Urteil
Übersendung von Formularen in barrierefreier Form

Gericht:

SG Hamburg 39. Kammer


Aktenzeichen:

S 39 AS 517/23


Urteil vom:

30.06.2023


Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger alle ihm ab dem 11. Dezember 2019 gegenüber erlassenen Bescheide sowie alle ihm bekanntzugebenden Bescheide und alle das beiderseitige Sozialrechtsverhältnis betreffenden Formulare (z.B. Weiterbewilligungsanträge sowie alle Vordrucke, die im Weiteren vom Kläger auszufüllen sind) zeitgleich mit der Versendung per Post auch in barrierefreier Form, d.h. als PDF-Dokument durch unverschlüsselte E-Mail, zur Verfügung zu stellen.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Landesrecht Hamburg

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übersendung seiner Bescheide und alle das beiderseitige Sozialrechtsverhältnis betreffenden Formulare vom Beklagten auch in barrierefreier Form, d.h. als PDF-Dokument durch unverschlüsselte E-Mail.

Der am xxxxx 1959 geborene, alleinstehende Kläger bezieht seit über 10 Jahren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von 100 (Schwerbehindertenausweis, Bl. 114R d. Prozessakte (PA)). Er ist blind (Merkzeichen BI), hat erhebliche Beeinträchtigungen der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) und ist hilflos im Sinne des Einkommenssteuergesetzes und daher berechtigt, eine Begleitperson bei der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel mitzunehmen (Merkzeichen H) (Bl. 114R d. PA).

Bereits im Jahr 2019 wandte sich der Kläger mit einer E-Mail vom 11. Dezember 2019 an den Geschäftsführer des Beklagten und bat um barrierefreie Kommunikation (vgl. Dok. 34 d. elektr. Verwaltungsakte 1 (elektr. VA)). Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 (Dok. 34 d. elektr. VA) führte das Kundenreaktionsmanagement gegenüber dem Kläger aus:

„Sie beziehen laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Aufgrund Ihrer Sehbehinderung ist es Ihnen kaum möglich, Schriftstücke in Papierform zu lesen. Eine spezielle Vorlesesoftware ermöglicht Ihnen jedoch einen barrierefreien Zugang zu digitalen Schriftsätzen im .docx oder .pdf Format. Aus diesem Grunde baten Sie um Kommunikation in elektronischer Form.

Jobcenter team.arbeit.hamburg kann Ihren Wunsch nachvollziehen, teilt jedoch mit, dass eine Kommunikation per E-Mail aus datenschutzrechtlichen Gründen nur dann möglich ist, wenn die E-Mail-Nachrichten verschlüsselt versendet werden können.

Ein verschlüsselter Versand von E-Mail-Nachrichten an Kundinnen und Kunden ist Jobcenter team.arbeit.hamburg technisch nur dann möglich, wenn die Empfängerseite über ein E-Mail- Programm, welches die S/MIME basierte E-Mail-Verschlüsselung unterstützt, sowie ein Zertifikat zur verschlüsselten E-Mail-Kommunikation verfügt. In der Anlage übersendet Jobcenter team.arbeit.hamburg Ihnen die Informationsbroschüre „E-Mail-Verschlüsselung für externe Kommunikationspartner“, welcher Sie die technischen Voraussetzungen entnehmen können. Jobcenter team.arbeit.hamburg bittet Sie, Ihren Standort über die Einrichtung der technischen Voraussetzungen zu informieren, sofern Sie sich hierzu entscheiden sollten.

Darüber hinaus teilt Jobcenter team.arbeit.hamburg mit, dass Kundinnen und Kunden von Jobcenter team.arbeit.hamburg mit der diesjährigen Einführung von jobenter.digital bereits die Möglichkeit erhalten haben, Weiterbewilligungsanträge und Veränderungsmitteilungen online an Jobcenter team.arbeit.hamburg zu übersenden. Eine Einsichtnahme in Bescheide von Jobcenter team.arbeit.hamburg oder eine Übersendung von Unterlagen durch Jobcenter team.arbeit.hamburg ist von diesem Online-Verfahren leider noch nicht umfasst.“

Am 27. Januar 2020 fand ein persönliches Gespräch der Mitarbeiter des Beklagten Herrn H. und Frau K. mit dem Kläger statt. In einer E-Mail an den Kläger vom 29. Januar 2020 fasste Herr H. das Gespräch wie folgt zusammen (Dok. 109 d. elektr. VA):

„Ich habe auf die durch Jobcenter team.arbeit.hamburg praktizierte datenschutzkonforme Übermittlung von Dokumenten an Dritte per verschlüsselter E-Mail, u.a. gem. Art. 32 DSGVO verwiesen. Zur Entschlüsselung müsste auf Empfängerseite ein Programm vorhanden sein, dass S/MIME basierte E-Mail-Verschlüsselung unterstützt sowie ein entsprechendes Zertifikat.

Die Nutzung von Datenträgern (Stick oder CD) ist bei Jobcenter team.arbeit.hamburg nicht erlaubt.

Sie wenden ein, dass Sie nicht über die techn. Voraussetzungen zur Entschlüsselung der von uns per E-Mail versandten Dokumente verfügen. Per Post an Sie versandte Dokumente lassen sich nach Ihren Angaben mit Ihrem Scanner nicht befriedigend lesbar machen. So werden z.B. Zahlen durch den Scanner nicht verlässlich wiedergegeben. Ihre Vorlesekraft kommt in zeitlich größeren Intervallen zu Ihnen nach Hause, so dass ggf. Fristen zur Abgabe von Unterlagen nicht eingehalten werden können. Mit anderen öffentlichen Einrichtungen wie z.B. der D. kommunizieren Sie nach Ihren Angaben per unverschlüsselter E-Mail.

Ich habe dann die zu prüfende Möglichkeit formuliert, dass ein IT-Spezialist aus unserem Hause Ihren Rechner mit der notwendigen Software zum Entschlüsseln versorgen könnte. Auf Nachfrage bei der zuständigen Abteilung muss ich Ihnen jedoch mitteilen, dass diese Möglichkeit aus haftungsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar ist.

Eine abschließende und für beide Seiten zufriedenstellende Lösung konnten wir leider nicht herbeiführen. Sie behalten sich den Rechtsweg vor. Ich habe meine Vorgesetzten über das Ergebnis unseres Gesprächs informiert.“

Mit E-Mail vom 6. Januar 2021 (Dok. 66 d. elektr. VA) führte der Kläger aus, er bitte seit 2007 um Übersendung der Bescheide in einer für ihn lesbaren Form („in Dateiform auf Datenträger“). Im Übrigen verwies er auf § 9 Abs. 2 Hamburgisches Behindertengleichstellungsgesetz (HmbBGG) sowie auf die §§ 1, 3 Abs. 2 und 3 Hamburgische Verordnung über barrierefreie Dokumente (HmbBDVO) (beides abrufbar unter: https://www.hamburg.de /skbm/1926790/gesetze, zuletzt aufgerufen am: 5. Juli 2023). Das bisher vom Beklagten dargelegte Angebot zur Übersendung lediglich verschlüsselter E-Mails erfordere ein kostenpflichtiges Zertifikat und ein sehr hohes technisches Knowhow des blinden Kunden, was wie eine weitere Barriere wirke.

Aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 30. September 2021 (Dok. 75 d. elektr. VA) an den Kläger, mit welchem dieser aufgefordert worden war, zur Prüfung des Eintritts des Rentenalters eine Rentenauskunft der D. beim Beklagten einzureichen, wandte sich der Kläger an die D..

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2021 (Dok. 78 d. elektr. VA) führte die D. aus:

„Sehr geehrter Herr A.,

Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie eine barrierefreie Kommunikation mit der D. wünschen. Dieser Aufforderung möchten wir gern nachkommen. Sie erhalten mit diesem Dokument allgemeine Informationen über die barrierefreie Kommunikation. Mit der barrierefreien Kommunikation können Sie Dokumente in Großdruck, Braille, als Schrift-Textdatei auf CD oder als Hörmedium erhalten. Sie haben sich bereits für die Dokumentenform Schrift-Textdatei auf CD entschieden. Zusätzlich zu dem Schwarzschriftprodukt auf Papier erhalten Sie künftig das von Ihnen ausgewählte barrierefreie Dokument. Wir weisen daraufhin, dass nur das Papierdokument in Schwarzschrift für die Rechtswirkung dieses Dokuments maßgebend ist. Wir werden Ihnen zukünftig gewünschte barrierefreie Dokumente zu Dokumenten in Schwarzschrift auf Papier senden. Wir sind bemüht, eine höchstmögliche Qualität von barrierefreien Dokumenten zu gewährleisten. Sollte sich ein barrierefreies Dokument als fehlerhaft erweisen, teilen Sie uns dies bitte mit. Sie können uns unter der oben genannten Adresse erreichen.“

Überdies erklärte die D., die Regelaltersrente beginne ab dem 1. November 2025 (Dok. 80 d. elektr. VA).

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 (Dok. 95 d. elektr. VA) wiederholte der Kläger seine Forderungen aus dem Schreiben vom 6. Januar 2021 (s.o.).

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 (Dok. 110 d. elektr. VA) führte der Beklagte dazu aus:

„Sie beantragen erneut die barrierefreie Übersendung Ihres Bescheides auf einem Datenträger. Ergänzend führen Sie hierzu Paragraphen aus der HmbBDVO und weitere auf.

Bereits im Dezember 2019 haben Sie nach abschließender Prüfung zu diesem Thema eine ausführliche Antwort unserer Rechtsstelle erhalten. An der damaligen Rechtsauffassung hat sich seit diesem Zeitpunkt keine Änderung ergeben. Die Übersendung der Bescheide wird daher in gewohnter Form erfolgen.“

Am 9. Juni 2022 hat der Kläger beim Sozialgericht Hamburg Klage eingereicht (Bl. 1 ff. d. PA). Diese wurde zunächst unter dem Az. S 7 BL 2/22 (BL für Streitigkeiten aus den Blindengeld- und Blindenhilfegesetzen der Länder) geführt und wurde aufgrund des Hinweises der Vorsitzenden der Kammer 7 BL vom 27. Februar 2023 (Bl. 36 d. PA) einer AS-Kammer (AS für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende) zugeteilt, nun mit dem Az. S 39 AS 517/23.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er könne wegen seiner Sehbehinderung, die ihm zugesandten Briefe nicht selbst lesen (Bl. 3 d. PA). Er bitte um eine Zusendung in einer für ihn lesbaren bzw. wahrnehmbaren Form, vornehmlich als PDF-Datei, da er diese mithilfe seines PCs in für ihn lesbare Dokumente mit Braille-Schrift umwandeln könne (vgl. auch Bl. 39 d. PA). Das M. E-Mail-Postfach sei für ihn barrierefrei zu verwenden, da dort sein Scanner (eine Texterkennungssoftware) die einfache Oberflächenstruktur des Programms erkennen könne. Über eine besondere Tastatur werde mithilfe des Scanners der Text in Braille-Schrift angezeigt und parallel vorgelesen (Bl. 110 d. PA). Einen Internetbrowser (etwa G. oder I.) könne der Kläger nicht bedienen. Dafür fehle ihm eine entsprechende kostenpflichtige Schulung. Wenn er einen Browser öffne, zeige eine jede Homepageoberfläche für seinen Scanner bis zu 500 verschiedene Textzeilen und Links an, aus denen der Kläger nicht einfach herausfiltern könne, wo die für ihn relevante Information stehe (Bl. 110 d. PA). Im Weiteren sei eine Übersendung der Bescheide bis vor einigen Jahren problemlos barrierefrei möglich gewesen (Bl. 110 d. PA). Auch Terminvereinbarungen und Besprechungen mit dem/der Sachbearbeiter/in hätten am Telefon durchgeführt werden können (Bl. 110 d. PA). Derzeit würden ihm Briefe von einer ihn unregelmäßig besuchenden Vorlesekraft vorgelesen, die allerdings 15,00 EUR pro Stunde koste und zu welcher der Kläger nach dem Ableben der vorherigen Vorlesekraft bisher keine intensive Vertrauensbeziehung habe aufbauen können, sodass etwa eine Erarbeitung eines Widerspruchs mit dieser nicht möglich sei (Bl. 111 d. PA). Schließlich lägen die Bedenken des Beklagten, eine Übersendung sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich, neben der Sache, da zu schützende Daten allein die Daten des Klägers seien (Bl. 39 d. PA).


Der Kläger beantragt (Bl. 112 d. PA),

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger alle ihm ab dem 11. Dezember 2019 gegenüber erlassenen Bescheide sowie alle ihm bekanntzugebenden Bescheide und alle das beiderseitige Sozialrechtsverhältnis betreffenden Formulare (z.B. Weiterbewilligungsanträge sowie alle Vordrucke, die im Weiteren vom Kläger auszufüllen sind) zeitgleich mit der Versendung per Post auch in barrierefreier Form, d.h. als PDF-Dokument durch unverschlüsselte E-Mail, zur Verfügung zu stellen.


Der Beklagte beantragt (Bl. 112 d. PA),

die Klage abzuweisen.

Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus, der Kommunikation in elektronischer Form könne nicht ohne Weiteres entsprochen werden. Eine Kommunikation sei aus datenschutzrechtlichen Gründen (Art. 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (DSGVO)) nur dann möglich, wenn die E-Mail-Nachrichten verschlüsselt versendet werden könnten (Bl. 111 d. PA). Ein verschlüsselter Versand von E-Mail-Nachrichten an Kundinnen und Kunden sei dem Beklagten technisch nur dann möglich, wenn die Empfängerseite über ein E-Mail-Programm, welches S/MIME basierte E-Mail-Verschlüsselung unterstütze, sowie ein Zertifikat zur verschlüsselten E-Mail-Kommunikation verfüge (Bl. 6 d. PA). Im Weiteren übersendete der Beklagte die Informationsbroschüre „E-Mail-Verschlüsselung für externe Kommunikationspartner“ (Bl. 11 ff. d. PA), welcher die technischen Voraussetzungen entnommen werden könnten. Der Beklagte bitte den Kläger, seinen Standort über die Einrichtung der technischen Voraussetzungen zu informieren, sofern er sich hierzu entscheiden sollte. Überdies bestehe leider die Möglichkeit einer Einsichtnahme in Bescheide des Beklagten oder eine Übersendung von Unterlagen durch den Beklagten auch über das 2019 eingeführte Jobcenter.digital (noch) nicht. Die Herbeiführung der beschriebenen technischen Voraussetzungen sei demnach eine unabdingbare Voraussetzung für eine elektronische Kommunikation.

In der Informationsbroschüre „E-Mail-Verschlüsselung für externe Kommunikationspartner“ der Bundesagentur für Arbeit (Stand: 4. März 2022) wird ausgeführt:

„Die Verschlüsselung von E-Mails gewährleistet die Vertraulichkeit der übertragenen Daten. Sie stellt sicher, dass die übertragenen Daten tatsächlich nur von den dafür vorgesehenen Kommunikationspartnern eingesehen und gelesen werden können. Eine verschlüsselte E-Mail hat in etwa dieselben Sicherheitseigenschaften wie eine Postkarte. Diese ist auf dem Weg vom Absender bis zum Empfänger von jedermann lesbar.“ (Ziff. 1.1, Bl. 14 d. PA)

„Um verschlüsselte E-Mails senden und empfangen zu können, benötigen Sie für Ihre E-Mail-Adresse ein Zertifikat und den zugehörigen privaten Schlüssel. Dieses kann z.B. von einem Trustcenter (Vertrauensdiensteanbieter) ausgestellt werden.“ (Ziff. 2.2, Bl. 15 d. PA)

Überdies führt der Beklagte aus, mit den sog. „E-Services“ bestehe eine weitere Möglichkeit, um Bescheide auf dem elektronischen Wege zu empfangen. Das Angebot sei (noch) eingeschränkt, denn es könnten lediglich (Widerspruchs-)Bescheide und keine einfachen Schreiben auf diesem Wege übersandt empfangen werden. Zudem sei zur Nutzung des „E-Services“ eine vorherige Registrierung erforderlich. Ergänzend werde auf das Informationsangebot der Bundesagentur für Arbeit zu den „E-Services“ für den Umfang der dargebotenen Leistungen verwiesen (Bl. 34 d. PA).

Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. März 2023 (Bl. 40 d. PA) hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Kläger nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anspruch nach § 9 Abs. 2 HmbBGG i.V.m. §§ 3, 5 HmbBDVO haben dürfte. Eine Zurückweisung aus Gründen des § 5 Abs. 2 Satz 3 HmbBDVO ist vom Beklagten nicht vorgetragen worden. Die im Schriftsatz des Beklagten vom 12. September 2022 (Bl. 6 f. d. PA) genannten Gründe dürften insofern nicht relevant sein. Zu Recht dürfte klägerseits darauf hingewiesen worden sein, dass bei der Übermittlung der Bescheide lediglich die eigenen Daten des Klägers übermittelt würden. Das Gericht hat den Beklagten vor diesem Hintergrund darum gebeten, binnen 3 Wochen ein Anerkenntnis abzugeben.

Daraufhin führte der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 30. März 2023 (Bl. 42 d. PA) aus, dass sich mit dem sog. „Postfachservice“ von Jobcenter.digital eine weitere direkte, den Anforderungen an die Barrierefreiheit entsprechende und datenschutzrechtlich sichere Möglichkeit der Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Beklagten ergebe (vgl. auch Bl. 108R d. PA). Er übermittelte für weitere Informationen die anliegende Weisung 202012002 vom 23. Dezember 2020 und verwies insbesondere auf Punkt 4 und den Anhang (Punkt 7). Zudem existiere ein Erklär-Video zu dem Angebot im Internet.

In der „Weisung 202012002 vom 23. Dezember 2020 – Einführung des Postfachservices SGB II im Online-Angebot jobcenter.digital“ (Bl. 48 ff. d. PA) wird ausgeführt:

„4. Info

Mit dem Postfachservice SGB II wird eine direkte, den Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechende und datenschutzrechtlich sichere Kommunikation zwischen den Kundinnen und Kunden und den gE auch für das Online-Angebot jobcenter.digital im Rechtskreis SGB II eingeführt.

Weiterführende Informationen zum Postfachservice SGB II sind in der Anlage aufgeführt.“

In der Anlage zur Weisung 202012002 (Bl. 53 ff. d PA) wird ausgeführt:

„Das Hochladen von Dateianhängen wird vorerst noch nicht möglich sein. Hinweis: Diese Funktionalität wird nach heutigem Planungsstand im Rahmen des Projektes JOBCENTER.DIGITAL II, welches ab dem 01.01.2021 startet, umgesetzt werden.“

Mit weiterem Schriftsatz vom 30. März 2023 (Bl. 45 f. d. PA) führte der Beklagte aus, es bleibe nach Ansicht des Beklagten bislang unberücksichtigt, dass der Beklagte eine verschlüsselte Übermittlung seiner Bescheide als PDF-Datei mittels E-Mail durchaus in Aussicht stelle. Der Beklagte halte dies für ein probates und praktikables Mittel, um dem Klagebegehren zu entsprechen. Er bat sowohl das Gericht als auch die Gegenseite um Prüfung und weitere Ausführungen, ob die Ausführungen des Beklagten zur E-Mail-Verschlüsselung Berücksichtigung gefunden hätten und ob dem klägerischen Begehren ggf. auf diese Weise entsprochen werden könne bzw. um die Benennung der Gründe, warum dies ggf. nicht der Fall sei. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die derzeitige Weisungslage eine unverschlüsselte Kommunikation – trotz Einwilligung des Kunden – verbiete. Diese sei nur in Einzelfällen unter strengen Voraussetzungen möglich. Es werde hierzu auf die Ausführungen in dem anliegenden „Rundschreiben Nr. 9 zum Datenschutz in den gemeinsamen Einrichtungen“ hingewiesen.

In dem „Rundschreiben Nr. 9 zum Datenschutz in den gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter)“ vom 16. Dezember 2022 (Bl. 58 ff. d. PA) wird ausgeführt:

„TOP 5: Unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation

Unter diesem Tagesordnungspunkt wurde erörtert, ob Kunden die Möglichkeit haben, in eine unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation einzuwilligen. Der B1 wies hierbei nochmal auf den DSK Beschluss aus dem Jahr 2021 hin (Beschluss vom 24.11.2021 „zu Möglichkeit der Nichtanwendung technischer und organisatorischer Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO auf ausdrücklichen Wunsch betroffener Personen“ (…)).

Grundsätzlich muss zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ der Datenverarbeitung unterschieden werden. Eingewilligt werden kann nur in das „Ob“ der Datenverarbeitung, nicht in das „Wie“. Bei der Verschlüsselung geht es um das „Wie“, also um die objektiven Anforderungen an die Übermittlung (technisch organisatorische Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO). Im Einzelfall kann nach dem o.g. DSK-Beschluss ausnahmsweise unter den folgenden Voraussetzungen in vertretbarem Umfang davon abgewichen werden:

- Der Wunsch nach unverschlüsselter E-Mail-Kommunikation muss vom Kunden ausdrücklich geäußert werden.

- Im konkreten Fall muss ein besonderer Grund für eine unverschlüsselte Kommunikation vorliegen.

- Eine unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation kann nur im Einzelfall erfolgen. Eine solche darf keinesfalls regelmäßig erfolgen.

Generell lässt sich somit festhalten, dass insbesondere beim Umgang mit sensiblen Sozialdaten konkrete Anforderungen an eine sichere Kommunikation, wie beispielsweise die Verschlüsselung, zu stellen sind. Kunden können grundsätzlich nicht wirksam eine unverschlüsselte Kommunikation einwilligen. Die von der DSK aufgestellten Voraussetzungen für Einzelfälle sind als absolute Ausnahmen anzusehen und kommen im Verwaltungsverfahren in der Arbeitsverwaltung regelmäßig nicht zur Anwendung.

Die BA führte ergänzend dazu aus, dass die Weisungslage eine unverschlüsselte Kommunikation verbiete. Eine verschlüsselte E-Mail-Kommunikation sei grundsätzlich auch für den Kunden möglich. Für die Verwendung des dafür erforderlichen Zertifikats stünden auch Arbeitshilfen bereit. Gleichwohl ist der BA bewusst, dass dies eine hohe Zugangshürde darstellt, vor allem, weil häufig zeitlicher Druck besteht. Als langfristiges und auch praktikables Ziel wurde die verbreitete Nutzung des e-Services formuliert, welche bisher regional sehr unterschiedlich angenommen werden.“

Mit Schreiben vom 3. April 2023 (Bl. 84 d. PA) hat das Gericht darauf hingewiesen, dass nach nochmaliger Durchsicht der von der Kammer 7 BL übernommenen Prozessakte bisher in keinem der dem Gericht vorliegenden Schriftsätze des Beklagten ein Angebot auf Übersendung von Bescheiden per PDF erfolgt ist. Es wurde lediglich im Schriftsatz vom 10. Januar 2023 auf die Nutzung des „E-Services" hingewiesen (Bl. 34 d. PA). Was genau dies bedeutet, wurde nicht dargelegt. Im Weiteren hat das Gericht darum gebeten, bereits in dem noch angekündigten Schriftsatz des Beklagten darzulegen, ob im vorliegenden Fall durch den Beklagten geprüft worden ist, ob hier ein Ausnahmefall nach Top 5 „Unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation“ des Rundschreibens Nr. 9 geprüft worden ist. Falls dies nicht geprüft worden sein sollte bzw. falls dies geprüft aber abgelehnt worden sein sollte, hat das Gericht um Darlegung der Gründe gebeten.

Mit Schreiben vom 17. April 2023 (Bl. 86 d. PA) führte der Beklagte aus, er sei davon ausgegangen, dass eine Übermittlung per E-Mail auch den Versand von PDF-Dateien inkludiere. Diese könnten der E-Mail als Anhang beigefügt werden. Mit dem verschlüsselten Versand von E-Mails, den „E-Services“ und dem Postfachservice existierten somit mehrere Möglichkeiten, um dem Kläger Schriftstücke in einer geeigneten Form zukommen zulassen. Überdies führte er aus, dass der unter Top 5 „Unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation“ des Rundschreibens Nr. 9 geschilderte Fall stets nur einen Einzelfall betreffen könne. In diesem Verfahren dürfte jedoch die fortdauernde Kommunikation bzw. der vielfache Versand von Schreiben begehrt werden, so dass die dort beschriebene Prüfung auch nicht vorgenommen worden sei.

Mit Schreiben vom 24. April 2023 (Bl. 87 d. PA) hat das Gericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers um Prüfung gebeten, ob die Benutzung des „E-Services“ und/oder des Postfachservices und der darin entsprechenden Übersendung von Bescheiden als PDF durch den Kläger möglich ist. Sollte der Kläger dies benutzen können, dürfte – so die vorläufige Einschätzung des Gerichts – das Klageziel erreicht werden können.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2023 (Bl. 99 f. d. PA) führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, es sei dem Kläger nicht möglich, Bescheide des Beklagten unter Benutzung des „E-Services“ und/oder des Postfachservices zu empfangen. Dies sei dem Beklagten auch bekannt. Es habe zu diesem Thema bereits am 27. Januar 2020 eine einstündige Besprechung im Hause des Beklagten zwischen dem Teamleiter Arbeitsvermittlung, Herrn H., und dem Kläger gegeben, in welchem dem Kläger angeboten worden sei, den „E-Service“ zu nutzen. Da der Kläger aber insoweit nicht über die technischen Voraussetzungen – insbesondere die betreffende Software – verfüge, habe der Beklagte prüfen wollen, inwieweit man dem Kläger helfen könne. Im Ergebnis habe Herr H. dies aus haftungsrechtlichen Gründen abgelehnt:

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die elektronischen Verwaltungsakten (1 bis 3) sowie die Prozessakte, insbesondere das Sitzungsprotokoll vom 30. Juni 2023, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, mit welcher der Kläger begehrt, den Beklagten zu verurteilen, ihm alle ab dem 11. Dezember 2019 gegenüber erlassenen Bescheide sowie alle ihm bekanntzugebenden Bescheide und alle das beiderseitige Sozialrechtsverhältnis betreffenden Formulare (z.B. Weiterbewilligungsanträge sowie alle Vordrucke, die im Weiteren vom Kläger auszufüllen sind) zeitgleich mit der Versendung per Post auch in barrierefreier Form, d.h. als PDF-Dokument durch unverschlüsselte E-Mail, zur Verfügung zu stellen, hat Erfolg.

Die Klage ist zulässig (dazu unter I.) und begründet (dazu unter II.).

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Das Sozialgericht ist sachlich zuständig, § 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Darunter fallen auch Rechtsstreitigkeiten, bei denen die betroffene Maßnahme in engem sachlichem Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II steht (BSG, Beschluss vom 1. April 2009, B 14 SF 1/08 R, juris Rn. 15 f.; Keller in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 51 SGG Rn. 29a). Die barrierefreie Kommunikation innerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten steht mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II in einem engen Zusammenhang (vgl. i.E. auch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Oktober 2012, L 18 AS 2413/12 B ER).

2. Statthaft ist die (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Denn das Begehren des Klägers ist auf schlichthoheitliches Verhalten des Beklagten (Realakt) gerichtet, hier auf die Übersendung aller ihm ab dem 11. Dezember 2019 gegenüber erlassenen Bescheide sowie aller ihm bekanntzugebenden Bescheide und aller das beiderseitige Sozialrechtsverhältnis betreffenden Formulare als PDF-Dokument durch unverschlüsselte E-Mail. Überdies kommt der Anspruch des Klägers ernsthaft in Betracht (vgl. dazu: Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 54 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 72), denn dieser ist Leistungsempfänger nach dem SGB II und blind (vgl. ausführlich unter II.).

II.

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat sowohl einen Anspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung (VBD) als auch nach § 9 Abs. 2 Hamburgisches Behindertengleichstellungsgesetz (HmbBGG) i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 Hamburgische Verordnung über barrierefreie Dokumente (HmbBDVO) (beides abrufbar unter: https://www.hamburg.de/skbm/1926790/gesetze, zuletzt aufgerufen am: 5. Juli 2023) (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Juni 2012, 7 A 10286/12, juris Rn. 31; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Oktober 2012, L 18 AS 2413/12 B ER, Rn. 4 f.; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2016, L 8 SO 10/14, juris Rn. 24, das auch ohne eine einfachgesetzliche (Landes-)Regelung einen Anspruch direkt aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) bejaht).

1. Ob aufgrund der Eigenschaft des Beklagten als gemeinsame Einrichtung i.S.d. §§ 6d, 44b Abs. 1 SGB II und damit als öffentlich-rechtlicher Gesellschaft sui generis (siehe nur: BSG, Urteil vom 18. Januar 2011, B 4 AS 14/10 R, juris Rn. 9; vgl. zum Meinungsstand der Rechtsnatur: Weißenberger in: Eicher/Luik/Harich, SGB II-Kommentar, 5. Aufl. 2021, § 44b SGB II Rn. 12 m.w.N.) die bundesrechtlichen Regelungen des BGG i.V.m. der VBD oder die landesrechtlichen Regelungen des HmbBGG i.V.m. der HmbBDVO im hiesigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten Anwendung finden, kann dahinstehen.

Denn schon die einzelnen Vertragspartner des Beklagten als gemeinsame Einrichtung (Bürgerschafts-Drs. 19/8032, S. 4, 6) sind an das jeweilige Bundes- (BGG i.V.m. der VBD) bzw. Landesrecht (HmbBGG i.V.m. der HmbBDVO) gebunden. Die Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch die Agentur für Arbeit Hamburg, ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 393 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III)) und unterfällt damit gemäß § 1 Abs. 1a Nr. 1 BGG der Anwendung des (bundesrechtlichen) Behindertengleichstellungsgesetzes. Die Freie und Hansestadt Hamburg unterfällt gemäß § 2 Abs. 1, 2 HmbBGG dem (landesrechtlichen) Hamburgischen Behindertengleichstellungsgesetz.

Die Besonderheit des durch öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. Bürgerschafts-Drs. 19/8032, S. 4, 6) errichteten Beklagten als gemeinsame Einrichtung und damit der Erschaffung einer Mischbehörde aus Bundes- und Landesbehörde (BT-Drs. 17/1555, S. 23; vgl. auch Art. 91e Abs. 1 Grundgesetz (GG)) führt im hiesigen Fall nicht dazu, dass zu entscheiden ist, welches Recht Anwendung findet. Denn sowohl das Landes- als auch das Bundesrecht eröffnen dem Kläger eine gleichwertige Anspruchsgrundlage (zur Problematik, ob bei der gemeinsamen Einrichtung als Mischbehörde Landes- oder Bundesrecht anwendbar ist, siehe etwa: BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007, 2 BvR 2433/04, juris Rn. 193; siehe auch zum Problem, welches Vollstreckungsrecht gegenüber einer gemeinsamen Einrichtung Anwendung findet: Schneider, SGb 2018, S. 605 ff.). Die sich aus dem Landes- und Bundesrecht hinsichtlich der Anspruchsgrundlage zu prüfenden Unterschiede sind nur marginal (s.u. die unterstrichenen Textpassagen).

§ 9 Abs. 2 HmbBGG bestimmt:

„Blinde und sehbehinderte Menschen können von den Trägern öffentlicher Gewalt zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Satz 2 insbesondere verlangen, dass ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Formulare ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Art und Weise die in Satz 1 genannten Dokumente blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

§ 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGG bestimmt:

„Blinde und sehbehinderte Menschen können zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 insbesondere verlangen, dass ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bei welchen Anlässen und in welcher Art und Weise die in Absatz 1 genannten Dokumente blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

§ 3 Abs. 1 HmbBDVO bestimmt:

„Die Dokumente können den Berechtigten schriftlich, elektronisch, akustisch, mündlich oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht werden.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

§ 3 Abs. 1 VBD bestimmt:

„Die Dokumente können den Berechtigten schriftlich, elektronisch, akustisch, mündlich oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht werden.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3 HmbBDVO bestimmt:

„Der Anspruch der Berechtigten nach § 9 Absatz 1 Satz 2 HmbGGbm besteht, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Dabei ist insbesondere der individuelle Bedarf der Berechtigten zu berücksichtigen.

Die Berechtigten haben nach Maßgabe des Absatzes 1 ein Wahlrecht zwischen den in § 3 genannten Formen der Zugänglichmachung. Die Berechtigten haben dazu der Behörde oder sonstigen Einrichtung der Verwaltung nach § 1 Absatz 2 (Behörde oder sonstige Einrichtung) rechtzeitig mitzuteilen, in welcher Form und mit welchen Maßgaben die Dokumente zugänglich gemacht werden sollen. Die Behörde oder sonstige Einrichtung kann die ausgewählte Form, in der Dokumente zugänglich gemacht werden sollen, zurückweisen, wenn sie ungeeignet ist oder in sonstiger Weise den Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht entspricht.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

§ 5 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VBD bestimmt:

„Die Berechtigten haben nach Maßgabe des Absatzes 1 ein Wahlrecht zwischen den in § 3 genannten Formen, in denen Dokumente zugänglich gemacht werden können. Die Berechtigten haben dazu dem Träger öffentlicher Gewalt rechtzeitig mitzuteilen, in welcher Form und mit welchen Maßgaben die Dokumente zugänglich gemacht werden sollen. Der Träger öffentlicher Gewalt kann die ausgewählte Form, in der Dokumente zugänglich gemacht werden sollen, zurückweisen, wenn sie ungeeignet ist.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

Dies betrifft zum einen die Begriffe „Formulare“ (§ 9 Abs. 2 Satz 1 HmbBGG) und „Vordrucke“ (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BGG), die nach Ansicht des Gerichts jedoch Synonyme für solche Schriftstücke sind, die vom Beklagten an den Kläger übersandt werden, damit dieser sie in einem weiteren Schritt auszufüllen hat. Dies sind etwa Weiterbewilligungsanträge, die Anlagen „KDU“ (Kosten der Unterkunft) oder „VM“ (Vermögensverhältnisse).

Zum anderen betrifft dies die Möglichkeit der jeweiligen Einrichtung, die ausgewählte Form, in der Dokumente zugänglich gemacht werden sollen, zurückweisen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 3 HmbBDVO kann sie dies, wenn die ausgewählte Form, in der Dokumente zugänglich gemacht werden sollen, „ungeeignet ist oder in sonstiger Weise den Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht entspricht“. § 5 Abs. 1 HmbBDVO, auf den sich der Abs. 2 Satz 3 bezieht, führt aus, der Anspruch der Berechtigten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 HmbBGG bestehe, „soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Dabei ist insbesondere der individuelle Bedarf der Berechtigten zu berücksichtigen“. Nach § 5 Abs. 2 Satz 3 VBD kann die ausgewählte Form, in der Dokumente zugänglich gemacht werden sollen, nur zurückgewiesen werden, wenn sie „ungeeignet“ ist. Die Erweiterung der landesrechtlichen Regelung auf den Zusatz „in sonstiger Weise den Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht entspricht“ stellt jedoch lediglich eine inhaltliche Spezifizierung und weitergehende Umschreibung des Begriffes „ungeeignet“ dar und sollte nach Ansicht des Gerichts der Einrichtung gerade keine weitere Zurückweisungsmöglichkeit eröffnen. Dies zeigt insbesondere die Begründung zur HmbBDVO (ebenfalls abrufbar unter: https://www.hamburg.de/skbm/1926790/gesetze, zuletzt aufgerufen am: 5. Juli 2023). Dort heißt es zu § 5 HmbBDVO:

„Bei der Entscheidung darüber, ob die von der blinden oder sehbehinderten Person gewählte Form der Zugänglichmachung nach Satz 3 als ungeeignet zurückgewiesen wird, sind die von der behinderten Person geltend gemachten Interessen an der von ihr gewählten Form der Zugänglichmachung angemessen zu berücksichtigen.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

2. Der Kläger ist Berechtigter nach dem BGG (§ 3 BGG) i.V.m. § 1 Abs. 1 VBD sowie nach dem HmbBGG (§ 3 HmbBGG) i.V.m. § 1 Abs. 1 HmbBDVO, denn er hat einen Grad der Behinderung von 100 (Schwerbehindertenausweis, Bl. 114R d. PA), weil er blind ist.

3. Der Kläger hat sein Wahlrecht bereits im November 2019 dahingehend ausgeübt, dass er die elektronische Übersendung entsprechender Dokumente als PDF-Datei begehrte (vgl. Dok. 34 d. elektr. VA). Im weiteren Verlauf eröffnete er dem Beklagten sogar eine weitere Möglichkeit, etwaige Dokumente auch auf einem Datenträger gespeichert an ihn zu übermitteln (vgl. etwa: Dok. 66, 109 f. d. VA). Auch im hiesigen Verfahren gab der Kläger an, eine Übersendung als PDF-Datei mit unverschlüsselter E-Mail sei vorzugswürdig, eine Übersendung eines Datenträgers mit den gespeicherten Dokumenten per Post sei aber ebenfalls möglich (vgl. etwa Bl. 39, 100 d. PA).

4. Der Beklagte kann die Form, in der die Dokumente zugänglich gemacht werden sollen – hier als PDF-Dokument übersendet mit unverschlüsselte E-Mail – nicht als ungeeignet i.S. des § 5 Abs. 2 Satz 3 HmbBDVO bzw. des § 5 Abs. 2 Satz 3 VBD zurückweisen. Die vom Beklagten vorgetragenen Gründe greifen nicht durch. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass – wie bereits unter Punkt I.1. ausgeführt – bei der Geeignetheitsprüfung die von der Person mit Behinderung geltend gemachten Interessen an der von ihr gewählten Form angemessen zu berücksichtigen sind.

a) Die vom Beklagten vorgetragenen datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Übersendung der Bescheide und Formulare als PDF-Dokument mit unverschlüsselter E-Mail greifen nicht durch. Denn der Kläger hat in die Verarbeitung eingewilligt (dazu unter aa)), eine Abwägung nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO steht einer Übersendung nicht entgegen (dazu unter bb)) und eine Übersendung an den Kläger selbst stellt schon keine Übermittlung i.S.d. §§ 67b ff. SGB X (dazu unter cc)).

aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (DSGVO) ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat. Diese Einwilligung hat der Kläger bereits mit der Anfrage einer Übersendung mit unverschlüsselter E-Mail gegeben.

bb) Gemäß Art. 32 Abs. 1 DSGVO treffen unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten; diese Maßnahmen schließen gegebenenfalls unter anderem die Verschlüsselung personenbezogener Daten ein (lit. a) Alt. 2). Gemäß Art. 32 Abs. 2 DSGVO sind bei der Beurteilung des angemessenen Schutzniveaus besonders die Risiken zu berücksichtigen, die mit der Verarbeitung verbunden sind, insbesondere durch Vernichtung, Verlust, Veränderung oder unbefugte Offenlegung von bzw. unbefugten Zugang zu personenbezogenen Daten, die übermittelt, gespeichert oder auf andere Weise verarbeitet wurden. Dabei wird deutlich, der vom Beklagten als datenschutzrechtliches Hindernis in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Art. 32 DSGVO (vgl. Bl. 111 d. PA) verlangt keine Datensicherheit um jeden Preis. Vielmehr muss eine Abwägung zwischen Schutzzweck und Aufwand vorgenommen werden (vgl. Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO/BDSG-Kommentar, 7. Erg.-Lf. 2023, Art. 32 DSGVO, Rn. 3). Zur Bestimmung der geeigneten und angemessenen Maßnahmen ist die Verhältnismäßigkeit zwischen folgenden Aspekten herzustellen: dem Stand der Technik, also das technisch Mögliche und Erprobte, den Kosten, die Art und Weise der Verarbeitung und den Risiken für die Rechte und Freiheiten der natürlichen Person, also der mögliche Schaden (vgl. Schaffland/Holthaus in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO/BDSG-Kommentar, 7. Erg.-Lf. 2023, Art. 32 DSGVO, Rn. 3). Vorliegend ist der (mögliche) Schaden, zum einen die Verletzung des Grundrechts des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und zum anderen die Verletzung seines subjektiven Abwehrrechts aus dem Benachteiligungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (vgl. dazu etwa: BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2021, 1 BvR 1541/20, juris Rn. 93, 96).

Zunächst hat der Beklagte nicht nachgewiesen, eine etwaige Abwägung nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO überhaupt vorgenommen zu haben. Im Weiteren verletzt der Beklagte – ohne sich damit angemessen auseinanderzusetzen – das verfassungsrechtlich verankerte und sowohl landes- als auch bundesrechtlich ausgeformte Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderung in erheblicher Weise. Es leuchtet dem Gericht nicht ein – auch weil der Beklagte etwaige technische Nachweise innerhalb der gesamten Verfahrensdauer von einem Jahr nicht vorgebracht hat –, aus welchem Grund der Schutz der Daten des Klägers – in dessen unverschlüsselte Übermittlung er zur Durchsetzung seines Rechtes auf Gleichbehandlung längst eingewilligt hat (s.o.) – dem Recht übergeordnet werden soll, nicht benachteiligt zu werden. Das pauschalierte Vorbringen des Beklagten es sei aufgrund von „Datenschutz“ und „Weisungen“ nicht möglich, dem Kläger per unverschlüsselter E-Mail seine Bescheide und Formulare barrierefrei zu übersenden, zeigt vielmehr, dass der Beklagte seinen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. dazu etwa: BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2021, 1 BvR 1541/20, juris Rn. 96) in besonderem Maße verletzt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass etwa die D. (und auch alle anderen Behörden Hamburgs) ohne Probleme barrierefrei mit dem Kläger kommunizieren (vgl. Schreiben der D. vom 26. Oktober 2021 (Dok. 78 d. elektr. VA)).

cc) Gemäß § 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X ist die Übermittlung von Sozialdaten durch die in § 35 des Sozialgesetzbuches, Erstes Buch (SGB I), genannten Stellen zulässig, soweit die dem § 67b SGB X nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvorschrift im SGB X es erlauben oder anordnen. Nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind, erforderlich ist.

Bei einer Übersendung von Bescheiden und Formularen an den Kläger selbst handelt es sich jedoch schon nicht um eine „Übermittlung“ von Sozialdaten i.S.d. SGB X. Denn der Kläger ist im Hinblick auf seine eigenen personenbezogenen Daten schon nicht „Dritter“ (vgl. § 67d Abs. 1 Satz 1 SGB X; Dritter ist auch nicht der Prozessbevollmächtigte: vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Januar 2012, L 11 AS 500/11 B, juris Rn. 14; Fromm in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 69 SGB X, (Stand: 2. Mai 2018), Rn. 22).

b) Auch die weiteren Ausführungen des Beklagten, aus welchem Grund es bei der Übersendung von Bescheiden und Formularen an den Kläger einer E-Mail-Verschlüsselung bedarf, greifen nicht durch.

In der verwaltungsinternen Informationsbroschüre „E-Mail-Verschlüsselung für externe Kommunikationspartner“ der Bundesagentur für Arbeit (Stand: 4. März 2022) wird ausgeführt:

„Die Verschlüsselung von E-Mails gewährleistet die Vertraulichkeit der übertragenen Daten. Sie stellt sicher, dass die übertragenen Daten tatsächlich nur von den dafür vorgesehenen Kommunikationspartnern eingesehen und gelesen werden können.“ (Ziff. 1.1, Bl. 14 d. PA)

„Um verschlüsselte E-Mails senden und empfangen zu können, benötigen Sie für Ihre E-Mail-Adresse ein Zertifikat und den zugehörigen privaten Schlüssel. Dieses kann z.B. von einem Trustcenter (Vertrauensdiensteanbieter) ausgestellt werden.“ (Ziff. 2.2, Bl. 15 d. PA)

Der Kläger hat jedoch in die „Gefahren“ des Vertrauensverlustes eingewilligt, weshalb es für das Gericht nicht nachvollziehbar ist, warum es einer Verschlüsselung bedarf (s.o.).

Überdies kostet ein entsprechendes Verschlüsselungszertifikat (S/MIME) nach Recherche des Gerichts ca. 45,00 EUR, welches sodann beim Kläger eingerichtet werden müsste, was u.U. weitere Kosten nach sich zöge. Dies widerspräche wiederum der Vorgabe nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BGG bzw. § 9 Abs. 2 Satz 1 HmbBGG, Bescheide und Formulare ohne zusätzliche Kosten blinden und sehbehinderten Menschen auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

c) Im Weiteren lässt selbst das verwaltungsinterne „Rundschreiben Nr. 9 zum Datenschutz in den gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter)“ des Beklagten vom 16. Dezember 2022 (Bl. 58 ff. d. PA) eine Abweichung des Vorrangs des Datenschutzes im Einzelfall zu. Unter Top 5 wird dort ausgeführt:

„Im Einzelfall kann nach dem o.g. DSK-Beschluss (Einfügung d. Vors.: Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, zur Möglichkeit der Nichtanwendung technischer und organisatorischer Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO auf ausdrücklichen Wunsch betroffener Personen vom 24. November 2021, abrufbar unter: https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/dskb/20211124_TOP_7_Beschluss_Verzicht_auf_TOMs.pdf, zuletzt aufgerufen am: 5. Juli 2023) ausnahmsweise unter den folgenden Voraussetzungen in vertretbarem Umfang davon abgewichen werden:

- Der Wunsch nach unverschlüsselter E-Mail-Kommunikation muss vom Kunden ausdrücklich geäußert werden.

- Im konkreten Fall muss ein besonderer Grund für eine unverschlüsselte Kommunikation vorliegen.

- Eine unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation kann nur im Einzelfall erfolgen. Eine solche darf keinesfalls regelmäßig erfolgen.

Generell lässt sich somit festhalten, dass insbesondere beim Umgang mit sensiblen Sozialdaten konkrete Anforderungen an eine sichere Kommunikation, wie beispielsweise die Verschlüsselung, zu stellen sind. Kunden können grundsätzlich nicht wirksam eine unverschlüsselte Kommunikation einwilligen. Die von der DSK aufgestellten Voraussetzungen für Einzelfälle sind als absolute Ausnahmen anzusehen und kommen im Verwaltungsverfahren in der Arbeitsverwaltung regelmäßig nicht zur Anwendung.“ (Hervorh. d. d. Vors.)

Auf den gerichtlichen Hinweis vom 3. April 2023 (Bl. 84 d. PA), ob und wenn nein, warum eine Einzelfallprüfung vorgenommen worden ist, führte der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. April 2023 (Bl. 86 d. PA) aus, der unter Top 5 geschilderte Fall betreffe stets nur einen Einzelfall. Im hiesigen Fall dürfte der vielfache Versand von Schreiben begehrt werden, sodass die dort beschriebene Einzelfallprüfung nicht vorgenommen worden sei.

Nach Ansicht des Gerichts ist vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen die Ausnahmeregelung weit zu fassen und darf auch im Einzelfall – hier der Kommunikation mit dem blinden Kläger generell – „regelmäßig“ erfolgen. Der Ausschluss der Regelmäßigkeit ist ebenfalls weit zu fassen. Gemeint sein dürfte eine insbesondere vor dem ansonsten in erheblicher Weise verletzten Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG fallübergreifende regelmäßige Kommunikation.

d) Schließlich ist der Hinweis des Beklagten auf den Postfachservice im Online-Angebot des Jobcenters.digital nicht zielführend.

Zwar wird in der Anlage zur Weisung 202012002 (Bl. 52 d. PA) ausgeführt:

„Das Hochladen von Dateianhängen wird vorerst noch nicht möglich sein. Hinweis: Diese Funktionalität wird nach heutigem Planungsstand im Rahmen des Projektes JOBCENTER.DIGITAL II, welches ab dem 01.01.2021 startet, umgesetzt werden.“

Allerdings konnte der Beklagte zum einen keine Nachweise dafür erbringen, dass ein Herunterladen aller (Widerspruchs-)Bescheide und Formulare durch die Leistungsberechtigten möglich ist (Bl. 111 d. PA). Auch die Ermittlungen durch das Gericht – insbesondere das Abspielen des Videos zur Erklärung des Postfachservices (abrufbar unter: https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslos-arbeit-finden/buergergeld/erklaer-videos-buergergeld/erklaer-video-postfachservice, zuletzt aufgerufen am: 5. Juli 2023) ergab lediglich, dass „wichtige Nachrichten“ als PDF heruntergeladen werden können. Ob dies auch (Widerspruchs-)Bescheide umfasst, bleibt offen.

Dies kann allerdings auch deshalb dahinstehen, weil der Kläger dem Gericht überzeugend dargelegt hat, dass für ihn schon das Öffnen eines Browsers – den es unstreitig für die Benutzung des Postfachservices des Beklagten bedarf – nicht möglich ist. Es fehlt dem Kläger eine etwaige Schulung, da er ansonsten mithilfe seiner Scannersoftware schon einfache Homepages nicht besuchen kann (Bl. 110 d. PA).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R9685


Informationsstand: 30.01.2024