Urteil
Stundenhöhe und den Stundensatz für eine begleitende Hilfe im Arbeitsleben (Arbeitsassistenz)

Gericht:

VG Gießen


Aktenzeichen:

5 K 3381/19


Urteil vom:

24.11.2021


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

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Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Stundenhöhe und den Stundensatz für eine begleitende Hilfe im Arbeitsleben (Arbeitsassistenz).

Bei dem am 00.00.1976 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales xxxx vom 25. Juli 1997 aufgrund einer "Sehminderung beidseits, Röhrengesichtsfeld" ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen "B", "G", "H" und "RF" festgestellt.

Der Kläger ist seit 2004 als selbstständiger Masseur und medizinischer Bademeister tätig. Er unterhält eine Praxis für Krankengymnastik und Massage und nimmt Assistenzleistungen im sogenannten Arbeitsgebermodell durch bei ihm beschäftigte Assistenzkräfte in Anspruch.

Am 3. Januar 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf begleitende Hilfe im Arbeitsleben für die Beschäftigung einer Arbeitsassistenz. In einer daraufhin vom Beklagten eingeholten fachtechnischen Stellungnahme des technischen Beratungsdienstes vom 31. Januar 2017 gelangte dieser zu der Einschätzung, dass ein Teil der in der Praxis anfallenden Tätigkeiten vom Kläger durch den Einsatz von Computertechnologie bzw. durch blindenspezifische Softwares erledigt werden könne. Da sich der Kläger bisher jedoch nicht mit Computern beschäftigt habe und auch nicht über rudimentäre Grundkenntnisse verfüge, solle ihm im ersten Jahr pauschal eine Arbeitsassistenz für fünf Stunden arbeitstäglich bewilligt werden. Voraussetzung solle aber sein, dass der Kläger ausbaufähige Grundkenntnisse im Umgang mit Computern erwerbe. Ab dem zweiten Jahr könne die Arbeitsassistenz auf ein notwendiges Maß, nämlich auf zwei Stunden arbeitstäglich, beschränkt werden. Mit Bescheid vom 7. März 2017 wurden dem Kläger Leistungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zur Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für den Zeitraum 1. April 2017 bis 31. März 2018 in Höhe von maximal 1.514,00 EUR monatliche gewährt. Berücksichtigt wurde dabei ein Bedarf einer Arbeitsassistenz im Umfang von 27,7 Stunden wöchentlich zu einem maximalen Arbeitgeberbruttostundenlohn von 12,60 EUR. Des Weiteren heißt es in dem Bescheid:

"Sie erhalten diesen Zuschuss in der Erwartung, dass Sie sich Grundkenntnisse der Computertechnologie aneignen. Nach Auskunft unserer Technischen Beraters gibt es verschiedene Programme, die Ihnen bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit helfen. Für Online-Banking haben die Sparkassen und die Postbank entsprechende Werkzeuge. Für die Bearbeitung von Patientenkarteien gibt es die Software (...).

Für die Abrechnung mit den Krankenkassen gibt es spezielle Abrechnungsdienstleister im Gesundheitsweisen, z.B. (...).

(...)

Gerne sind wir bereit, die anteilige Kostenübernahme für die Beschaffung und Schulung der vorgenannten Hilfsmittel zu prüfen.

Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums und bei Beantragung weiterer Leistungen für die Beschäftigung einer Arbeitsassistenz werden wir die Höhe auf die reinen Assistenztätigkeiten ohne Computertechnik reduzieren.

(...)"

Wegen des Weiteren Inhalts wird auf den Beschied vom 7. März 2017 Bezug genommen (Bl. 59 ff. der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 1. Februar 2018 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Leistungen der Arbeitsassistenz über den 31. März 2018 hinaus.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2018 bestätigte der xxxxx dem Kläger den Eingang seines Schreibens und forderte ihn gleichzeitig auf, mitzuteilen, inwieweit er sich seit der letzten Bewilligung Grundkenntnisse der Computertechnologie angeeignet habe bzw. welche sehbehindertenspezifischen Programme ihm bei der Ausübung der selbständigen Tätigkeit helfen würden. Darauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 8. März 2018, dass er seit der letzten Bewilligung mehrere Anfragen bezüglich der Möglichkeiten solcher Programme für die Ausübung seines Berufs unternommen hätte, solche jedoch entweder nicht auf seinen Praxisbetrieb passen würden oder nur nach umfangreicher, immer wiederkehrender Schulung bedient werden könnten. Gerade letzteres könne er allerdings vor dem Hintergrund der gestiegenen Nachfrage nach Behandlungsterminen aus Zeitgründen nicht leisten. Seine wöchentliche Arbeitszeit sei nunmehr auf 60 Stunden und damit auf eine sechs-Tage-Woche angestiegen. Im Übrigen könne seine Arbeit am Menschen nicht von irgendwelchen Computersystemen übernommen bzw. nur bedingt unterstützt werden. Von ihm sei bereits ein sprachgesteuerter Laptop und ein sprachgesteuertes Mobiltelefon angeschafft worden. Diese, so trug der Kläger mit Schreiben vom 13. April 2018 vor, könnten ihn in seinem Arbeitsalltag jedoch nicht unterstützen, da allein die ländliche Internetversorgung nur bedingt ein routiniertes und verlässliches Arbeiten zulasse. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass er ohnehin die Verwaltungsarbeiten und Bankgeschäfte "outgesourct" habe und diese außerhalb der Assistenzzeit von einer Honorkraft erledigt werden würden.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2018 teilte der xxxx dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, ihm eine Arbeitsassistenz für einen monatlichen Betrag von maximal 910,00 EUR (3,09 Stunden täglich x 12,80 EUR) für zwei Jahre zu bewilligen. Dem Schreiben war eine Tabelle zur Abschätzung des Assistenzbedarfs beigefügt. Gleichzeitig wurde dem Kläger die Gelgenheit gegeben, sich zu der geplanten Maßnahme zu äußern. Dieser gab mit Schreiben vom 7. August 2018 zu bedenken, dass der vorgeschlagene zeitliche Umfang der bewilligten Arbeitsassistenz nicht annähernd ausreiche, um ihm und seinen Mitarbeitern eine berufliche Existenz zu ermöglichen.

Mit Bescheid vom 27. August 2018 bewilligte der xxxx dem Kläger für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2020 die Beschäftigung einer Arbeitsassistenz in Höhe von maximal 910,00 EUR monatlich (3,09 Stunden täglich x 12,80 EUR). Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, es hätten nur solche Tätigkeiten einer Arbeitsassistenz bei der Festsetzung des Bedarf berücksichtigt werden können, die auf eine unterstützende Tätigkeit bezogen seien und die der Kläger behinderungsbedingt nicht selbst erledigen könne. Nicht berücksichtigungsfähig seien hingegen solche Arbeiten, die üblicherweise im Rahmen einer abhängigen oder selbstständigen Beschäftigung ohnehin durch andere Mitarbeiter erledigt werden würden, sogenannte Sekretariatstätigkeiten. die in dem Bescheid vom 7. März 2021 großzügig gewährte Bewilligung sei in der Erwartung getätigt worden, dass der Kläger den EDV-bezogenen Teil seiner Tätigkeit erlerne und zukünftig ausübe. Wie der Kläger selbst mitteile, bezöge sich seine Tätigkeit ausschließlich auf die Behandlung am Patienten, weswegen auch nur solche Tätigkeiten seiner Assistenzkräfte berücksichtigt werden könnten. Für den Stundenlohn sei im Übrigen ein Durchschnittswert aus dem Stundenlohn von allen bei dem Kläger beschäftigten Assistenzkräften berücksichtigt worden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 10. September 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er mit Schreiben vom 13. November 2018 vor, es bestehe kein nachvollziehbarerer Anlass, die Unterstützung für die Arbeitsassistenz gegenüber dem vorherigen Bewilligungszeitraum zu mindern. Seine im Schreiben vom 7. August 2018 vorgetragenen Argumente seien offenkundig nicht gebührend berücksichtigt worden. Ein Bedarf an einer Arbeitsassistenz im Zusammenhang mit den Behandlungen der Patienten von lediglich 3,09 Stunden wöchentlich erweise sich aufgrund der beim Kläger vorhandenen schwerwiegenden, einer Blindheit gleichkommenden Sehbehinderung, als völlig abwegig und widerspreche erkennbar der betrieblichen Realität. Überdies sei nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger als Selbständiger zur Aufrecherhaltung seiner "Einmannbetriebes" eine weitaus umfangreichere Betätigung aufbringen müsse als ein abhängig Beschäftigter. Es dürfe auch keineswegs die Tatsache außer Betracht bleiben, dass der Kläger im Verlauf der Jahre gezwungen gewesen sei, seine Arbeitsleistung deutlich zu steigern, um die Wirtschaftlichkeit der Praxis zu gewährleisten. Soweit dem Kläger vorgehalten werde, er habe sich keine Computerkenntnisse angeeignet, müsse berücksichtigt werden, dass sich für ihn die Arbeit am Computer in gesundheitlicher Hinsicht als extrem belastend darstelle und insoweit auch seine notwendigen Kraftressourcen zur Aufrechterhaltung des Praxisbetriebes übersteige. Nur deshalb hätten schließlich von ihm die Bankgeschäfte und Teile der Verwaltungsarbeiten sowie der Buchhaltung außer Haus vergeben werden müssen. Die Vorarbeiten zur Buchhaltung müssten allerdings nach wie vor vom Kläger selbst erbracht werden. Für mehr sei angesichts der physischen und psychischen Beanspruchung nach einem Arbeitstag im Umfang von zwölf Stunden allerdings keine mentale Kraft und Frische vorhanden. Auch sei eine Vollzeitschulung über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten nicht möglich, da die Aufrechterhaltung der Praxis in Gefahr geraten würde. Im Übrigen könne nicht im Voraus festgelegt werden, wann genau welcher Einsatz der Assistenz erforderlich sei. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall individuell entschieden werden, wann die Assistenzkraft wie lange eingreifen müsse. Dies reiche von dem Aus- und Ankleiden bewegungseingeschränkter Patienten über das richtige Einstellen der Geräte bis hin zum Sichten möglicher Stolperfallen für den Kläger oder dem Wiederauffinden von Hilfsmitteln und der Überprüfung des ordnungsgemäßen Zustandes der Kleidung des Klägers. Dies alles erfordere eine Anwesenheit der Assistenz während der gesamten Behandlung. Mit Schreiben vom 8. Februar 2019 ergänzte der Kläger seinen Vortrag unter Auflistung der Tätigkeiten einer Arbeitsassistenz dahingehend, dass täglich mindestens 6,0 Stunden erforderlich seien und zwar u.a. für die Koordination der Termine, das Führen der Patientenkartei, dem Ausfüllen der Datenschutzerklärungen, dem Öffnen von Eingangspost sowie dem Vorlesen, Bearbeiten und Ablegen, dem Führen der Kasse und der Überprüfung des Kontos dahingehend, ob Rechnungen bezahlt worden seien. Hinzu kämen die vorbereitende Buchführung, das Erstellen von Rechnungen, das Ausstellen von Quittungen, der Zahlungsverkehr, wie das Begleichen von Rechnungen und das Bearbeiten von Lastschriften sowie der Einkauf von Gebrauchsmitteln für die Praxis.

Am 31. Juli 2019 erging ein ablehnender Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses bei dem Integrationsamt des xxxx. Zur Begründung heißt es, der die 3,09 Stunden überschreitende Assistenzbedarf des Klägers sei nicht notwendig im Sinne des § 185 Abs. 5 SGB IX alle Maßnahmen, die die Arbeitsleistung oder Selbständigkeit des schwerbehinderten Menschen erhöhen würden, gegenüber der Arbeitsassistenz vorrangig seien soweit sie den notwendigen Umfang der Assistenzleistung reduzieren oder entfallen lassen würden. Die Assistenzleistungen seien auch nicht notwendig, wenn die Arbeitsbedingungen zumutbar verändert werden könnten (vgl. Ziffer 6 der " Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen", im Folgenden: BIH-Empfehlungen). Vorrangig seien daher z.B. behinderungsgerechte Organisation der Arbeitsabläufe und die Einrichtung und Ausgestaltung des Arbeitsplatzes mit den notwendigen technischen Arbeitshilfen, wie z.B. eine besondere Software (Vorlesefunktion/Vergrößerung/Diktierfunktion/Barcode-Systeme etc.) oder Braille-Tastatur, Beleuchtung, Tablet/Handy (diverse APPs) bei Blinden und sehbehinderten Menschen. Im vorliegenden Fall seien solche vorrangigen Maßnahmen in Form von Computertechnologie ersichtlich, die zu einer Erhöhung der selbständigen Arbeitsleistung durch den Kläger führen würden. Das Erlernen der Grundkenntnisse dieser Computertechnologie sei dem Kläger auch zumutbar, da das Integrationsamt ihm einen entsprechenden Zuschuss für die Beschaffung und Schulung in Aussicht gestellt habe und die Hilfsmittel explizit auf blinde bzw. sehbehinderte Menschen ausgerichtet seien. Zwar sei durchaus verständlich, dass eine Beschäftigung mit diesem Themenkreis zunächst als Belastung empfunden werde, dies könne jedoch nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Insoweit seien auch nicht behinderte Menschen ähnlichen Belastungen ausgesetzt, die mit einer selbständigen Tätigkeit zusammenhängen würden. Auch sei entgegen der Einschätzung des Klägers keine Bereitschaftszeit der Arbeitsassistenz währen der gesamten Dauer der Behandlung erforderlich. Insbesondere die erforderliche Sichtkontrolle bezüglich der Hilfsmittel könne durch einen Hinweis bzw. eine Bitte an die Patientin minimiert werden, die Hilfsmittel wieder an die gleiche Stelle zurückzulegen. Dasselbe gelte in Bezug auf den Vortrag der möglichen Stolperfallen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen dass der Kläger selbst vortrage, dass die Assistenzkraft nicht während der gesamten Behandlungszeit anwesend sei, denn ausweislich seiner eigenen Auflistung führe die Assistenz während der Behandlung andere Tätigkeiten, wie beispielsweise das Anlegen einer Patientenkartei, aus. Derartige Tätigkeiten seien jedoch keine Unterstützung bei der konkreten Arbeitsausführung, sondern sogenannte Sekretariatstätigkeiten, die nicht zum Assistenzbedarf gehören würden. Die weiteren vom Kläger im Schreiben vom 8. Februar 2019 aufgeführten Tätigkeiten seien zudem entweder bereits in der Berechnung enthalten oder würden PC-Tätigkeiten darstellen, die nicht der Arbeitsassistenz zugerechnet werden können.

Der Kläger hat am 28. August 2019 Klage beim Verwaltungsgericht Gießen erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen. Ergänzend trägt er vor, er leide an einer voranschreitenden Augenerkrankung. Während seiner Schulzeit und der Ausbildung habe er sein restliches Sehvermögen noch gut nutzen können und sei nicht auf blindenspezifische Computertechniken angewiesen gewesen, weswegen er nie die Brailleschrift oder die Nutzung von behindertengerechten Computern erlernt habe. Dies nun nachzuholen, sei ihm neben der selbständigen Berufstätigkeit nicht möglich. Dies gelte umso mehr, als dass eine blindentechnische Grundausbildung in der Regel ein Jahr dauern würde und nicht neben der Ausübung einer Erwerbstätigkeit erfolgen könne. Es sei allerdings nicht sinnvoll und nicht praktikabel, dass der Kläger seine Praxis ein Jahr schließe, um eine blindentechnische Grundausbildung zu absolvieren. Der Kläger habe einen täglichen Unterstützungsbedarf durch die notwendige Arbeitsassistenz von mindestens 6,00 Stunden. Hinzu komme, dass die Höhe des Stundenlohns nicht angemessen berechnet worden sei. Dieser betrage nach der Anlage 1 der BIH-Empfehlung vom 28. Januar 2019 vielmehr 15,50 EUR pro Stunde (Arbeitnehmerbrutto) anstatt der bewilligten 12,80 EUR brutto.

Der Kläger beantragt wörtlich,

1. den Bescheid des Beklagten vom 27. August 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31. Juli 2019 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für eine Arbeitsassistenz für den Kläger in Höhe der BIH-Empfehlung von 15,50 EUR pro Stunde Arbeitgeberbrutto) für 6,00 Stunden arbeitstäglich zu tragen und

3. die Feststellung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen. Ergänzend trägt er vor, es gebe verschiedene Tätigkeiten in der Praxis des Klägers, für die eine bestimmte Computertechnologie eingesetzt werden könnte, so beispielsweise für das Heraussuchen und Vorlesen von Patientenkarteien, das Anlegen und Führen von Patientenkarteien, das Eintragen von Behandlungsterminen, die Terminkoordination, das Dokumentieren des Behandlungsverlaufs und den Zahlungsverkehr. Dies ergebe sich aus der für den Bescheid vom 7. März 2017 eingeholten Stellungsnahme des technischen Beratungsdienstes vom 31. Januar 2017. Aufgrund des Umstands, dass sich der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit Computer beschäftigt und daher auch nicht über Grundkenntnisse verfügt habe, habe der Beklagte mit Bescheid vom 7. März 2017 ausnahmsweise einen erhöhten Arbeitsassistenzbedarf für ein Jahr anerkannt, um den Kläger ausreichend Zeit dafür zu geben, ausbaufähige Grundkenntnisse im Umgang mit Computern zu erwerben. Diese Kenntnisse habe er sich jedoch nicht angeeignet. Richtig sei zwar, dass eine blindentechnische Grundrehabilitation enthalte jedoch nicht nur EDV-spezifische Kenntnisse, sondern auch die Bewältigung alltäglicher Lebenssituationen und damit Maßnahmen, die der Kläger nicht benötige. Der Kläger bedürfe lediglich Schulungsmaßnahmen für die PC-, Hilfsmittel- und Programmbedienung sowie zum Erlernen blindenspezifische Software nutzen zu können. Insoweit könne auch die Möglichkeit einer "Inhouse-Schulung", also einer Schulung am Arbeitsplatz des Klägers, in Erwägung gezogen werden. In diesem Fall besuche ein Mitarbeiter den schwerbehinderten Menschen an dessen Arbeitsplatz und stelle den Bedarf fest. Je nachdem, was benötigt werde, könne die Einweisung in die Technik nur tageweise und berufsbegleitend stattfinden. Daher sei im Ergebnis davon auszugehen, dass die Erfordernisse für den Kläger auch in einer kürzeren Zeit bewältigt werden könnten. Aus Sicht des Beklagten sei diese " Anstrengung" dem Kläger zumutbar. Im Übrigen bestände die Möglichkeit, dass eine Arbeitsassistenz den Kläger bei der konkreten computergestützten administrativen Tätigkeit unterstütze, sollte der Kläger anfängliche Schwierigkeiten bei der Anwendung der blindentechnischen Hilfsmittel haben. Hinsichtlich des bewilligten Stundensatzes von 12,80 EUR sei anzumerken, dass der Kläger diesen nicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens angegriffen habe. Unabhängig von der Frage, ob der bewilligte Stundensatz damit bereits bestandskräftig sei, sei er jedenfalls nicht zu beanstanden. Vielmehr entspreche die Höhe dem durchschnittlichen Stundenlohn der drei für den Kläger abwechselnd tätig werdenden Assistenzkräfte. Dementsprechend sei die Leistung nur in dieser Höhe notwendig. Dem stehe insbesondere nicht die vom Kläger angesprochene Anlage 1 der BIH-Empfehlung vom 28. Januar 2019 entgegen, da diese lediglich Höchstbeträge vorsehe. Vereinbare der schwerbehinderte Mensch mit seinen Assistenzkräften jedoch andere Stundensätze, seien selbstverständlich nur diese maßgeblich bzw. notwendig.

Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 15. Februar 2021 bzw. 1. März 2021 (Beklagter) und vom 19. Februar 2021 bzw. 18. März 2021 (Kläger) ihr Einverständnis darin erteilt, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung und die Berichterstatterin anstellte der Kammer entscheiden kann.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegten Behördenvorgänge (zwei Hefter) Bezug genommen, die ebenfalls Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entschiedet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Berichterstatterin konnte anstelle der Kammer entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides des xxxxx vom 27. August 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides des Widerspruchausschusses bei dem Integrationsamt des xxxxx vom 31. Juli 2019 eine höhere Stundenanzahl und einen höheren Stundensatz für eine Arbeitsassistenz zu gewähren, statthaft. Das Klagebegehren war gemäß § 88 VwGO auszulegen. Danach hat das Gericht das im Klageantrag und im gesamten Vorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, ohne an die wörtliche Fassung der Anträge gebunden zu sein. Soweit der Kläger daher wörtlich in Ziffer 2 begehrt, den Beklagten zu der im Antrag genannten höheren Stundenanzahl und dem höheren Stundensatz "zu verurteilen", handelt es sich der Sache nach um einen Verpflichtungsbegehren, da der begehrten Bewilligungsentscheidung angesichts ihrer Regelungs- und Außenwirkung Verwaltungsaktqualität zukommt. Des Weiteren ist der Antrag in Ziffer 2 unter Heranziehung der Klagebegründung dahingehend auszulegen, dass der Kläger eine höhere Stundenanzahl und einen höheren Stundensatz für den bereits bewilligten Leistungszeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2020 begehrt.

Dem Kläger fehlt auch nicht etwa deswegen das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil der Bescheid vom 27. August 2018 bezüglich des bewilligten Stundensatzes in Höhe von 12,80 EUR in Bestandskraft erwachsen wäre. Wie bereits dem (Widerspruchs-) Schreiben vom 10. September 2018 zu entnehmen ist, hat der Kläger ausdrücklich gegen den (gesamten) Bescheid vom 27. august 2018 Widerspruch erhoben.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid des xxxxx vom 27. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses bei dem Integrationsamt des xxxxx vom 31. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2020 über die bewilligte Stundenanzahl von 3,09 weitere 2,91 Stunden Arbeitsassistenz arbeitstäglich (insgesamt 6,00 Stunden pro Arbeitstag) zu bewilligen und den Stundensatz der Arbeitsassistenz von 12,80 EUR und 2,70 EUR brutto (insgesamt 15,50 EUR) pro Stunde zu erhöhen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz ist § 185 Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB IX i.V.m. § 17 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (im Folgenden: SchwbAV) und den jeweils einschlägigen BIH-Empfehlungen. Danach haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügungen stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Jedenfalls ab der am 13. Dezember 2019 in Kraft getretenen Fassung (vom 10. Dezember 2019) und dem angefügten Satz 2 des § 186 Abs. 5 SGB IX richtet sich dieser Anspruch auf die Übernahme der vollen Kosten, die für eine als notwendig festgestellte Arbeitsassistenz entstehen. Zwar betrifft der hier streitgegenständliche Zeitraum der Bewilligung einer Arbeitsassistenz unter anderem auch einen solchen vor Inkrafttreten der vorgenannten neuen Fassung der Vorschrift. Es kann hier indes dahinstehen, ob es sich auch nach der bis zum 13. Dezember 2019 geltenden alten Fassung des § 185 Abs. 5 SGB IX lediglich dem Grunde (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 15. Dezember 2016 - 10 B 2438/16 -, juris, Rn. 10; urteil vom 19. Juni 2018 - 10 A 923/17 -, juris, Rn. 32 m.w.N.) oder auch der Höhe nach um einen gebundenen Anspruch (wohl bereits BVerwG, Urteil vom 23. januar 2018 - 5 C 9/16 -, juris, Rn. 9) handelte und der angefügte Satz 2 des § 185 Abs. 5 SGB IX insoweit nur klarstellende Funktion hat, denn nach beiden Ansichten kommt jedenfalls ein Anspruch des Klägers nicht in Betracht.

Für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum sind die BIH-Empfehlungen vom 15. April 2014, 20. Dezember 2018 und 13. November 2019 einschlägig. Mit ihnen ist eine verwaltungsinterne Ausgestaltung des Rechtsanspruchs auf Arbeitsassistenz geschaffen worden, die durchgreifenden rechtlichen Bedenken zugrunde gelegt werden kann (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 15. Dezember 2016 - 10 B 2438/16 -, juris, Rn. 11; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18. Februar 2016 - 3 LB 17/15 -, juris, Rn. 27). Nach ihnen ist die Arbeitsassistenz im Wesentlichen die über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen mit Assistenzbedarf (schwerbehinderte Menschen bzw. Assistenznehmer) durch eine persönliche Assistenzkraft (Assistenzkraft) im Rahmen der Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (s. Ziffer 2.1 der BIH-Empfehlungen vom 15. April 2014, 20. Dezember 2018 und 13. November 2019). Solche typischen Formen der Handreichungen sind bei sehbehinderten Menschen beispielsweise das Vorlesen und das Scannen von Texten, damit der schwerbehinderte Mensch sie mittels seiner Technik lesen kann, das Begleiten auf Wegen (am Arbeitsplatz, auf Dienstreisen), wozu das Umgehen von Hindernissen und den richtigen Weg finden zählt und das Kontrollieren ausgehender Dokumente bzw. Texte (Mailverkehr, Briefe etc.) u.a. auf die Form (Layout) (s. Ziffer 2.1 der BIH-Empfehlungen vom 20. Dezember 2018 und 13. November 2019).

Notwendig ist der Arbeitsassistenz, wenn dem Assistenznehmer erst durch die Leistung eine wettbewerbsfähige Erbringung der arbeitsvertraglich/dienstrechtlich geschuldeten Tätigkeit möglich wird (Ziffer 2.2 der BIH-Empfehlung vom 15. April 2014; Ziffer 6 der BIH-Empfehlungen vom 20. Dezember 2018 und 13. November 2019). Dabei sind alle Maßnahmen, die seine Arbeitsleistung oder Selbstständigkeit erhöhen, gegenüber der Arbeitsassistenz vorrangig, soweit sie den notwendigen Umfang der Assistenzleistung reduzieren oder entfallen lassen (ebenda). Die Assistenzleistungen sind auch nicht notwendig, wenn die Arbeitsbedingungen zumutbar verändert werden können (ebenda). Der unbestimmte Rechtsbegriff der Notwendigkeit unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, ohne dass der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wäre (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9/16 -, juris, Rn. 9).

Die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz kommt auch für die Tätigkeit eines selbstständigen schwerbehinderten Menschen in Betracht. Gemäß § 21 Abs. 4 SchwbAV sind die §§ 17 bis 20 und die §§ 22 bis 27 SchwbAV zugunsten von schwerbehinderten Menschen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben oder aufzunehmen beabsichtigen, entsprechend anzuwenden. Damit hat der Verordnungsgeber ausdrücklich bestimmt, dass die übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz auch an schwerbehinderte Menschen mit einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden können (§ 17 Abs. 1a SchwbAV; vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 15. Dezember 2016 - 10 B 2438/16 -, juris -, Rn. 9). Gleiches ergibt sich aus den BIH-Empfehlungen (s. Ziffer 11 der BIH-Empfehlungen vom 20. Dezember 2016 - 10 B 2438/16 -, juris, Rn. 12). Allerdings kommt eine Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz für eine selbstständige Tätigkeit eines schwerbehinderten menschen nur dann in Betracht, wenn diese nachhaltig betrieben wird und dem Aufbau bzw. der Sicherung einer eigenen wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen geeignet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9/16 -, juris, Rn. 10; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. März 2021 - 12 A 3022/19 -, juris, Rn. 27). diese aus dem Merkmal der "notwendigen Arbeitsassistenz" folgenden Erfordernisse gewährleisten die erforderliche, aber auch hinreichende Abgrenzung der (selbstständigen) Berufstätigkeit zu einem bloßen Hobby oder einer Liebhaberei (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2018 - 5 B 1/18 -, juris, Rn. 10).

Gemessen an diesem Grundsätzen hat der Kläger zunächst keinen Anspruch darauf, im geltend gemachten Zeitraum über den wöchentlich bewilligten Assistenzbedarf von 18,54 Stunden weitere 17,46 Stunden (insgesamt 36 Stunden pro Woche bewilligt zu bekommen.

Soweit der xxxxx in dem streitgegenständlichen Bescheid einen Arbeitsassistenzbedarf von 3,09 Stunden arbeitstäglich ermittelt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Bei den von der Arbeitsassistenz des Klägers übernommenen Aufgaben handelt es sich nicht um solche einer Arbeitsassistenz, sondern um Arbeiten, die üblicherweise im Rahmen einer abhängigen oder selbstständigen Beschäftigung ohnehin durch andere Mitarbeitende erledigt werden können (Ziffer 2.1 der BIH-Empfehlungen vom 20. Dezember 2018 und 13. November 2019). Jedenfalls hat der Kläger keine ihm zumutbaren Maßnahmen zur Minderung des Assistenzbedarfs ergriffen, weswegen der Beklagte die Stundenanzahl allein auf das notwendige Maß reduzieren durfte.

Es liegen bereits keine Aufgaben einer Arbeitsassistenz vor. Der Kläger hat mit Schreiben vom 8. Februar 2019 seinen Unterstützungsbedarf aufgelistet, wozu unter anderem die Koordination der Termine (Folgetermine, Eintragungen, Verlegungen), das Führen der Patientenkartei, das Ausfüllen der Datenschutzerklärungen, das Öffnen von Eingangspost sowie das Vorlesen, Bearbeiten und Ablegen der Post, das Führen der Kasse, das Überprüfen des Kontos dahingehend, ob Rechnungen bezahlt worden sind, die vorbereitende Buchführung, das Erstellen von Rechnungen, das Ausstellen für Quittungen, der Zahlungsverkehr, das Begleichen von Rechnungen und Lastschriften sowie der Einkauf von Gebrauchsmitteln für die Praxis zählen. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich jedoch nicht um Aufgaben, die ein Masseur und medizinischer Bademeister erbringt, dessen Aufgabe darin besteht, physische Beschwerden und Erkrankungen seiner Patienten zu behandeln. Vielmehr handelt es sich bei den oben genannten und vom Kläger aufgezählten Tätigkeiten um sogenannte Sekretariatstätigkeiten, die üblicherweise im Rahmen einer selbständigen Beschäftigung von einer extra einzustellenden Hilfskraft zu erledigen sind. Dies gilt auch bei selbständigen Masseuren bzw. medizinischen Bademeistern, deren Kernaufgabe in der Therapie ihrer Patienten besteht.

Aber auch wenn zugunsten des Kläger unterstellt werden würde, dass es sich bei den soeben aufgezählten Aufgaben um Assistenztätigkeiten handelt, so wären diese jedenfalls nicht notwendig. Der Kläger hat keine ihm zumutbaren Maßnahmen zur Minderung des Assistenzbedarfs ergriffen, wodurch der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise die Stundenzahl auf den Assistenzbedarf reduzieren durfte, der bestehen würde, wenn der Kläger solche Maßnahmen ergriffen hätte. Hierzu zählen insbesondere die behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätte und die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen (§ 164 Abs. 4 Satz 1, Nr. 4 und 5 SGB IX). Diese können bei blinden und sehbehinderten Menschen wie dem Kläger unter anderem besonderen Softwares (Vorlesefunktion, Vergrößerung, Diktierfunktion, Barcode-Systeme etc.), eine Braille-Tastatur, Beleuchtung, ein Tablet oder ein Mobiltelefon mit diversen sogenannten APPs sein (Ziffer 6.1 der BIH-Empfehlung vom 20. Dezember 2018 und 13. November 2019). Wie sich aus der vom Beklagten eingeholten fachtechnischen Stellungnahme vom 31. Januar 2017 ergibt, handelt es sich bei diesen Technologien auch um sinnvolle Hilfen im Arbeitsleben des Klägers, da er dadurch z.B. selbst in der Lage wäre, Patientenkarteien herauszusuchen und sich vorlesen zu lassen, Patientenkarteien anzulegen und zu führen, Behandlungstermine einzutragen sowie Termine zu koordinieren, den Behandlungsverlauf zu dokumentieren und sämtlichen Zahlungsverkehr zu bearbeiten.

Der Kläger hat sich jedoch bis heute nicht mit diesen Hilfsmitteln auseinandergesetzt und sich auch keine ausbaufähigen Grundkenntnisse in Bezug auf eine solche Computertechnologie angeeignet. Und dies, obwohl der Beklagte in seinem Bescheid vom 7. März 2017 in nicht zu beanstandender Weise eine erneute Bewilligung ausdrücklich von dem Erlernen solcher Grundkenntnisse abhängig gemacht sowie auf die Folgen des Nichterlernens dieser Technologie (Bewilligung weiterer Leistungen für die Beschäftigung einer Arbeitsassistenz nur in reduzierter Höhe der reinen Assistenztätigkeiten ohne Computertechnik) hingewiesen hat. Das Erlernen solcher Grundkenntnisse ist dem Kläger auch zumutbar. Dem steht insbesondere nicht sein Vortrag entgegen, wonach solche entweder nicht auf seinen Praxisbetrieb passen würden oder nur nach umfangreicher, immer wiederkehrender und zeitintensiver Schulung bedienbar seien. Gerade letzteres könne der Kläger vor dem Hintergrund der gestiegenen nachfrage nach Behandlungsterminen aus Zeitgründen nicht leisten. Eine Vollzeitschulung über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten sei für ihn ebenfalls nicht möglich da dadurch die Aufrecherhaltung des Praxisbetriebes in Gefahr geraten würde. Des Weiteren stelle sich für ihn die Arbeit am Computer in gesundheitlicher Hinsicht als extrem belastend dar und übersteige insoweit auch seine notwendigen Kraftressourcen, denn nach einem Arbeitstag im Umfang von zwölf Stunden sei keine mentale Kraft und Frische mehr vorhanden. Im Übrigen könnten ihn bereits der angeschaffte sprachgesteuerte Laptop und ein sprachgesteuertes Mobiltelefon in seinem Arbeitsalltag nicht unterstützen, da die ländliche Internetversorgung nur bedingt ein routiniertes verlässliches Arbeiten zulasse. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Kläger seit dem Bescheid vom 7. März 2017 bis zum Ende des damaligen Bewilligungszeitraumes vom 31. März 2018 ein Jahr Zeit gehabt hat, entsprechende Schulungen zu absolvieren. Auch wurde dem Kläger durch den Beklagten die Prüfung einer anteiligen Kostenübernahme für die Beschaffung und Schulung der Hilfsmittel in Aussicht gestellt. Insofern hatte er Kläger ausreichend Zeit und Möglichkeiten, sich solche Kenntnisse anzueignen. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit, die Schulungen zeitlich so zu wählen, dass größere Behandlungsausfälle für die Patienten vermieden werden. Zudem ist zu beachten, dass eine blindentechnische Grundrehabilitation zwar bis zu 12 Monate dauern kann. Diese Grundrehabilitation enthält jedoch nicht nur EDV-spezifische Kenntnisse, sondern auch die Bewältigung alltäglicher Lebenssituationen und damit Maßnahmen, die der Kläger nicht benötigt. Dieser muss vielmehr lediglich die PC-, Hilsmittel- und Programmbedienung sowie blindenspezifische EDV-Arbeitstechniken erlernen, um dann die jeweilige blindenspezifische Software nutzen zu können. Auch ist eine sogenannte "Inhouse-Schulung", also einer Schulung am Arbeitsplatz des Klägers, bei denen die Einweisung in die Technik nur tageweise und berufsbegleitend stattfinden kann, möglich, was wiederum Behandlungsausfälle reduziert. Ferner ist zu beachten, dass mögliche Störungen des Internetzugangs durch einen Anbieterwechsel behoben werden können. Nicht anderes folgt aus dem Vortrag des Klägers, er habe während seiner Schulzeit und der Ausbildung sein restliches Sehvermögen noch gut nutzen können und sei nicht auf blindenspezifische Computertechniken angewiesen gewesen, weswegen er nie die Brailleschrift oder die Nutzung von behindertengerechten Computern erlernt habe. Zwar ist verständlich, dass eine Beschäftigung mit diesem Themenkreis zunächst als Belastung empfunden werden kann, dies führt aber zu keiner anderen Bewertung. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, dass den Kläger eine Arbeitsassistenz anfänglich bei der konkreten computergestützten administrativen Tätigkeit unterstützt, sollte der Kläger Schwierigkeiten bei der Anwendung der blindentechnischen Hilfsmittel haben. Hingegen entspricht die Verweigerung des Erlernens der sehbehinderten Computertechnologie auch nicht der geforderten Nachhaltigkeit bei schwerbehinderten Menschen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben (vgl. BVerwG, urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9/16 -, juris, Rn. 10).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Bewilligung eines erhöhten Stundensatzes i.H.v. 15,50 EUR im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum, da ein solcher Betrag nicht notwendig ist.

Der unbestimmt Rechtsbegriff der Notwendigkeit unterliegt auch insoweit der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, ohne dass der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wäre (gl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 C 9/16 -, juris, Rn. 10). Der Anspruch auf eine notwendige Arbeitsassistenz ist auf die angemessenen Kosten beschränkt. Auch nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Einfügen des Satz 2 in § 185 Abs. 5 SGB IX (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe, BR-Drs. 395/19, S. 35) soll bei der Notwendigkeit u.a. zu prüfen,

- ob es unter Beachtung des Gebotes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit wirtschaftlichere Alternativen gibt. Allerdings ist ein Wunsch nicht bereits deshalb nicht mehr notwendig, weil höhere Kosten entstehen, sondern es muss eine wertende Gesamtbetrachtung im Einzelfall vorgenommen werden (...), [und]

- ob die Lohnhöhe für die Assistenzkraft notwendig ist. Anhaltspunkte können Tarifverträge oder der ortsüblich zu zahlende Lohn sein."

Dies ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, da die Kostenübernahme aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe bestritten wird. Dies besagt zunächst zwar nur, aus welchem "Topf" die Mittel hierfür stammen. Die betreffenden Mittel sind jedoch begrenzt und müssen nicht nur für die Kosten der Arbeitsassistenz, sondern auch für andere Aufgaben des Integrationsamtes verwenden werden. Eine höhenmäßige Begrenzung ergibt sich daraus naturgemäß dann, wenn die genannten Mittel erschöpft sind (vgl. zu dem Ganzen: OVG des Saarlandes, urteil vom 29. Oktober 2019 - 2 A 300/18 -, juris, Rn. 19).

Der xxxxx hat nach den zuvor genannten Grundsätzen seiner Entscheidung in nicht zu beanstandender Weise einen zu zahlenden
Arbeitgeber-Bruttostundenlohn von 12,80 EUR zugrunde gelegt. Bis zu dieser ermittelten durchschnittlichen Lohnhöhe ist die bewilligte Arbeitsassistenz notwendig i.S.v. § 185 Abs. 5 SGB IX.

Der Beklagte hat dargelegt, dass für den Kläger abwechselnd drei Assistenzkräfte tätig werden und zwar zu einem Bruttostundenlohn von 12,61 EUR, 12,99 EUR und 12,79 EUR. Hieraus hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise einen durchschnittlichen Stundenlohn der Assistenzkräfte von 12,80 EUR brutto errechnet und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dem steht die vom Kläger angesprochene Anlage 1 der BIH-Empfehlung vom 28. Januar 2019 nicht entgegen, denn die dort genannten Stundensätze stellen lediglich Höchstbeträge dar. Vereinbart der schwerbehinderte Mensch mit seinen Assistenzkräften jedoch - wie vorliegend - unter dem Höchstbetrag liegende Stundensätze sind auch nur diese maßgeblich. Anderenfalls käme es zu einer unbilligen Bevorzugung des schwerbehinderten Menschen, die nicht im Einklang mit den lediglich begrenzt zur Verfügung stehenden Mitteln steht. Insofern wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dass der Beklagte hier in rechtswidriger Weise Mittel aus der Ausgleichsabgabe zurückgehalten hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beklagte bei seiner Budgetplanung die Interessen der gleichmäßigen Bewilligung von Arbeitsassistenzen für alle schwerbehinderten Personen bei nur begrenzt vorhanden Mitteln berücksichtigt hat.

Es kann hier daher dahinstehen, ob dem Beklagten nach der alten Fassung des § 185 Abs. 5 SGB IX ein Bewirtschaftungs- und Verteilungsermessen auf Rechtsfolgenseite eingeräumt war, das unter Berücksichtigung der BIH-Empfehlung auszuüben wäre (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - 10 A 923/17 -, juris, Rn. 31 ff. m.w.N.), da nach den zuvor dargestellten Gründen jedenfalls keine Ermessensfehler des Beklagten bei der Ermittlung der Höhe des Stundensatzes ersichtlich sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Kläger unterlegen ist, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der zudem sinngemäß gestellte Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist damit gegenstandslos geworden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt nicht in Betracht, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R9406


Informationsstand: 08.04.2022