II.
Die zulässig erhobene Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b
Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung - § 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG). Eine solche Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG i.V.m. § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung,
ZPO).
1. Der Antragsteller hat das Bestehen eines Anordnungsanspruchs als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht. Nach allen dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen hat der Antragsteller einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Fortzahlung von Krankengeld. Der bislang vor dem Sozialgericht gestellte Antrag auf "Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch V in Höhe von 90 % des ihm zustehenden Krankengeldes" wurde zugunsten des im Beschwerdeverfahren nicht mehr anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend ausgelegt, dass eine Krankengeldleistung in der nach dem Gesetz zustehenden Höhe verlangt wird. Der Senat geht davon aus, dass die frühere Formulierung des Antrags auf einer missverstandenen Auslegung des
§ 47 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beruht.
Ein Anspruch auf Leistung von Krankengeld setzt nach
§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V voraus, dass eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Der Krankengeldanspruch entsteht von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (
§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. C. hat bereits in ihrer am 12. Juli 2010 ausgestellten Erstbescheinigung als Diagnosen eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (F 32.3) sowie eine nichtorganische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus (F 51.2) festgehalten. Zuletzt liegt dem Senat eine Folgebescheinigung dieser Ärztin vom 4. August 2011 vor, die eine weitere Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers voraussichtlich bis einschließlich 7. September 2011 feststellt.
An der von der behandelnden Ärztin bescheinigten Arbeitsunfähigkeit bestehen auch keine Zweifel nach den gegenteiligen Feststellungen des MDK Bayern vom 13. Oktober 2010. Vielmehr fällt auf, dass der begutachtende
Dr. K. ohne eigene Untersuchung des Antragstellers lediglich anhand der - zumal damals dürftigen Aktenlage - von den von
Dr. C. angegebenen fachärztlichen Diagnosen deutlich abweicht. Anstelle einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen stellte der MDK Bayern lediglich "Anpassungsstörungen mit depressiver Episode und gestörtem Schlaf-Wach-Rhythmus" fest. Als Diagnoseschlüssel wird "F43" angegeben. Damit werden beschrieben Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Es ist nicht erkennbar, welche Anhaltspunkte diese erhebliche Diagnoseveränderung hätten veranlassen können. Aus den Akten geht auch nicht hervor, ob es sich bei dem für den MDK Bayern tätig gewordenen
Dr. K. um einen Facharzt für Psychiatrie handelt. Zudem hat der MDK Bayern seiner Leistungsbeurteilung und der Frage nach einer Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers einen unzutreffenden Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt. Die Ausführungen des MDK Bayern zeigen, dass er nicht auf den konkreten Arbeitsplatz des Antragstellers, sondern vielmehr auf die Tätigkeit als Krankenpfleger "als solche" abgestellt hat. Das zeigt auch der Hinweis des MDK Bayern auf die Möglichkeit einer betrieblichen Umsetzung des Antragstellers. Bei einem Versicherten, der im Zeitpunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis steht und einen Arbeitsplatz inne hat, ist für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit jedoch darauf abzustellen, ob er die an diesen Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen kann. Sinn und Zweck der Krankengeldleistung ist es, dem krankenversicherten Arbeitnehmer gerade auch die Möglichkeit offen zu halten, nach Beseitigung des Leistungshindernisses die bisherige Arbeit wieder aufzunehmen. Erst wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts seinem Arbeitnehmer in zulässiger Weise eine andere Tätigkeit anbietet, die der Versicherte im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand noch verrichten kann, liegt Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vor (
vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004,
B 1 KR 5/03 R, Rz. 15 - zitiert nach juris;
BSG, Urteil vom 7. August 1991, 1/3 RK 28/89, Rz. 26 ff - zitiert nach juris). Insoweit ist schon äußerst fraglich, in welcher Form dem Antragsteller im Rahmen des Arbeitgeber-Direktionsrechts im Krankenbereich der Justizvollzugsanstalt Stadelheim ein anderer gesundheitsadäquater Arbeitsplatz als Krankenpfleger ohne Tätigkeitsänderungen und Einkommensverluste zugewiesen werden kann.
Die Schwere der Erkrankung des Antragstellers wird auch bestätigt durch das Ergebnis einer im Auftrag des Landratsamtes F., Gesundheitsamt, erfolgten Begutachtung des Antragstellers. Eine ärztliche Untersuchung durch den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. D. vom 7. Februar 2011 ergab eine weitere Dienstunfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers für die Tätigkeit eines Krankenpflegers an der Justizvollzugsanstalt München. Der Gutachter empfahl - wie im übrigen auch schon die Deutsche Rentenversicherung Bund - eine stationäre Behandlung.
Der Begründung eines Anordnungsanspruchs steht nicht entgegen, dass dem Senat keine durchgehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Ärztin
Dr. C. vorliegen. Aufgrund der offensichtlich fehlerhaften Feststellungen des MDK Bayern vom 13. Oktober 2010 könnten selbst Lücken in den bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten dem Antragsteller nicht zu Nachteil gereichen. Eine objektive Fehlbeurteilung des MDK fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin (
vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005,
B 1 KR 30/04 R, Rz. 25 - zitiert nach juris). Ausnahmsweise unterbliebene ärztliche Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit können sogar rückwirkend nachgeholt werden, wenn die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen ist (
vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 1 KR 20/08 R, Rz. 21 - zitiert nach juris).
2. Der Antragsteller hat auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Für die hier begehrte Regelungsanordnung erfordert ein Anordnungsgrund deren Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Es gilt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Antragsteller vor vollendete Tatsachen zu bewahren, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (
vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, § 86b Rn. 28).
Zwar erhält der Antragsteller entgegen seines bisherigen, auch in seinem Beschwerdeschreiben vom 6. Juni 2011 wiederholten Vortrags seit dem 1. Mai 2011 Leistungen nach dem
SGB II. Ein Verweis des Antragstellers auf diesen Leistungsbezug und auf ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache wäre in dem hier zu entscheidenden Verfahren jedoch nicht sachgerecht.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob die hier vorliegenden gewichtigen Gründe für die Annahme eines Anordnungsanspruchs bereits die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern (
vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. Juli 2010, L 1 KR 281/10 B, Rz. 34 - zitiert nach juris; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, § 86b Rn. 29). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedenfalls notwendig zur Abwendung wesentlicher Nachteile des Antragstellers. Auch wenn dieser zur konkreten Höhe seines Leistungsbezugs nichts vorgetragen hat, so ist angesichts des früheren von der Antragsgegnerin geleisteten Nettozahlbetrages von Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 57,25 Euro offensichtlich, dass die Leistungen nach dem
SGB II deutlich niedriger ausfallen. In seiner bereits dem Sozialgericht vorgelegenen eidesstattlichen Versicherung vom 25. April 2011 hatte der Antragsteller zudem angegeben, bereits sämtliche Ersparnisse aufgebraucht und Geld geliehen zu haben. Hinzu kommen nachgewiesene Mietrückstände bei seinem Wohnungsvermieter.
Darüber hinaus bestehen Bedenken gegenüber der vom Sozialgericht vorgenommenen Verweisbarkeit auf die Leistungen nach dem
SGB II. Denn der Bezug von Krankengeld begründet im Gegensatz zum Leistungsbezug nach dem
SGB II ein Versicherungspflichtverhältnis mit Anwartschaftserwerb in der Arbeitslosenversicherung
gem. § 26
Abs. 2
Nr. 1
SGB III. Besondere Bedeutung hat, dass seit der Aufhebung des § 3 Satz 1
Nr. 3a
SGB VI durch
Art. 19
Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl I
S. 1885) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 der Leistungsbezug nach dem
SGB II keine Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 55 Abs 1
Nr. 1
SGB VI mehr begründet, während nach wie vor aus den wegen Krankengeldbezugs entrichteten Beiträgen
gem. § 3 Satz 1
Nr. 3, § 166
Abs. 1
Nr. 2, § 170
Abs. 1
Nr. 2a
SGB VI Pflichtbeitragszeiten resultieren. Diese Beitragszeiten
i.S.d. § 54 Abs 1 Nr 1a
SGB VI bewirken die Erfüllung von Wartezeiten
gem. §§ 50 ff
SGB VI und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 und § 43
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2
SGB VI), den Erwerb von persönlichen Entgeltpunkten
gem. § 66
SGB VI und tragen damit ganz erheblich zum sozialen Schutz der Krankengeldbezieher bei. Hat der Gesetzgeber aber den Leistungsbezug nach dem
SGB II und den Bezug von Krankengeld so klar unterschiedlich bewertet, darf im Verfahren auf Gewährung von Krankengeld im einstweiligen Rechtsschutz diese Wertung nicht unbeachtet bleiben.
Der Krankengeldbezug im einstweiligen Rechtsschutz wird dem Antragsteller ab Rechtshängigkeit seines Eilverfahrens ab dem 13. Mai 2011 zugesprochen. Die Verpflichtung zur weiteren Zahlung von Krankengeld besteht für die Antragsgegnerin wie ausgesprochen nur bei Fortbestehen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen
gem. § 44, 46
SGB V, insbesondere Fortbestand der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, künftig lückenlose ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit, Nichterschöpfen der ab 12. Juli 2010 zu berechnenden maximalen Bezugsdauer von 78 Wochen
gem. § 48
SGB V sowie Nichteintritt von Ruhens-, Ausschluss- und Wegfalltatbeständen
gem. §§ 49, 50, 51
SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177
SGG unanfechtbar.