Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist zunächst der mit der Klage unmittelbar angegriffene Ausgangsbescheid der Beklagten vom 22.05.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2007.
Die Änderungsbescheide vom 26.07.2007 und 24.09.2007 sind gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Vorverfahrens und damit auch des Klageverfahrens geworden.
Die weiteren Änderungsbescheide vom 12.11.2007 und 15.11.2007 sind nach Erlass des Widerspruchsbescheides (vom 06.11.2007), aber vor Klageerhebung (03.12.2007) bekanntgegeben worden. Sie sind gemäß § 96
SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden (
vgl. zu dieser Konstellation Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Auflage 2008, § 96 Rn. 2
m.w.N.). Die weiteren Änderungsbescheide vom 04.03.2008 und 11.03.2008 sind nach Klageerhebung bekanntgegeben worden und damit gemäß § 96
SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden.
Streitgegenständlich ist, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, der Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 31.05.2008, weil die Beklagte in ihrem Ausgangsbescheid vom 22.05.2007 über diesen Zeitraum eine Entscheidung getroffen hat.
2. Der Kläger kann für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.05.2008 keinen höheren Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41
ff. SGB XII von der Beklagten mit Erfolg beanspruchen. Die ihm gewährte Motivationszuwendung ist Einkommen, das auf seinen Sozialhilfebedarf anzurechnen ist.
a) Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme der besonderen sozialhilferechtlichen Leistungsart der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41
ff. SGB XII.
Gemäß § 41
Abs. 1 Satz 1
SGB XII ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 beschaffen können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten.
Diese Voraussetzungen sind verwirklicht. Der Kläger ist insbesondere dauerhaft voll erwerbsgemindert. Gemäß § 41
Abs. 3
SGB XII ist leistungsberechtigt wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung nach § 41
Abs. 1
SGB XII, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43
Abs. 2 des Sechsten Buches ist und bei dem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.
Mit Schreiben vom 24.06.2006 teilte die Deutsche Rentenversicherung Westfalen der Beklagten auf ihr Überprüfungsersuchen gemäß § 45
SGB XII mit, dass der Kläger seit dem 23.10.2005 dauerhaft voll erwerbsgemindert gemäß § 41
SGB XII ist. Die Beklagte war an diese Entscheidung des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers gebunden gemäß § 45 Satz 2
SGB XII, so dass sie zu Recht von der dauerhaften vollen Erwerbsminderung des Klägers ausgegangen ist mit der Folge, dass der Kläger nicht dem Sicherungssystem des
SGB II untersteht (§ 5
Abs. 2 Satz 2
SGB II).
Zwar erfasst diese Bindungswirkung des § 45 Satz 2
SGB XII nur die Sozialhilfeträger und nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, so dass diese das Erwerbsvermögen grundsätzlich selbst festzustellen haben (
vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2010,
B 8 SO 17/09 R, BSGE 106, 62 (Juris Rn. 14 und 16) zur Stellungnahme des Fachausschusses einer Werkstatt für behinderte Menschen gemäß § 45 Satz 3
Nr. 3
SGB XII). Allerdings sind hier keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die damalige Einschätzung des Rentenversicherungsträgers unzutreffend gewesen sein könnte. Denn nach der ausführlichen gutachterlichen Stellungnahme des Chefarztes des St. W-Hospitals in S vom 25.11.2005, in dem der Kläger während der vierten stationären Behandlung untergebracht war, litt der Kläger an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose mit Wahnvorstellungen nach
bzw. mit chronischem Cannabisabusus; daraufhin bestellte das Amtsgericht C mit Beschluss vom 13.02.2006 einen gesetzlichen Betreuer für den Kläger. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die seelische Erkrankung des Klägers im hier streitigen Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 31.05.2008 abgeklungen
bzw. ausgeheilt gewesen sein könnte; der Senat musste sich deshalb nicht gedrängt sehen, den Sachverhalt hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit des Klägers weiter aufzuklären.
b) Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Gewährung höherer Leistungen.
aa) Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die Motivationszuwendung ein Einkommen in Geld ist und damit als Einkommen gemäß § 82
SGB XII zu berücksichtigen ist. Die Ausnahmen der Berücksichtigung als Einkommen gemäß § 83 und § 84
SGB XII (in der hier maßgeblichen Fassung bis zum 31.12.2010) greifen nicht ein. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des SG nach eigener Prüfung an (§ 153
Abs. 2
SGG).
Aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (
BSG) vom 11.12.2007 (
B 8/9b SO 20/06 R, SozR 4-3500 § 90
Nr. 1) ergibt sich kein anderes Ergebnis. Das
BSG hat entschieden, dass das Landesblindengeld als zweckbestimmte Leistung nach § 83
Abs. 1
SGB XII nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Während die Sozialhilfe der Sicherung des Lebensunterhaltes diene (§ 1 Satz 1 und 2
SGB XII), diene das Landesblindengeld nach § 1
Abs. 1 des Gesetzes über die Hilfe für Blinde und Gehörlose (GHBG) des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 25.11.1997 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW 1997, 430) dem Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen (
BSG a.a.O.). Die an den Kläger gezahlte Motivationszuwendung hat eine solche Zielsetzung - auch schon wegen ihrer sehr geringen Höhe - nicht. Außerdem wird sie, wie vom SG bereits zutreffend ausgeführt, nicht "auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ( ) erbracht", wie § 83
Abs. 1
SGB XII dies voraussetzt. Letzteres unterscheidet § 83
Abs. 1
SGB XII von § 11
Abs. 3
Nr. 1a
SGB II als vergleichbarer Anrechnungsvorschrift im parallelen Existenzsicherungssicherungssystem im
SGB II (dort zur (Nicht-)Anrechnung von Krankenhaustagegeld zuletzt
BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 4 AS 90/10 R).
Zu § 84
SGB XII ist ergänzend zu den Ausführungen des SG auf folgendes hinzuweisen:
Die I
gGmbH dürfte Teil der freien Wohlfahrtspflege sein. Träger der freien Wohlfahrtspflege sind die Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts und Verbände der freien Wohlfahrtspflege (
vgl. § 5
Abs. 1
SGB XII), Vereine (
z.B. Tafel e.V.) und nichtrechtsfähige Vereine (
z.B. Parteien) und ihre Unterorganisationen (Gesellschaften, Stiftungen
usw.), sonstige privaten Stiftungen, Interessenverbände und Selbsthilfegruppen (Schmidt in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 84 Rn. 9). Der Begriff der Verbände der freien Wohlfahrtspflege ist dabei weit zu verstehen. Frei ist die Wohlfahrtspflege, die nicht von Gebietskörperschaften erbracht wird, also nicht öffentlich-rechtlich ist. Wohlfahrtspflege ist die Betreuung sozial benachteiligter Personen, die nicht aus Gewinnerzielungsabsicht, sondern zum Wohle der Allgemeinheit ausgeübt wird. Dazu gehören entgegen teils vertretener Auffassung nicht nur die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege organisierten Verbände (Caritasverband, Diakonisches Werk, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz und Paritätischer Wohlfahrtsverband), sondern alle Organisationen, die aufgrund ihres Verbandszweckes Wohlfahrtsleistungen an hilfebedürftige Personen erbringen und die Gewähr bieten, dass sie nachhaltig entsprechend ihrer Satzung gemeinnützige soziale Aufgaben erfüllen (zum Vorstehenden: Piepenstock in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 5 Rn. 22
m.w.N.).
Dies kann aber dahinstehen. Denn bei der Motivationszuwendung handelt es sich jedenfalls um keine "Zuwendung" im Sinne des § 84
Abs. 1
SGB XII, wie das SG zu Recht ausgeführt hat. Nach den Bescheinigungen der I
gGmbH zahlte sie eine wöchentliche Motivationszuwendung, deren Höhe sich ausdrücklich nach den in der jeweiligen Woche konkret geleisteten Arbeitsstunden richtete. Die Zahlung der Motivationszuwendung erfolgte nach den Bescheinigungen der I
gGmbH "für die geleisteten Arbeitsstunden" und setzte damit eine Gegenleistung ausdrücklich voraus. Die Zahlung erfolgte somit nicht vorbehaltlos und im Vorhinein, sondern erst nachträglich und nach Maßgabe der jeweils geleisteten Arbeitsstunden.
Diese Interpretation des § 84
Abs. 1
SGB XII führt auch nicht dazu, dass dieser Norm kein Anwendungsbereich mehr verbliebe. Sie erfasst bedingungslos gewährte Zuwendungen wie etwa durch "Tafeln" gewährte Mahlzeiten oder aus Kleiderkammern bezogene Kleidung.
Gegen die Berücksichtigung der streitigen Motivationszuwendung als Zuwendung gemäß § 84
Abs. 1
SGB XII spricht zur Überzeugung des Senates ferner ein systematisches Argument. Dieses betrifft das Verhältnis von § 84
SGB XII als Ausnahmeregelung zu der "Anrechnungsgrundnorm" des § 82
SGB XII. Das Entgelt aus einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen wird gemäß § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII - wenn auch in der Höhe deutlich privilegiert - als Einkommen berücksichtigt. Dies spricht dafür, die hier streitige Motivationszuwendung nicht anders, jedenfalls aber nicht besser zu behandeln. Andernfalls dürfte eine wohl kaum zu rechtfertigende Ungleichbehandlung (
Art. 3
Abs. 1
GG) die Folge sein. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die Motivationszuwendung anders als Entgelt aus einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen in voller Höhe anrechnungsfrei sein müsste. Nach Auskunft des Finanzamtes C1 vom 27.04.2005 werden die behinderten Menschen bei der I
gGmbH überwiegend zur Rehabilitation und somit überwiegend zu therapeutischen und sozialen Zwecken und weniger zur Erzielung eines produktiven Arbeitsergebnisses beschäftigt. Dies ähnelt der Situation in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Insofern liegen also zwar nicht identische, aber doch im Wesentlichen vergleichbare Sachverhalte vor.
bb) Der Kläger kann von der Beklagten nicht beanspruchen, dass diese weitere Absetzungen von dem Einkommen vornimmt, als sie dies bereits getan hat.
Die Beklagte hatte zunächst ein monatliches Einkommen von 38,36
EUR als Einkommen berücksichtigt. Dieser Betrag errechnet sich aus einem monatlichen Einkommen von 60
EUR; nach einem Aktenvermerk der Beklagten aus dem Jahr 2007 war dies nach Rücksprache mit der G e.V. der durchschnittlich erzielte Monatsbetrag. Hiervon hatte die Beklagte 5,20
EUR für Arbeitsmittel gemäß § 3
Abs. 5 der Verordnung zu § 82
SGB XII sowie 16,44
EUR als 30prozentigen Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit gemäß § 82
Abs. 3 Satz 1
SGB XII abgezogen.
Dem Widerspruch des Klägers hiergegen gab sie sodann insoweit statt, "dass anstatt eines Betrages von 38,36
EUR lediglich ein Betrag in Höhe von 8,75
EUR als Einkommen angerechnet wird". Hierbei zog sie von einem Einkommen von 60
EUR weiterhin 5,20
EUR für Arbeitsmittel ab, ferner nun auch 43,13
EUR (
bzw. 43,38
EUR) als ein Achtel des Eckregelsatzes gemäß § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII.
Die Beklagte ging davon aus, aus Billigkeitsgründen sei § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII entsprechend anzuwenden, so dass sich die dargelegte Verringerung des anzurechnenden Einkommens ergebe. Dieses Ergebnis will der Senat nicht beanstanden. Von Rechts wegen war die Beklagte hierzu jedoch nicht verpflichtet, weil die Regelung des § 82
Abs. 3 Satz 2
SGB XII voraussetzt, dass in einer Werkstatt für behinderte Menschen ein Entgelt erzielt wird. Die I
gGmbH ist aber keine Werkstatt für behinderte Menschen. Die Werkstatt für behinderte Menschen ist gemäß § 136
Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben; gemäß § 142
SGB IX bedürfen sie der Anerkennung. An letzterem fehlt es hier.
Soweit die Beklagte eine monatliche Motivationszuwendung von 60
EUR (weiterhin) als "Durchschnittswert" zugrunde gelegt hat, ist diese Höhe zwar nicht zutreffend, wie die im Tatbestand wiedergegebene Übersicht der tatsächlich gezahlten Beträge verdeutlicht. Allerdings ist dies im Ergebnis unschädlich.
Denn die Beklagte hat im ersten Halbjahr (Juni 2007 bis November 2007) des hier streitigen Zeitraumes nur in den Monaten Juli und November 2007 (jeweils 8,56
EUR) sowie August 2007 (0,16
EUR) einen Betrag als Einkommen in Ansatz gebracht. Dieser Betrag ist geringer, als wenn man von den in diesen Monaten tatsächlich gezahlten Motivationszuwendungen (hierzu ebenfalls die Übersicht im Tatbestand) 5,20
EUR für Arbeitsmittel gemäß § 3
Abs. 5 der Verordnung zu § 82
SGB XII einen 30prozentigen Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit gemäß § 82
Abs. 3 Satz 1
SGB XII abzieht.
Im zweiten Halbjahr (Dezember 2007 bis Mai 2008) hat die Beklagte in den Monaten Februar 2008 und März 2008 ebenfalls einen nur geringen Betrag (3,16
bzw. 1,36
EUR) als Einkommen in Ansatz gebracht, so dass dies aus denselben Gründen nicht zu beanstanden ist. Für die Monate April und Mai 2008 hat die Beklagte 29,86
EUR bzw. 8,56
EUR angerechnet. Der zuerst genannte vergleichsweise hohe Betrag resultiert aus der in April 2008 gezahlten und vergleichsweise hohen Motivationszuwendung von 88,40
EUR. Für den Monat Dezember 2007 ist die konkrete Höhe des berücksichtigten Einkommens nicht bekannt. Angesichts des Zahlbetrages von 519,80
EUR ist davon auszugehen, dass dies der im Widerspruchsbescheid genannte Betrag von 8,75
EUR ist, jedenfalls aber kein wesentlich höherer Betrag.
Weitere Absetzbeträge sind nicht ersichtlich. Notwendige Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 3
Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 der Verordnung zu § 82
SGB XII hatte der Kläger auch im Verhandlungstermin vor dem erkennenden Senat trotz ausdrücklicher Nachfrage nach wie vor weder konkretisiert noch belegt; die Beklagte hat angekündigt, in diesem Fall die notwendigen Kosten übernehmen zu wollen. (Pauschalierte) Aufwendungen für Fahrten mit dem (unmotorisierten) Fahrrad sind in § 3
Abs. 6 der Verordnung zu § 82
SGB XII nicht enthalten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
4. Die Revision war gemäß § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Beantwortung der Frage, ob eine Motivationszuwendung im oben beschriebenen Sinne als Einkommen gemäß §§ 82
ff. SGB XII bei der Sozialhilfegewährung zu berücksichtigen ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.