Urteil
Anerkennung einer Allergie gegenüber Schadstoffen als Berufskrankheit bei gleichzeitigem Vorliegen einer Pollenallergie

Gericht:

SG Ulm 3. Kammer


Aktenzeichen:

S 3 U 3716/16


Urteil vom:

15.01.2020


Tenor:

Der Bescheid vom 20.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2016 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Ziffer 4301 der BKV vorliegt. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind von der Beklagten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4301 oder 4302 der Anlage zu § 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der am 08.11.1979 geborene Kläger ist seit dem 24.01.2005 bei der Firma D. in L. zunächst als Laminierer und seit 01.03.2014 in der Versandabteilung der Firma beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Laminierer setzte der Kläger Flugzeugbauteile in entsprechende Formen unter Verwendung eines epoxidharzhaltigen Klebers, anschließend erfolgte eine Aushärtung des Werkstückes in einem Ofen. Seit der Beschäftigung in der Versandabteilung besteht kein Kontakt mehr mit Epoxidharzen.

Der Kläger litt seit 2010 unter allergischen Hautekzemen, verursacht durch eine Allergie gegen Epoxidharze, sowie Dauerschnupfen, Entzündungen der Nase und Geruchsverlust. Operative Eingriffe an der Nase im Februar 2011, im Mai 2012 und im April 2013 brachten ihm insoweit keine relevanten Besserungen.

Nach einer ärztlichen Verdachtsanzeige durch den Hautarzt Dr. Z. am 14.10.2013 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren bezüglich möglicher Berufskrankheiten (BK) nach den Ziffern 5101 und 4301 der BKV ein.

Die Beklagte holte Befundberichte behandelnder Ärzte des Klägers ein. Dr. W. diagnostizierte im Befundbericht vom 30.08.2013 ein allergisches Asthma bronchiale bei beruflicher Exposition gegen Epoxidharze mit auch dadurch verursachtem allergischem Kontaktekzem.

Ausweislich der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes der Beklagten hatte der Kläger an seinem Arbeitsplatz als Laminierer Umgang mit Epoxidharzen. Zur Vermeidung von Hautkontakt stünden Handschuhe zur Verfügung, Ausdünstungen aus dem Material ließen sich jedoch trotz technischer Lüftung nicht vermeiden.

Die Beklagte veranlasste ein lungenfachärztliches Gutachten von Dr. B. Dieser stellte eine anlagebedingte bronchiale Hyperreagibilität fest, bronchiale Obstruktionen könnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4301/ 4302 sowie ein objektiver Zwang zum Unterlassen der Tätigkeit mit Epoxidharzkontakt bestehe.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme hierzu gab Dr. W. am 12.05.2015 ergänzend an, dass die Riechstörung des Klägers am ehesten durch eine Nasenseptumdeviation, die operativen Behandlungen der Nase und die mit der Gräser- und Getreidepollen assoziierte Rhinopathie bedingt bzw. verschlimmert sei.

Mit Bescheid vom 20.10.2015 lehnte die Beklagte eine Berufskrankheit nach den Ziffern 4301 und 4302 ab, gewährte aber Leistungen und Maßnahmen, die dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenwirken. Ein Krankheitsbild im Sinne der Berufskrankheitennummern 4301 und 4302 liege nicht vor, bei weiterer Exposition mit Epoxidharzen könnten sich Beschwerden jedoch verschlimmern.

Mit weiterem Bescheid erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Ziffer 5101 der BKV (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) an, die zu zwischenzeitlich abgeheilten Hauterscheinungen durch den Kontakt mit Epoxidharzen geführt habe.
Gegen die Ablehnung der Anerkennung einer BK nach den Ziffern 4301 und 4302 legte der Kläger am 30.10.2015 Widerspruch ein. Es bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung.

Der behandelnde Arzt des Klägers Dr. D. teilte auf Nachfrage durch die Beklagte mit, die bekannte bronchiale Hyperreagibilität sei zwar durch die Gräser- und Getreidepollenallergie bedingt, habe sich jedoch aufgrund der Exposition mit Epoxidharzen als Asthma bronchiale manifestiert. Eine obstruktive Ventilationsstörung könne nur durch einen spezifischen Provokationstest erzwungen werden, welcher bislang jedoch nicht erfolgt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine obstruktive Atemwegserkrankung als Krankheitsbild der BK Ziffern 4301 und 4302 sei medizinisch nicht nachgewiesen.

Am 21.11.2016 hat der Kläger deswegen Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben, mit der er sein Begehr weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 20.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2016 aufzuheben und festzustellen, dass die Berufskrankheiten Nr. 4301 oder 4302 vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.

Im Auftrag der Kammer hat Prof. Dr. S. am 21.07.2017 ein internistisches Gutachten erstattet. Prof Dr. S. führt aus, dass beim Kläger der Verdacht auf Asthma bronchiale bestehe, die Erkrankung jedoch weder sicher bestätigt noch ausgeschlossen werden könne. Nachweisbar sei lediglich eine bronchiale Hyperreagibilität, nicht aber Obstruktionen. Aus diesem Grund seien die Kriterien der BK Ziffern 4301 und 4302 nicht erfüllt. Eine ergänzende fachpulmologische Begutachtung wurde empfohlen.

Die Kammer hat daraufhin ein fachpulmologisches Gutachten bei Dr. L. eingeholt. Dr. L. kam in seinem Gutachten vom 05.10.2017 zu dem Ergebnis, dass die bestehende bronchiale Hyperreagibilität anlagebedingt sei. Die allergische Disposition sei vorbestehend gewesen, die Allergie gegen Epoxidharz habe sich wahrscheinlich durch die Exposition am Arbeitsplatz verschlimmert. Eine Berufskrankheit nach Ziffern 4301 oder 4302 der BKV liege auf seinem Fachgebiet nicht vor, er empfehle jedoch eine zusätzliche HNO-ärztliche Begutachtung da die Berufskrankheiten eine Rhinopathie miteinschließen, welche jedoch außerhalb seines Fachgebietes läge.

Prof. Dr. Z. hat sodann im Auftrag der Kammer ein HNO-ärztliches Gutachten unter dem 18.12.2017 erstattet. Er diagnostiziert eine beruflich bedingte nasale und paranasale Überempfindlichkeit gegenüber Epoxidharzbestandteilen und eine Hyposmie (Riechverlust). Bei dem Kläger bestünde weiterhin eine berufsunabhängige Typ I Allergie der Nase gegenüber Gräsern und Getreide, daneben ein beruflich bedingtes allergisches Kontaktekzem der Hände bei Typ IV Sensibilisierung gegenüber Epoxidharzen. Die BK Ziffer 4301 liege vor, die beruflich bedingte Überempfindlichkeit der Nase sei eine Verschlimmerung der vorbestehenden nicht berufsbedingten Überempfindlichkeit der Nase in Form einer Typ I Allergie.

In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.05.2018 führt Prof. Dr. Z. aus, eine allergisch bedingte Rhinopathie liege unzweifelhaft vor. Zur Rhinopathie beitragend seien eine berufsunabhängige Polyposis (Polypenbildung), die berufsunabhängige Pollenallergie und die streitige Epoxidharzallergie. Wesentliche Teilursache der Rhinopathie sei jedoch die Typ I Allergie gegen Epoxidharze. Auch die Nasenschleimhautschwellung und Riechstörung verschlimmere sich bei Exposition mit Epoxidharzen maximal.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

DGB Rechtsschutz GmbH

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 m Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig und begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat die Beklagte eine Berufskrankheit nach der Ziffer 4301 der Anlage zu § 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht anerkannt.

Als Versicherungsfall gelten nach § 7 Abs. 1 SGB VII neben Arbeitsunfällen auch Berufskrankheiten. Berufskrankheiten (BK) sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BK auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

Der Verordnungsgeber hat die BK 4301 bezeichnet als durch allergiesierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; die BK 4302 wurde bezeichnet als durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie, dass eine Krankheit vorliegt. Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht sein (haftungsbegründende Kausalität). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen (vgl. BSG, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5, Rn. 17 BSG, Urteil vom 24.04.2015, B 2 U 10/14, Rn. 11, juris). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK.

Dabei müssen, wie bei einem Arbeitsunfall, auch bei einer BK die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkung und die als BK-Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung gehören, erwiesen sein (vgl. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83 und 60, 58 ff.; BSG, SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.); d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Dem gegenüber reicht für den nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit aus (vgl. BSG, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2109 Nr. 1, Rn. 12; BSG, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4, Rn. 16, m.w.N.; BSG, SozR 4-2700 § 9 Nr. 14, Rn. 9, m.w.N.; BSG Urteil vom 23.04.2015, B 2 U 10/14 R, Rn. 11, juris). Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs liegt vor, wenn nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht, d.h. wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründe zumindest deutlich überwiegen (st. Rspr.; vgl. BSGE 45, 285, 286; BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (st. Rspr. seit BSGE 6, 70, 72; vgl. u.a. BSG, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Feststellung einer BK Ziffer 4301 zur Überzeugung der Kammer erfüllt.

Die Exposition des Klägers gegenüber Epoxidharzen steht vorliegend nicht in Frage. Aufgrund der Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten ist erwiesen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit als Laminierer bei der Firma D. in L. unter anderem mit epoxidharzhaltigem "Splice-Kleber" in Berührung kam. Im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Epoxidharzen führte bereits Dr. B. in seinem Gutachten vom 13.12.2014 aus, dass die Einwirkung von Epoxidharzen bei der Arbeit des Klägers eine konkrete Gefahr der Manifestation einer Berufskrankheit begründe.

Der Kläger leidet auch unter einer Erkrankung im Sinne der Ziffer 4301 der BKV.
Erkrankungen im Sinne der Ziffer 4301 der BKV sind obstruktive Atemwegserkrankungen einschließlich Rhinopathie.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z., denen sich die Kammer anschließt, liegt bei dem Kläger unzweifelhaft eine Rhinopathie vor. Der pneumologische Gutachter Dr. L. führte in seinem Gutachten vorn 05.10.2017 aus, dass aufgrund der geklagten Beschwerden auch eine Rhinopathie im Sinne der BK 4301 begründet sein könne, dies jedoch nicht im Rahmen seines eigentlichen Fachgebietes läge und riet daher zur Einholung eines entsprechenden weiteren Gutachtens, dem das Gericht durch Einholung des Gutachtens auf HNO-Fachgebiet durch Prof. Dr. Z. auch gefolgt ist. Eine HNO-fachärztliche Begutachtung des Klägers ist im Übrigen nicht erfolgt, keiner der befassten Ärzte hat das Vorliegen einer Rhinopathie bei dem Kläger sonst ausgeschlossen, vielmehr schrieb auch bereits der Beratungsarzt Dr. W. von einer (mit Gräser- und Getreidepollen assoziierten) Rhinopathie beim Kläger. Sonstige obstruktive Atemwegserkrankungen sind jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisbar. Der Kläger leidet zwar unter einer bronchialen Hyperreagibilität, welche von sämtlichen, mit dem Sachverhalt des Klägers befassten Ärzte bestätigt wurde, der Verdacht eines Asthma bronchiale ist nach den Feststellungen von Prof. Dr. S. und Dr. L. jedoch nicht hinreichend sicher zu führen.

Die Kammer ist zudem zu der Überzeugung gelangt, dass die Rhinopathie des Klägers mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die berufliche Tätigkeit des Klägers bei der Firma D. mit der Exposition gegenüber Epoxidharzen hervorgerufen wurde.

Der Kläger leidet an einer Typ I Allergie der Nase gegen Epoxidharze im Sinne einer berufsbedingten Verschlimmerung einer vorbestehenden Überempfindlichkeit, die auf Chemikalien an seinem Arbeitsplatz zurückzuführen ist. Auch in dieser Hinsicht schließt sich die Kammer den ausführlich begründeten und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. in seinem Gutachten vom 18.12.2017 sowie in der ergänzenden Stellungnahme vom 23.05.2018 an. Prof. Dr. Z. führte hierzu aus, der Kläger besitze anlagebedingt eine Überempfindlichkeit der Haut und Schleimhäute gegenüber exogenen Agenzien. Dies zeige sich zunächst in der berufsunabhängigen Typ-I-Allergie der Nase zum Beispiel gegenüber Gräsern und Getreide. Weiterhin liege eine berufsbedingte Überempfindlichkeit in Form einer Typ-IV-Allergie der Haut gegenüber Epoxidharzen vor. Diese vorbestehenden Allergien stützten in besonderer Weise die allergisierende Potenz der Berufsallergene im Fall des Klägers, da die bestehenden Allergien typische Wegbereiter einer weiteren beruflich bedingten Überempfindlichkeit im Sinne einer sogenannten Allergenverbreiterung (charakteristische Zunahme der krankheitsauslösenden Allergene durch Exposition gegenüber weiteren Allergenen, hier der Berufsallergene) für die Schleimhäute der Nase und der Nasennebenhöhlen seien, wie der Sachverständige hierzu erklärte. Dass tatsächlich eine Allergie im Sinne einer Typ-I-Allergie gegen Epoxidharze vorliege, könne zwar nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen werden, da der individuelle naturwissenschaftliche Nachweis einer spezifischen Immunreaktion im Einzelfall weder notwendig noch häufig tatsächlich zu führen wäre. In der Allergologie werde jedoch eine Prüfung mittels Plausibilitätskontrolle durch Prick-, Epikutan- oder Provokationstests durchgeführt, aus welchen in der Praxis auf eine Immunreaktion geschlossen werde, wenn die Testergebnisse plausibel seien. Vorliegend sei es im Rahmen des durchgeführten Provokationstests zu einer plausiblen Reaktion im Sinne einer Immunreaktion gekommen. Als typisches Kennzeichen sei insbesondere das typische klinische und pathophysiologische Erscheinungsbild einer Obstruktionszunahme in den ersten 60 Minuten nach der inhalativen Auslösung der nasalen Reaktion am stärksten ausgeprägt gewesen. Die Reaktion habe objektiv mittels Endoskopie überprüft werden können, nicht ausschlaggebend für die Beurteilung der Reaktion sei die ebenfalls durchgeführte nasale Flowmessung gewesen, da diese subjektiv durch den Kläger bei der Testung beeinflussbar ist. Außerdem sei eine Kontrolle des Ergebnisses durch einen dem Provokationstest vorangegangenen Riechtest erfolgt, bei dem es nicht zu Nasenschleimhautschwellungen gekommen sei. Durch den Provokationstest sei es zu einer nahezu maximalen Verschlimmerung der Nasenschleimhautschwellung und vorbestehenden Riechstörung gekommen. Aufgrund dieses Ergebnisses habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine allergische Typ-I-Reaktion stattgefunden.

Die Typ-I-Allergie des Klägers gegen Epoxidharze ist zur Überzeugung der Kammer auch wesentliche Teilursache der Rhinopathie des Klägers. Auf Grund der berufsunabhängigen Pollenallergie des Klägers sowie der Erkrankung des Klägers an Polyposis tragen diese Erkrankungen als konkurrierende Ursachen zum vorliegenden Krankheitsbild der Rhinopathie bei. Wie auch Prof. Dr. Z. hierzu ausführt, manifestiert sich die Pollenallergie naturgemäß jedoch maximal sechs Monate im Jahr. Die Berufsallergie manifestiert sich im Gegensatz dazu bei Exposition jedoch ganzjährig, sodass die saisonale Pollenallergie hierzu eine verhältnismäßig niedriger zu betrachtende Ursache für die Notwendigkeit eines Arbeitsplatzwechsels aufgrund der Rhinopathie darstellt. Die Polyposis war nach Prof. Dr. Z. bereits operativ mit einem ausreichenden Ergebnis behandelt worden. Die Polyposis trägt nach den sachverständigen Ausführungen zwar zweifellos weiterhin und auch ganzjährig zu den Rhinopathiebeschwerden des Klägers bei. Auch diese Ursache ist jedoch als verhältnismäßig geringer zu beurteilen, da bei Wegdenken einer Berufsallergenexposition die verbleibende durch die Polyposis ausgelöste Rhinopathie zwar zu vorübergehenden Arbeitsunfähigkeiten, nicht jedoch zu einem objektiv gebotenen Arbeitsplatzwechsel geführt hätte. Weitere, andere konkurrierende Ursachen bestehen nicht. Die Kammer sieht vor diesem Hintergrund den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und der Rhinopathie mit Wahrscheinlichkeit für gegeben.

Letztlich ist auch der Unterlassungszwang der BK Ziffer 4301 der BKV gegeben. Hierfür ist im Wege der nachträglichen objektiven Betrachtungsweise zu ermitteln, ob die Aufgabe der Tätigkeit medizinisch geboten war. Es muss ein objektiver Zwang zum Unterlassen der ausgeübten, schädigenden Tätigkeit bestanden haben, wobei subjektive Vorstellungen des Versicherten nicht maßgeblich sind (BSG, Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 34/99 R, Rn. 24, zitiert nach juris, m.w.N.). Gemessen hieran bestand vorliegend der Unterlassungszwang zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit, d.h. spätestens seit dem 01.03.2014. Der Kläger hat seine Tätigkeit als Laminierer vollständig und endgültig aufgegeben und anschließend keine gefährdende Tätigkeit mit einer Exposition gegenüber allergisierenden Stoffen mehr angenommen. Die Tatsache, dass der objektive Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit bestand, wurde durch sämtliche Ärzte im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bestätigt und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Die Berufskrankheit nach Ziffer 4302 der BKV ist demgegenüber nicht anerkennungsfähig, weil eine obstruktive Atemwegserkrankung neben der Rhinopathie im Übrigen nicht im Vollbeweis nachweisbar ist. Die Rhinopathie ist jedoch kein anerkanntes Krankheitsbild der BK 4302.

Die Kostenentscheidung folgt § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R8545


Informationsstand: 14.12.2020