Urteil
Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - weitere Unfallfolge - haftungsbegründende Kausalität - wesentliche Bedingung - Nachweis - Vollbeweis - Schulterverletzung - Stapelfahrer

Gericht:

LSG Hessen 9. Senat


Aktenzeichen:

L 9 U 52/18


Urteil vom:

11.05.2020


Grundlage:

  • SGB VII § 8 Abs. 1 S. 2

Tenor:

I. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2014 und vom 19. Oktober 2017 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung von Gesundheitsbeeinträchtigungen an seiner rechten Schulter als weitere Folge des anerkannten - Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 sowie die Gewährung einer Verletztenrente über den 3. Dezember 2009 hinaus nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 vom Hundert (v. H.).

Der 1968 geborene Kläger war bei der Firma C. Gerätewerke (C. Group GmbH) in A-Stadt beschäftigt. Nach der auf der Schilderung des Klägers beruhenden Unfallanzeige seiner Arbeitgeberin sei der Kläger am Unfalltag beim Abstieg vom Hochregalstapler mit dem rechten Fuß in der Schlaufe des Scannerkabels hängen geblieben und hierbei mit der linken Körperseite auf den Boden gestürzt. Ebenso wird in dem Durchgangsarztbericht des Dr. D. vom 27. Februar 2008 zu den Angaben des Versicherten zum Unfallhergang angegeben, dieser sei beim Absteigen von einem Stapler an einem Kabel hängen geblieben und dann auf die linke Seite gefallen. Als Befund werden diverse Beschwerden an der linken Schulter, am linken Ellenbogen, an der linken Hand und am Daumen beschrieben. Geröntgt wurden ebenfalls die linke Schulter, der linke Ellenbogen, das linke Handgelenk und die linke Hand. Dabei ergab sich kein Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung. Dr. D. diagnostizierte eine Prellung der linken Schulter, der linken Hand und des linken Ellenbogens. Bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 21. März 2008 und Abschluss der durchgangsärztlichen Betreuung infolge des Unfallereignisses im April 2008 wurde ausschließlich die linke Seite behandelt.

Ab September 2009 war der Kläger erneut wegen Beschwerden im linken Schultergelenk arbeitsunfähig. Diagnostiziert und mittels Arthroskopie behandelt wurde eine SLAP II-Läsion der linken Schulter. Der Kläger hatte angegeben, seit dem Unfall vom 26. Februar 2008 nicht mehr beschwerdefrei geworden zu sein. Nach Beiziehung der Behandlungsunterlagen holte die Beklagte ein orthopädisch-traumatologisches Zusammenhangsgutachten bei der Fachärztin für Orthopädie Dr. E. vom 27. März 2010 ein. Ihr gegenüber habe der Kläger den Unfallhergang ausführlicher und präziser beschrieben, als er in dem Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008 dokumentiert worden sei: Er habe den Stapler auf der rechten Seite verlassen und sei an einem im Stapler hängenden Scannerkabel mit dem Bein hängen geblieben. Er sei nach vorn gestürzt und habe versucht, sich mit den Armen abzufangen, so dass er auf den ausgestreckten Arm, nach seinen Angaben mehr linksseitig als rechtsseitig gelandet sei. Zu den Beschwerden nach dem Unfall gab der Kläger dort an, dass er direkt danach einen brennenden Schmerz in der Schulter gespürt, aber zunächst weitergearbeitet und sich erst am nächsten Tag beim Durchgangsarzt vorgestellt habe. Die Beweglichkeit des linken Armes sei zunehmend schlechter geworden und der Schmerz habe nachts beim Liegen zugenommen. Auf dem Bauch liegen und nach oben greifen sei kaum möglich gewesen. Aktuell sei der Schmerz erträglich. Auf dem Bauch und auf der linken Seite könne er schmerzbedingt nach wie vor nicht schlafen. Die Sachverständige untersuchte beide obere Extremitäten und stellte dabei weder optisch noch messtechnisch Hinweise auf ein einseitiges schonungsbedingtes Muskelminus fest. Das rechte Schultergelenk habe äußerlich regelhafte Konturen gezeigt und reizfrei und stabil geführt gewirkt; es hätten keine Druckdolenzen bestanden; es sei kein Impingement-Phänomen auslösbar gewesen. Die aktive Beweglichkeit sei ohne auffällige Geräuschentwicklungen frei erschienen. Bezüglich des linken Schultergelenks stellte sie ein eingeschränktes Bewegungsausmaß nach operativer Refixation einer SLAP II-Läsion und eine verminderte Belastbarkeit fest, die allein auf das Unfallgeschehen vom 26. Februar 2008 zurückzuführen seien und bis zu dem operativen Eingriff vom 24. September 2009 zu einer MdE von 20 v. H. geführt hätten.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 19. April 2010 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. als Gesamtvergütung in Höhe von 5.558,76 Euro für die zurückliegende Zeit ab dem 22. März 2008 (Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach dem Unfall) bis zum 3. Dezember 2009 (Ende der Arbeitsunfähigkeit nach der Arthroskopie vom 24. September 2009). Als Unfallfolgen berücksichtigte die Beklagte: Belastungsbeschwerden sowie Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei Seit- und Vorhebung des Armes sowie bei der Innenrotation nach operativ versorgter Labrum-Läsion (SLAP II-Läsion) der Schulter. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2010 zurück.

Gegen den Bescheid vom 19. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2010 hat der Kläger am 16. September 2010 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben (S 14 U 158/10). Das Sozialgericht Kassel hat sich mit Beschluss vom 21. Oktober 2010 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Marburg (S 13 U 97/10) verwiesen. Zur Begründung der Klage hat der Kläger ausgeführt, dass nicht nur auf die Beweglichkeit, sondern auch auf die Schmerzen und Belastungseinschränkungen abzustellen sei. Dass kein Mindergebrauch gegenüber der rechten Schulter festzustellen sei, stehe dem nicht entgegen, weil auch die Funktion der rechten Schulter beeinträchtigt sei.

Am 30. September 2010 stellte sich der Kläger erneut bei dem Durchgangsarzt Dr. D. vor. Er klagte über reißende Schmerzen in der rechten Schulter, vor allem bei Belastung. Eine ähnliche Symptomatik sei an der linken Schulter vorhanden. Nach dem Unfall vom 26. Februar 2008 habe er allerdings an der rechten Schulter keine Beschwerden gehabt. Diese seien mit der Mehrbelastung rechts durch Schonung der linken Schulter zustande gekommen. Dr. D. hat in seinem Durchgangsarztbericht unter Hinweis auf eine unfallunabhängig bestehende Polyarthrose und fehlende Beschwerden in der rechten Schulter nach dem Unfallereignis einen Unfallzusammenhang verneint. Die weitere Behandlung ist sodann zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt.

Mit Schriftsatz des damaligen Bevollmächtigten vom 3. Januar 2011 hat der Kläger den Arztbrief über den stationären Aufenthalt vom 14. bis 17. Dezember 2010 im Stadtkrankenhaus A-Stadt zur Arthroskopie des rechten Schultergelenkes vorgelegt und vorsorglich Widerspruch gegen die telefonische Mitteilung der Beklagten vom 23. Dezember 2010 eingelegt, wonach der behandelnde Arzt entschieden habe, dass es sich nicht um Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung handele, da die Behandlung mit dem Unfall nichts zu tun habe. Die Beklagte werde aufgefordert, die Behandlung bzw. die anhand der im Arztbrief genannten Diagnosen genauer bezeichnete Erkrankung des Klägers an der rechten Schulter als Folge des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 anzuerkennen und hierzu einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu übersenden.

Unter dem 11. Januar 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe sich nach den vorliegenden Unterlagen bei dem Arbeitsunfall vom 26. Februar 2008 die linke Schulter verletzt. Eine Verletzung der rechten Schulter sei nirgends dokumentiert und auch bei der umfassenden Begutachtung durch Dr. E. im März 2010 nicht angegeben worden. Auch Dr. D. habe in dem Bericht vom 11. Oktober 2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beschwerden der rechten Schulter nicht im Zusammenhang mit dem Unfall vom 26. Februar 2008 stünden. Die Behandlung dieses Leidens sei deshalb zulasten der gesetzlichen Krankenkasse durchgeführt worden. Beigefügt war eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die Widerspruchsmöglichkeit hinwies.

Der Kläger erhob am 4. Februar 2011 Widerspruch und trug ergänzend zu dem Schreiben vom 3. Januar 2011 vor, dass er in der Tat nach dem Unfall zunächst keine Beschwerden an der rechten Schulter gehabt habe. Unzutreffend sei aber die Einschätzung, er habe gegenüber Dr. E. eine Verletzung der rechten Schulter nicht angegeben. Deren Gutachten lasse sich zweifelsfrei entnehmen, dass der Kläger nicht nur auf die linke, sondern auch auf die rechte Seite gestürzt sei. Das lasse nur den Schluss zu, dass neben der linken auch die rechte Seite betroffen gewesen sei. Eine andere Ursache für die Verletzungen, Beschwerden, Schmerzen und Behandlungsbedürftigkeit der rechten Schulter scheide aus, denn ein weiterer Unfall habe seit dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall nicht stattgefunden.

Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass Schulterbeschwerden häufig degenerativ verursacht seien, jedoch weitere medizinische Unterlagen zu Behandlungen der rechten Schulter beigezogen würden, da bislang keiner der behandelnden Ärzte von einem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall ausgegangen sei. Nachdem auch der behandelnde Arzt für Orthopädie F. und der Chirurg/Unfallchirurg G. mitgeteilt hatten, dass sie nicht von einem Unfallzusammenhang ausgegangen seien, und Dr. D. auf ausdrückliche Nachfrage unter Berücksichtigung der Unfallanamnese, des Behandlungsverlaufs sowie des intraoperativen Befundes der Arthroskopie seine Ansicht bekräftigt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2011 zurück.

Gegen den Bescheid vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 hat der Kläger am 14. November 2011 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 3 U 98/11) und zur Begründung vorgetragen, dass er schon nach dem Unfall vom 26. Februar 2008 Beschwerden auch in der rechten Schulter gehabt, diese aber auf eine Überlastung zurückgeführt habe. Als sie immer weiter zugenommen hätten, habe er sich Anfang 2010 auch hinsichtlich der rechten Schulter in ärztliche Behandlung begeben.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei dem Orthopäden Dr. H. sowie medizinische Unterlagen bei dem Rentenversicherungsträger und das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers beigezogen. Sodann hat das Sozialgericht im Hinblick auf die Einholung von Sachverständigengutachten in dem Verfahren S 13 U 97/10 mit Beschluss vom 24. Januar 2013 das Ruhen des Verfahrens S 3 U 98/11 angeordnet.

Das Sozialgericht hat (in dem Verfahren S 13 U 97/10) Befundberichte bei dem Arzt für Orthopädie F., bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D., bei dem Chirurgen/Unfallchirurgen G., der radiologischen Gemeinschaftspraxis A-Stadt und der Elisabeth-Klinik J. eingeholt sowie Behandlungsunterlagen des Hausarztes Dr. K. beigezogen. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten bei Dr. L., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, in Auftrag gegeben, das unter dem Datum 15. Februar 2013 erstellt und am 22. Juli 2013 bei dem Sozialgericht eingegangen ist. Der Kläger hatte hier zum Unfallhergang angegeben, er sei nach vorn vom Gabelstapler gefallen, habe beide Arme reflexartig nach vorne hoch gerissen und den Fall am ausgestreckten Arm beidseits links stärker als rechts abgefangen. Es sei zu einem sofortigen Schmerz in beiden Schultergelenken gekommen, links deutlich stärker als rechts. Dr. L. stellte als unfallbedingte Dauerdiagnosen:

1. Traumatische SLAP II-Läsion linke Schulter mit persistenten schweren Funktionseinschränkungen linke Schulter/linker Arm,

2. Traumatische SLAP II-Läsion rechte Schulter, Bankart-Läsion , instabiles AC-Gelenk rechts, mit persistenten schweren Funktionseinschränkungen rechte Schulter/rechter Arm,

3. chronische Synovialitis des Humero-Glenoidalgelenkes bds.; Fibröse, posttraumatische/postoperative Schultersteife (Kapselmuster) bds.; Chronische Tendinosis M. supra-/infraspinatus bds.; Chronische Bizepssehnen-Tendinitis bds.; Impingement-Syndrom bds. Schultergelenke; Chronisches Strain Injury Syndrom und Mehretagen Tension Myositis bds. Arme; Initiale Omarthrose, sekundär rechts; V. a. CRPS linke Schulter/Arm, Chronische Epicondylopathie humeri radialis bds.,

am Unfalltag:

4. Schwere Prellung linke Schulter,

5. Prellung linke Hand,

6. Prellung linker Ellenbogen.

Zudem werden diverse Diagnosen an Kopf- und Halswirbelsäule sowie Schultergürtel als unfallabhängig mitgeteilt und eine direkte Komorbidität mit einer Vielzahl psychosomatischer und neurologischer Erkrankungen angegeben, die sich postoperativ und posttraumatisch entwickelt hätten. Die MdE betrage unter Berücksichtigung der Beidseitigkeit und der additiv zu berücksichtigenden verständlichen psychosomatischen Folgen durch das Betroffensein beider oberer Extremitäten 40 v. H.

Das Sozialgericht hat sodann von Amts wegen ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Dr. M., Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, eingeholt. Dieser hat in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 5. August 2014 ausgeführt, der Kläger habe zum Unfallhergang geschildert, dass er mit leicht verdrehtem Oberkörper nach vorn seitlich zunächst auf den linken, dann auf den rechten Arm gefallen sei. Zunächst habe nur die linke Schulter geschmerzt, wobei er auf der rechten Körperseite insgesamt nicht so ein starkes Empfinden habe. Er habe rechts Beschwerden "wie Muskelkater" verspürt, die 1 ½ Jahre später deutlich stärker geworden seien, was zu der Operation auch auf dieser Seite geführt habe. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:

1. erhebliche Beschwerden im linken Schultergelenk mit Einschränkung ... (der Beweglichkeit) sowie Druckschmerzen ...

2. erhebliche Beschwerden im rechten Schultergelenk mit Einschränkung ... (der Beweglichkeit) sowie Druckschmerzen ...

(Nicht streitgegenständlich: Kniegelenksarthrose beidseits, Hüftgelenksbeschwerden, rezidivierendes Lumbalsyndrom). Das von dem Kläger geschilderte Sturzereignis entspreche dem Mechanismus, der zur Auslösung einer SLAP-Läsion führen könne; bei isolierter Betrachtung der linken Seite könne damit deren Schädigung erklärt werden. Angesichts der gleichartigen Schädigung der rechten Seite spreche aber mehr für einen schicksalhaften Verschleißschaden, wie er auch an den Kniegelenken des Klägers vorliege. Eine Schädigung beider Schultergelenke durch einen einzigen Sturz aus einem halben Meter Höhe in der dargestellten Form sei mechanisch nicht zu erklären. Bei einem Sturz auf die linke Schulter habe die wesentliche Druckkraft bereits auf diese eingewirkt; ein weiteres Abfangen mit dem rechten Arm könne keine gleichartige Schädigung dieses Ausmaßes erzeugt haben. Die Veränderungen des rechten Schultergelenkes seien keinesfalls Folge des Unfallgeschehens vom 26. Februar 2008. Die geklagten Beschwerden im Sinne "muskelkaterartiger" Empfindungen reichten dafür nicht aus, außerdem sprächen Unfallmechanismus und Gleichartigkeit der Schäden an beiden Schultergelenken sowie das Wesen der bestehenden Veränderungen im unteren Bereich der Gelenkpfanne beidseits dagegen.

Das Sozialgericht hat die Klage (S 3 U 97/10) mit Urteil vom 13. November 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe über den Zeitraum der Gesamtvergütung hinaus keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Bei der Einschätzung der MdE seien über die in dem angefochtenen Bescheid hinaus anerkannten Gesundheitsschäden keine weiteren Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, insbesondere kein unfallbedingter Gesundheitsschaden im Bereich der rechten Schulter bzw. des rechten Armes, da dieser nicht bewiesen sei. Dies folge aus dem ausführlichen und schlüssigen Gutachten des Dr. M. vom 5. August 2014, der darauf verwiesen habe, dass eine sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite bestehende gleichartige Schädigung der Schultergelenke in medizinischer Hinsicht schon nicht zu dem geschilderten Unfallhergang passe, sondern vielmehr auf einen Verschleißschaden hindeute, wie er auch am Kniegelenk vorliege. Soweit der Kläger angegeben habe, dass er auf die Seite gefallen sei und sich dabei zunächst mit dem linken ausgestreckten Arm, dann zusätzlich auch mit dem rechten Arm abgestützt habe, weise das Gericht darauf hin, dass sich die zwischenzeitlich erfolgte Präzisierung des Unfallhergangs durch den Kläger mit den Angaben im Durchgangsarztbericht und in der Unfallanzeige nicht bestätigen lasse. Danach sei der Sturz nur auf die linke Körperseite erfolgt. Zeitnah zum Unfallereignis seien auch nur Schmerzen im Bereich der linken Schulter bzw. des linken Armes angeführt. Neben diesen Ungenauigkeiten zum Unfallhergang fehle es auch am Nachweis eines Primärschadens im Bereich der rechten Schulter. Die im Zusammenhang mit dem Unfallereignis geltend gemachten Beschwerden und insoweit auch die Befunde begrenzten sich ausschließlich auf die linke Schulter bzw. den linken Arm. Objektive Nachweise eines unfallbedingten Erstschadens an der rechten Schulter bzw. am rechten Arm lägen nicht vor. Es fehle daher insoweit am Vollbeweis eines Gesundheitserstschadens.

Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. habe die Kammer nicht zu folgen vermocht, da dieser sein Ergebnis zunächst entscheidend auf fachfremde Diagnosen (psychosomatische und neurologische Erkrankungen) stütze. Nicht nachvollziehbar und insoweit unschlüssig sei auch die Feststellung, dass nach dem Unfallgeschehen vom 26. Februar 2008 zunächst das linke Schultergelenk und der linke Arm im Vordergrund gestanden hätten, Ende 2009 und im weiteren Verlauf des Jahres 2010 dann aber zunehmend das rechte Schultergelenk sowie der rechte Arm hinzugekommen seien. Denn der insoweit beschriebene "Folgeschaden" an der rechten Schulter bzw. an dem rechten Arm ergebe sich nicht aus dem benannten Primärschaden am linken Schultergelenk und am linken Arm. Der Sachverständige gründe sein Ergebnis auf die subjektiven Angaben des Klägers zum Unfallereignis, lasse aber jede Diskussion, inwieweit diese Angaben tatsächlich objektivierbar seien, vermissen. Dabei weiche die im Gutachten beschriebene Unfallanamnese, dass der Kläger nach "vorne von dem Gabelstapler" gefallen sei und reflexartig "beide Arme nach vorne hoch gerissen" habe, um den Sturz abzufangen, von den aktenkundigen Angaben des Klägers zum Unfallhergang ("auf die Seite gefallen") entscheidend ab. Eine unfallbedingte MdE von mindestens 20 v. H. über den 3. Dezember 2009 hinaus liege bei dem Kläger nach dem Ergebnis des Gutachtens des Dr. M. vom 5. August 2014 nicht vor. Dieser habe nachvollziehbar auf den unfallunabhängigen Verschleißschaden und die nur vorübergehende unfallbedingte Verstärkung vorhandener Beschwerden verwiesen. Bestätigt werde diese Einschätzung durch die fehlende Objektivierbarkeit anhaltender Funktionsbeeinträchtigungen.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2014, dem Kläger zugestellt am 21. November 2014, hat der Kläger am Montag, dem 22. Dezember 2014, bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt (L 9 U 211/14). Zur Begründung führt der Kläger aus, er bezweifle, dass das Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2011 tatsächlich den Charakter eines Bescheides habe, weil das Schreiben keine Entscheidung über Sach- und Rechtsfragen enthalte. Der Kläger rügt, dass die Beklagte den Unfallhergang nicht aufgeklärt habe. Die Unfallschilderung im Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008 sei ersichtlich unvollständig. Der Unfall habe sich in der Weise ereignet, wie es der Kläger auch gegenüber der Gutachterin Dr. E. angegeben habe. Der Kläger habe rechtsseitig von dem Stapler aussteigen wollen. Er sei mit einem Bein in dem Kabel eines Scanners, der auf dem Stapler angebracht gewesen sei, hängen geblieben. Infolge dessen sei er mit ausgestreckten Armen nach vorne vom Stapler herab auf den Hallenfußboden gestürzt. Er sei dort vorwiegend mit dem linken Arm, ebenso jedoch auch mit dem rechten Arm, nicht jedoch auf die linke Körperseite geprallt. Ob der Kläger bei dem Aufprall auf den Boden die Arme leicht angewinkelt oder geradeaus gestreckt habe, könne er naturgemäß nicht mehr sagen. Nach dem Sturz habe er sofort einen brennenden Schmerz in der linken Schulter verspürt. Gleichwohl habe er zunächst weitergearbeitet und sei erst am nächsten Tag zum Durchgangsarzt gegangen. Schmerzen habe der Kläger allerdings auch von Anfang an bereits in der rechten Schulter verspürt. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass die fortbestehenden Schmerzen in der rechten Schulter auf die Überlastung aufgrund der Schonhaltung bezüglich der linken Schulter zurückzuführen seien.

Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die erst im Rahmen der am 24. September 2009 durchgeführten Arthroskopie festgestellte SLAP II-Läsion der linken Schulter Folge des Unfalls vom 26. Februar 2008 gewesen sei. Dies belegten der Arztbericht des Hausarztes Dr. N. vom 6. November 2009, das Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. E. und das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. Der Sachverständige Dr. M. stütze sich dagegen auf die fehlerhafte und recht kurze Beschreibung des Unfallgeschehens im ersten Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008. Es werde nicht verkannt, dass Dr. M. auch ausgeführt habe, eine Verletzung beider Schultergelenke durch einen einzigen Sturz sei nicht möglich. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Ursächlichkeit des Unfalls für die Verletzung der linken Schulter lasse dies jedoch keine zwingenden Schlussfolgerungen zu, da der Kläger ausgeführt habe, er habe sich primär mit dem linken Arm abgefangen. Die Verletzungsfolgen nach der Operation am 24. September 2009 seien nicht folgenlos ausgeheilt. Auf Veranlassung seiner Hausärzte Dres. P. und K. habe sich der Kläger am 16. August 2011 erneut einer Kernspintomographie seiner linken Schulter unterzogen. Der diesbezügliche Untersuchungsbericht vom 16. August 2011 habe zwar keine objektivierbaren Ursachen für die fortbestehenden Schmerzen des Klägers in dieser Schulter ergeben. Die Schmerzsymptomatik sei jedoch nach der Operation niemals abgeklungen. Der Kläger habe permanent Schmerzmittel erhalten. Der Sachverständige Dr. L. habe bei der Untersuchung des Klägers am 15. Februar 2013 unter anderem bezüglich der linken Schulter eine überdurchschnittliche Schmerzsymptomatik verifiziert. Diese persistierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen der linken Schulter des Klägers rechtfertigten für sich genommen bereits eine MdE von 30 v. H., mindestens jedoch von 20 v. H.

Hinsichtlich der rechten Schulter seien dem Kläger die Beweisprobleme durchaus bewusst. Diese Probleme resultierten daraus, dass die Verletzung der rechten Schulter erstmals am 30. September 2010, also ca. 2 ½ Jahre nach dem Unfall vom 26. Februar 2008, vom Durchgangsarzt Dr. D. dokumentiert worden sei. Es sei bereits ausgeführt worden, dass der Kläger sofort nach dem Unfall unter Schmerzen in der rechten Schulter gelitten und dies den behandelnden Ärzten auch mitgeteilt habe. Dies sei jedoch nicht dokumentiert worden. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger bis September 2009 von den behandelnden Ärzten bereits als Simulant betrachtet worden sei, weil diese infolge des Einsatzes unzureichender Untersuchungsmethoden keine objektiven Befunde verifiziert hätten. Infolgedessen sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger die Schmerzen in seiner rechten Schulter in seinem Gespräch mit den Ärzten in der Folgezeit ignoriert habe, weil er davon ausgegangen sei, dass dies die Folge der Schonhaltung bezüglich der linken Schulter gewesen sei. Die operative Versorgung des rechten Schultergelenkes des Klägers habe nicht zur Beschwerdefreiheit geführt. Die Unfallursächlichkeit der Verletzung an der rechten Schulter sei im Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 15. Februar 2013 bestätigt worden. Die Ausführungen zu einem chronifizierten Schmerzsyndrom in der linken Schulter würden ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen Dr. L. in gleichem Umfang für die Gesundheitsbeeinträchtigung der rechten Schulter gelten.

Die Beklagte hält die Ausführungen des Klägers für unbegründet. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers sei mit Verwaltungsakt vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 die Anerkennung der Beschwerden im Bereich der rechten Schulter als Unfallfolge abgelehnt worden. Auch im Übrigen könnten die Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht überzeugen. Die medizinischen Sachverständigen Dr. E. und Dr. M., beide Fachärzte für Orthopädie, kämen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Kläger wegen der Unfallfolgen lediglich im Zeitraum vom 20. März 2008 bis zum 3. Dezember 2009 in seiner Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. gemindert gewesen sei. Das Sozialgericht habe im Urteil vom 13. November 2014 auch zutreffend festgestellt, dass das von Dr. L. erstellte Gutachten nach § 109 SGG nicht den Beurteilungsrichtlinien der gesetzlichen Unfallversicherung entspreche. Der behandelnde Orthopäde und Unfallchirurg Dr. D. gehe in seinem Bericht vom 11. Oktober 2010 über die Untersuchung am 30. September 2010 von einer unfallfremden, polyarthrotischen Erkrankung an der rechten Schulter aus und habe diese Einschätzung nochmals am 5. April 2011 bestätigt. Bemerkenswert sei auch, dass der Kläger noch im März 2010 bei der Begutachtung durch Dr. E. keine Beschwerden im Bereich der rechten Schulter angegeben habe (vgl. S. 10/11 des Gutachtens Dr. E. vom 27. März 2010). Der damalige gutachtliche Untersuchungsbefund der rechten Schulter habe ebenfalls keinen pathologischen Befund gezeigt, so dass sowohl die fehlenden Befunde als auch der zeitliche Verlauf nicht in Einklang mit einer unfallbedingten Verletzung an der rechten Schulter gebracht werden könnten. Alle diese Fakten und Tatsachen würden von Dr. L. im Rahmen seiner Beurteilung nicht berücksichtigt oder näher gewürdigt. Da Dr. L. zudem Diagnosen auf ihm fachfremden Gebiet stelle, könne das Gutachten einer Entscheidungsfindung nicht zugrundegelegt werden.

Das Verfahren L 9 U 211/14 wurde mit Beschluss vom 9. September 2016 bis zur Erledigung des beim Sozialgericht Marburg anhängigen - vorgreiflichen - Rechtsstreits S 3 U 98/11 ausgesetzt.

Der Kläger hat daraufhin das bei dem Sozialgericht Marburg anhängige Verfahren S 3 U 98/11 wieder aufgerufen, das unter dem Aktenzeichen S 3 U 88/16 fortgeführt wurde. Zum Unfallhergang hat der Kläger dort vorgetragen, er sei aus 1 m Höhe nach vorn auf beide Hände, mehr auf den linken als auf den rechten Arm, gefallen. Soweit bislang ein Sturz auf den linken und den rechten Arm vorgetragen worden sei, sei das missverständlich. Der Kläger habe von Anfang an erklärt, mit ausgestreckten Armen gefallen zu sein, daher naturgemäß auf die Hände. Die Unfallschilderung und die sonstigen Angaben im ersten Durchgangsarztbericht seien unvollständig. Nach dem Sturz habe der Kläger sofort einen brennenden Schmerz in der linken und Schmerzen in der rechten Schulter verspürt. Die Hinweise des Klägers auf Schmerzen an der rechten Schulter seien von den behandelnden Ärzten permanent ignoriert worden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2017 hat der Kläger weiter gerügt, dass sich durch die gesamte Akte eine "völlig falsch zugrunde gelegte" Schilderung des Unfallherganges ziehe. Keiner der Sachverständigen habe den korrekten Hergang zugrunde gelegt, die Beklagte habe diesen nicht ermittelt und auch das Gericht bislang keine Ermittlungen hierzu durchgeführt. Der Unfallhergang müsse zunächst aufgeklärt und sodann ein weiteres Gutachten durch einen neu zu benennenden Sachverständigen eingeholt werden.

Das Sozialgericht hat die Klage (S 3 U 88/16) mit Urteil vom 19. Oktober 2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser habe keinen Anspruch auf Feststellung der Beeinträchtigungen seiner rechten Schulter als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008.

Soweit der Kläger (ausschließlich) im Rahmen der Berufungsbegründung vom 21. Januar 2015 in dem Parallelverfahren bezweifelt habe, dass das Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2011 tatsächlich den Charakter eines Bescheides habe, weil dieses keine Entscheidung über Sach- und Rechtsfragen enthalte, vermöge sich die Kammer unter Berücksichtigung der Vorgeschichte den Bedenken nicht anzuschließen. Dem Kläger sei zwar zuzugeben, dass das Schreiben dem üblichen Aufbau eines Bescheides mit Verfügungssatz und Begründung nicht entspreche. Zur Auslegung von Willenserklärungen, auch solchen öffentlich-rechtlicher Art, seien jedoch alle maßgeblichen, den Beteiligten bekannten Umstände heranzuziehen. Die bürgerlich-rechtlichen Regelungen des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien entsprechend anwendbar; maßgeblich sei insofern der objektive Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtige, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen habe. Nachdem der Kläger durch seinen früheren Bevollmächtigten bereits gegen die telefonische Information über die Durchführung der Heilbehandlung zulasten der Krankenkasse und Ablehnung entsprechender Leistungen zulasten der Beklagten Widerspruch mit Schreiben vom 3. Januar 2011 erhoben gehabt habe, habe sich die Beklagte in dem Schreiben vom 11. Januar 2011 ausführlich damit auseinandergesetzt, weshalb die Behandlung der Beschwerden der rechten Schulter zulasten der gesetzlichen Krankenkasse durchgeführt worden sei und dazu auch ausdrücklich auf die Stellungnahme Dr. D. Bezug genommen, wonach die Beschwerden der rechten Schulter nicht in Zusammenhang mit dem Unfall vom 26. Februar 2008 stünden. Damit habe sie hinreichend deutlich und für den Kläger verständlich zu erkennen gegeben, dass sie diese Beschwerden nicht als Folge des Unfalls habe anerkennen wollen. Dass die Beklagte insoweit auch eine Entscheidung mit Rechtswirkung nach außen habe treffen wollen, ergebe sich bereits daraus, dass sie dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt habe. Offenbar hätten auch der Kläger bzw. sein damaliger Bevollmächtigter das Schriftstück dergestalt ausgelegt, denn mit Schriftsatz vom 2. Februar 2011 sei ausdrücklich "gegen den Bescheid vom 11.01.2011 Widerspruch" erhoben worden. Unklarheiten hätten danach zu keiner Zeit bestanden.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der Beschwerden an der rechten Schulter als weitere Unfallfolge. Voraussetzung hierfür sei neben dem unstreitig infolge einer versicherten Tätigkeit eingetretenen Unfall ein Gesundheitserstschaden, der im Vollbeweis, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden müsste (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 20. März 2017 - L 9 U 136/16 -). Daran fehle es jedoch bezüglich der rechten Schulter. Der Kläger habe erstmals mit der im November 2011 erhobenen Klage überhaupt vorgetragen, dass er bereits nach dem Unfall im Februar 2008 Beschwerden im rechten Schultergelenk gehabt habe. Solche Beschwerden seien nicht nur nicht in dem ersten Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008, sondern auch in keinem weiteren späteren ärztlichen Bericht vor September 2010 dokumentiert worden. Der Umstand, dass der Kläger bei der Erstvorstellung ausschließlich auf der linken Seite untersucht worden sei, sei zur Überzeugung der Kammer nicht anders erklärlich, als dass er keine Beschwerden auf der rechten Seite angegeben habe. Weshalb der Durchgangsarzt zwar umfassende Befunderhebungen links, jedoch keinerlei solche rechts vorgenommen haben sollte, wenn der Kläger dortige Beschwerden mitgeteilt hätte, erschließe sich nicht. Soweit der Kläger zuletzt vorgetragen habe, dass die behandelnden Ärzte die von ihm angegebenen Schmerzen permanent ignoriert hätten, widerspreche das insbesondere seinem eigenen früheren Vortrag. So habe er noch im Widerspruch vom 2. Februar 2011 ausdrücklich erklärt, er habe "tatsächlich zunächst keine Beschwerden an der rechten Schulter gehabt". Zuvor habe er bei der Wiedervorstellung bei Dr. D. am 30. September 2010 gerade wegen der Schmerzen an der rechten Schulter ebenfalls ausdrücklich angegeben, er habe nach dem Unfall an der rechten Schulter keine Beschwerden gehabt. Vielmehr habe er ihre Entstehung auf die Schonung der linken Schulter zurückgeführt. Beschwerden, die wegen der Mehrbelastung eines Gelenkes aufgrund von Schmerzen im gegenseitigen Gelenk entstünden, könnten aber bereits denknotwendig nicht gleichzeitig aufgetreten sein, sondern allenfalls im späteren zeitlichen Verlauf. Auch in dem ausführlichen orthopädischen Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. E. vom 27. März 2010 habe der Kläger Beschwerden im rechten Schultergelenk nicht angegeben. Gerade hier könne nicht mehr eingewandt werden, dass die ärztlichen Feststellungen zu kurz und unvollständig gewesen seien. Dr. E. habe die konkretisierte Unfallschilderung des Klägers aufgenommen und deutlich hervorgehoben. Dass sie nicht gleichfalls Gelegenheit gegeben haben sollte, auch eventuelle Beschwerden am zweiten Schultergelenk zumindest zu äußern, sei kaum vorstellbar. Zudem habe sie den Kläger tatsächlich an dem rechten Schultergelenk untersucht und dort gerade unauffällige Befunde festgestellt. Das rechte Schultergelenk habe äußerlich regelhafte Konturen gezeigt, es habe reizfrei und stabil geführt gewirkt; die Sachverständige habe keine Druckdolenzen festgestellt und es sei kein Impingement-Phänomen auslösbar gewesen. Die aktive Beweglichkeit sei ohne auffällige Geräuschentwicklungen ausweislich der mitgeteilten Bewegungsmaße völlig frei gewesen. Dieser Befund wäre mit einer bereits damals vorliegenden SLAP II-Läsion nicht zu vereinbaren. Soweit der Kläger gegen die ebenfalls das Gutachten Dr. E. in Bezug nehmenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides der Beklagten eingewandt habe, dass es unzutreffend sei, dass er dieser gegenüber keine Verletzung der rechten Schulter angegeben habe, weil aus dem Gutachten hervorgehe, dass er dort mitgeteilt habe, mehr auf den linken als auf den rechten Arm gefallen zu sein, lasse dies keinerlei Rückschluss auf eine dadurch hervorgerufene Verletzung oder auch nur Beschwerden im rechten Schultergelenk zu. Zu Recht habe Dr. M. in seinem Gutachten ausgeführt, dass bei dem geschilderten Unfallhergang die wesentliche Druckkraft bereits auf die linke Schulter eingewirkt habe. Auch wenn sich der Kläger im Weiteren mit dem rechten Arm zusätzlich abgefangen hätte, hätte dies nicht ansatzweise die gleiche Belastung hervorgerufen. Es ergebe sich daher aus der Schilderung nicht notwendig, dass an dem rechten Schultergelenk irgendwelche Beeinträchtigungen unmittelbar nach dem Sturz vorgelegen haben. Selbst ein - ebenfalls bereits nicht nachgewiesenes - muskelkaterähnliches Gefühl, das der Kläger bei der letzten Begutachtung durch Dr. M. angegeben habe, würde nicht ausreichen, das Eintreten einer SLAP II-Version auch nur in einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall zu bringen. Insoweit werde die Einschätzung Dr. M. auch durch das Gutachten Dr. L. bestätigt, der in seinen Ausführungen zum Entstehen einer SLAP-Läsion von einem "plötzlich einsetzenden Reißen/stechenden Schmerz" spreche. Das stimme auch mit der Schilderung der Ausgangsbeschwerden durch den Kläger bei der Begutachtung durch Dr. E. überein, bei der der Kläger von einem brennenden Schmerz, allerdings eben nur in "der Schulter" (nämlich der damals nur beeinträchtigten linken) - und nicht in beiden Schultern - berichtet habe.

Nachdem ein Erstschaden als wesentliche Anknüpfungstatsache für jegliche Kausalitätsbeurteilung der späteren Beschwerden damit nicht nachweisbar sei, im Gegenteil zur Überzeugung des Gerichtes nicht vorgelegen habe, komme es nicht mehr darauf an, dass selbst ein vorliegender zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Beschwerdeeintritt nicht ausreichen würde, um einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zu begründen (es gebe keinen Erfahrungssatz "post hoc ergo propter hoc" - etwa "danach, also deswegen"), noch dass der Ausschluss von Alternativursachen zum Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ausreichen könnte, weil das faktisch zu einer Beweislastumkehr führen würde (vgl. zu beidem etwa Hessisches LSG, Urteil vom 20. März 2017 - L 9 U 130/14 -). An der Nichtbeachtung dieser grundlegenden Maßstäbe der Kausalitätsbeurteilung der gesetzlichen Unfallversicherung kranke das Gutachten Dr. L., das bereits deshalb nicht verwertbar sei. Damit, dass ein Erstschaden entgegen der späteren Angabe des Klägers in keiner ärztlichen Dokumentation festgehalten worden sei und auch seinen eigenen früheren Angaben widerspreche, habe er sich gar nicht erst auseinandergesetzt. Das widerspreche grundlegenden Sorgfaltspflichten eines Sachverständigen.

Der Anregung - ein förmlicher Beweisantrag sei nicht gestellt worden -, weitere Ermittlungen zum Unfallhergang anzustellen sowie sodann ein weiteres Gutachten einzuholen, habe das Gericht nicht nachgehen müssen. Abgesehen davon, dass nach den jeweiligen ausführlichen Schilderungen des Unfallhergangs durch die Sachverständigen, die dazu den Kläger jeweils persönlich befragt hätten und sich den Ablauf - mindestens im Falle Dr. M. - auch hätten vorführen lassen, nicht erkennbar sei, weshalb diese von einem falschen Verlauf ausgegangen sein sollten, komme es darauf auch nicht an, nachdem ein Erstschaden als maßgebliche Anknüpfungstatsache nicht habe nachgewiesen werden können. Ebenso wenig könne ein weiterer Sachverständiger Feststellungen zu einem Erstschadensbild abweichend von den beigezogenen umfassenden Unterlagen treffen.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 19. Oktober 2017, dem Kläger zugestellt am 9. März 2018, hat der Kläger am 16. März 2018 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt (L 9 U 50/18) und zur Begründung zunächst auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen. Darüber hinaus führt er aus, das Sozialgericht habe sich lediglich mit den Behauptungen zu den ärztlichen Feststellungen bei den diversen Behandlungen des Klägers bezüglich seiner rechten Schulter auseinandergesetzt. Es berücksichtige aber den Vortrag des Klägers in erster Instanz nicht vollständig. Es fehle jegliche Auseinandersetzung des Gerichts mit der Behauptung des Klägers, seine SLAP II-Läsion bzw. der intraoperativ am 14. Dezember 2010 festgestellte Abriss des Bizepssehnenankers sowie des ventralen Labrums der rechten Schulter seien älterer Natur gewesen, was makroskopisch festgestellt worden sei. Der Operationsbericht des Stadtkrankenhauses A-Stadt vom 14. Dezember 2010 sei zu Beweiszwecken vorgelegt worden. Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 20. September 2016 sei unter Hinweis hierauf beantragt worden, die vom Kläger behauptete Unfallursächlichkeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären. Dieser Beweisantrag sei übergangen worden. Insoweit helfe es auch wenig weiter, dass das Gericht die Einlassung des Klägers, er habe von Anfang an Schmerzen an der rechten Schulter beklagt, was von dem behandelnden Arzt nicht aufgenommen worden sei, als unglaubhaft ansehe.

Im bisherigen Rechtsstreit völlig unbeachtet geblieben sei die Frage, ob die Gesundheitsbeeinträchtigung der rechten Schulter des Klägers mittelbare Folge des Unfalls vom 26. Februar 2008 gewesen sei (§ 11 SGB VII). Dies mache der Kläger nunmehr hilfsweise geltend. Es sei offenkundig und von der Beklagten auch nicht bestritten, dass der Unfall massive Verletzungen der linken Schulter des Klägers zufolge gehabt habe, die operativ versorgt worden seien, jedoch Bewegungs- und Funktionseinschränkungen der linken Schulter dauerhaft hinterlassen hätten. Diese Verminderung der Gebrauchsfähigkeit der linken Schulter des Klägers habe zu einem vermehrten Gebrauch des rechten Armes und der rechten Schulter geführt, die dadurch überbeansprucht worden seien. Dies habe die Gesundheitsbeeinträchtigung der rechten Schulter bewirkt. Der Durchgangsarzt Dr. D. habe anlässlich der Untersuchung am 30. September 2010 festgestellt, dass die Erkrankung der rechten Schulter des Klägers Folge einer bekannten Polyarthrose sei. Als Arthrose bezeichne man eine degenerative Gelenkserkrankung, die vorwiegend in einem Missverhältnis zwischen Beanspruchung und Belastung der einzelnen Gelenksanteile und Gelenksgewebe entstehe. Die Ursache sei deshalb oft (wenn auch nicht immer) eine Überbeanspruchung. So verhalte es sich im Falle des Klägers in der Folge des Unfalls vom 26. Februar 2008.

Der Senat hat das Berufungsverfahren L 9 U 211/14 am 19. März 2018 von Amts wegen wieder aufgerufen und unter dem Aktenzeichen L 9 U 52/18 fortgeführt.

Mit Beschluss vom 9. März 2020 hat der Senat die Verfahren L 9 U 52/18 und L 9 U 50/18 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Verfahren L 9 U 52/18 verbunden.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 über den 3. Dezember 2009 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren,

2. das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. Oktober 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei den Beeinträchtigungen des Klägers an der rechten Schulter um weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ergäben sich keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse, die geeignet wären, die bisherigen Feststellungen der Beklagten und des Sozialgerichts zu entkräften. Wie bereits vorgetragen und vom Sozialgericht in beiden Urteilen vom 13. November 2014 und vom 19. Oktober 2017 bestätigt, sprächen sowohl sämtliche ärztlichen Behandlungsberichte aus den ersten 2 ½ Jahren nach dem Unfall als auch die eigenen Angaben des Klägers aus dieser Zeit gegen einen damals vorhandenen Schaden an der rechten Schulter. Diese Tatsache decke sich auch mit dem Ergebnis der im Jahr 2010 durchgeführten Begutachtung. Bei der seinerzeitigen Begutachtung durch Dr. E. seien von dem Kläger weder Angaben zu Beschwerden an der rechten Schulter gemacht noch seien im Verlauf der gutachterlichen Untersuchung pathologische Befunde erhoben worden, die eine entsprechende Verletzung objektivieren könnten. Nach den zutreffenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. und des Sozialgerichts fehle es daher bereits am Nachweis eines Gesundheitserstschadens an der rechten Schulter. Ursächlich für eventuelle Beschwerden des Klägers an der rechten Schulter seien stattdessen vorbestehende degenerative, mithin unfallfremde Verschleißerscheinungen (vgl. Arztberichte Dr. D. und Gutachten Dr. M.). Das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. leide an erheblichen Mängeln und sei daher nicht verwertbar.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren L 9 U 52/18 und L 9 U 50/18 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und auf die Protokolle der Erörterungstermine des Berichterstatters vom 9. September 2016 und vom 2. März 2020.

Rechtsweg:

SG Marburg, Urteil vom 13.11.2014 - S 13 U 97/10
BSG, Urteil vom 27.07.2020 - B 2 U 109/20 B

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.

Die Urteile des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2014 und vom 19. Oktober 2017 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bescheide der Beklagten vom 19. April 2010 und vom 11. Januar 2011 (jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide) sind rechtmäßig, so dass der Kläger nicht beschwert ist (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008, weder als (sog. unmittelbare) Unfallfolge im engeren Sinne noch als (sog. mittelbare) Unfallfolge, und auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. über den 3. Dezember 2009 hinaus.

Anspruchsgrundlage für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung der weiteren Unfallfolge ist § 102 SGB VII. Diese Vorschrift regelt nicht nur das Schriftformerfordernis, sondern ermächtigt den Unfallversicherungsträger zugleich zur Entscheidung über das Bestehen/Nichtbestehen und über Inhalt und Umfang eines Sozialleistungsanspruchs nach dem SGB VII. Korrespondierend hierzu beinhaltet § 102 SGB VII zugleich eine Anspruchsgrundlage für den Versicherten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -; BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R -). Dabei umfassen Ermächtigung und Anspruchsgrundlage nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen den Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind (vgl. dazu BSG, s. o.). Hierzu gehören der Versicherungsfall, die Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich durch den infolge des Unfalls erlittenen Gesundheitserstschaden verursacht wurden (sog. unmittelbare Unfallfolgen) und die Gesundheitsschäden, die nicht wesentlich durch den Gesundheitserstschaden verursacht wurden, die aber dem Unfallereignis aufgrund einer besonderen gesetzlichen Zurechnungsnorm zuzurechnen sind (sog. mittelbare Unfallfolgen).

Ein Anspruch auf Feststellung als Unfallfolge besteht jedoch nur für Gesundheitsschäden, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem infolge einer versicherten Tätigkeit eingetretenen, von außen auf den Körper wirkenden Ereignis - dem Arbeitsunfallereignis - stehen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit, die dadurch verursachte Einwirkung und der möglichweise dadurch bedingte Erstschaden ebenso wie der durch den Erstschaden verursachte gesundheitliche Dauerschaden im Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststehen muss (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -). Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet.

Der Kläger hat am 26. Februar 2008 im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als Staplerfahrer bei der Firma C. Group GmbH in A-Stadt einen Unfall erlitten, der von der Beklagten mit Bescheid vom 19. April 2010 inzident als Arbeitsunfall anerkannt worden ist. Der Senat geht dabei nach allen Angaben des Klägers davon aus, dass er bei dem streitgegenständlichen Unfall primär auf den linken Arm bzw. die linke Hand gestürzt ist. Dabei zog sich der Kläger eine Verletzung der linken Schulter zu, die ein eingeschränktes Bewegungsausmaß und eine verminderte Belastbarkeit bis zu dem operativen Eingriff am 24. September 2009 und danach für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zum 3. Dezember 2009 zur Folge hatte.

Soweit der Kläger außerdem Gesundheitsbeeinträchtigungen der rechten Schulter als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 geltend macht, wurden entsprechende Schäden erst im September 2009 festgestellt. Es fehlt daher schon am Nachweis eines Gesundheitserstschadens. Außerdem sind die Gesundheitsbeeinträchtigungen der rechten Schulter nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht durch den Unfall vom 26. Februar 2008 rechtlich wesentlich verursacht worden. Die Voraussetzungen für die Annahme einer (mittelbaren) Unfallfolge liegen nicht vor.

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis, wonach jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). In einer zweiten Prüfungsstufe ist die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können, d. h. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -). Diese Unterscheidung und Zurechnung erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, wonach als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit; diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, sodass die reine Möglichkeit nicht ausreicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R ).

Objektive Verursachung im Sinne der naturwissenschaftlichen Kausalität bedeutet hierbei einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung, insbesondere der Wissenschaft, geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf. neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung und die Einwirkung eine Wirkursache (ggf. neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Dies sind Fragen, die nur auf der Grundlage von Erfahrungen über Kausalbeziehungen beantwortet werden können. Die Bedingungstheorie (conditio sine qua non) schließt hingegen nur Bedingungen aus, die nach der Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R - UV-Recht Aktuell 2013, 291).

Erst wenn auf der ersten Stufe die objektive Verursachung bejaht wird, geht es auf der zweiten Stufe der Zurechnung um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat, was ggf. davon abhängt, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R - s. o.).

Von diesen Maßstäben ausgehend fehlt es vorliegend schon am Nachweis eines Gesundheitserstschadens an der rechten Schulter. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44). Der Gesundheitserstschaden setzt keine Dauerschädigung oder Störungen von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus; Umfang und Dauer sind ebenfalls unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos wie bloße Schmerzen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Juli 2017 - L 6 U 2225/16 - m. w. N.). Der bloße, bei einem Ereignis erlittene Schmerz stellt noch keinen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf zu objektivierenden Gesundheitserstschadens gewertet werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Januar 2013 - L 6 U 2874/12 -).

Einen solcher Gesundheitserstschaden an der rechten Schulter infolge des Unfallereignisses vom 26. Februar 2008 ist im Vollbeweis nicht nachgewiesen. Der Kläger hat erstmals mit der am 14. November 2011 beim Sozialgericht Marburg erhobenen Klage (S 3 U 98/11) vorgetragen, dass er bereits nach dem Unfall im Februar 2008 Beschwerden im rechten Schultergelenk gehabt habe. Beschwerden an der rechten Schulter sind aber weder im ersten Durchgangsarztbericht des Dr. D. vom 27. Februar 2008 noch in den weiteren ärztlichen Berichten vor September 2010 dokumentiert worden. Die dazu von dem Bevollmächtigten des Klägers im gerichtlichen Verfahren gegebene Erklärung, die behandelnden Ärzte hätten die von dem Kläger angegebenen Schmerzen permanent ignoriert, widerspricht allerdings den eindeutigen und unmissverständlichen Angaben des Klägers. So hat der Kläger bei der Wiedervorstellung bei Dr. D. am 30. September 2010, nunmehr wegen Schmerzen an der rechten Schulter, angegeben, er habe nach dem Unfall an der rechten Schulter keine Beschwerden gehabt. Vielmehr habe er ihre Entstehung auf die Schonung der linken Schulter zurückgeführt. Auch in der Begründung des Widerspruchs vom 4. Februar 2011 gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2011 hat der Kläger ausdrücklich erklärt, er habe "tatsächlich zunächst keine Beschwerden an der rechten Schulter gehabt". Beschwerden an der rechten Schulter hatte der Kläger auch bei der Begutachtung durch die Fachärztin für Orthopädie Dr. E. im März 2010 nicht angegeben, sondern nur von einem brennenden Schmerz in "der Schulter" - nämlich der damals nur beeinträchtigten linken, nicht dagegen auch der rechten Schulter - berichtet. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers, aus dem Gutachten gehe hervor, dass er dort mitgeteilt habe, mehr auf den linken als auf den rechten Arm gefallen zu sein. Denn dies lässt - wie das Sozialgericht im Urteil vom 19. Oktober 2017 zutreffend ausgeführt hat - keinerlei Rückschluss auf eine dadurch hervorgerufene Verletzung oder auch nur Beschwerden im rechten Schultergelenk zu, zumal nach der Expertise des Sachverständigen Dr. M. bei dem geschilderten Unfallhergang die wesentliche Druckkraft bereits auf die linke Schulter eingewirkt habe. Zudem hat Dr. E. den Kläger tatsächlich an dem rechten Schultergelenk untersucht und dort gerade unauffällige Befunde festgestellt. Das rechte Schultergelenk habe äußerlich regelhafte Konturen gezeigt, es habe reizfrei und stabil geführt gewirkt; die Sachverständige hat keine Druckdolenzen festgestellt und es sei kein Impingement-Phänomen auslösbar gewesen. Die aktive Beweglichkeit sei ohne auffällige Geräuschentwicklungen ausweislich der mitgeteilten Bewegungsmaße völlig frei gewesen. Die erstmals im Klageverfahren vorgetragene Behauptung, der Kläger habe bereits nach dem Unfall im Februar 2008 Beschwerden im rechten Schultergelenk gehabt, ist daher nicht nachvollziehbar.

Der Sachverständige Dr. M. hat zudem - für den Senat nachvollziehbar - darauf verwiesen, dass eine Schädigung beider Schultergelenke durch einen einzigen Sturz aus einem halben Meter Höhe in der dargestellten Form mechanisch nicht zu erklären sei. Bei einem Sturz auf die linke Schulter habe die wesentliche Druckkraft bereits auf diese eingewirkt; ein weiteres Abfangen mit dem rechten Arm könne keine gleichartige Schädigung dieses Ausmaßes erzeugt haben. Dementsprechend hat Dr. M. ausgeschlossen, dass es sich bei den Veränderungen des rechten Schultergelenkes um Folgen des Unfallgeschehens vom 26. Februar 2008 handeln. Die geklagten Beschwerden im Sinne "muskelkaterartiger" Empfindungen reichten dafür nicht aus, außerdem sprächen Unfallmechanismus und Gleichartigkeit der Schäden an beiden Schultergelenken sowie das Wesen der bestehenden Veränderungen im unteren Bereich der Gelenkpfanne beidseits dagegen. Ein Gesundheitserstschaden an der rechten Schulter ist daher weder dargelegt noch nachgewiesen.

Die Beschwerden des Klägers an der rechten Schulter sind auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge der Verletzung der linken Schulter.

Es besteht kein ursächlicher Zusammenhang im Sinne einer notwendigen Bedingung der Verletzung an der rechten Schulter mit dem Unfallereignis. Die Behauptung des Klägers, die Verminderung der Gebrauchsfähigkeit der linken Schulter durch den Unfall habe zu einem vermehrten Gebrauch des rechten Armes und der rechten Schulter und dadurch zu einer Überbeanspruchung geführt, wodurch es zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung der rechten Schulter gekommen sei, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Sie ist insbesondere nicht mit den Feststellungen der Fachärztin für Orthopädie Dr. E. in ihrem orthopädisch-traumatologischen Zusammenhangsgutachten vom 27. März 2010 vereinbar. Dr. E. hatte den Kläger am 1. März 2010 untersucht und dabei an beiden oberen Extremitäten weder optisch noch messtechnisch Hinweise auf ein einseitiges schonungsbedingtes Muskelminus festgestellt. Das rechte Schultergelenk habe äußerlich regelhafte Konturen gezeigt und reizfrei und stabil geführt gewirkt; es hätten keine Druckdolenzen bestanden; es sei kein Impingement-Phänomen auslösbar gewesen. Die aktive Beweglichkeit sei ohne auffällige Geräuschentwicklungen frei erschienen. Lediglich bezüglich des linken Schultergelenks stellte sie ein zeitlich begrenztes unfallbedingtes eingeschränktes Bewegungsausmaß nach operativer Refixation einer SLAP II-Läsion und verminderte Belastbarkeit fest. Der Senat geht davon aus, dass der bei dem Kläger eingetretene Schaden am rechten Schultergelenk - wie Dr. M. für den Senat plausibel ausgeführt hat - auf einer degenerativen Vorschädigung beruht. Bei der erst über zwei Jahre nach dem Unfallereignis festgestellten SLAP II-Läsion der rechten Schulter handelt es sich daher nicht um eine (mittelbare) Arbeitsunfallfolge.

Die Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers an der rechten Schulter sind auch keine (mittelbare) Arbeitsunfallfolge im Sinne des von dem Kläger in Bezug genommenen § 11 Abs. 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge

1. der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung,

2. der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels,

3. der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung einschließlich der dazu notwendigen Wege.

§ 11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die weitere Gesundheitsschäden (als mittelbare Unfallfolgen) auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn diese mittelbaren Folgen erst durch einen der in § 11 SGB VII umschriebenen Tatbestände (wie etwa eine Heilbehandlung) wesentlich verursacht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts des Versicherungsfalls im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII hat die Beklagte nicht angeordnet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aufgrund der Durchführung einer Heilbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII einen Gesundheitsschaden an der rechten Schulter erlitten hat. Der Kläger macht vielmehr geltend, dass es aufgrund der Schonhaltung der linken Schulter zu einer Überlastung der rechten Schulter und damit zu einem (mittelbaren) Gesundheitsschaden gekommen sei. Ein solcher von dem Kläger behaupteter Geschehensablauf wird aber von dieser Vorschrift nicht erfasst.

Es ist auch die Erwerbsfähigkeit des Klägers über den 3. Dezember 2009 hinaus nicht in rentenberechtigender Höhe von mindestens 20 v. H. gemindert.

Die Bemessung des Grades der MdE wird vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 m. w. N.). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 s. o.). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 5. September 2006 s. O.; Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Von diesem Maßstab ausgehend sind die sich aus den Unfallfolgen bei dem Kläger ergebenden Funktionseinschränkungen über den 3. Dezember 2009 hinaus mit einer MdE von unter 20 v. H. zu bewerten. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem in erster Instanz von Amts wegen eingeholten fachorthopädischen Gutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 5. August 2014 sowie dem im Verwaltungsverfahren von der Beklagten bei der Fachärztin für Orthopädie Dr. E. eingeholten orthopädisch-traumatologischen Zusammenhangsgutachten vom 27. März 2010. Der Sachverständige Dr. M. hat nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit der medizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 550 ff.) auf den unfallunabhängigen Verschleißschaden und die nur vorübergehende unfallbedingte Verstärkung vorhandener Beschwerden verwiesen. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die fehlende Objektivierbarkeit anhaltender Funktionsbeeinträchtigungen. Auch die Fachärztin für Orthopädie Dr. E. hat eine rentenberechtigende MdE für die Zeit ab der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach dem operativen Eingriff vom 24. September 2009, also ab dem 4. Dezember 2009, verneint. Soweit der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten vom 15. Februar 2013 zu einer MdE von 40 v. H. kommt, kann dessen Einschätzung nicht gefolgt werden, da das Gutachten unter erheblichen Mängeln leidet, zudem mit den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht übereinstimmt und daher nicht verwertbar ist.

Eine rentenberechtigende MdE lässt sich auch nicht aus der angeführten Schmerzsymptomatik herleiten. Die üblicherweise mit einer strukturellen Verletzung verbundenen Schmerzen stellen ein Begleitsymptom einer Gewebeschädigung bzw. erkrankung dar und sind bereits in den einschlägigen MdE-Erfahrungswerten berücksichtigt (vgl. Urteil des Senats vom 14. Juni 2019 - L 9 U 257/16 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Mai 2010 - L 3 U 248/06 -; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 231). Eine höhere Bewertung der MdE kommt bei außergewöhnlichen Schmerzen - mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit - in Betracht, die über das übliche Maß hinausgehen und eine spezielle ärztliche Behandlung erfordern (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, s. o., S. 244; Widder, Schmerzsyndrome, in: Begutachtung in der Neurologie [Hrsg. Widder, Gaidzik] 1. Aufl. 2007, S. 296; Roller SGb 2007, 271, 272). Es bestehen schon Zweifel, ob vorliegend überhaupt von einer außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik ausgegangen werden kann, die eine spezielle ärztliche Behandlung erfordert. Das Bestehen eines chronischen Schmerzsyndroms wurde nur - fachfremd - von Dr. L. bejaht. Dessen Gutachten weist die Einnahme von Tabletten Tramal long, 100 mg, zweimal täglich aus. Ob im Falle des Klägers eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik vorliegt, kann letztlich offenbleiben, da die über den 3. Dezember 2009 hinaus bestehenden Beschwerden auf degenerativen Vorschädigungen beruhen und damit unfallunabhängig sind.

Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen. Der entscheidungserhebliche Sachverhält ist nach Auffassung des Senats hinreichend geklärt. Soweit der Kläger den Unfallhergang als von der Beklagten nicht ausreichend ermittelt ansieht, wird aus seinem Vortrag nicht deutlich, welche weiteren Sachverhaltsermittlungen noch durchgeführt werden könnten. Der genaue Bewegungsablauf bei dem Unfallereignis kann nicht näher aufgeklärt werden und ist im Übrigen auch nicht entscheidungserheblich. Der Vortrag des Klägers, seine SLAP II-Läsion bzw. der intraoperativ am 14. Dezember 2010 festgestellte Abriss des Bizepssehnenankers sowie des ventralen Labrums der rechten Schulter seien älterer Natur gewesen, gibt zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen keinen Anlass. Insoweit ist nicht erkennbar, dass durch die Einholung eines weiteren Gutachtens der Nachweis eines Gesundheitserstschadens geführt werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R9120


Informationsstand: 19.11.2020