Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat nach § 54
Abs. 1, 4
SGG einen Anspruch darauf, dass das Gericht, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 19.09.2005 bis einschließlich Juli 2008 Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von
EUR 25, 56 pro Monat zur Deckung des Schulgeldes zu zahlen. Die Nichterbringung dieser Leistungen ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Anspruchsgrundlage für die Übernahme des Schulgeldes ist § 53
Abs. 1
S. 1
i.V.m. § 54
Abs. 1
S. 1
Nr. 1
SGB XII.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen liegen vor.
Die Klägerin gehört zum Kreis der Personen, die eingliederungshilfeberechtigt sind, denn sie leidet an einer Behinderung im Sinne des
§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX, die sie wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, einschränkt. Die geistigen Fähigkeiten der Klägerin wichen und weichen von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab, wie sich aus den nachvollziehbaren Feststellungen der Gutachterin X. in dem pädagogisch-psychologischen Gutachten von Mai 1999 ergibt. Dort wurde für die Klägerin ein IQ von 89 bei erheblichen Entwicklungs- und Lernrückständen festgestellt. Diese Defizite beeinträchtigen sie in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.
Aufgrund der zunehmenden Technisierung und den damit einhergehenden steigenden intellektuellen Anforderungen an den Einzelnen, besonders in der Arbeitswelt, reicht bereits eine geistige Beeinträchtigung im Umfang einer Lernbehinderung, um einen Anspruch auf Eingliederungshilfe auszulösen. Des Vorliegens einer noch weitergehenden geistigen Behinderung - mit einem entsprechend niedrigeren IQ - bedarf es nicht.
Die Übernahme des Schulgeldes stellt auch eine mögliche Leistung der Eingliederungshilfe dar. Wie sich schon aus § 54
Abs. 1
S. 1
Nr. 1
SGB XII ergibt, gehören Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung zu den Eingliederungshilfeleistungen. Auch die Übernahme von Schulgeld kann eine solche Leistung sein, sofern die Übernahme des Schulgeldes Voraussetzung für den Besuch einer Schule ist, die dem Betroffenen die entsprechende "angemessene Schulbildung" vermittelt (
vgl. insoweit auch Bayr. VGH, Beschluss vom 10.08.2006, Az. 12 BV 05.200,
Rdnr. 14f - juris).
Mit der in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung, der erforderliche sonderpädagogischer Förderungsbedarf werde bereits durch die Anstellung und Finanzierung von Integrationshelfern gedeckt, weswegen es sich bei dem Schulgeld nur um eine Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt handeln könne, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass das
SGB XII von einem umfassenden Begriff der Eingliederungshilfeleistungen ausgeht. Nach diesem gesetzlichen Verständnis lassen sich die Leistungen nicht auf einzelne Maßnahmen beschränken - was bereits daraus erkennbar ist, dass § 54
SGB XII nach seinem Wortlaut ("insbesondere") gerade keine abschließenden Aufzählung von einzelner Leistungen enthält - sondern der Sozialhilfeträger muss, sofern ein Eingliederungshilfebedarf besteht, sämtliche für die Eingliederung des Betroffenen erforderlichen Leistungen erbringen. Ist also der Besuch der B-v-A-Schule geeignet und erforderlich, um den Eingliederungshilfebedarf der Klägerin zu decken, folgt hieraus zugleich die Verpflichtung der Beklagten, sämtliche Leistungen, die Bedingung für den Schulbesuch sind - wie etwa anfallendes Schulgeld - mit zu übernehmen.
Der Besuch der B-v-A-Schule ist zur Eingliederung der Klägerin in die Gesellschaft geeignet und auch erforderlich.
Dass die Schule geeignet ist, den Eingliederungshilfebedarf der Klägerin zu decken, ergibt sich bereits aus dem Bescheid des Staatlichen Schulamtes vom 24.11.1999. Zwar hat das Schulamt die Klägerin in diesem Bescheid der (staatlichen) P-Schule zugewiesen. Mit der gleichzeitig erteilten "Erlaubnis", anstelle der P-Schule die B-v-A-Schule zu besuchen, hat die Behörde beide Schulen jedoch als gleichermaßen geeignet zur Deckung des sonderpädagogischen Förderbedarfs der Klägerin - welcher in dem Bescheid ebenfalls festgestellt wurde - eingestuft. An diese schulrechtliche Einstufung ist der Sozialhilfeträger gebunden (
vgl. hierzu auch D., Urteil vom 26.10.2007, Az.
5 C 35. 06,
S. 7f). Soweit ersichtlich, stellt die Beklagte die grundsätzliche Eignung der B-v-A-Schule zur Beschulung der Klägerin auch nicht in Frage.
Der Besuch der B-v-A-Schule ist darüber hinaus auch eingliederungshilferechtlich erforderlich. Die Erforderlichkeit entfällt nicht dadurch, dass der Klägerin die Möglichkeit offen stand, die schulgeldfreie (staatliche) P-Schule zu besuchen. Ob eine für den Sozialhilfeträger kostenmäßig günstigere Eingliederungshilfemaßnahme, auf die der Leistungsempfänger zulässigerweise verwiesen werden darf, zur Verfügung steht, ist unter Heranziehung des § 9
Abs. 2
SGB XII zu prüfen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift "soll" der Träger Wünschen, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprechen, soweit sie "angemessen" sind. Den Wünschen "soll" gemäß § 9
Abs. 2
S. 3
SGB XII "in der Regel" nicht entsprochen werden, wenn ihre Erfüllung mit "unverhältnismäßigen Mehrkosten" verbunden ist. Der Wunsch der Klägerin
bzw. ihrer Eltern, anstelle der P-Schule die B-v-A-Schule zu besuchen, ist als angemessen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen und führt auch nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten.
Zumindest fraglich ist bereits, ob dadurch, dass die Klägerin die B-v-A-Schule anstelle einer staatlichen Schule besucht, überhaupt Mehrkosten entstehen. Zwar fallen bei der Beklagten als zuständigem Sozialhilfeträger bei Übernahme des Schulgeldes ohne Zweifel zusätzliche Kosten an, die, ginge die Klägerin auf eine staatliche Schule, nicht entstünden. Anders sähe die Berechnung allerdings möglicherweise aus, wenn man, im Wege einer Gesamtbetrachtung, nicht nur die Kosten des Sozialhilfeträgers, sondern die Kosten der öffentlichen Hand insgesamt in die Beurteilung mit einbezöge. Denn die Klägerin hat, ohne dass die Beklagte dem widersprochen hat, vorgetragen, die jeweiligen Schulträger ersparten sich, indem sie die von der B-v-A-Schule angebotenen Plätze zu einem erheblichen Umfang in der Bedarfsplanung berücksichtigten, die Vorhaltung zusätzlicher Plätze in staatlichen Schulen, weswegen letztlich gar keine Mehrkosten gegeben seien.
Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass Mehrkosten anfallen - sei es, weil man eine nur auf den Sozialhilfeträger bezogene enge Betrachtungsweise befürwortet, sei es, dass wegen der an die privaten Schulen gezahlten öffentlichen Zuschüsse diese Schulen für den Staat letztlich genauso "teuer" wären wie die staatlichen Schulen - berechtigen diese Mehrkosten die Beklagte nicht zur Ablehnung der begehrten Leistung. Unterstellt, dass Mehrkosten entstehen, sind diese nämlich nicht unverhältnismäßig.
Bei der Beurteilung, ob es sich bei dem Schulgeld um unverhältnismäßige Mehrkosten handelt, kommt es einerseits auf die Höhe der entstehenden Mehrkosten, andererseits aber auch auf die "Wertigkeit" des Wunsches des Hilfebedürftigen an. Beide Aspekte beeinflussen sich gegenseitig, d.h. je höher die Mehrkosten sind, die anfallen, um so "angemessener" - im Sinne von objektiv nachvollziehbarer - muss der Wunsch des Betroffenen sein. Angesichts der relativ geringen Mehrkosten, die hier durch das Schulgeld entstehen - für den streitgegenständlichen Zeitraum von fast drei Jahren ergeben sich Gesamtkosten von weniger als
EUR 900 - reichen die Gründe, weswegen die Eltern der Klägerin sich für die B-v-A-Schule entschieden haben, auf jeden Fall aus, um diese Kosten als noch verhältnismäßig einzustufen. Die von den Eltern angegebenen Gründe sind insbesondere weder sachfremd noch objektiv willkürlich. Die Eltern der Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass sie ihre Tochter deshalb auf die B-v-A-Schule geschickt hätten, weil dort im damaligen Zeitpunkt bereits zwei ihrer Söhne unterrichtet worden seien. Ihre Söhne seien mit dem Unterricht in der Schule gut zurechtgekommen, weswegen sie gedacht hätten, diese Schule sei auch gut für ihre Tochter. Hierbei handelt es sich um ein objektiv verständliches Motiv; der aus ihm folgende Wunsch der Eltern ist damit auch als angemessen im Sinne von § 9
Abs. 2
S. 1
SGB XII einzuordnen.
Im Übrigen wirkt sich aber auch der Umstand, dass das Staatliche Schulamt den Eltern der Klägerin durch den Bescheid vom 24.11.1999 ausdrücklich ein Wahlrecht zwischen dem Besuch der staatlichen P-Schule und der privaten B-v-A-Schule eröffnet hat, im Rahmen des § 9
Abs. 2
SGB XII zugunsten der Klägerin aus. Denn die Einräumung dieses Wahlrechts erfordert zumindest eine stärkere Gewichtung des Wunsches des Hilfebedürftigen bei der Abwägung zwischen dem Wunschrecht des Betroffenen und den hierdurch entstehenden Mehrkosten (noch weitergehender das D. in seinem Urteil vom 26.10.2007,
S. 9, 10, wonach das eingeräumte Wahlrecht den Sozialhilfeträger dahingehend binden soll, dass dieser sich gar nicht mehr auf den Mehrkostenvorbehalt berufen könne). Dies spricht erst recht dafür, das Vorliegen unverhältnismäßiger Mehrkosten hier zu verneinen.
Der Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht auch unabhängig davon fort, dass der Verein für Heilende Erziehung
e.V. die weitere Beschulung der Klägerin bislang nicht davon abhängig gemacht hat, dass ihre Eltern das vereinbarte Schulgeld tatsächlich zahlen und - zumindest derzeit - auf eine zwangsweise Durchsetzung des Zahlungsanspruchs verzichtet. Denn schon aufgrund der wirksamen Zahlungsverpflichtung, die die Eltern der Klägerin gegenüber dem Verein in der Beitragserklärung vom 04.02.2000 eingegangen sind, ist weder eine (teilweise) Erledigung des Rechtsstreits eingetreten noch kann davon ausgegangen werden, dass die Übernahme des Schulgeldes durch die Beklagte nicht erforderlich wäre. Beides wäre nur anzunehmen, wenn der Verein für Heilende Erziehung
e.V. ausdrücklich auf die Erbringung des Schulgeldes verzichten würde. Hierfür gibt es jedoch derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Nicht ermittelt werden braucht, ob die Klägerin
bzw. ihre Eltern bedürftig sind im Sinne des § 19
SGB XII, da Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung gemäß § 92
Abs. 2
S. 1
Nr. 2,
S. 2
SGB XII unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Hilfeempfängers und der mit ihm in Einstandsgemeinschaft lebenden Personen erbracht werden.
Ergänzend weist die Kammer noch darauf hin, dass, da es sich bei dem Schulgeld um einen sich aus der Behinderung der Klägerin ergebenden besonderen Bedarf handelt, die §§ 53ff
SGB XII als die speziellere Normen die allgemeinen Vorschriften verdrängen. Ein Rückgriff auf die Bestimmungen des dritten Kapitels des
SGB XII kommt insofern nicht in Betracht. Im Übrigen ist auch schon zweifelhaft, ob die Klägerin überhaupt zu dem Personenkreis, dem Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
SGB XII zustehen können, gehört, da sie - im Falle der Bedürftigkeit - wohl Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach dem
SGB II wäre und daher allenfalls Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 28
SGB II hätte. Für die Erbringung dieser antragsabhängigen Leistung wäre aber der Landkreis A-Stadt-B-Stadt zuständig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.