Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101
Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -) und durch den Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87a
Abs. 2 und 3
VwGO).
Die Klage ist zulässig, insbesondere kann die Klägerin ihr Klagebegehren in zulässiger Weise dadurch verfolgen, dass sie neben der Anfechtung der ablehnenden Bescheide eine Feststellungsklage erhebt. Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43
Abs. 2
VwGO) steht dem vorliegend nicht entgegen. Die Feststellungsklage gewährleistet hier einen effektiveren Rechtsschutz als eine Verpflichtungsklage, die notwendigerweise auf die Gewährung eines konkreten Geldbetrages für einen zeitlich begrenzten Bewilligungszeitraum beschränkt werden müsste. Der Klägerin geht es demgegenüber - wie im Erörterungstermin vom 28. September 2011 nochmals hervorgehoben worden ist - in erster Linie um die grundsätzliche Klärung ihres Anspruchs auf Einräumung eines Persönlichen Budgets. Auch der Beklagte hat im Erörterungstermin erklärt, dass diese Rechtsfrage aus seiner Sicht den Kern des vorliegenden Rechtsstreits darstellt. Hinzu kommt, dass die Gewährung eines Persönlichen Budgets (durch Verwaltungsakt) gemäß
§ 3 Abs. 5 Satz 1 der Budgetverordnung - BudgetV - erst erfolgen kann, wenn eine Zielvereinbarung nach
§ 4 BudgetV abgeschlossen worden ist. Eine solche Zielvereinbarung ist aufgrund der Ablehnung eines Persönlichen Budgets durch den Beklagten bislang aber nicht zustande gekommen. Schließlich besteht vorliegend auch nicht die Gefahr, dass die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden besonderen Sachurteilsvoraussetzungen unterlaufen werden, da die Klägerin gegen die ablehnenden Bescheide des Beklagten eine zulässige Anfechtungsklage erhoben hat.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Gewährung eines Persönlichen Budgets. Dieser Anspruch folgt aus § 35a
Abs. 3
SGB VIII i. V. m.
§§ 53 Abs. 4,
57 SGB XII, die ihrerseits "auf
§ 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX in Verbindung mit der Budgetverordnung und
§ 159 SGB IX" verweisen. Das von der Klägerin begehrte Persönliche Budget wird nach 17
Abs. 3 Satz 1
SGB IX in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. Gemäß § 159
Abs. 5
SGB IX ist § 17
Abs. 2 Satz 1
SGB IX vom 1. Januar 2008 an mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf Antrag Leistungen durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden. § 17
Abs. 2 Satz 1
SGB IX räumt damit seither einen Rechtsanspruch hierauf ein (
vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 -
B 5 R 54/10 R -, juris).
Tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs auf ein Persönliches Budget ist das Bestehen eines Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe (§ 17
Abs. 2 Satz 1
SGB IX). Dass ein derartiger Anspruch der Klägerin besteht, ist nicht zweifelhaft und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der Beklagte gewährt der Klägerin seit 2007 fortlaufend Eingliederungshilfe gemäß § 35a
SGB VIII i. V. m. § 30
SGB VIII (Betreuungshelfer) für Schulbegleitung und außerschulische Arbeit und damit Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Auch die Leistungen der Schülerbeförderung sind budgetfähig. Da - was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig ist - eine wohnortnahe Beschulung der Klägerin nicht möglich ist, handelt es sich jedenfalls für sie um eine Teilhabeleistung zur Sicherung der angemessenen Schulbildung (
vgl. auch
OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 22. Mai 2002 - 4 B 60/02 -, juris; ferner Beschluss vom 12. September 2002 - 4 B 129/02 -, juris). Die Hilfe zum Erreichen des Ausbildungsplatzes stellte eine typische budgetfähige Dauerleistung dar (
vgl. Majerski-Pahlen, in Neumann (
u. a.), Sozialgesetzbuch IX, 11. Auflage, § 17 Rn. 6). Der Hinweis des Beklagten darauf, dass der Schülerspezialverkehr grundsätzlich auch nichtbehinderten Kinder zur Verfügung stehe, ändert nichts am Charakter der Hilfeleistung für die Klägerin und ist daher für das vorliegende Verfahren irrelevant.
Ebenso unerheblich ist der Vortrag des Beklagten, die Gewährung eines Persönlichen Budgets würde seine Steuerungsverantwortung beeinträchtigen und nicht dazu führen, dass die Hilfe wirksamer erbracht werden könne. Diese Vorbringen zeigt, dass der Beklagte sich nach wie vor der Einsicht verschließt, dass er bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags zur Gewährung eines Persönlichen Budgets gesetzlich verpflichtet ist, er insoweit also weder Ermessen noch einen Beurteilungsspielraum hat. Eine "wirksamere Hilfeerbringung" gehört nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Einräumung eines Persönlichen Budgets und ist daher weder vom Beklagten noch vom Gericht zu prüfen. Sofern die Leistungserbringung in Form eines Persönlichen Budgets dazu führt, dass die Steuerungsmöglichkeiten des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe reduziert werden (was
u. a. im Hinblick auf die in § 4 BudgetV vorgesehene Zielvereinbarung aber ohnehin nur sehr eingeschränkt der Fall sein dürfte,
vgl. dazu ausführlich Schindler, JAmt 2011,
S. 499
ff.), dann ist dies als Folge der vom Gesetzgeber gewollten Stärkung der Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Hilfeempfänger hinzunehmen.
Soweit der Beklagte schließlich noch die Auffassung vertritt, die Gewährung eines Persönlichen Budgets sei aufgrund des Alters der Klägerin ausgeschlossen, widerspricht auch dies der klaren Gesetzeslage. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind Rehabilitationsträger (
§ 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX)
u. a. für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (
§ 5 Nr. 4 SGB IX). Dies und die oben genannte Verweisung des § 35a
Abs. 3
SGB VIII auf die Vorschriften zum Persönlichen Budget lassen nur die Annahme zu, dass jedenfalls Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a
SGB VIII in Form eines Persönlichen Budgets erbracht werden können
bzw. bei - wie hier - Vorliegen der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erbracht werden müssen (ebenso Schindler,
a. a. O.). Insbesondere ist die Verweisung in § 35a
Abs. 3
SGB VIII durch keine weiteren Anforderungen wie Mindestalter oder Geschäftsfähigkeit des Antragstellers eingeschränkt worden, so dass von vornherein nicht angenommen werden kann, ein Persönliches Budget komme nur im Rahmen der Fortsetzungshilfe für junge Volljährige (§ 41
SGB VIII i. V. m. § 35a
SGB VIII) in Betracht. Hinzu kommt, dass das Ziel der Leistung nach § 17
Abs. 2 Satz 1
SGB IX, das Führen eines möglichst selbstbestimmten Lebens zu ermöglichen, auch mittels der Eltern als "Helfer der Eigenverantwortung und Selbstbestimmung" (Welti in HK-SGB IX, 3. Auflage, § 17 Rn. 24) erreicht werden kann. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass die Eltern ihre Kinder in die Gestaltung des Alltags mit einbeziehen und die Kinder damit entsprechend ihren wachsenden Fähigkeiten den Umgang mit einem Persönlichen Budget von und mit ihren Eltern lernen. Dass vorliegend etwas anderes gelten sollte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Gericht hat - auch vor dem Hintergrund des im Erörterungstermin verschafften persönlichen Eindrucks von der Mutter der Klägerin - keinen Zweifel daran, dass die Klägerin
bzw. ihre Eltern verantwortungsvoll mit dem Persönlichen Budget umgehen werden. Weshalb die Hilfeerbringung in Form eines Persönlichen Budgets vorliegend ungeeignet sein sollte, ist deshalb nicht zu erkennen.
Die den Antrag auf Gewährung eines Persönlichen Budgets ablehnenden Bescheide des Beklagten vom 5. Juni 2008 und 21. August 2008 sind aus den vorgenannten Gründen rechtswidrig und aufzuheben (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Einer Entscheidung über den gestellten Hilfsantrag bedarf es nicht, da die Klage bereits mit dem Hauptantrag in vollem Umfang Erfolg hat.
Hinsichtlich der im Antrag vom 14. März 2008 ebenfalls aufgeführten Leistungen zur autismusspezifischen Einzelförderung, hat die Klägerin im Erörterungstermin klargestellt, dass diese nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sein sollen. Da diese Leistungen bislang vom Beklagten weder geprüft noch bewilligt worden sind, kommt die Gewährung eines Persönlichen Budgets insoweit gegenwärtig auch nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167
VwGO i. V. m. §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.