Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts und der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 8. September 2004 in der Fassung des Bescheides vom 25. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 sind aufzuheben.
Die der Berufung zugrunde liegende Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist, da Klagegegenstand allein die Herabsetzung des
GdB von 50 auf 30
bzw. 40 ist, die isolierte Anfechtungsklage im Sinne des § 54
Abs. 1 Satz 1 1. Alt. des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Würde der angefochtene Bescheid des Beklagten durch die Entscheidung des Senats aufgehoben, würde der ursprüngliche, einen
GdB von 50 feststellende Bescheid vom 22. Juni 1998 wieder aufleben.
Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Maßgeblicher Prüfungszeitpunkt ist insoweit entgegen der Einschätzung der Klägerin der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, hier also der Zeitpunkt, zu dem der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 16. April 2007 erlassen hat. Dass der Beklagte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, der Klage und der Berufung sowie die Regelung des
§ 116 Abs. 1 2. Halbsatz des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) beachtet hat, wonach die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen noch bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Herabsetzung des
GdB feststellenden Bescheides anzuwenden sind, ändert hieran nichts (
vgl. hierzu
z. B. Bundessozialgericht -
BSG -, Urteil vom 11. November 1996 -
9 RVs 5/95 -, zitiert nach juris).
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid, gegen den formelle Bedenken nicht bestehen, ist § 48
Abs. 1
SGB X. Danach ist ein - wie hier von Anfang an rechtmäßiger - Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Wege einer gebundenen Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Maßgebliche Bestimmung für die Feststellung des
GdB ist
§ 69 SGB IX. Nach
Abs. 1 Satz 1 der genannten Bestimmung stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, sind für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (vormals Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) herausgegebenen
AHP in ihrer jeweils geltenden Fassung zu beachten. Die
AHP sind zwar kein Gesetz und sind auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen worden. Es handelt sich jedoch bei ihnen um eine auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhende Ausarbeitung im Sinne von antizipierten Sachverständigengutachten, die die möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zum Ziel hat. Die
AHP engen das Ermessen der Verwaltung ein, führen zur Gleichbehandlung und sind deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden. Gibt es solche anerkannten Bewertungsmaßstäbe, so ist grundsätzlich von diesen auszugehen (
vgl. z. B. BSGE 91, 205), weshalb sich auch der Senat im vorliegenden Fall auf die genannten
AHP stützt.
Einzel-
GdB sind entsprechend diesen Grundsätzen als Grad der Behinderung in Zehnergraden entsprechend den Maßstäben des § 30
Abs. 1 BVG zu bestimmen. Für die Bildung des Gesamt-
GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69
Abs. 3
SGB IX die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander zu ermitteln, wobei sich nach Teil A
Nr. 19 der hier einschlägigen bis zum 31. Dezember 2007 geltenden
AHP 2005 die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von einer Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-
GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen
GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem
GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A
Nr. 19
Abs. 1, 3 und 4
AHP 2005, Seite 24
ff.).
Für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48
SGB X ist in Fällen der vorliegenden Art, in denen um die Entziehung oder Herabsetzung des
GdB gestritten wird, maßgeblich, ob in dem Gesundheitszustand des Betroffenen Änderungen eingetreten sind, die nachvollziehbar den Umfang der Funktionsbeeinträchtigungen vermindert haben. Für das Vorliegen dieser Änderung trifft den Beklagten, der sich in dem Entziehungs-
bzw. Herabsetzungsbescheid hierauf beruft, die materielle Beweislast.
Dies zu Grunde gelegt lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin im hier maßgeblichen Herabsetzungszeitpunkt (hier insbesondere im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung aufgrund des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007) im Vergleich zum Zeitpunkt der Bewilligung des
GdB am 22. Juni 1998 derart gebessert hat, dass ab dem 8. September 2004 der
GdB nur noch mit 30
bzw. ab dem 25. Januar 2006 nur noch mit 40 zu bewerten war.
Soweit es das Brustdrüsenleiden betrifft, ist der
GdB nach Ablauf der Heilungsbewährung von 5 Jahren zwar allein aufgrund der Teilresektion der rechten Brust nur noch mit einem Einzel-
GdB von 20 zu bewerten (
vgl. Teil A
Nr. 26.14
AHP 2005, Seite 94). Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Armes oder der Wirbelsäule als Operations- oder Bestrahlungsfolgen (
z.B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nervenläsionen, Fehlhaltung) sowie außergewöhnliche psychoreaktive Störungen, die eine Höherbewertung rechtfertigen können, sind zum hier maßgeblichen Herabsetzungszeitpunkt im April 2007 nicht belegt. So ergeben sich insbesondere aus dem Gutachten der Frau
Dr. E vom 24. September 2006, mithin zeitnah zum Entziehungszeitpunkt, keine wesentlichen Einschränkungen des rechten Schultergelenks, keine Lymphödeme des rechten Armes, keine Schwellungen und keine trophischen Störungen. Sie sind auch für die Zeit danach nicht belegt.
Indes ist durch die eingeholten medizinischen Erkenntnisse nicht der Nachweis geführt, dass zum hier maßgeblichen Herabsetzungszeitpunkt im April 2007 sowohl das Wirbelsäulenleiden als auch das psychische Leiden mit einem Einzel-
GdB von jeweils weniger als 30 zu bewerten war, so dass unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Wechselwirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen das Ausmaß der Behinderung auf unter 50 abgesunken wäre; diese Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Beklagten.
Hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens kann dahinstehen, ob dieses unter Berücksichtigung der Feststellungen, wie sie durch den Sachverständigen B getroffen worden sind, entgegen dessen Einschätzung anlässlich der Untersuchung im Dezember 2011 nur noch mit 20 zu bewerten ist. Denn selbst wenn dem so wäre, liegt dem offensichtlich allein, wie sich auch aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Frau
Dr. W vom 21. Februar 2012 ergibt, eine Verbesserung der Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde. Eine diesbezügliche Besserung indiziert indes, dass zuvor die Beeinträchtigung höher zu bewerten war, mithin davon auszugehen ist, dass im Zeitpunkt der Herabsetzung im April 2007 der
GdB für das Wirbelsäulenleiden noch mit 30 zu bewerten war. Jedenfalls ist insoweit durch den Beklagten nicht der Nachweis geführt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Besserung der Gestalt eingetreten ist, dass nur noch die Vergabe eines Einzel-
GdB von
max. 20 für das Wirbelsäulenleiden gerechtfertigt gewesen wäre.
Auch ist nicht erwiesen, dass das psychische Leiden im Herabsetzungszeitpunkt im April 2007 lediglich mit 20 zu bewerten war. Soweit das Sozialgericht in diesem Zusammenhang auf den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters
Dr. K vom 2. Oktober 2007 Bezug nimmt, ist darin zwar ausgeführt, dass keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis-/Gestaltungsfähigkeit bestehe, mithin keine Einschränkung, die nach Teil A
Nr. 26.3
AHP 2005,
S. 48, eine Bewertungsrahmen von 30 bis 40 eröffnet. Andererseits spricht
Dr. K von sozialen Anpassungsschwierigkeiten, mithin einer Begrifflichkeit, die nach vorgenannter
Nr. 26.3 des Teils A der
AHP, bei Vorliegen einer bereits mittelgradigen Ausprägung die Zuerkennung eines
GdB von 50 und mehr vorsieht. Zudem führt
Dr. K in seinem Befundbericht vom 5. November 2008 aus, dass in den letzten 3 Monaten eine gute Besserung eingetreten sei, so dass offen bleibt, ob der
GdB im Herabsetzungszeitpunkt im April 2007 mit unter 30 zu bewerten war, zumal die behandelnde Allgemeinmedizinerin
Dr. R in ihrem Befundbericht vom 4. August 2005 von einer schweren Angst- und Panikstörung bei noch erheblicher Einschränkung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben mit unveränderten v. a. nächtlichen Panikattacken spricht. Die insoweit bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der Bewertung der Höhe des
GdB für das psychische Leiden im Herabsetzungszeitpunkt im April 2007 konnten auch durch das eingeholte Sachverständigengutachten des Arztes B nicht in der Weise aufgeklärt werden, dass zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar belegt ist, dass zu vorgenanntem Zeitpunkt der
GdB mit weniger als 30 zu bewerten war.
Angesichts vorstehender Ausführungen ist nicht der Nachweis geführt, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, also im April 2007, der
GdB insgesamt mit weniger als 50 zu bewerten war. Dies geht zu Lasten des Beklagten, der sich hierauf beruft.
Dem Hilfsantrag des Beklagten, den Gesundheitszustand der Klägerin zum 22. Juni 1998 insgesamt zu ermitteln, war nicht zu entsprechen, weil es für die vorliegend auf § 48
SGB X gestützte Herabsetzungsentscheidung des Beklagten maßgeblich auf Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin mit Blick auf das Jahr 2007 ankommt und aufgrund der Krebserkrankung im Stadium der Heilungsbewährung im Jahr 1998 jedenfalls die Vergabe eines
GdB von insgesamt 50 gerechtfertigt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160
Abs. 2
SGG nicht gegeben sind.