Urteil
Kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für drei Paar orthopädische Schuhspanner durch die Krankenversicherung

Gericht:

LSG Nordrhein-Westfalen 11. Senat


Aktenzeichen:

L 11 KR 566/15


Urteil vom:

17.08.2016


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.08.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für drei Paar orthopädische Schuhspanner in Höhe von 400,00 EUR bis 500,00 EUR je Paar (insgesamt 1.200,00 EUR bis 2.000,00 EUR).

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Wegen einer Unterschenkelamputation rechts wurde er von ihr mit orthopädischen Maßschuhen und einer Unterschenkelprothese versorgt. Aufgrund eines im Zusammenhang mit der Operation geführten Arzthaftungsprozesses erhielt die Beklagte von der gegnerischen Versicherung 200.000,00 DM.

Aufgrund einer Verordnung seiner behandelnden Ärztin Dr. L beantragte der Kläger mit Schreiben vom 28.09.2014 drei orthopädische Schuhspanner für orthopädische Maßschuhe. Er trug vor, seine drei Paar orthopädische Maßschuhe könnten nicht mit normalen Schuhspannern behandelt werden. Die Schuhspanner seien zur Erhaltung der Funktion zwingend erforderlich. Orthopädieschuhmachermeister C führte in seiner Stellungnahme aus, dass die Verwendung von Schuhspannern unerlässlich seien, um den dauerhaften Erhalt der Maßschuhe zu garantieren, konfektionierte Schuhspanner seien nicht geeignet, so dass nur Schuhspanner auf Maß einen langlebigen Erhalt der Schuhe gewährleisteten.

Mit Bescheid vom 23.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Schuhspanner hätten keinen therapeutischen Nutzen und seien als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen.

Mit seinem Widerspruch vom 06.02.2015 trug der Kläger vor, ohne die beantragten Schuhspanner sei der Fußhalt nicht mehr gegeben und es bestehe eine erhöhte Sturzgefahr.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Handelsübliche Schuhspanner seien ausreichend. Diese seien als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens im Rahmen der Eigenverantwortung selbst zu finanzieren. Der Einwand, wonach eine erhöhte Sturzgefahr bestehe, weil die orthopädischen Schuhe ohne Maßschuhspanner ihre Form und damit die Funktion verlören, sei nicht haltbar. Ihr seien weder Leistungsanträge dieser Art bekannt, noch habe es in der Vergangenheit jemals Beschwerden über funktionslose orthopädische Schuhe gegeben.

Mit seiner Klage vom 16.03.2015 hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Beklagte habe seinerzeit zugesagt, alle Hilfsmittelkosten zu übernehmen. Er überreichte zudem ein Schreiben der Q Kliniken - Klinik H- E vom 18.12.2014, eine Bescheinigung seiner Hausärztin über die von ihm im Rahmen eines Antrags auf Schwerbehinderung und das Merkzeichen RF gemachten Angaben vom 29.10.2014, eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises sowie eine Ausstellungsbesprechung und Biografie. Den ihm vom Sozialgericht (SG) übersandten Fragebogen zur Person schickte er nicht zurück, sondern verwies auf die übersandte Ausstellungsbesprechung.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2015 zu verurteilen, die Kosten für die Anfertigung von drei Paar orthopädischen Schuhspannern zu übernehmen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Urteil vom 27.08.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die begehrten Schuhspanner seien nicht zur Krankenbehandlung erforderlich. Handelsübliche Schuhspanner seien ausreichend. Die vom Kläger für den Fall der Nichtnutzung orthopädischer Schuhspanner behauptete Sturzgefahr sei durch nichts belegt. Deren Notwendigkeit ergebe sich auch nicht aus der Stellungnahme des Orthopädieschuhmachermeisters C, denn nach dieser sollten die Schuhspanner nur für einen langlebigen Erhalt der Maßschuhe erforderlich sein. Dieser Aspekt begründe aber nicht die Notwendigkeit einer Hilfsmittelversorgung. Sollte es insoweit bei Verwendung handelsüblicher Schuhspanner, die vom Kläger als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens zu finanzieren seien, tatsächlich zu einem Verschleiß der Maßschuhe kommen, bestehe ggf. ein Anspruch des Klägers auf erneute Versorgung mit Maßschuhen. Schließlich seien dem Gericht keine weiteren Ermittlungen bei den behandelten Ärzten möglich gewesen, weil er diese weder benannt noch von ihrer Schweigepflicht entbunden habe.

Gegen das ihm am 04.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.09.2015 Berufung eingelegt. Die Beklagte habe 200.000,00 DM von der gegnerischen Versicherung erhalten, um ihn mit allem orthopädischen Material zu versorgen. Die Beklagte habe ihm schriftlich zugesichert, alle Kosten im Zusammenhang mit der Beinamputation zu übernehmen. Die Schuhspanner dienten seinem therapeutischen Bedarf und der Nachhaltigkeit.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorfs vom 27.08.2015 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2015 zu verurteilen, die Kosten für die Anfertigung von drei Paar orthopädischen Schuhspannern zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und führt ergänzend aus, dass die Kapitalisierung von Haftpflichtansprüchen nicht bedeute, dass der Kläger lebenslang alle Leistungen erhalte. Die in der Berufungsbegründung angeführte Kapitalisierung berühre nur das Verhältnis der Beklagten zur Haftpflichtversicherung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG Düsseldorf, Urteil vom 27.08.2015 - S 27 KR 296/15

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen keine Bedenken. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Höhe von 750,00 EUR ist erreicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit drei Paar maßangefertigten Schuhspannern für seine orthopädischen Schuhe.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Gleiches gilt für Leistungen, die allein der Eigenverantwortung des Versicherten zuzurechnen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Die Voraussetzungen des § 33 SGB V liegen nicht vor. Die orthopädischen Schuhspanner sind kein Hilfsmittel (a). Auch richtet sich das Begehren des Klägers nicht auf die Instandsetzung oder Ersatzbeschaffung eines Hilfsmittels, nämlich der orthopädischen Schuhe (b).

(a) Die beantragen maßangefertigten Schuhspanner selbst sind kein Hilfsmittel. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, sind die begehrten Schuhspanner nicht zur Krankenbehandlung erforderlich. Die Verordnung der behandelnden Ärztin Dr. L enthält keine Ausführungen dazu, warum diese der Krankenbehandlung dienen. Auch Orthopädieschuhmachermeister C hat in seiner Stellungnahme lediglich ausgeführt, dass die orthopädischen Schuhspanner für einen langlebigen Erhalt der Maßschuhe notwendig seien. Für die vom Kläger behauptete Sturzgefahr gibt es mithin keine konkreten Anhaltspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen geben könnten. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Kläger auf mehrfache Aufforderung zur Benennung seiner behandelnden Ärzte und Entbindung von der Schweigepflicht lediglich mitgeteilt hat, dass der Sachverhalt bekannt sei.

(b) Die Schuhspanner sind auch nicht als Zubehörteil für die orthopädischen Maßschuhe von der Leistungspflicht erfasst. Die Verpflichtung der Beklagten nach § 33 SGB V ist nicht auf die Gewährung der orthopädischen Schuhe beschränkt. Die Leistungspflicht für die Schuhspanner als Zubehörteil der orthopädischen Maßschuhe entfällt nicht schon im Hinblick auf den in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorgesehenen Ausschluss eines Sachleistungsanspruchs bei Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Den Leistungsausschluss hat das Gesetz nur für das Hilfsmittel selbst vorgesehen, nicht aber für Zusatzteile, Zubehör und Betriebsmittel, die der ständigen Einsatzbereitschaft des Hilfsmittels dienen (BSG, Urteil vom 06.02.1997 - 3 RK 3/96 -). Die Ausstattung mit dem Hilfsmittel umfasst vielmehr auch dessen Erhaltung in gebrauchsfähigem Zustand (BSG, Urteil vom 24.04.1979 - 3 RK 73/77 - und vom 25.02.1981 - 5a/5 RKn 35/78 -). Allerdings fällt die ordnungsgemäße Behandlung und Pflege des Hilfsmittels in den Verantwortungsbereich des Versicherten (BSG, Urteil vom 27.11.1990 - 3 RK 31/89 -). Es liegt im eigenen Interesse des Versicherten, das Hilfsmittel ordnungsgemäß zu behandeln und zu pflegen. Er kann nicht erwarten und verlangen, dass die Krankenkasse ihm diese Aufgabe abnimmt (BSG, a.a.O.). Damit wird aber nicht die Leistungspflicht der Krankenkasse eingeschränkt. Wenn das Hilfsmittel beschädigt und unbrauchbar wird, hat der Versicherte den Anspruch gegen die Krankenkasse auf Instandsetzung oder Ersatzbeschaffung (BSG, a.a.O.). Dem Anspruch steht in diesem Fall nicht entgegen, dass der Versicherte das Hilfsmittel nicht ordnungsgemäß behandelt oder mangelhaft gepflegt hat. Sein Verschulden ist jedenfalls dann unerheblich, wenn ihm nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Im Hinblick auf die Pflicht der Krankenkasse zur Ersatzbeschaffung der Hilfsmittel kann es für sie wirtschaftlich und zweckmäßig sein, das Hilfsmittel durch geeignete Maßnahmen gegen Beschädigung oder Verlust zu schützen. Eine Pflicht der Krankenkasse, solche Maßnahmen zu treffen, und ein entsprechender Anspruch des Versicherten ergibt sich daraus aber nicht (BSG, a.a.O.).

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die orthopädischen Schuhspanner weder erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V noch notwendig im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Referenznummer:

R/R7594


Informationsstand: 30.07.2018