Die zulässige Berufung ist auch im Wesentlichen begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Der Kläger hat bezüglich der Versorgung mit einem einsitzigen Elektrofahrzeug mit Kabine eine zulässige Klageänderung nach § 99
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) vorgenommen. Die Beklagte hat in die Klageänderung eingewilligt. Dies wird unwiderruflich vermutet, wenn sich die Beklagte, wie im vorliegenden Fall, ohne Widerspruch sowohl schriftsätzlich als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 10. Auflage 2012, § 99
Rdnr. 9). Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist bezüglich der prinzipiellen Versorgung des Klägers mit einem Elektrofahrzeug (von der Beklagten ausweislich des streitgegenständlichen Bescheides als Versorgung mit der Gattung "elektrisches Sonderfahrzeug
bzw. Krankenfahrstuhl" bezeichnet) ein Vorverfahren durchgeführt worden.
Es verstößt zudem nicht gegen die im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Prozessvoraussetzung eines bestimmten Klageantrags, dass der Kläger lediglich allgemein beantragt, ihm ein einsitziges Elektrofahrzeug mit Kabine zur Verfügung zu stellen, und offen lässt welcher Gerätetyp
bzw. welches spezielle Fabrikat in Betracht kommen soll und ob dieses übereignet oder nur leihweise
bzw. gebraucht zur Verfügung gestellt wird. Die Klage auf eine nur allgemein beschriebene Leistung ist zulässig, wenn die Entscheidung über die Art der Gewährung und auch die Spezifizierung der geschuldeten Leistung im Zusammenwirken der Behörde mit dem Leistungsempfänger erfolgt. Dies gilt zumindest dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beteiligten im Fall der Verurteilung der Behörde über die Auswahl streiten werden (Bundessozialgericht, Urteile vom 3. November 1999,
B 3 KR 16/99 R und vom 7. Oktober 2010,
B 3 KR 13/09 R). Dies ist vorliegend nach der durchgeführten Erprobung der verschiedenen Möglichkeiten der Versorgung des Klägers zwischen den Beteiligten nicht mehr der Fall. Als Elektrofahrzeug (als solches bezeichnet das Bundessozialgericht das Fahrzeug "Graf Carello" im Rahmen der Entscheidung vom 24. Mai 2006,
B 3 KR 12/05 R) kommt für den Kläger lediglich das Modell "Graf Carello Solo" in Betracht. Dies haben die beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28. August 2012 ausdrücklich zu Protokoll erklärt.
Die Klage ist auch im Wesentlichen begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Versorgung mit einem einsitzigen Elektrofahrzeug ohne Kabine mit einer gedrosselten Höchstgeschwindigkeit von 6
km/h.
Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V aus der gesetzlichen Krankenversicherungsversorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Behandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß
§ 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R).
Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruches nach § 33
Abs. 1 Satz 1 3. Alternative
SGB V im Sinne eines so genannten mittelbaren Behinderungsausgleichs sind erfüllt.
Das Elektrofahrzeug stellt grundsätzlich ein Hilfsmittel dar (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Mai 2006, B 3 KR 12/05 R für das Elektrofahrzeug Typ "Graf Carello Duett").
Im vorliegenden Fall geht es nicht um den unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das Hilfsmittel des Elektrofahrzeuges nicht das gehen selbst ermöglicht wird, wie
z.B. bei einer Beinprothese. Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine.
Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der gesetzlichen Krankenversicherung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R
m.w.N.). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in seiner eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft" zu kommen oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
z.B. Supermarkt, Arzt, Apotheker, Geldinstitut), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereich (
BSG, a.a.O.)
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Der Kläger leidet aufgrund seiner Tetraspastik unter einer massiven Einschränkung seines Geh- und Stehvermögens. Dieses ist von erheblichen ataktischen Störungen begleitet und sehr unsicher, sodass er zur Sicherung der Fortbewegung im Rahmen der elementaren Grundbedürfnisse im Nahbereich des Hauses eines Hilfsmittels bedarf. Hierbei stützt sich der Senat auf das im Verwaltungsverfahren erstellte MDK-Gutachten vom 30. September 2009, Herr H. und Herr T., und das im Rahmen der Erprobung der Versorgung des Klägers mit Hilfsmitteln im gerichtlichen Verfahren erstellte Gutachten des MDK, Herr H., vom 26. Januar 2012. Dies ist im Übrigen zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Nach der Auffassung des Senats ist das begehrte Elektrofahrzeug zum mittelbaren Behinderungsausgleich auch geeignet, ausreichend, wirtschaftlich und übersteigt das Maß des Notwendigen nicht. Insoweit stützt sich der Senat erneut auf die beiden MDK-Gutachten. Herr H. und Herr T. führten im Rahmen ihres Gutachtens vom 30. September 2009 bereits aus, dass zur Sicherung der Fortbewegung des Klägers im Rahmen der elementaren Grundbedürfnisse im Nahbereich des Hauses grundsätzlich ein Elektrofahrzeug in Frage kommen kann und verwiesen insoweit auf die Produkte im Hilfsmittelverzeichnis (Elektrorollstuhl/Elektromobil). Die Erprobung am 19. Januar 2012 hat insoweit ergeben, dass der Kläger sowohl mit dem Elektrorollstuhl (Joystick-Steuerung) als auch mit dem Elektroscooter (Festhalten der Lenkstange) aufgrund seiner Beeinträchtigungen im Bereich der linken Hand (hochgradige Störung der Grob- und Feinmotorik) und der eingeschränkten Einsatzfähigkeit der rechten Hand nebst Beugespastik nicht in befriedigendem Maße umgehen kann. Das Elektrofahrzeug "Graf Carello Solo" kann der Kläger insoweit am besten handhaben. Dies ist für den Senat ausweislich der Fotodokumentation der Erprobung und den in sich schlüssigen Ausführungen des Gutachters H. nachvollziehbar und zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Eine Überversorgung des Klägers ist mangels Alternativlosigkeit der Versorgung für den Senat nicht erkennbar. Zudem hat der Versicherte unter verschiedenartigen, aber gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln auch im Rahmen des Sachleistungsprinzips die Wahl (Bundessozialgericht, Urteil vom 3. November 1999, B 3 KR 16/99 R). Der Leistungspflicht der Beklagten steht nicht entgegen, dass das Elektrofahrzeug von den Spitzenverbänden der Krankenkassen nicht in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden ist, weil es sich dabei nicht um einen abschließenden, die Leistungspflicht der Krankenkassen im Sinne einer "Positivliste" beschränkenden Regelung handelt (Bundessozialgericht, a.a.O.)
Soweit die Beklagte Bedenken bezüglich der Verkehrstauglichkeit des Klägers äußert und insoweit weiteren Ermittlungsbedarf sieht, kann dies von dem Senat nicht nachvollzogen werden. Unabhängig davon, ob es sich insoweit um eine sozialversicherungsrechtlich relevante Fragestellung handelt (so: Sozialgericht Dresden, Urteil vom 20. Januar 2010,
S 25 KR 365/08), hat der Kläger auf den Hinweis der Beklagten, dass er den für notwendig erachteten Nachweis der allgemeinen Fahrtauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeuges beim
TÜV Hessen - Begutachtungsstelle für Fahreignung - vornehmen könne, diesen dort ausweislich des Gutachtens vom 24. Mai 2012 erfolgreich erbracht. Das Gutachten von Frau Ha. ist für den Senat auf der Grundlage der erfolgten und dokumentierten Fahrverhaltensbeobachtung schlüssig und nachvollziehbar. Zutreffend hat insoweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses über die Versorgung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel/Heilmittelrichtlinien) darauf hingewiesen, dass die Fähigkeit zur Nutzung einer Hilfsmittelversorgung auf der Grundlage realistischer, für den Versicherten alltagsrelevanter Anforderungen zu ermitteln ist und nicht allein von der Diagnosestellung abhängt. Genau dies ist jedoch vorliegend nach der Auffassung des Senats erfolgt. Soweit die Beklagte ausführt, dass das Gutachten nicht die Frage beantworte, was passieren könne, wenn der Kläger mit seinem Kranken/Behindertenfahrzeug in einer heiklen Verkehrssituation von einer akuten Spastik heimgesucht werde und insoweit eine weitere Beweiserhebung beantragt, kann dies von dem Senat nicht nachvollzogen werden. Der Beweisermittlungsantrag der Beklagten scheint rechtsmissbräuchlich und war abzulehnen, da er ohne greifbare Anhaltspunkte aufs Geratewohl erfolgte (Leitherer, a.a.O., § 103
Rdnr. 8a;
vgl. insoweit auch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. Februar 2009,
1 BvR 120/09 zu einer lediglich denkbaren Gefahrenlage bei der Versorgung mit einem Elektrorollstuhl). Insoweit wären angesichts der langjährigen Fahrpraxis des Klägers, die nach den unwidersprochen gebliebenen, glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung 20 Jahre unfallfrei und ohne Auftreten von Spastiken verlaufen ist, ausreichend konkrete Hinweise für das Auftreten von Spastiken erforderlich. Solche sind weder bei der MDK-Begutachtung im Verwaltungsverfahren, bei der Erprobung der Versorgung des Klägers mit Hilfsmitteln noch bei der
TÜV-Begutachtung beschrieben worden und auch die diesbezügliche ausdrückliche Anfrage der Beklagten ist von dem Kläger negiert worden. Im Weiteren wäre ein Elektrofahrzeug auch dann geeignet, wenn der Versicherte das Fahrzeug lediglich in seinem häuslichen oder beruflichen Umfeld einsetzen könnte, ohne am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen (Sozialgericht Köln, Urteil vom 15. Juni 2005,
S 19 KR 42/05). Dass bei einem Krankheitsbild einer spastischen Tetraplegie grundsätzlich die Versorgung mit Elektrofahrzeugen (auch in Form von Elektrorollstühlen und Elektromobilen) nicht in Betracht komme, wie dies von der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28. August 2012 vorgetragen wurde, kann von dem Senat angesichts der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zudem nicht nachvollzoge werden (
vgl. zuletzt: Bundessozialgericht, Terminvorschau vom 24. August 2012 für das Verfahren
B 3 KR 20/11 R für den Verhandlungstermin am 12. September 2012).
Eine entsprechende ärztliche Verordnung liegt vor.
Dem Begehren des Klägers auf ein Modell mit Kabine und Türen wegen seiner individuellen Wohnverhältnisse (fehlende Unterstellmöglichkeit) kann aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach diese bei der Versorgung gerade nicht relevant sind, nicht entsprochen werden (
BSG, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160
Abs. 2
SGG nicht vorliegen.