahme von den Grundsätzen
des § 48 Abs 3 SGB X nicht gerechtfertigt, weil insoweit
§ 62 Abs 3 BVG keinen Schutz bietet. Deshalb kann die
Leistung bei solchen sonstigen Zugunsten-Änderungen nur
auf die dem Berechtigten bei fehlerfreier
Leistungsfeststellung zustehende Höhe und für den Fall,
daß bei fehlerfreier Leistungsfeststellung kein Anspruch
zustehen würde, überhaupt nicht erhöht werden.
Das SG hat den Verfügungssatz Nr 2 des angefochtenen
Bescheides vom 5. Mai 1995 zu Recht in vollem Umfang
aufgehoben. Eine nur teilweise Aufhebung wäre nur dann
geboten gewesen, wenn das SG hätte davon ausgehen müssen,
daß der Beklagte den Bescheid auch wegen der "sonstigen"
Abschmelzungsfälle allein erlassen haben würde oder hätte
erlassen müssen (vgl Kopp, VwVfG, 6. Aufl, RdNr 62 zu §
44; ders VwGO 10. Aufl RdNr 17 zu § 42; RdNr 14 zu § 113;
Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, RdNr 3b zu § 131). Diese
Voraussetzung ist aber nicht erfüllt. Die von dem
Beklagten getroffene Feststellung zu den Rechtsfolgen des
§ 48 Abs 3 SGB X ist nur wegen der laufenden Anpassungen
sinnvoll, weil nur diese in vorhersehbarer Regelmäßigkeit
und ohne umfassende rechtliche Prüfung (siehe oben)
stattfinden. Dagegen haben Leistungserhöhungen aufgrund
sonstiger Änderungen der Verhältnisse zugunsten des
Berechtigten Ausnahmecharakter. Sie bedingen in der Regel
eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung.
In diesen Fällen genügt es nicht nur, sondern liegt es
sogar nahe, den Hinweis auf die Möglichkeit der
Abschmelzung erst zusammen mit dem Bescheid zu erteilen,
der anläßlich der Änderung der Verhältnisse ergeht (BSG
SozR 3-3100 § 62 Nr 2).
Es kommt - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht
darauf an, auf welche Weise der Versorgungsträger von der
Unrichtigkeit des früheren Bescheides erfahren hat. Für
die Zulässigkeit der Abschmelzung iS des § 48 Abs 3 BVG
bei dem in § 62 Abs 3 BVG genannten Personenkreis spielt
allein die Art der Änderungen der Verhältnisse eine
Rolle. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung
vom 28. Juli 1999 (SozR 3-3100 § 62 Nr 3) ausgesprochen.
Aus dem Urteil des Senats vom 12. Dezember 1995 (SozR 3-
3100 § 62 Nr 2) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar
hat der Senat dort ausgeführt, die Regelung des § 62 Abs
3 BVG beruhe auch auf der Absicht des Gesetzgebers, die
Behelligung älterer Versorgungsempfänger durch
medizinische Ermittlungen über den seinerzeitigen und den
derzeitigen Gesundheitszustand möglichst zu vermeiden;
dies spreche dagegen, die alljährliche Erhöhung der
Versorgungsrenten zum Anlaß für medizinische Ermittlungen
zu nehmen; doch entfalle dieser Gesichtspunkt, wenn der
Beschädigte selbst einen Antrag auf Erhöhung seiner
Versorgungsbezüge wegen Verschlimmerung seiner
schädigungsbedingten Leiden gestellt habe. Daraus läßt
sich aber nicht mit dem Beklagten der Schluß ziehen, bei
einer ursprünglichen Unrichtigkeit der MdE-Feststellung,
die sich aufgrund einer Initiative des Berechtigten
herausstellt, sei eine Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X
auch hinsichtlich der laufenden Leistungsanpassungen
zulässig. Der Regelung des § 62 Abs 3 BVG ist lediglich
zu entnehmen, daß spontane routinemäßige
Nachuntersuchungen des Leistungsberechtigten bei älteren
Versorgungsberechtigten unterbleiben sollen. Zu solchen
medizinischen Ermittlungen wäre der Versorgungsträger,
der den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit verpflichtet ist, aber gerade gezwungen, wenn
eine Abschmelzung von laufenden Erhöhungen aufgrund der
Unrichtigkeit des Altbescheides auch bei älteren
Versorgungsberechtigten uneingeschränkt zulässig wäre. Er
dürfte (und müßte ggf sogar) auch diese Personen von sich
aus untersuchen lassen, um festzustellen, ob die
Voraussetzungen für die als zulässig gedachte
Abschmelzung vorliegen, dh insbesondere, ob die der
Versorgung zugrundeliegenden Altbescheide zu Recht
ergangen sind. Ein derartiges Vorgehen widerspräche aber
dem Zweck der in § 62 Abs 3 BVG getroffenen Regelung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

KSRE008761509


Informationsstand: 26.09.2000