Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 08.11.1999 hat Erfolg.
Zulässigkeitsbedenken gegen die fristgerecht eingelegte Berufung bestehen nicht.
Nach der Entscheidung des
BSG vom 31. August 00 (SozR 3 § 139
Nr. 1, siehe auch Urteil vom 28. September 2006, Aktenzeichen:
B 3 KR 28/05 R, www. juris.de, vorgesehen zur Veröffentlichung in SozR 4) bestehen entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Beigeladenen bezüglich der auch in der Berufungsinstanz zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen keine Bedenken.
Die Entscheidung der Spitzenverbände der Krankenkassen nach
§ 139 SGB V über den Antrag eines HM-Herstellers auf Aufnahme eines neuen medizinischen Produkts ins HM-Verzeichnis (
§ 128 SGB V ) stellt (unzweifelhaft) einen Verwaltungsakt dar. Über die Entscheidung ist dem Antragsteller ein Bescheid zu erteilen, und zwar unabhängig davon, ob dem Antrag stattgegeben oder ob er abgelehnt wird. Dies hat der Gesetzgeber durch § 139
Abs. 2
S. 5
SGB V in der Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung ab 1. Januar 2004 ausdrücklich normiert, ohne dass damit eine Rechtsänderung verbunden war. Der Gesetzgeber hat lediglich die auch vorher schon bestehende, vom
BSG (SozR 3-2500 § 139
Nr. 1) dargestellte Rechtslage bestätigt. Die Beklagten haben den Antrag der Klägerin auf Aufnahme der streitgegenständlichen Produkte in das HM-Verzeichnis durch Verwaltungsakt abgelehnt.
Der Zulässigkeit der Klage steht ferner nicht entgegen, dass das vor Erhebung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich erforderliche Vorverfahren (§ 78 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) nicht stattgefunden hat. In Fällen, in denen Spitzenverbände der Krankenkassen einen Verwaltungsakt gemeinsam zu erlassen haben, eine Widerspruchsstelle nicht bestimmt ist und als nächsthöhere Behörde gemäß § 85
Abs. 2
Nr. 1
SGG nur die oberste Bundesbehörde als Aufsichtsbehörde der betroffenen Kassenverbände in Betracht kommt, ist auch der Widerspruchsbescheid von den Spitzenverbänden zu erteilen. Der erstinstanzlich gestellte Antrag auf Abweisung der Klage genügt dann dem Vorverfahrenserfordernis, wenn - wie hier - Klagegegner und Widerspruchsstelle identisch sind (
BSG SozR 3-2500 § 139
Nr. 1 m. w. N.). Wegen der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 15.09.1998 hat die Klägerin auch die Widerspruchsfrist eingehalten (§§ 84
Abs. 2
S. 3
i. V. m. § 66
Abs. 2
S. 1
SGG), weil der Widerspruch (in Form der Klageerhebung) innerhalb eines Jahres eingelegt worden ist.
Die Berufung der Klägerin ist in dem durch den Antrag in zweiter Instanz eingeschränkten Umfang auch in vollem Umfang begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15.09.1998 ist rechtswidrig, wobei offen bleiben kann, ob es um im Hinblick auf die bereits zuvor ergangene ablehnende Entscheidung gegenüber der
Fa. U & Co
mbH um die Bescheidung eines Antrages nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (
SGB X) eines Rechtsnachfolgers oder um eine Erstbescheidung gegenüber der Klägerin ging. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagten zu, dass das Produkt "Safehip®", bezogen auf die von der Beklagten bislang geprüften Unterprodukte "Safehip Kompakt" und "Safehip Top" in das HM-Verzeichnis der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgenommen wird.
Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 139
Abs. 2
SGB V. Danach setzt die Aufnahme eines neuen HM s in das HM-Verzeichnis voraus, dass der Hersteller die Funktionstauglichkeit, den therapeutischen Nutzen und die Qualität des HMs nachweist (§ 139
Abs. 2
S. 1
SGB V).
An der HM-Eigenschaft von "Safehip®" bestehen hinsichtlich der zu beurteilenden, von der Beklagten bislang geprüften Unterprodukte "Safehip Kompakt" und "Safehip Top" zur Überzeugung des Senates keine Zweifel.
Nach
§ 33 Abs. 1 S. 1 SGB V in der (seit dem 01.07.2001 geltenden, bis heute unveränderten) Fassung des
Art. 5
Nr. 9 nach Maßgabe des
Art. 67 des Gesetzes vom 19.06.2001 (BGBl I 1046) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen HM n, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die HM nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34
Abs. 4
SGB V ausgeschlossen sind. Der hiermit nur unvollständig umschriebene Begriff des HM siehe (
BSG, Urteil vom 28.09.2006, am angegebenen Ort) wird in
§ 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) konkretisiert, der die "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" betrifft und auch für die Krankenkassen als Rehabilitationsträger gilt. Danach umfasst die Versorgung mit HM n (Körperersatzstücke sowie orthopädische ua HM) iSd
§ 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen) die technischen Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Alt. 1), den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern (Alt. 2) oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen (Alt. 3), soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.
Ob die Hüftprotectoren im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung (§ 33
Abs. 1
S. 1 - 1. Alt.
SGB V)
bzw. den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern (§ 26
Abs. 2
Nr. 6 Alt. 2
SGB IX), kann der Senat offen lassen. Ausgehend von den in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und mit dessen Begründung neigt der Senat dazu, das Sturzsyndrom
bzw. die Sturzkrankheit - wissenschaftlich hinreichend belegt - als ein eigenständiges Krankheitsbild mit hieraus entstehender Teilhabestörung, Angst und daraus wiederum folgender Depression als typischer Problematik der Sturzkrankheit anzusehen. Wie der Sachverständige weiter nachvollziehbar dargelegt hat, spricht viel dafür, dass die Hüftprotectoren der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung dienen, die bei einer detaillierten Analyse der intrinsischen und extrinsischen Risikofaktoren des jeweiligen Versicherten beginnt und wirksame Interventionen zur Vermeidung von Stürzen im Sinne der Prophylaxe einschließlich des Tragens von Hüftprotectoren umfasst.
Der Sachverständige bezieht sich diesbezüglich auf den Expertenstandard (Sturzprophylaxe in der Pflege, Stand: Februar 2006) . Eine abschließende diesbezügliche Entscheidung des erkennenden Senates erscheint jedoch im Hinblick darauf entbehrlich, dass - aus Sicht des Senates - ohne jeden Zweifel die weitere Alternative "einer drohenden Behinderung vorzubeugen" (§ 33
Abs. 1
S. 1 - 2. Alt.
bzw. § 26
Abs. 2
Nr. 6 - 1. Alt.) gegeben ist. Zur Zeit der streitigen Entscheidung der Beklagten hatte der Gesetzgeber diese Zielrichtung eines HM s noch nicht gesetzlich normiert. Bei der vorliegenden Verpflichtungsklage ist jedoch die aktuelle Gesetzeslage maßgebend. Auch wenn der Senat einräumt, dass der Aspekt der Vorbeugung des Eintritts einer Behinderung im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht hinreichend gewürdigt worden zu sein scheint, bestehen keine Bedenken, zumal der Aspekt ausführlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat diskutiert worden ist, diesen der Entscheidung des Senates zugrunde zu legen. Dass aber Oberschenkelhalsbrüche häufig auftretende Folge eines Sturzes der Personengruppe, für die Hüftprotectoren konzipiert sind - Patienten, die an manifester Osteoporose leiden, bei denen ein erhöhtes Sturzrisiko besteht oder die bereits eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten haben - sind und zu erschreckend hohen Anteilen innerhalb eines Jahres zum Tode
bzw. zum Eintritt oder Erhöhung von Pflegebedürftigkeit führen, steht aufgrund der von dem Sachverständigen ausführlich gewürdigten wissenschaftlichen Nachweise fest. Weiter erscheint nicht diskutabel, dass die dem oben beschriebenen Personenkreis drohenden Folgen von Oberschenkelhalsbrüchen als Behinderungen im Sinne des
SGB XI zu bewerten sind. Gerade der Zielrichtung der Prophylaxe, also der Vorbeugung von schwerwiegenden Behinderungen als Folge von Stürzen, sind die Hüftprotectoren zu dienen bestimmt. Bei den "Safehip®"- Produkten bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne von § 33
Abs. 1
S. 1
SGB V.
Ausgehend vom Vorliegen der HM-Eigenschaft ist Aufgabe der Beklagten (
vgl. BSG, Urt. vom 28.09.2006,
a. a. O.), im Rahmen ihrer Amtsermittlung die Angaben der Klägerin zu Funktionstauglichkeit, therapeutischem Nutzen und Qualität des HM s gemäß
§ 139 Abs. 2 SGB V anhand vorgegebener Maßstäbe zu überprüfen, die an einen Wirksamkeitsnachweis angelegt sind. Dabei kann der wissenschaftliche Nachweis nach Evidenzstufen oder durch Sachverständigengutachten (
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 8) erfolgen, wobei die Bindungswirkung der CE-Klassifikation von den Beklagten zu beachten ist.
Bei dem hier gegebenen Verfahrensgang drängt sich der Schluss auf, dass die Beklagten diese Grundsätze bisher nur rudimentär beachtet haben. So ist es schon erstaunlich, dass der
MDS erstmals 2003 (Gutachten vom 15.07.03) eingeschaltet worden ist. Im angefochtenen Bescheid vom 15.09.98 haben die Beklagten noch ausdrücklich betont, dass eine Prüfung des therapeutischen Nutzens nicht erfolgt sei. Der Senat hat jedoch (siehe
BSG, Urt. vom 28.09.2006,
a. a. O.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht selbst ermittelt, ob dem Produkt ein therapeutischer Nutzen zukommt. Die Entscheidung der Spitzenverbände der Krankenkassen über die Ablehnung eines Antrages auf Aufnahme in das HM- Verzeichnis ist in vollem Umfang überprüfbar. Das Gericht ist bei der Prüfung weder auf den medizinisch-technischen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung noch auf die Beurteilung allein der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen beschränkt. Die Tatsacheninstanzen haben den Sachverhalt umfassend, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, aufzuklären (§ 103 Satz 1, § 106
Abs. 3
Nr. 5
SGG), wobei für die Entscheidung der Sach- und Streitstand sowie der medizinisch-technische Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist. Erst wenn sich nach Ausschöpfung aller gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten die Funktionstauglichkeit, die Qualität und/ oder der therapeutische Nutzen eines neuen HM s nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt (
vgl. BSG SozR
Nr. 62 zu § 542
a. F. Reichsversicherungsordnung - RVO -), ist die Klage nach der Beweislastregel des § 139
Abs. 2
S. 1
SGB V abzuweisen (
BSG, Urt. vom 28.09.2006,
a. a. O.).
Die Anforderungen an den Nachweis der Funktionstauglichkeit, der Qualität und des therapeutischen Nutzens haben sich nach der
o. g. Entscheidung des
BSG vom 28.09.2006 an den Aufgaben und Zielen der
GKV zu orientieren,
d. h. sie müssen dazu dienen, die Krankenbehandlung
bzw. den Behinderungsausgleich nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts (
§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) sicherzustellen (
BSG SozR 3-2500 § 139
Nr. 1 mit weiterem Nachweis). Das Gesetz beschreibt die insoweit maßgebenden Kriterien in
§ 135 Abs. 1 S. 1 SGB V im Hinblick auf die Bewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.
Nach § 135
Abs. 1
SGB V (in der ab 1. Januar 2004 gültigen Fassung durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz vom 14.11. 2003, BGBl I 2190) dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkasse erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung. Der Nutzen einer Methode ist dabei durch qualitativ angemessene Unterlagen zu belegen (§ 20
Abs. 2
S. 1 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 20.09.2005 -VerfO-,
BAnz Nr.244 vom 24.12.2005,
S. 16998). Dies sollen, soweit möglich, Unterlagen der Evidenzstufe 1 mit patientenbezogenen Endpunkten
(z. B. Mortalität, Morbidität, Lebensqualität) sein (§ 20
Abs. 2
S. 2 VerfO). Soweit qualitativ angemessene Unterlagen dieser Aussagekraft nicht vorliegen, erfolgt die Nutzen-Schaden-Abwägung einer Methode gemäß § 20
Abs. 2
S. 4 VerfO auf Grund qualitativ angemessener Unterlagen niedrigerer Evidenzstufen. Die Anerkennung des medizinischen Nutzens einer Methode auf Grundlage von Unterlagen einer niedrigeren Evidenzstufe bedarf jedoch - auch unter Berücksichtigung der jeweiligen medizinischen Notwendigkeit - zum Schutz der Patienten umso mehr einer Begründung, je weiter von der Evidenzstufe 1 abgewichen wird. Dafür ist der potentielle Nutzen einer Methode insbesondere gegen die Risiken der Anwendung beim Patienten abzuwägen, die mit einem Wirksamkeitsnachweis geringerer Aussagekraft einhergehen (§ 20
Abs. 2 Sätze 5 und 6 VerfO).
Für die Bewertung von neuen HM n kann nach Auffassung des
BSG (Urt. vom 28.09.2006,
a. a. O.) jedenfalls dann grundsätzlich nichts anderes gelten, wenn es um ein HM geht, das der Anwendung einer neuen Behandlungsmethode dient. Dann ist zunächst die Anerkennung der neuen Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135
SGB V herbeizuführen, ehe das der Durchführung dieser neuen Methode dienende HM überhaupt in das HM-Verzeichnis aufgenommen werden kann. Etwas anderes gilt jedoch dann - und um einen solchen Fall handelt es sich hier auch nach Auffassung des beigeladenen Gemeinsamen Bundesausschusses -, wenn ein Hersteller ein neues HM auf den Markt bringt, das nicht der Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dient, sondern im Rahmen einer eingeführten, anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz kommen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat jedenfalls nicht reklamiert, dass die Sturzprophylaxe eine neue Behandlungsmethode darstelle, sondern im Hinblick auf die von ihm vertretene Gegenansicht seine Beiladung gerügt. Die Beweisanforderungen des § 135
SGB V gelten aber nur für neue Behandlungsmethoden.
Soweit § 139
Abs. 2
SGB V für HM ausdrücklich den Nachweis eines therapeutischen Nutzens verlangt, bedeutet dies nicht, dass für HM jeglicher Art auch die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden müssen. Dies hängt vielmehr in erster Linie davon ab, ob es sich um ein HM handelt, welches therapeutischen Zwecken dient, oder ob es sich um ein HM ausschließlich zum bloßen Behinderungsausgleich
bzw. der -vorbeugung handelt. Im letzteren Fall ist der Nachweis eines therapeutischen Nutzens, der über die Funktionstauglichkeit zum Ausgleich der Behinderung hinausgeht, schon von der Zielrichtung des HM s nicht geboten und in der Regel auch nicht möglich (
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 8). Das Gesetz verlangt nur den Nachweis eines "therapeutischen Nutzens" eines neuen HM s, nicht aber einen therapeutischen Zusatznutzen oder Vorteil gegenüber der bisherigen Behandlungsweise.
Die Funktionstauglichkeit und die Qualität der Produkte der Klägerin sind nachgewiesen, ohne dass es insoweit noch einer weiteren Beweisführung durch Anwendungsstudien oder Sachverständigengutachten bedurfte. Im Rahmen der Prüfung zur Aufnahme in das HM-Verzeichnis ist nämlich zu berücksichtigen, dass die meisten HM - wie auch hier - Medizinprodukte im Sinne des MPG sind und deshalb nur in den Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie mit einer CE- Kennzeichnung versehen sind. Voraussetzung für diese Kennzeichnung ist, dass die grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG erfüllt sind und ein für das jeweilige HM vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist. Diese Voraussetzungen sind bei dem hier streitigen HM erfüllt. Damit ist davon auszugehen, dass das HM grundsätzlich geeignet ist, den medizinischen Zweck zu erfüllen, den es nach den Angaben des Herstellers besitzen soll, und dass es die erforderliche Qualität besitzt, die notwendig ist, um die Sicherheit seines Benutzers zu gewährleisten (
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 8). Mit der CE-Kennzeichnung ist ein HM im Sinne der Produktsicherheit und Zwecktauglichkeit auch im krankenversicherungsrechtlichen Sinne funktionstauglich, ohne dass dies von den Krankenkassen oder Gerichten noch eigenständig zu prüfen wäre (
vgl. auch Seidel/Hartmann, Neue Zeitschrift für Sozialrecht - NZS - 2006, 511); der CE- Kennzeichnung kommt insoweit eine Tatbestandswirkung zu (
BSG,
a. a. O.).
Ob und in welchem Umfang in Einzelfällen auf Grund besonderer Umstände über die CE-Kennzeichnung hinaus weitere Prüfanforderungen zu verlangen sind, um den Nachweis der Funktionstauglichkeit und Qualität zu führen (
vgl. das "Positionspapier der Spitzenverbände der Krankenkassen/Pflegekassen zu den Anforderungen an Medizinprodukte für die Aufnahme in das HM - Verzeichnis nach
§ 128 SGB V oder Pflege-HM-Verzeichnis nach
§ 78 SGB XI vom 4. April 2006), braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Dass es dem streitgegenständlichen Produkt trotz CE-Kennzeichnung an der Funktionstauglichkeit oder Qualität im Sinne des § 139
SGB V mangele, machen auch die Beklagten nicht geltend.
Soweit diese allerdings meinen, einer Aufnahme des Hüftprotectors in das HM-Verzeichnis stehe entgegen, dass die Produkte der Klägerin unwirtschaftlich seien, da sie vielfach mangels Compliance der Versicherten ungenutzt blieben und die Tragehäufigkeit im Laufe der Zeit abnehme, ist darauf hinzuweisen, dass die Aufnahme neuer HM in das HM-Verzeichnis nach § 139
Abs. 2
S. 1
SGB V grundsätzlich nur voraussetzt, dass der Hersteller die Funktionstauglichkeit, den therapeutischen Nutzen und die Qualität des HM s nachweist. Anders als § 135
Abs. 1
Nr. 1
SGB V, wonach der Gemeinsame Bundesausschuss neben dem therapeutischen (
bzw. diagnostischen) Nutzen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode auch deren "medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit" bewertet, kennt § 139
Abs. 2
SGB V einen solchen Prüfauftrag nicht.
Im Rahmen der HM-Versorgung wird dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot (
§ 12 SGB V) dadurch Rechnung getragen, dass die Beklagten zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen, funktionsgerechten und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit HM n Qualitätsstandards entwickeln sollen (§ 139
Abs. 1
S. 1
SGB V), in die auch die Frage der Sicherstellung entsprechender Compliance des Versicherten einfließen könnte.
Die Aufnahme des streitgegenständlichen HM s in das HM-Verzeichnis bedeutet im Übrigen nicht, dass dem Hersteller
bzw. Vertreiber der Produkte kein alleiniges Bestimmungsrecht bei der Preisgestaltung zukäm. Soweit die Produkte im Rahmen der stationären Versorgung eingesetzt werden, gehen ihre Kosten ohnehin in die Pflegesätze oder Fallpauschalen ein (
vgl. § 2 Krankenhausentgeltgesetz), die von den Krankenkassen vereinbart werden. Im ambulanten Bereich können die Krankenkassen über HM mit den Leistungserbringern Verträge schließen, soweit sie nicht ohnehin Leistungshöchstgrenzen durch Festbeträge bestimmen (
§ 127 SGB V). Einen Rationalisierungseffekt durch Verwendung der Produkte in der vertragsärztlichen Praxis können die Kassen durch Hinwirken auf eine Absenkung der Gebühren Rechnung tragen. Schließlich hat die einzelne Krankenkasse insoweit Einfluss auf die Kosten, als sie jede Verordnung eines HM s genehmigen muss (siehe zu dem Problemkreis:
BSG, Urt. vom 28.09.2006,
a. a. O.). Die Aufnahme des streitgegenständlichen HM s in das HM- Verzeichnis muss also nicht zwangsläufig zu höheren Kosten bei der Behandlung des Versicherten in den betroffenen Indikationsbereichen führen. Im Übrigen kommt auch dem Beigeladenen über die vom diesem gegebenenfalls zu erstellende Arztinformation (II
Nr. 8.3 der HM-Richtlinie) marktsteuernde Funktion zu, ohne dass dieser Aspekt Streitgegenstand wäre ( siehe
BSG, Urt. vom 28.09.2006,
a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG in der hier noch anwendbaren und bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung (
vgl. § 197a
SGG i. V. m. Art 17
Abs. 1
S. 2 des 6.
SGG-Änderungsgesetz vom 17.08.2001, BGBl I 2144).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG zugelassen.