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Dokumentart(en): Zeitschriftenbeitrag
Titel der Veröffentlichung: Hilfsmittel in Pflegeheimen: Konsequenzen des Rollstuhlurteils

Bibliographische Angaben

Autor/in:

Meuthen, Elke

Herausgeber/in:

k. A.

Quelle:

Medizin-Technischer Dialog (MTDialog), 2001, 27(06), Seite 12-13, Amtzell: MTD, ISSN: 0935-137-X

Jahr:

2001

Der Text ist von:
Meuthen, Elke

Der Text steht in der Zeitschrift:
Medizin-Technischer Dialog (MTDialog), 27(06), Seite 12-13

Den Text gibt es seit:
2001

Inhaltliche Angaben

Beschreibung:

Das steht in dem Text:

Bezug auf Aktenzeichen B 3 KR 26/99 R, BSG 3. Senat, 10.02.2000

Das sogenannte Rollstuhlurteil, wonach die Krankenkasse der Klägerin die Bereitstellung eines gebrauchten Multifunktionsrollstuhls zahlen muss, stellt einen Pyrrhussieg dar. Wegen des Urteils lehnen Krankenkassen in jüngster Zeit häufiger die Kostenübernahme für Ernährungspumpen, Badewannenseinsätze oder ähnlichem ab. Nach Ansicht der Krankenkassen haben die Pflegeeinrichtungen diese Hilfsmittel auf ihre Kosten vorzuhalten.

Nach Ansicht der Verfasserin ist dies aber nicht richtig. Eine schwerpflegebedürftige Heimbewohnerin bekommt auf Grund des Rollstuhlurteil einen gebrauchten Rollstuhl finanziert in dem die Klägerin auch außerhalb der Einrichtung gefahren wird (Az. B 3 Kr 26/99 R). Die Kasse muss individuell angepasste und Hilfsmittel die zur Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses angeschaft werden finanzieren.

Die Entscheidung des 3. Senats des GSG hat zur Folge, dass
  • die Krankenkassen finanziell entlastet werden, wenn das Hilfsmittel nur innerhalb des Pflegeheimes eingesetzt wird;
  • gesetzlich Krankenversicherte für den gleichen Mitgliedsbeitrag künftig weniger Leistungen erhalten;
  • vollstationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe vermehrt Hilfsmittel die nur innerhalb der Sphäre des Pflegeheimes genutzt werden, bereitzuhalten und zu fnanzieren haben;
  • den vollstationären Pflegeeinrichtungen, soweit Hilfsmittel Medizinprodukte darstellen, weitere Kosten entstehen (Kosten für sicherheitstechnische Kontrollen, Reparaturen usw.);
  • Versicherte in öffentlich geförderten Einrichtungen betriebsnotwendige Investitionskosten in Rechnung gestellt bekommen, wenn die zuständige Landesbehörde dem zustimmt (§ 82 Absätze 3 und 4 SGB XI);
  • Versicherte in nicht öffentlich geförderten vollstationären Einrichtungen betriebsnotwendige Investitionskosten ohne Zustimmung der Landesbehörde in Rechnung gestellt bekommen und dadurch vermehrt der Sozialhilfe anheim fallen;
  • die Bundesländer bei staatlich geförderten Pflegeeinrichtungen zumindest teilweise die Kosten der Hilfsmittel zu tragen haben (vergleiche § 9 SGB XI).
Widerspruch
Für den Fall, dass die Krankenkasse eine Kostenübernahme wie im beschriebenen Fall ablehnt, kann der Patient oder sein Betreuer Widerspruch einlegen. Eine Begründung ist von Vorteil. Die Kasse ist verpflichtet den Bescheid voll inhaltlich zu prüfen.

Nachfolgend einige Gründe, warum die Krankenkasse nach Ansicht der Verfasserin die Kosten zu übernehmen hat:
  • Das BSG-Urteil bezieht sich nur auf das Hilfsmittel Rollstuhl. Der 3. Senat hat eine verbindliche Entscheidung nur für den Fall getroffen, dass ein in einer vollstationären Pflegeeinrichtung untergebrachter Patient einen Rollstuhl von der Krankenkasse bezahlt bekommt, wenn er mithilfe des Rollstuhl das Pflegeheim regelmäßig verlässt.
  • Das BSG-Urteil fordert keine prinzipielle Vorhaltung von Hilfsmitteln durch Altenheime. Es fordert die Prüfung jeden Einzelfalls. Ein Rollstuhl ist mit einer Ernährungspumpe nicht vergleichbar. Es ist zwar möglich ohne Rollstuhl, aber nicht ohne Nahrungsaufnahme zu leben.
  • Die Ernährungspumpe dient dem Ausgleich einer Krankheit und gehört nicht zu Behandlungspflege. Die Krankenkasse ist daher der Zuständige Kostenträger (§ 27 SGB V) Der Patient hat Anspruch auf Kassenbehandlung, wenn sie notwendig ist zur Erkennung, Heilung oder Verhütung einer Krankheit. Relevant ist nach Ansicht der Verfasserin ob eine medizinische Indikation vorliegt, oder ob das Hilfsmittel zur Durchführung einer reinen Behandlungspflege nach SGB XI dient. Eine differenzierung nach dem tatsächlichem Aufenthaltsort würde letztendlich zu einer Ungleichbehandlung zwischen in häuslicher Gemeinschaft Lebenden, teilstationären und Vollstationären Pflegebedürftigen führen.
  • Auch Patienten in vollstationären Pflegeeinrichtungen haben Anspruch auf GKV-finanzierte Hilfsmittel. Dies besagt die ergänzende Erläuterung der Spitzenverbänder der Krankenkassen vom 26.5.98 zu den Gemeinsamen Verlautbarungen der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln vom 26.6.97. Die sich aus § 33 SGB V ergebenden Rechtsansprüche gelten uneingeschränkt für die in der Pflegeeinrichtung lebenden.
  • Die Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und Pflegekassen zur Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln vom 26.5.97 wurde nur als ein Anhaltspunkt unter mehreren zur Beurteilung der Zuständigkeit herangezogen.
  • Die Verlautbarung hat keinen Ausschließlichkeitscharakter. Letztendlich stellt sie nur eine rechtsverbindliche Entscheidungshilfe dar. Eine individuelle Entscheidung ist immer herbeizuführen.
Die Spitzenverbände haben selbst festgestellt:
  • Die Ausstattung von Pflegeheimen ist bis heute nicht verbindlich definiert.
  • Auch in Pflegeeinrichtungen lebende Bewohner haben ein Anrecht auf die Versorgung mit Hilfsmitteln.
  • Das BSG-Urteil ist die Entscheidung eines konkreten Einzelfalls, es sollte daher nicht negativ gegen alle Versicherten angewandt werden.
Rechtspolitische Konsequenzen des sogenannten Rollstuhlurteils
Das Rollstuhlurteil bezieht sich ausschließlich auf Heimbewohner. Ein anderer Fall mit anderen Voraussetzungen kann anders entschieden werden. Die Entscheidung des BSG kann dazu führen, dass ein Versicherter so lange er zu Hause gepflegt wird, ein Hilfsmittel von der Krankenkasse finanziert bekommt, wenn er in ein vollstationäres Heim wechselt diese selbst finanzieren muss. So fördert die anscheinend positive Entscheidung des BSG die Zwei-Klassen-Medizin.

Durch die Beschneidung des Kranken- und der Pflegeversicherung bedeutet das Rollstuhlurteil die Abkehr von der Vollversorgung und die Beschneidung des GKV-Leistungskataloges beziehungsweise eine Abkehr vom Sachleistungsprinzip. Dies stellt eine indirekte Beitragssatzerhöhung dar, die den privaten Versicherungsschutz fördert.

Wo bekommen Sie den Text?

Magazin MTDialog
https://mtd.de/service-center/

Weitere Informationen zur Veröffentlichung

Referenznummer:

R/ZS0110/3375

Informationsstand: 23.07.2001