Urteil
Beihilfefähigkeit eines Airnergy-Gerätes - Hilfsmitteleigenschaft eines Luftbefeuchters - Gerät zur Selbstbehandlung

Gericht:

VG Augsburg 2. Kammer


Aktenzeichen:

Au 2 K 10.1420 | 2 K 10.1420


Urteil vom:

09.08.2012


Grundlage:

  • BBhV § 6 Abs. 1 S. 1 |
  • BBhV § 25 Abs. 1 u. 2

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der am .... 1938 geborene beihilfeberechtigte Kläger, der unter einer schweren chronischen obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leidet, begehrt von der Beklagten die Gewährung von Beihilfe in Höhe von 4.158,00 EUR für ein sog. "Airnergy-Gerät", welches ihm von der Gemeinschaftspraxis Dr. med. .... und .... am 15. Juni 2010 ärztlich verordnet wurde.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 lehnte die Wehrbereichsverwaltung .... die Gewährung von Beihilfe für dieses Hilfsmittel ab unter Hinweis darauf, dass die medizinische Notwendigkeit nicht gegeben sei.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2010 ließ der Kläger hiergegen Widerspruch einlegen. Unter Beigabe von Berichten und Studien zur "Airnergy-Therapie" wurde um nochmalige Überprüfung gebeten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2010 wies die Wehrbereichsverwaltung .... den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, das "Airnergy-Gerät" erfülle nicht die Kriterien eines Inhalationsgeräts im Sinne der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 BBhV, sondern basiere nach seiner Funktion vorrangig auf den Prinzipien der Luftbefeuchtung, des Luftfilterns und des Luftwaschens. Das "Airnergy-Gerät" solle nach dessen Produktinformation die Atmung mittels energetisierter Luft ergänzen (Spirovitalisierung). Da Luftbefeuchter, Luftfilter und Luftwäscher allgemein von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien, habe das Gerät nicht als beihilfefähig anerkannt werden können.

Am 16. September 2010 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben mit dem sinngemäßen Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Beihilfebescheids vom 26. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Beihilfe für das " Airnergy-Gerät" in Höhe von 4.158,-- EUR zu gewähren.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, bei dem "Airnergy-Gerät" handle es sich gerade nicht um eine Filterung der Atemluft oder eine Befeuchtung oder um ein Auswaschen von schädlichen Substanzen aus der Atemluft. Das Gerät wirke vielmehr in Folge einer kurzfristigen Anhebung des Sauerstoffs in der Umgebungsluft aus dem Grundzustand auf ein höheres Energieniveau (Singulettzustand) aufgrund der Einwirkung von lichtspezifischer Wellenlänge unter Anwesenheit eines ausgewählten Photosensibilisators; d. h., es handle sich bei diesem Gerät um ein solches zur Aufbereitung des Luftsauerstoffs. Für den Kläger sei dieses zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Atemfunktion notwendig.

Unter dem 2. März und 29. Dezember 2011 legte der Bevollmächtigte des Klägers zur Wirkweise und zur Wirksamkeit des streitgegenständlichen Geräts Literatur vor (vgl. Bl. 39 bis 83 und 97 bis 114 der Gerichtsakte).

Unter dem 1. April 2011 ließ die Beklagte beantragen,

die Klage abzuweisen.

Nach den vorgelegten Unterlagen handle es sich bei dem "Airnergy-Gerät" um ein Gerät, das in erster Linie den Bereichen Wellness, sportliche Leistungssteigerung, Anti-Aging und Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens zuzuordnen sei. Es sei kein wissenschaftlich allgemein anerkanntes medizinisch notwendiges Hilfsmittel zur Behandlung einer bestimmten Erkrankung (vgl. Nr. 1 der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV). Aufgrund dessen, dass die vorhandene Raumluft lediglich aufbereitet werde, sei das Gerät mit den explizit von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenen Luftbefeuchtern, -filtern und -wäschern vergleichbar. Insbesondere fehle es an der Zuführung therapeutischer Substanzen durch dieses Gerät.

Unter dem 27. Juni 2012 legte Dr. ..., Ltd. Medizinaldirektor, Regierung von ..., die gerichtlich angeforderte Stellungnahme vor. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem "Airnergy-Gerät" zum einen definitionsgemäß nicht um ein Beatmungsgerät bzw. Atemtherapie- oder Inhalationsgerät handle, weil sich die hypothetische Wirkung des Geräts nicht aus der Zufuhr einer höheren Sauerstoffmenge mit der Atemluft ergäbe, sondern aus der Zufuhr von an den Wasserdampf der Atemluft gebundener Energie. Mit dem Gerät werde gemäß den Herstellerangaben keine erhöhte Sauerstoffzufuhr oder Medikamentenzufuhr oder Beatmung bewirkt. Zum anderen sei die Wirksamkeit des "Airnergy-Geräts", die über die Effekte einer entspannenden und beruhigenden Wirkung hinausgehe, insgesamt nicht wissenschaftlich belegt. Schließlich sei das Problem der Erkrankung des Klägers, bei der es sich um eine chronische Lungenkrankheit mit fortschreitender Verlegung/Verengung der Atemwege mit Husten, Auswurf und Atemnot auf dem Boden einer chronischen Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems (Lungenüberblähung) handle, die verminderte Aufnahmefähigkeit von Sauerstoff in der Lunge und nicht eine herabgesetzte Verwertung des Sauerstoffs im Körper bzw. in den verschiedenen Organen. Die innere Atmung, die in den Mitochondrien (Kraftwerke der Körperzellen) der diversen Körperzellen ablaufe, sei nicht gestört. Wissenschaftlich basierte Behandlungsstrategien hätten daher zum Ziel, die Aufnahmefähigkeit von Sauerstoff zu verbessern. Dass mit dem "Airnergy-Gerät" der Sauerstoffaustausch zwischen Lungenbläschen und den Lungenkapillaren verbessert werde, lasse sich jedoch weder den Herstellerangaben noch den übermittelten Stellungnahmen entnehmen. Insofern sei das Gerät nicht geeignet, die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung (gestörter Gasaustausch in der Lunge) zu therapieren. Deshalb sei es aus medizinischer Sicht nicht erforderlich.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19. Juni 2012 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Am 9. August fand mündliche Verhandlung statt, zu der ein Vertreter der Beklagten, die am 5. Juli 2012 geladen wurde, nicht erschienen ist. Ltd. MD Dr. .... wurde als sachverständiger Zeuge gehört. Hinsichtlich des Ergebnisses seiner Anhörung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen. Der Klägervertreter wiederholte seinen bereits schriftsätzlich gestellten Klageantrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; die begehrte Verpflichtung zu einer Beihilfegewährung für das "Airnergy-Gerät" in Höhe vom 4.158,-- EUR kommt daher nicht in Betracht (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die beantragte Gewährung von Beihilfe ist die Allgemeine Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vom 13. Februar 2009 in der ab 24. Dezember 2009 geltenden Fassung.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen beihilfefähig.

Nach § 25 Abs. 1 BBhV sind Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für die Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 5 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für in Anlage 6 ausgeschlossene Hilfsmittel sind nicht beihilfefähig.

Gemäß der in Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 BBhV aufgeführten Liste über die Beihilfefähigkeit von Hilfsmitteln, Geräten zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle sowie für Körperersatzstücke einschließlich Zubehör sind Aufwendungen für Inhalationsgeräte (auch Sauerstoff) und Zubehör beihilfefähig, nicht jedoch Luftbefeuchter, Luftfilter und Luftwäscher.

Bei Zugrundelegung dieser gesetzlichen Vorgaben, scheidet eine Beihilfefähigkeit für das "Airnergy-Gerät" aus mehreren Gründen aus.

Zum einen handelt es sich bei dem "Airnergy-Gerät" - dessen hypothetische Wirkung unterstellt - nicht um ein beihilfefähiges Inhalationsgerät im Sinne der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 BBhV. Der Sachverständige .... kommt in seinem schriftlichen Gutachten vom 27. Juni 2012 nach einer umfassenden Literaturrecherche sowie in der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2012 kompetent, nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Gerät definitionsgemäß nicht um ein Beatmungsgerät bzw. Gerät zur Atemtherapie oder Inhalation handelt. Dies ergibt sich aus der Wirkungsweise des "Airnergy-Geräts", bei der weder vermehrt Sauerstoff noch Medikamente mit der Atemluft zugeführt werden und auch keine Beatmung erfolgt.

Zum anderen ist das Gerät nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht geeignet die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung zu therapieren. Das Gesundheitsproblem des Klägers beruht allein auf einem gestörten Gasaustausch in der Lunge. Bei dessen chronischer Lungenkrankheit mit fortschreitender Verlegung/Verengung der Atemwege mit Husten, Auswurf und Atemnot auf dem Boden einer chronischen Bronchitis oder eines Lungenemphysems (Lungenüberblähung) kommt es zu einer zunehmenden ventilatorischen Verteilungsstörung in der Lunge, indem gut durchblutete Lungenareale schlecht beatmet werden und umgekehrt. Dadurch ist der Gasaustausch insbesondere von Sauerstoff herabgesetzt. Das Problem dieser Krankheit ist folglich die verminderte Aufnahme von Sauerstoff in der Lunge und nicht eine herabgesetzte Verwertung von Sauerstoff im Körper bzw. in den verschiedenen Organen. Die sogenannte innere Atmung, die in den Mitochondrien (Kraftwerke der Körperzellen) abläuft, ist nicht gestört. Das "Airnergy-Gerät" hat jedoch nicht zum Ziel, die Aufnahmefähigkeit von Sauerstoff in der Lunge zu verbessern, sondern soll den Sauerstoff in der Atemluft in eine körpergerechtere Form bringen und damit für den Organismus besser verwertbar machen. Der Kläger indes leidet nicht an einer Störung der inneren Atmung in den Mitochondrien. Deshalb ist im Falle der Erkrankung des Klägers das "Airnergy-Gerät" auch kein medizinisch notwendiges. Die vom des Bevollmächtigten des Klägers vorgebrachte Argumentation, wonach die durch die Krankheit des Klägers verursachten negativen Folgen auch dadurch abgeschwächt werden könnten, dass der Organismus den zur Verfügung stehenden Sauerstoff besser verwerte, ändert an der mangelnden medizinischen Notwendigkeit nichts. Denn medizinisch betrachtet liegt beim Kläger kein Problem der Sauerstoffverwertung in den Mitochondrien vor. Vielmehr verwertet der Kläger den zur Verfügung gestellten Sauerstoff wie jeder andere Mensch optimal, sodass eine Verbesserung der Verwertung nicht angezeigt ist. Wissenschaftlich basierte Behandlungsstrategien, z. B. mit Medikamenten haben daher zum Ziel, die Aufnahmefähigkeit von Sauerstoff in der Lunge (Sauerstoffdiffusion) zu verbessern. Gerade dies vermag das streitgegenständliche Airnergy-Gerät hingegen nicht zu leisten.

Ob darüber hinaus die Beihilfefähigkeit auch deshalb entfällt, weil es sich bei der Airnergy-Geräte-Therapie um keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handelt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BBhV) kann offenbleiben, da sich der Ausschluss der Gewährung der beantragten Beihilfe bereits aus oben dargestellten Gründen ergibt.

Zur weiteren Begründung wird ergänzend auf den zutreffenden Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2010 sowie auf den Widerspruchsbescheid vom 27. August 2010 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Zulassungsgründe nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 bzw. 4 VwGO nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R5688


Informationsstand: 06.09.2013