II.
Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das Urteil des
LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
LSG zurückzuverweisen ist. Die vom
LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung über die vom Kläger geltend gemachte Zahlung von Verletztengeld vom 15. Januar 2000 bis zum 9. September 2001 aufgrund seines Arbeitsunfalls vom 15. Juli 1999 nicht aus.
Verletztengeld wird insbesondere erbracht, wenn ein Versicherter infolge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist, unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitseinkommen hatte (§ 45 Abs 1
SGB VII) und kein Beendigungstatbestand iS des § 46 Abs 3
SGB VII vorliegt. Außerdem besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf sog Übergangs-Verletztengeld, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind (§ 45 Abs 2
SGB VII).
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann vom Senat aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des
LSG nicht abschließend beurteilt werden, denn es ist unklar, inwieweit der Kläger in der umstrittenen Zeit vom 15. Januar 2000 bis zum 9. September 2001 arbeitsunfähig war (nachfolgend 1.). War er in dieser Zeit infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig, hatte er für diese Zeit Anspruch auf Verletztengeld, weil kein Beendigungstatbestand iS des § 46 Abs 3
SGB VII vorliegt ( nachfolgend 2.). Im Übrigen wäre, wenn nach diesen Vorschriften kein Anspruch auf Verletztengeld gegeben ist, ein Anspruch des Klägers auf sog Übergangs-Verletztengeld nach § 45 Abs 2
SGB VII zu prüfen, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger ab 10. September 2001 eine Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation bzw nach der durch das Neunte Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) vom 19. Juni 2001 (BGBl I 1046) zum 1. Juli 2001 geänderten Terminologie "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" bewilligt hatte.
1. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl zur stRspr in der gesetzlichen Krankenversicherung nur BSGE 26, 288 = SozR Nr 25 zu § 182 RVO; BSGE 61, 66 = SozR 2200 § 182 Nr 104; BSGE 85, 271, 273 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 12 f; zur Literatur nur Höfler in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand März 2007,
SGB V, § 44 RdNr 10 ff; zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung:
BSG, Urteil vom 29. November 1972 - 8/2 RU 123/71 - USK 72181;
BSG SozR 3-2200 § 560 Nr 1;
BSG SozR 3- 2700 § 46 Nr 1; zur unfallversicherungsrechtlichen Literatur nur Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: März 2007, § 46 RdNr 7 mwN). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich.
Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeit entsprechend der Funktion des Kranken- bzw Verletztengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufes liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufes eingeschränkt ist.
Die erste entscheidende Voraussetzung zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten ist demgemäß die Feststellung der von ihm zur Zeit des Unfalls ausgeübten versicherten Tätigkeit. Schon daran mangelt es vorliegend: Das
LSG hat nur ausgeführt, der Kläger sei "zu einer ABM-Tätigkeit (Sanierungs- und Abbrucharbeiten) eingeteilt" gewesen bzw der Unfall habe sich bei dem Abriss einer Trockenwand ereignet. Es hat die Arbeit des Klägers als zumindest angelernte Tätigkeit angesehen, wie sich aus dem Vergleich mit dem gehobenen Büroboten und der Erörterung einer rentenversicherungsrechtlich zulässigen Verweisung von Metallfacharbeitern ergibt. Was die zur Zeit des Unfalls ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Bezugspunkt für die Beurteilung seiner Arbeitsunfähigkeit war, bleibt jedoch unklar. Das Fehlen diesbezüglicher Feststellungen des
LSG wird auch im Revisionsvorbringen der Beteiligten deutlich: Die Beklagte geht von einer bloß angelernten Tätigkeit aus, während der Kläger meint, das
LSG sei zumindest von einer solchen Tätigkeit ausgegangen, in Wirklichkeit stehe ihm aber Berufsschutz als Facharbeiter - Schlosser - zu. Die ungelernten Abrissarbeiten seien für die von ihm ausgeübte Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen, ob das Beschäftigungsverhältnis, während dessen sich der Unfall ereignete, fortbestand und wie lange es fortbestand, hat das
LSG ebenfalls keine Feststellungen getroffen. Ohne eine Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses stellt sich jedoch die Frage der Verweisung auf andere gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten überhaupt nicht bzw erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung. Zwar spricht eine ABM-Tätigkeit, wie der Kläger sie nach den Feststellungen des
LSG ausübte, für eine zeitlich befristete Beschäftigung, notwendig wäre aber die Feststellung des genauen Zeitpunktes ihrer Beendigung, weil erst ab diesem Termin die angesprochene Verweisung in Betracht kommt. Auch der Beteiligtenvortrag im Revisionsverfahren ist widersprüchlich, ohne dass er anhand von Feststellungen des
LSG geklärt werden könnte: Während die Beklagte anführt, der Kläger habe nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden, wird vom Kläger genau das Gegenteil behauptet. Außerdem kann, wie ausgeführt, ein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis vorgelegen haben.
Zu den in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten ist in Übereinstimmung mit der obigen Rechtsprechung zur gesetzlichen Krankenversicherung nur darauf hinzuweisen, dass der Kreis dieser Tätigkeiten erheblich enger begrenzt ist als mögliche Verweisungstätigkeiten im Rahmen der Prüfung der Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl nur: BSGE 61, 66 = SozR 2200 § 182 Nr 104). Nur wenn es sich um eine gleich oder ähnlich geartete Tätigkeit handelt, ist in einem weiteren Schritt die wirtschaftliche Gleichwertigkeit anhand des zu erzielenden Entgelts zu prüfen.
2. Falls der Kläger in der umstrittenen Zeit vom 15. Januar 2000 bis zum 9. September 2001 infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig war, hat er für diese Zeit Anspruch auf Verletztengeld, weil entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten kein Beendigungstatbestand iS des § 46 Abs 3
SGB VII für diesen in der Zeit vorher unstreitig bestehenden Anspruch gegeben ist.
a) Nach § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1
SGB VII endet das Verletztengeld mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlung. Damit werden die Folgen des Wegfalls der in § 45 Abs 1 Nr 1
SGB VII normierten Grundvoraussetzung für Verletztengeld wiederholt. Inwieweit der Kläger in der umstrittenen Zeit arbeitsunfähig infolge des Arbeitsunfalls war, wurde schon oben erörtert und ist aufgrund der Feststellungen des
LSG zur Zeit nicht abschließend zu beurteilen.
b) Die sich aus § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 2
SGB VII ergebende Beendigung des Verletztengeldes mit dem Entstehen eines Anspruchs auf Übergangsgeld dient der Vermeidung einer Doppelversorgung, weil das bis zum 30. Juni 2001 nach der damaligen Fassung der §§ 49 ff
SGB VII und das ab dem 1. Juli 2001 nach den heute geltenden §§ 49 f
SGB VII iVm dem
SGB IX zu zahlenden Übergangsgeld eine andere Entgeltersatzleistung ist, die dann an die Stelle des Verletztengeldes tritt. Diese Voraussetzung ist für die umstrittene Zeit gerade nicht gegeben, weil die dem Kläger von der Beklagten bewilligte berufliche Rehabilitationsmaßnahme erst am 10. September 2001 begann.
c) Des Weiteren endet das Verletztengeld nach § 46 Abs 3 Satz 2
SGB VII, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und berufsfördernde Leistungen bzw seit dem 1. Juli 2001 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind,
1. mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung soweit abgeschlossen ist, dass der Versicherte eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen kann,
2. mit Beginn der in
§ 50 Abs 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - ( SGB V) genannten Leistungen (zB Renten wegen voller Erwerbsminderung, Vollrente wegen Alters), es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3. im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Dass die Voraussetzungen der Nr 1 oder der Nr 2 des § 46 Abs 3 Satz 2
SGB VII erfüllt sind, hat das
LSG nicht festgestellt und von Seiten der Beklagten ist auch keine auf diese Alternativen gerichtete Revisionsrüge erhoben worden.
Die Voraussetzungen der Nr 3 sind ebenfalls nach den tatsächlichen Feststellungen des
LSG, hinsichtlich deren die Beklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat, nicht erfüllt. Denn die Beklagte hat keine Prognoseentscheidung über den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers getroffen und dem Kläger im Übrigen Leistungen zur beruflichen Rehabilitation ab 10. Januar 2001 bewilligt. Auf den Einwand der Beklagten, eine Prognoseentscheidung hinsichtlich des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei entgegen der Entscheidung des Senats vom 13. September 2005 (
B 2 U 4/04 R) nicht erforderlich gewesen, braucht nicht eingegangen zu werden. Denn dies ist nur eines der zwei in dem Einleitungsteil des Satzes 2 des § 46 Abs 3
SGB VII genannten Erfordernisse, die beide erfüllt sein müssen, damit der Verletztengeldanspruch enden kann. Da die andere Voraussetzung - keine Erbringung von berufsfördernden Leistungen bzw Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - nach den oben angeführten tatsächlichen Feststellungen des
LSG auf jeden Fall nicht erfüllt ist, wie sich aus der Gewährung dieser Leistungen durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten an den Kläger zum 10. September 2001 aufgrund ihres Bescheides vom 10. August 2001 ergibt, scheidet auch eine Beendigung des Verletztengeldes aufgrund dieser Vorschrift aus.
Auf das von der Beklagten in den Mittelpunkt ihres Revisionsvorbringens gestellte Überschreiten der 78 Wochen seit dem Arbeitsunfall durch reinen Zeitablauf kommt es nicht an, wie der Senat schon im Urteil vom 13. September 2005 (B 2 U 4/04 R) ausgeführt hat. Das
SGB VII enthält keine Höchstgrenze von 78 Wochen für das Verletztengeld ( so auch die einhellige Auffassung in der Literatur: Benz/Köllner,
BG 2000, 39 ff; Jung in Wannagat,
SGB VII, Stand Dezember 2005, § 46 RdNr 8; Krasney in Brackmann, Gesetzliche Unfallversicherung, § 46 RdNr 27; Mehrtens in Gesetzliche Unfallversicherung,
SGB VII, Stand März 2007, § 46 RdNr 12; Nehls in Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand Februar 2007, § 46 RdNr 15). Der von der Beklagten angeführten Kommentarstelle von Fröhlke in Lauterbach ist nichts anderes zu entnehmen, wenn die wiedergegebene Aussage - eine Frist von 78 Wochen für das Verletztengeld ist grundsätzlich für den Unfallversicherungsträger verbindlich - nicht isoliert, sondern im Zusammenhang gelesen wird (vgl Fröhlke in Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Oktober 2006, § 46 RdNr 53, 48).
Da der Senat die notwendigen Tatsachenfeststellungen zur Beurteilung der umstrittenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 15. Januar 2000 bis zum 9. September 2001 als Revisionsgericht nicht selbst nachholen kann, ist das Urteil des
LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur Durchführung der entsprechenden Ermittlungen sowie einer erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes). Das
LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.