I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8. Oktober 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für Instandsetzungen und Reparaturen an einem in seinem Besitz befindlichen zweiten Elektrorollstuhl.
Der im Jahre 1973 geborene Kläger leidet unter einer spastischen Tetraplegie, weshalb er nicht gehfähig ist und den Kopf ohne Stütze nur schwer halten kann. Die Arme sind in spastischer Haltung verkrampft. Der Kläger lebt in einem Pflegeheim (X-haus). Er ist im Lebensalltag auf die dauernde Benutzung eines Rollstuhls angewiesen.
Ihm war am 03.08.1999 von der beklagten Krankenkasse ein Elektrorollstuhl TYP1, der sich noch in seinem Besitz befindet, bewilligt worden. Weiter hatte er zum Ersatz dieses nicht mehr voll seine krankheitsbedingten Versorgungsbedürfnisse erfüllenden Rollstuhls am 21.12.2001 einen neuen Elektrorollstuhl des Typs TYP2 mit integrierter Aufstehvorrichtung und Joystick-Steuerung und individueller Anpassung der Sitzschale bewilligt bekommen. Diesen benutzt der Kläger üblicherweise. Im Falle eines Defektes und der Verbringung dieses Rollstuhls zur Reparatur verwendet er übergangsweise den älteren Elektrorollstuhl vom Typ TYP1. Ferner ist der Kläger von der Beklagten mit einem Faltrollstuhl mit Greifrädern ausgestattet worden, der keinen motorischen Antrieb besitzt und von einer Hilfsperson geschoben werden muss, da der Kläger seine Hände zum Vorwärtsbewegen dieses manuellen Rollstuhls nicht einsetzen kann. Den Faltrollstuhl setzt der Kläger regelmäßig bei Ausflügen und zu Besuchen außerhalb des Heimes ein, wenn der Transport oder der Einsatz des Elektrorollstuhls zu schwerfällig ist.
Im Jahre 2006 hatte der Kläger bei der Beklagten die Ausstattung mit einem Leichtgewichtrollstuhl mit besonderer Sitzschale als Ersatz für den Faltrollstuhl beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 20.04.2006 abgelehnt. Auf den Widerspruch des Klägers hatte die Beklagte ein erneutes Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) eingeholt. Unter dem 01.09.2006 wurde von dort festgestellt, dass der Kläger derzeit über drei Rollstühle verfüge, nämlich die beiden Elektrorollstühle und den Greifreifenrollstuhl, bewilligt im Jahre 1995. Letzterer sei so defekt, dass aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zu einer Instandsetzung geraten werden könne. Zu empfehlen sei daher eine Versorgung mit einem neuen manuellen Standard-Greifreifenrollstuhl mit anatomischer Sitzanpassung. Dabei könne der bisherige individuell angepasste Sitz noch verwendet werden. Hinsichtlich des Elektrorollstuhls TYP1 aus dem Jahre 1999 bleibe festzustellen, dass ein Wiedereinsatz nicht empfohlen werden könne. Es obliege der leistungsrechtlichen Entscheidung, ob dieser Rollstuhl dem Kläger belassen bleibe. Reparaturkosten könnten für die Zukunft indessen nicht mehr übernommen werden.
Mit Bescheid vom 15.09.2006 bewilligte die Beklagte daraufhin einen neuen Leichtgewichtrollstuhl, lehnte indes eine zweite Versorgung mit einem weiteren Elektrorollstuhl ab. Der alte Rollstuhl TYP1 könne zwar beim Kläger belassen bleiben. Weitere Reparaturkosten würden dagegen nicht mehr übernommen. Mit weiterem Bescheid vom 27.09.2006 lehnte die Beklagte ausdrücklich die Übernahme zukünftiger Reparaturkosten für den zweiten Elektrorollstuhl ab. Dem widersprach der Kläger am 25.10.2006 mit der Begründung, ihm sei eine eigenständige Mobilität zu gewährleisten. Er könne den Leichtgewichtrollstuhl nur mit fremder Hilfe fortbewegen. Der neue Elektrorollstuhl sei hingegen des Öfteren defekt, so dass er einen zweiten Elektrorollstuhl benötige. Der Kläger legte eine Reparaturkostenrechnung für die gebrochene Achse des Elektrorollstuhls TYP1 vom 23.11.2006 in Höhe von 72,70
EUR vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln sei nach Ziffer 21 der Hilfsmittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nur vorgesehen, wenn dies aufgrund besonderer Beanspruchung zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Der Kläger sei hingegen mit einem Elektrorollstuhl und einem Leichtgewichtrollstuhl bereits ausreichend versorgt.
Hiergegen erhob der Kläger am 14.02.2007 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die bereits entstandenen und zukünftig entstehenden Reparatur- und Wartungskosten für den Zweit-Elektrorollstuhl TYP1 zu übernehmen. Zur Begründung trug er vor, der Elektrorollstuhl TYP2 weise verstärkt reparaturbedingte Ausfallzeiten auf, da dieser höchsten Belastungen ausgesetzt sei. Daher benötige er einen Ersatzrollstuhl für die Zeiten der Reparatur. Die Sanitätshäuser könnten während derartiger Ausfallzeiten keinen adäquaten Ersatz bieten. So sei im Jahre 2006 der "neue" Elektrorollstuhl zwei Monate ausgefallen. Den Leichtgewichtrollstuhl könne er nur mit fremder Hilfe bewegen. Er gehe aber einer geringfügigen Beschäftigung in einem Umfang von circa acht Stunden pro Woche nach und sei mit Botengängen und Postverteilung in dem Pflegeheim betraut. Es bestehe die Gefahr, dass bei weiteren Ausfallzeiten diese Beschäftigung beendet würde. Die Inanspruchnahme eines anderen Leistungsträgers komme entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in Betracht, da aufgrund seiner nur geringfügigen Beschäftigung zum Beispiel auch von Seiten des Integrationsamtes keine Fördermittel zur Verfügung gestellt würden.
Das Sozialgericht hob mit Urteil vom 8. Oktober 2008 den Bescheid vom 27.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2007 auf und verpflichtete die Beklagte, die bereits entstandenen und zukünftig entstehenden Reparatur- und Wartungskosten für den Zweit-Elektrorollstuhl TYP1 zu übernehmen. Zur Begründung führte es aus:
Der Kläger habe Anspruch darauf, dass die Beklagte für die Kosten der Instandsetzung des zweiten Elektrorollstuhles aufkomme. Rechtsgrundlage hierfür sei
§ 33 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach bestehe unter anderem Anspruch auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich seien, um eine Behinderung auszugleichen, soweit es sich nicht um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handele (§ 33
Abs. 1
S. 1
SGB V). Dass die Versorgung des Klägers mit einem Elektrorollstuhl erforderlich sei im Sinne des § 33
SGB V, stehe außer Streit. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger indes auch Anspruch darauf, dass die Reparaturkosten für den individuell angepassten bisherigen Elektrorollstuhl TYP1 übernommen würden. Die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasse auch den Anspruch auf Instandsetzung (§ 33
Abs. 1
S. 4
SGB V). Da der Kläger bereits über diesen zweiten Elektrorollstuhl verfüge, sei hier allein die Frage der Instandsetzungskosten streitig. Auch diese richte sich nach den Grundsätzen, die für eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln gelten. Danach komme eine Mehrfachausstattung nach Ziffer 21 der Hilfsmittelrichtlinien nur in Betracht, wenn diese aus hygienischen Gründen notwendig oder wegen der besonderen Beanspruchung zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Zwar habe der MDK in seinen Stellungnahmen für die Beklagte ausgeführt, dass eine Zweitversorgung mit einem Elektrorollstuhl nicht in Betracht komme. Dieser Auffassung vermöge sich die Kammer indes nicht anzuschließen. Der Kläger habe vielmehr nicht zuletzt in seiner persönlichen Anhörung im Termin überzeugend vorgebracht, dass er täglich auf den Einsatz des Elektrorollstuhles angewiesen sei, zumal er einer geringfügigen Beschäftigung im X-heim nachgehe. Eine Fortbewegung mit einer Begleitperson im Greifreifenrollstuhl komme bei Ausübung dieser Tätigkeit erkennbar nicht in Betracht. Da der im Jahre 2001 bewilligte Elektrorollstuhl erhebliche Ausfallzeiten durch Reparatur erfordere, was unstreitig sei, benötige der Kläger für die Zeit der Reparatur einen zweiten Elektrorollstuhl. Nach Angaben des Klägers sei mit einer Ausfallzeit des zuletzt bewilligten Elektrorollstuhles TYP2 von durchschnittlich circa vier Wochen pro Jahr zu rechnen. Der Kläger erhalte, was auch unstreitig sei, keinen adäquaten Ersatz vom Sanitätshaus, da er eine Mittelsteuerung und einen Tisch zur stetigen Auflage benötige. Derartige Hilfsmittel hielten die Sanitätshäuser indes nicht vor. Schließlich benötige der Kläger auch eine anatomisch geformte Sitzschale, die individuell angefertigt sei und bei anderen Rollstühlen nicht ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden könne. Zwar sei der Beklagten zuzugestehen, dass die Bewilligung eines Zweitelektrorollstuhles nach den Hilfsmittelrichtlinien die Frage der Wirtschaftlichkeit aufwerfe. Vorliegend gehe es indes lediglich um die Gewährung von Reparaturkosten für den alten Rollstuhl. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) komme eine Zweitversorgung indes auch noch in Frage, wenn die Krankenkasse mit der Erstversorgung ihrer Leistungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Dies sei der Fall, wenn ein unzureichendes Hilfsmittel geliefert worden sei oder die zu befriedigenden Bedürfnisse mit einem einzigen Hilfsmittel nicht zu decken seien (Hinweis auf:
BSG, Urteil vom 22.07.1981 SozR 2200 § 182
Nr. 73). Vorliegend sei die Kammer der Überzeugung, dass der "neue" Elektrorollstuhl die Bedürfnisse des Klägers nicht allein zu decken vermöge. Zwar sei eine Zweitversorgung für die Zeit der Reparatur des als Erstversorgung dienenden Hilfsmittels medizinisch nicht erforderlich, da in diesem Fall die Krankenkasse nach allgemeiner Meinung zu einer kurzfristigen Ersatzbeschaffung verpflichtet sei beziehungsweise für die Kosten der Reparatur aufzukommen habe (Hinweis auf Kasseler Kommentar - Höfler, § 33
SGB V Rn.51 m.w. N.). Dies könne indessen nur in den Fällen gelten, in denen ein adäquates Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden könne. Dies sei vorliegend indes nach den unbestrittenen Angaben des Klägers nicht der Fall. Er benötige aufgrund seiner Behinderung einen individuell angepassten Rollstuhl, welchen das Sanitätshaus nicht als Ersatz zur Verfügung stellen könne. Sei die Beklagte aber vor diesem Hintergrund nicht in der Lage, eine kurzfristige Ersatzbeschaffung herbeizuführen, so sei sie zumindest verpflichtet, für die Reparaturkosten des alten Elektrorollstuhles aufzukommen.
Gegen das ihr am 07.11.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.12.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass dem Kläger durch die Bereitstellung des Elektrorollstuhls TYP2 sowie des Leichtgewichtrollstuhls eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung gewährt werde. Während der Zeiten der Reparatur des TYP2-Rollstuhls könne der Kläger unter Mithilfe einer weiteren Person den Leichtgewichtrollstuhl benutzen. Die Mithilfe einer Pflegeperson könne er erhalten, da er Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegstufe III beziehe. Berufliche Gründe lösten keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Zweitversorgung mit einem Elektrorollstuhl, da die beantragte Zweitversorgung nicht einem zusätzlichen Behinderungsausgleich, der von dem ersten Elektrorollstuhl nicht abgedeckt sei, diene. Der Zweit-Rollstuhl solle lediglich als "Reserve" gehalten werden. Hierauf gebe es keinen Anspruch (Hinweis auf Bay.
LSG, Urteil vom 29.11.2007,
L 4 KR 5/06). Einen gleichwertigen Reserve-Elektrorollstuhl im Wert von
ca. 20.000,00
EUR zur Verfügung zu stellen, widerspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot.
Weiter hat die Beklagte ein schriftliches Gutachten des MDK vom 27.03.2009 vorgelegt, welches gemeinsam von dem Arzt für Chirurgie C. und dem Orthopädie-Mechaniker-Meister D. unter dem Datum vom 27.03.2009 auf der Grundlage einer am 12.03.2009 erfolgten Besichtigung der Rollstühle und Befragung des Klägers erstellt worden ist. In dem Gutachten heißt es, der Elektrorollstuhl TYP2 sei bis auf die Bandagen zur Fußfixierung in einem einwandfreien Zustand. Ausweislich der ausgewerteten Rechnungsunterlagen seien in 2009 umfangreiche Instandsetzungen bei dem Vertreiber des Modells erfolgt, zu dem der Rollstuhl eingeschickt worden sei. Die Arbeitszeit laut Rechnung habe 10 Stunden betragen. In 2007 und 2009 sei es zu ungewöhnlich umfangreichen Reparaturarbeiten der Aufstehvorrichtung
bzw. der mechanischen Teile des Sitzes gekommen. Erneute Reparaturen im Bereich der Rückenlehne bahnten sich an. Es könnten jederzeit typische Reparaturen wieder auftreten und es sei mit erheblichen Ausfallzeiten zu rechnen. Der Elektrorollstuhl TYP1 weise erhebliche Verschleißspuren auf. Es seien laut Angaben des Leistungserbringers umfangreiche Reparaturarbeiten notwendig, um eine verlässliche Funktion zu gewährleisten. Eine weitere Verwendung dieses Rollstuhls sei wegen der Unfallgefahr nicht anzuraten. Bei Ausfall des TYP2-Rollstuhls könne die Fortbewegung des Klägers mit dem vorhandenen Leichtgewichtrollstuhl unter Verwendung personeller Hilfe in Anspruch genommen werden.
Die Beklagte sieht ihre Position durch dieses Gutachten als bestätigt an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 08.10.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 08.10.2008 zurückzuweisen und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2007 zu verurteilen, die am Zweit-Elektrorollstuhl TYP1 bereits entstandenen Reparatur- und Wartungskosten in Höhe von 2.371,30
EUR zu zahlen und die Beklagte zu verpflichten die zukünftig entstehenden Reparatur- und Wartungskosten am Zweit-Elektrorollstuhl TYP1 zu übernehmen.
Der Kläger hält die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Sozialgericht für zutreffend. Zum Sachverhalt trägt er weiter vor, das Sanitätshaus E.
GmbH, das den TYP2-Elektrorollstuhl betreue, könne keinen adäquaten Ersatz während der Ausfallzeiten durch Reparaturen stellen. Auch aus dem MDK-Gutachten würden erhebliche Ausfallzeiten hervorgehen. Die reine Reparaturarbeitszeit sage nichts aus darüber, wie lange der Rollstuhl tatsächlich zur Reparatur weg sei. Ferner bezieht sich der Kläger auf eine Bestätigung der Firma E.
GmbH, vom 28.09.2010, in der es heißt, es werde bestätigt, dass der Elektro-Rollschuhl "TYP2" in den Jahren 2008 bis 2010 jährlich für
ca. 4 bis 6 Wochen zur Reparatur in unserem Hause
bzw. im Werk des Herstellers war. Der Kläger führt weiter aus, in seine Wohngruppe sei nicht genügend Betreuungspersonal vorhanden, so dass er für anstehende Termine und während seiner Arbeitszeit nicht mit dem Leichtgewichtrollstuhl herumgefahren werden könne. Bei längerem Sitzen in dem Faltrollstuhl komme es wegen der fehlenden Positionierungsmöglichkeiten innerhalb weniger Stunden zu erheblichen Sitz-, Rücken- und Knieschmerzen. Insoweit verweist der Kläger auf ein Attest des Arztes für Orthopädie, Unfallchirurgie sowie physikalische und rehabilitative Medizin
Prof. Dr. J. G. vom 14.12.2010.
Auf Anforderung des Senats hat der Kläger die bisher entstandenen Reparaturkosten beziffert und zu deren Belegung Rechnungen der E.
GmbH vom 18.01.2007, 22.10.2007, 18.02.2009, 01.02.2010, 14.04.2010, 23.09.2010 und 28.12.2010 vorgelegt.
Im Erörterungstermin vom 30.09.2010 ist der Kläger persönlich gehört worden. Er hat Folgendes ausgeführt: "Der neuere Rollstuhl "TYP2" war wiederum mehrfach im Jahr 2010 auch in Reparatur. Im August 2010 war er etwa 4 Wochen weg und für mich nicht verfügbar. Die langen Abwesenheitszeiten hängen damit zusammen, dass, bevor Ersatzteile eingebaut werden können, diese genehmigt werden müssen und aus sonstigen organisatorischen Gründen sich die Reparatur verzögert. Während der Abwesenheit des neueren Rollstuhls vom Typ "TYP2" konnte ich den älteren Rollstuhl vom Typ "TYP1" benutzen. Für eine Übergangsbenutzung ist der "TYP1" noch geeignet. Für eine Dauernutzung wäre dies fraglich, da die Sitzschale nicht optimal mehr gestaltet ist. Zur Überbrückung kann der "TYP1" aber von mir durchaus genutzt werden. Mit einem Falt-Rollstuhl habe ich keine Möglichkeit zur Eigenbewegung. Dieser muss immer von einer Person bedient werden. Den Falt-Rollstuhl benutze ich nur, wenn ich Orte aufsuche, die mit dem Elektro-Rollstuhl nicht zu befahren sind, etwa zu Besuchen bei meinen Eltern oder bei Gerichtsterminen. Für die Ersatzbenutzung des "TYP1"-Rollstuhls waren 2010 umfangreichere Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten notwendig, auch um die Verkehrstüchtigkeit zu gewährleisten. Dies hat mich 1.030,43
EUR gekostet. Durch die Benutzung des Ersatz-Rollstuhles "TYP1" für die Übergangszeit treten bei mir keine bedeutsamen Schmerzen auf, die auf die nicht optimale Sitzschale zurückgeführt werden können."
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Sie ist auch begründet, weshalb das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.
Die durch das Urteil ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten dazu, ohne Einschränkung die bereits entstandenen und zukünftig entstehenden Reparaturkosten für den Zweit-Rollstuhl TYP1 des Klägers zu übernehmen, läuft darauf hinaus, dem Kläger eine dauerhafte Zweitversorgung mit einem weiteren Elektrorollstuhl als Vorsorge für die Nichtverfügbarkeit des "Erstrollstuhls" TYP2 für den Reparaturausfall zu verschaffen. Zwar hat der Kläger unstreitig gemäß § 33
SGB V einen Rechtsanspruch auf Versorgung mit einem zum Ausgleich seiner Behinderungen im Bereich der Mobilität geeigneten Elektrorollstuhl. Dies beinhaltet aber nicht automatisch einen Anspruch auf eine sog. Zweit- oder Doppelversorgung mit diesem Hilfsmittel. Nach § 33
Abs.1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34
Abs. 4
SGB V ausgeschlossen sind. Es ist unbestritten, dass ein Elektrorollstuhl mit Joysticksteuerung geeignet ist, die Behinderung des Klägers im Bereich des Sitzens und der Fortbewegung auszugleichen und dass ein solcher kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist. Eine Konkretisierung des Versorgungsanspruchs nimmt insoweit die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittelrichtlinie/
HilfsM-RL-) in der Fassung vom 16.10.2008, veröffentlicht im Bundesanzeiger
Nr. 61 vom 06.02.2009 vor. Nach § 6
Abs. 7 dieser Hilfsmittelrichtlinie kann eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln nur dann verordnet werden, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund der besonderen Beanspruchung durch den Versicherten zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Als Mehrfachausstattung sind funktionsgleiche Mittel anzusehen.
Medizinische oder hygienische Gründe, die eine Mehrfachversorgung mit dem Hilfsmittel Elektrorollstuhl begründen könnten, liegen nicht vor. Nach dem MDK-Gutachten vom 27.03.2009 ist der TYP2-Rollstuhl nach erfolgten Instandsetzungen durchaus noch in einem funktionstüchtigen Zustand und geeignet, den vom Kläger hinsichtlich der Mobilität benötigten Funktionsausgleich zu leisten. Dies gilt indessen für den vom Kläger als Zweitrollstuhl benutzten TYP1 Elektrorollstuhl nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Orthopädie-Mechaniker-Meisters D. in dem MDK-Gutachten jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme und Prüfung, mithin ab dem 12.03.2009, nicht. Insoweit wird in dem Gutachten dargelegt, der Zweit-Rollstuhl weise erhebliche Verschleißspuren auf und habe so gewichtige Mängel, dass - auch im Hinblick auf Unfallgefahren - eine weitere Verwendung nicht anzuraten sei. Dass diese Beurteilungen, insbesondere im Hinblick auf den hohen Reparaturbedarf des TYP1modells zutreffend sind, wird durch die nunmehr vom Kläger vorgelegten Reparaturrechnungen belegt. Danach sind allein im Jahr 2010 Reparatur- und Instandsetzungskosten von 1.964,90
EUR für den TYP1-Eletrorollstuhl angefallen. Diese müssten nach dem erstinstanzlichen Urteil von der Beklagten uneingeschränkt und ohne die Möglichkeit der Prüfung, ob diese Reparaturen noch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach § 12
Abs. 1
SGB V entsprechen, übernommen werden. Eine solche pauschale Verpflichtung ist bereits mit § 12
Abs. 1
SGB V nicht zu vereinbaren. Jedenfalls kann dem Kläger nicht ohne Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, das auch im Bereich der Hilfsmittelversorgung gilt, ein Anspruch auf Übernahme derjenigen Reparaturkosten für den Zweitrollstuhl TYP1 zugesprochen werden, die ihm nach Übermittlung des MDK-Gutachtens vom 27.03.2009 entstanden sind und sich auf 1.964,90
EUR belaufen.
Für die weiter vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Reparaturen mit Rechnungsdaten 18.01.2007, 22.10.2007 und 18.02.2009, insgesamt 400,40
EUR ist entscheidungserheblich, ob der Kläger es hinnehmen muss, im Reparaturfall des Erstrollstuhls vom Typ TYP2 mit einem Elektrorollstuhl unversorgt zu bleiben. Insoweit gilt, dass ein Versorgungsanspruch hinsichtlich des Hilfsmittels zum Ausgleich der behinderungsbedingten Funktionsausfälle im Bereich der Mobilität auch während der Reparatur des Hilfsmittels besteht. Daraus kann aber ein Anspruch auf eine dauerhafte Zweitversorgung als Vorsorge für den Reparaturfall jedoch nur erwachsen, wenn die Versorgung mit einem Ersatzgerät für die Dauer einer Reparatur im Einzelfall aus besonderen Gründen ausgeschlossen erscheint (
vgl. BSG, Beschluss vom 06.08.2009 - B 3 KR 4/09 B -). Zu den reparaturbedingten Ausfallzeiten des TYP2rollstuhls hat der Kläger die Bestätigung des Sanitätshauses E.
GmbH vom 28.09.2010 vorgelegt, die für die Jahre 2008 bis 2010 Ausfallzeiten von
ca. 4 bis 6 Wochen anführt. Der Senat hält das Vorbringen des Klägers für glaubhaft, dass er mit solchen Ausfallzeiten rechnete und deshalb durchweg den Zweitrollstuhl reparieren ließ, um diesen im Falle der Nichtverfügbarkeit des Erstrollstuhls benutzen zu können. Somit ist zu fragen, ob der Kläger völlig ohne Versorgung mit einem Hilfsmittel zur Gewährleistung von Mobilität in den Zeitphasen des Ausfalls des TYP2-Rollstuhls gewesen ist. Insoweit ist bedeutsam, dass der Kläger noch über einen ebenfalls von der Beklagten bewilligten Leichtrollstuhl verfügt, den er aber nicht eigenhändig bewegen kann. Vielmehr benötigt er zur Fortbewegung mit diesem Hilfsmittel eine Hilfsperson, die diesen Rollstuhl schiebt. Dass der Kläger in dem Pflegheim eine Berufstätigkeit in Form von Botendiensten ausübt, die er nur mittels seines Elektrorollstuhls eigenständig ausführen kann, ist kein Argument für die Verpflichtung der Beklagten zur dauerhaften Zweitversorgung mit einem Elektrorollstuhl. § 3
Abs. 3 der Hilfsmittelrichtlinien besagt insoweit in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass Hilfsmittel nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden können, wenn es sich um "a) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" handelt.
Für die Positionenwechsel innerhalb des Wohnbereichs des Pflegeheims in dem der Kläger lebt, also
z.B. zum Aufsuchen von Speiseräumen, Aufenthaltsräumen sowie der vom Kläger individuell bewohnten Räume
etc. hält es der Senat für zumutbar, dass der dann in seinem Faltrollstuhl sitzende Kläger die Hilfe der in dem Wohnheim tätigen Pflegepersonen in Anspruch nimmt. Insoweit weist die Beklagte auch zu Recht daraufhin, dass der Kläger, dem Pflegeleistungen der Stufe III aus der sozialen Pflegeversicherung zustehen, insoweit einen Rechtsanspruch auf Hilfegewährung durch Pflegepersonen gegen die Pflegeeinrichtung hat. Da der Zweit-Elektrorollstuhl nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht mehr über eine anatomisch korrekt angepasste Sitzschale verfügt, ist der Einwand, eine Verweisung auf die Benutzung des Leichtgewichtrollstuhls komme nicht in Betracht, da er - der Kläger - im letzteren nicht lange sitzen könne, für den Senat nur bedingt nachvollziehbar. Immerhin ist auch der Leichtgewichtrollstuhl mit einer anatomischen Sitzanpassung versehen und er wird von dem Kläger auch regelmäßig für Aktivitäten außerhalb des Heimes, die einen Autotransport erfordern, genutzt.
Insoweit ist es nach Überzeugung des Senats auch für die Übergangszeiten der Nichtverfügbarkeit des Erst-Elektrorollstuhls, die zwar im Jahr insgesamt bis zu 6 Wochen betragen, aber nicht in einem geschlossenen Zeitblock auftreten, sondern sich auf mehrere Zeitfenster verteilen, dem Kläger gerade noch zumutbar, einen Teil des Tages in dem Leichtgewichtrollstuhl zu verbringen. Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen, wenn der Kläger ohne den auch bezüglich der Sitzanatomie individuell auf ihn zugeschnittenen Erst-Elektrorollstuhl über Wochen hinweg ununterbrochen im Bett liegen müsste oder deutlich länger als die hier in Rede stehende Zeit von 4 bis 6 Wochen im Jahr an "einem Stück" nur wenige Stunden am Tag in dem Leichtgewichtrollstuhl verbringen könnte und ansonsten den Tag im Bett verbringen müsste. So liegt der Sachverhalt hier aber nicht.
Es war daher zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193
SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160
SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.